Parlamentskorrespondenz Nr. 166 vom 04.03.2009

Finanzausschuss nimmt Arbeit an der Steuerreform auf

Der Regierungsentwurf auf dem Prüfstand von Wirtschaftsexperten

Wien (PK) - Wird die Stärkung der Kaufkraft durch die Einkommensteuerreform die schwache Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen stärken? - Ist der erhöhte Freibetrag für investierte Gewinne, der neue "Gewinnfreibetrag", ein Anreiz für die Betriebe, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen? - Wird die Absetzbarkeit von Spenden für mildtätige Zwecke das soziale Engagement von Menschen und Unternehmen stärken? - Welche Vorteile können Frauen, Männer und Familien von der Steuerreform erwarten? - Und vor allem: Wirken die insgesamt 3 Mrd. Euro, die die Regierung mit der geplanten Steuerreform "in die Hand nimmt" gegen die aktuelle Wirtschaftskrise? - Diese und viele weitere Fragen richteten die Abgeordneten zum Start der parlamentarischen Arbeit am Steuerreformgesetz 2009 (54 d.B.) im heutigen Finanzausschuss an die Wirtschaftsexperten Univ.-Prof. Hans-Joachim Bodenhöfer (Universität Klagenfurt), Otto Farny (Bundesarbeitskammer), Alfred Fenzl (Wirtschaftstreuhänder-Steuerberater), Gerhard Lehner und Bruno Rossmann (Arbeiterkammer Wien).

Abgeordneter Josef Bucher (B) leitete eine erste Fragerunde an die Experten ein, indem er sich nach den vorrangigen Zielen einer Steuerreform in Österreich erkundigte und dazu die Vorstellungen des BZÖ unterbreitete. Das viel zu komplizierte Steuerrecht sollte nach dem Vorbild vieler neuer EU-Mitgliedsländer vereinfacht sowie leistungsfördernder und zugleich sozial ausgewogener gestaltet werden. Bucher verwies dabei auf die Vorschläge seiner Partei für eine soziale Flat Tax.

Abgeordneter Bernhard Themessl (F) sah die Aufgabe einer Steuerreform vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise in erster Linie darin, Kaufkraft zu stärken und die Wirtschaft anzukurbeln. Der vorgelegte Entwurf reiche dafür aber bei weitem nicht aus. Um der Krise wirksam entgegenzutreten, müsste Österreich 13 bis 14 Mrd. € aufwenden. Alle auf dem Tisch liegenden Konjunkturmaßnahmen umfassten aber lediglich ein Volumen von 5 Mrd. €.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) interessierte sich für die Auswirkungen des Steuerreformentwurfs auf Konjunktur, Nachfrage, Beschäftigung und auf seine Verteilungswirkung.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) äußerte den Wunsch, die Steuerreform mit Rücksicht auf die angestrebten Konjunkturwirkungen stärker auf die untersten Einkommen zu konzentrieren und dabei auch die Sozialabgaben nicht außer Acht zu lassen. Dies deshalb, weil Wirtschaftsforscher mit dem unerwünschten Effekt einer höheren Sparneigung infolge der Steuerentlastung rechneten. Es sei notwendig, Steuern auf Arbeit stärker zu entlasten als vorgesehen, sagte Van der Bellen, und drängte zugleich auf konjunkturpolitisch "unschädliche" Gegenfinanzierungen, da für ihn die Frage noch unbeantwortet sei, wie die Ausweitung der Defizite in den kommenden Jahren finanziert und die Gefahr eines finanziellen "Crowding out" vermieden werden könne.

Abgeordneter Jakob Auer (V) wollte wissen, wie groß das Ausmaß der Konjunkturbelebung durch die Steuerreform zu beziffern sei und was man tun könne, um die Steuergutschriften der Bürger so rasch wie möglich in den Konsum zu bringen. Bedauern zeigte Auer darüber, dass man statt eines Familiensplittings einen Gewinnfreibetrag eingeführt habe.

Hans-Joachim Bodenhöfer: Steuerreform kommt zum richtigen Zeitpunkt

Univ.-Prof. Hans-Joachim Bodenhöfer (Universität Klagenfurt) sah die Steuerreform 2009 zum richtigen Zeitpunkt kommen und Impulse für die Kaufkraft und die Investitionstätigkeit der Wirtschaft geben. Eine Reform sei sie eigentlich nicht, sondern eine Tarifanpassung, die aber größer sein müsste, um die kalte Progression der letzten Jahre auch kaufkraftbereinigt zu korrigieren. Einkommen bis 11.000 € jährlich steuerfrei zu stellen, sei im internationalen Vergleich sehr großzügige, sagte der Experte, hielt aber die starke Progression über 11.000 € für problematisch, zumal die Menschen weniger den Durchschnittssteuersatz als vielmehr den Grenzsteuersatz wahrnehmen, etwa bei Lohnerhöhungen und bei der Abgeltung von Überstunden. Bodenhöfer plädierte weiters für eine Vereinfachung des Steuersystems, um Administrations- und Kontrollkosten zu sparen und die Steuergerechtigkeit zu erhöhen. Die Auswirkungen der Maßnahmen auf Konjunktur und Beschäftigung hielt der Experte für unsicher, er sah aber keine Alternative zu Defizitfinanzierungen, wenn man den Konjunktureinbruch abmildern und dafür sorgen wolle, dass der Wendepunkt der Krise rascher erreicht werde.

Otto Farny rechnet mit 13.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen   

Otto Farny (Bundesarbeitskammer) referierte die Ergebnisse einer WIFO-Studie, die zeige, dass die größte konjunkturelle Wirkung von der Entlastung des untersten Drittels der Einkommensbezieher ausgehe. Würde man hier um 1 % des BIP entlasten, könnte man einen BIP-Zuwachs von 0,9 % und eine Beschäftigungswirkung von 17.500 Arbeitsplätzen erreichen. Wegen der Sparneigung höherer Einkommen betragen die Werte im zweiten Terzil der Einkommen 0,6 % und 9.500 Arbeitsplätze. Da der Schwerpunkt der geplanten Steuerreform beim unteren Einkommensdrittel liege, bezifferte Farny die tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen mit einem BIP-Zuwachs von 0,7 % und 13.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Wichtig sei, dass diese Maßnahmen jetzt kommen, da der Beschäftigungseinbruch im Februar 2009 Anlass zur Sorge gebe. Insgesamt seien die Verteilungswirkungen der geplanten Steuerreform positiv zu sehen, sie sorge für eine ausgeglichenere Verteilung als bisher. Die Sorge wegen einer steigenden Sparquote teilte der Experte nicht, Kurzarbeiter und Arbeitslose haben keine Möglichkeit zu sparen, sagte Otto Farny.

Alfred Fenzl: Ein "Paketchen" ohne ausreichende Konjunkturwirkung    

Alfred Fenzl (Wirtschaftstreuhänder-Steuerberater) nannte den Regierungsentwurf für eine Steuerreform ein "Paketchen", das fast keinen Inhalt habe, die Inflation kaum abdecke und keine Aussicht biete, die Arbeitslosigkeit und die Kurzarbeit abzumildern. Der Patient Wirtschaft erhalte eine "Wassersuppe mit ein paar Backerbsen", statt in der Intensivstation behandelt zu werden. Die Familien erhielten kaum mehr Geld, um ihren Kindern ein höheres Taschengeld zu zahlen. Die Vorteile der Reform würden eher höheren Einkommen als den untersten Einkommen zugute kommen und die Privilegien der Unselbständigen gegenüber den selbständig Erwerbstätigen blieben beim Jahressechstel aufrecht. So könne man die Konjunktur nicht beleben, stellte der Experte fest und plädierte dafür, Sonderausgaben abzugsfähig zu machen.

Gerhard Lehner: Wir brauchen jeden Euro zur Konjunkturstabilisierung 

Gerhard Lehner (Wifo) bezog die geplanten Maßnahmen bei der vorzeitigen Abschreibung von Investitionen in die Betrachtung der vorliegenden Steuerreformvorschläge ein und stellte fest, dieses Gesamtpaket mit 4 Mrd. € übertreffe den Umfang aller bisherigen Steuerreformen und könne durchaus dazu beitragen, die Konjunktur zu beleben und die wirtschaftliche Talfahrt abzubremsen. Er rechne mit einem Anstieg der Sparquote, weil in Krisenzeiten das Phänomen des "Angstsparens" beobachtet werde, aber die Reform lasse eine Ausweitung des Konsums und der Investitionen infolge der steuerlichen Entlastung der Unternehmen erwarten.

Um eine Steuerreform handle es sich streng genommen nicht, sondern um eine Entlastung, bei der man bis an die Grenze des Möglichen gehe. Die Gefahr ausufernder Zinsen sehe auch er, aber dabei handle es sich um ein internationales Phänomen. Nachdenken sollte man laut Lehner auch darüber, Steuergutschriften für den Konsum zu mobilisieren. "Wir brauchen jeden Euro, um die Konjunktur zu stabilisieren."

Bruno Rossmann: Kleine Einkommen und Faktor Arbeit stärker entlasten

Bruno Rossmann (Arbeiterkammer Wien) hielt die Prognose für eine Beschäftigungswirkung von zusätzlichen 13.000 Arbeitsplätzen und einem BIP-Zuwachs von 0,7 % infolge der Steuerreform für zu optimistisch, weil jene Menschen, die die höchste Konsumneigung haben, nämlich die kleinsten Einkommen, die keine Lohnsteuer zahlen, von der Reform nicht berücksichtigt werden. Er rechne damit, dass die Sparquote auf 13,1 % ansteigen und der Beschäftigungseffekt lediglich bei 10.000 Arbeitsplätzen liegen werde. Notwendig wäre gewesen, das Steuersystem strukturell zu reformieren, den Faktor Arbeit stärker zu entlasten und die Vermögen zur Gegenfinanzierung heranzuziehen. Ziel müsse es sein, Kapitaleinkommen steuerlich gleich zu behandeln wie Arbeitseinkommen. Viel stärker hätte man auch die ökologischen Ziele einer Steuerreform ins Auge fassen müssen. Die Finanzierung der steigenden Staatsschuld mache eine echte Verwaltungs- und Bundesstaatsreform und die Besteuerung von Vermögen unerlässlich, zeigte sich der Experte überzeugt.

Finanzminister Pröll kündigt automatische Arbeitnehmerveranlagung an   

Finanzminister Josef Pröll wies darauf hin, dass die vorliegenden Maßnahmen vergangene Steuerreformen an Umfang und Auswirkungen übertreffen, an eine Strukturreform sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht gedacht, dies würde wesentlich mehr Vorbereitung erfordern und stehe der Notwendigkeit entgegen, rasch auf die Krise zu reagieren. Die Steuerreform bestehe daher aus einem Einkommenssteuer-, Familien- und Unternehmenspaket, bringe für Unternehmer ein Äquivalent zur Jahressechstelbegünstigung der Arbeitnehmer und sei leistbar; das Ziel, die Verschuldungsgrenze in den Jahren 2011 bis 2013 wieder in einen vertretbaren Rahmen zu bringen, bleibe erreichbar.

Eine soziale Schieflage könne er nicht erkennen, sagte der Finanzminister, und machte auf die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für das unterste Einkommensterzil aufmerksam. Die Leistungen für die Familien werden um insgesamt 500 Mill. € erhöht - das könne sich sehen lassen. In Summe wende Österreich einen Betrag in der Höhe von zwei Prozent des BIP auf, um die Konjunktur anzukurbeln, mehr als jedes andere Land in der Europäischen Union. Das Geld werde rund um Ostern an die Steuerpflichtigen und an die Familien fließen, teilte der Minister mit und stellte im Hinblick auf eine Strukturreform des Steuerwesens noch für die laufende Gesetzgebungsperiode die Einführung einer automatischen Arbeitnehmerveranlagung in Aussicht.

Staatssekretär Andreas Schieder sprach von einer sozial ausgewogenen Steuerreform, mit der Österreich im europäischen Spitzenfeld liege. Die Zielgruppen seien untere und mittlere Einkommen, hielt Schieder fest und bezifferte den Anteil der Entlastung von Einkommen unter 4.000 € mit 88 % der Gesamtentlastung. 160.000 Menschen werden durch die Steuerreform von der Lohn- und Einkommenssteuer befreit. Auch für Schieder kommt diese Reform aus konjunkturpolitischen Gründen zum richtigen Zeitpunkt.

In weiteren Frage-Antwort-Runden zwischen den Abgeordneten und den Experten standen zunächst die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf verschiedene Gruppen von SteuerzahlerInnen und auf die Familien zur Diskussion. Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) erkundigte sich nach den Entlastungseffekten für verschiedene Gruppen von ArbeitnehmerInnen, Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) nach der Treffsicherheit des Familienentlastungspakets, während Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) darauf hinwies, dass das französische Familienbesteuerungsmodell wohlhabende Paare ohne Kinder am stärksten entlastet hätte. Nachzudenken sei über eine stärkere Einbeziehung von Nicht-Arbeitseinkommen in die Besteuerung. Abgeordneter Werner Kogler (G) nannte die Abschaffung von Stock Options vernünftig und klagte darüber, dass Familien mit einem höheren Einkommen vom Familienpaket stärker profitierten. Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) trat einmal mehr für ein Familiensplitting ein, um auch die Arbeit von Frauen zu berücksichtigen, die sich selbst um ihre Kinder kümmern.

Bruno Rossmann (Arbeiterkammer Wien) stellte die Verteilungsgerechtigkeit bei der Steuerreform in Abrede, weil bei den untersten Einkommensbeziehern nicht berücksichtigt wurde, dass diese lediglich von der Lohn- und Einkommenssteuer befreit seien, nicht aber von den Verbrauchssteuern. Man könne nicht von Gerechtigkeit sprechen, wenn diese große Gruppe 300 Mill. € Entlastung erhalte, die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher aber 480 Mill. €. Auch vom Familienpaket profitierten die mittleren und höheren Einkommen und insbesondere Alleinverdiener am meisten, klagte Rossmann.

Gerhard Lehner bejahte die Frage, ob man bei der Reform der Familienbesteuerung auf dem richtigen Weg sei, wies auf den neuen Kinderfreibetrag und auf den Mix aus Transfers und Freibeträgen hin. Langfristig gehe es darum, die Frauenarbeitsquote zu steigern, daher sei es auch richtig, Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen zu begünstigen.  

Otto Farny (Bundesarbeitskammer) beurteilte die Steuerreform in ihren Auswirkungen auf atypisch Beschäftigte sehr kritisch, weil die Kombination des Gewinnfreibetrags und der pauschalierten Begünstigung von Betriebsausgaben den Trend in Richtung atypische Arbeitsverhältnisse verstärken werde. Farny trat für die Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs ein.

Univ.-Prof. Hans-Joachim Bodenhöfer (Universität Klagenfurt) hielt das österreichische Familienförderungssystem für international vorzeigbar und begrüßte auch die neuen Maßnahmen, regte aber zugleich an, das komplizierte System in Zukunft transparenter zu gestalten. Dies gelte aus seiner Sicht für das gesamte österreichische Steuerrecht, das in Richtung eines Flat-Tax-Modells weiterentwickelt werden sollte. Ausnahmen sollten gestrichen und stattdessen die Tarife gesenkt werden. Es gelte, verstärkte Anreize für Leistungsträger und Facharbeiter zu setzen.

Für Abgeordneten Peter Westenthaler (B) war das Volumen der Steuerreform viel zu klein, sodass sie nicht einmal imstande sei, die kalte Progression abzugelten oder Anreize für mehr Leistung und Überstunden zu setzen. Als Möglichkeit, Beschäftigung zu schaffen, schlug Westenthaler vor, den vielen Ein-Personen-Unternehmen steuerliche Anreize für die Beschäftigung von Arbeitnehmern zu bieten.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) konzedierte der Regierung, bei dieser Steuerreform auch budgetpolitisch mit Verantwortung zu handeln und sprach die Erwartung aus, dass Steuerreform, Konjunkturpakete, die guten Lohnabschlüsse des Herbstes und die niedrige Inflation einen Anreiz für mehr Konsum bieten werden. Als einen Wermutstropfen bezeichnete es Bartenstein, dass die kalte Progression nicht zur Gänze ausgeglichen werde.

Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) erkundigte sich nach der Finanzierung des steigenden Zinsenaufwands infolge der Defizitausweitung und hielt fest, das Familienpaket stelle durchaus einen Reformansatz im Steuersystem dar.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) rechnete für 2010 mit neuerlich explodierenden Ölpreisen und trat daher für eine aufkommensneutrale Ökologisierung des Steuersystems ein. Außerdem forderte die Rednerin die vorgesehene Spendenbegünstigung auch für Umwelt- und Tierschutzorganisationen. Ihre Frage nach Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommenssituation von Frauen beantwortete Abgeordneter Christoph Matznetter (S) mit dem Hinweis auf die geplanten Erleichterungen beim Zugang von Müttern zum Arbeitsmarkt. Matznetter war überzeugt, dass es gelingen werde, mehr Kaufkraft zu den Menschen zu bringen, und damit der Krise entgegen zu wirken. Ausdrücklich begrüßte der Abgeordnete auch die Investitionsbegünstigung und zeigte sich erleichtert über den Entfall der bisherigen Gewinn-Begünstigung in Unternehmen, von denen lediglich Unternehmer profitierten, "die ihren Betrieb als Sparkasse nutzen konnten", etwa Apotheken oder Steuerberater. Die Masse der KMU müsse aber von den Gewinnen leben.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) sprach von einer Reform, die in die richtige Richtung weise. Sie komme aber zu spät, greife zu kurz und wirke zu wenig gegen die Armut der untersten Einkommensbezieher. Man sollte sich ein Beispiel an Barack Obama nehmen und viel mehr Geld zur Bewältigung der Krise aufwenden.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) erinnerte an einen offenen Brief renommierter amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, die gegenüber dem Konjunkturprogramm Barack Obamas ins Treffen führten, es entspreche dem Prinzip Hoffnung, nicht aber der Erfahrung. Stummvoll fragte, wer von den anwesenden Experten diesen Brief auch unterschrieben hätte.

Finanzminister Josef Pröll hielt zunächst fest, mit der steuerlichen Begünstigung der Ausgaben für die Kinderbetreuung sei kein Zwang bei der freien Wahl der Eltern für Kinderbetreuungseinrichtungen oder für die Betreuung der Kinder in der Familie verbunden. Hinsichtlich des amerikanischen Konjunkturpakets sagte Pröll, man dürfe nicht nur an die nächsten Monate, sondern müsse auch an die Zeit nach dem Ende der Krise denken. Alle Konjunkturmaßnahmen der Regierung zusammen umfassten 6 Mrd. €, 3 Mrd. davon würden heuer budgetwirksam. Das Bankenpaket zähle nicht zu dieser Berechnung.

Die Spendenbegünstigung gelte zunächst bewusst für Organisationen, die sich der Hilfe für Menschen widmen. Bei der Evaluierung der Spendenbegünstigung in zwei Jahren sei er bereit, über eine Ausweitung auf andere Organisationen zu diskutieren.

Staatssekretär Andreas Schieder bekannte sich nachdrücklich dazu, mittelfristig über eine strukturelle Steuerreform nachzudenken, dabei auch Überlegungen zu einer Senkung des Einstiegssteuersatzes anzustellen, den Spitzensteuersatz aber beizubehalten. Den zitierten Brief an Präsident Obama hätte er nicht unterzeichnet, sagte Schieder. Die USA bräuchten große Konjunkturpakete, weil sie, anders als Europa, kaum automatische Stabilisatoren besäßen. Obama liege mit seiner Wirtschaftspolitik psychologisch richtig, meinte Schieder und appellierte an die Opposition, mehr auf Optimismus zu setzen.

Univ.-Prof. Hans-Joachim Bodenhöfer (Universität Klagenfurt) klagte über eine schlechte Datenlage bei der Beurteilung der Verteilungswirkung des Einkommenssystems, sowie über die hohen administrativen Kosten des Umverteilungssystems. Den Brief der Wirtschaftsexperten an Präsident Obama hätte er mit unterschrieben, sagte der Experte, als amerikanischer Abgeordneter hätte er dem Konjunkturprogramm Obamas aber zugestimmt.

Otto Farny (Bundesarbeitskammer) schlug bei der Förderung wohltätiger Organisationen ein anderes Förderungsinstrument als Steuerbegünstigungen vor, etwa eine Verdoppelung von Spenden durch den Staat. Bei der Diskussion um den Spitzensteuersatz riet der Experte, die ganze Wahrheit zu beachten, etwa, dass in Ländern mit niedrigeren Steuersätzen die Familienbeihilfe bei hohen Einkommen reduziert werde. Beim Vergleich von Vor- und Nachteilen in der Besteuerung Selbstständiger und Unselbstständiger gab Farny zu bedenken, die Einkommen Unselbständiger würden steuerlich insgesamt stärker erfasst als die Einkommen selbständig Erwerbstätiger. Er sah darin einen Einwand gegen die formale Gleichstellung durch das Äquivalent "Gewinnbegünstigung" für Selbstständige.

Alfred Fenzl (Wirtschaftstreuhänder-Steuerberater) teilte diese Auffassung seines Vorredners nicht und merkte überdies an, dass die Unternehmereinkommen kein Risikoentgelt enthielten.

Gerhard Lehner würdigte die Senkung der KÖST und die Einführung der Gruppenbesteuerung im Rahmen der Steuerreform 2004/2005, hielt aber fest, dass die aktuelle Steuerreform einen größeren Umfang habe. Beim Spitzensteuersatz habe Österreich wegen der Konkurrenz der angrenzenden Niedrigsteuerländer im Osten Nachholbedarf. Den Gewinnfreibetrag sah Lehner weniger als ein Äquivalent für das begünstigte Jahressechstel der Unselbstständigen, sondern als Maßnahme zur Eigenkapitalstärkung der Unternehmen. Eine Umstrukturierung des Steuersystems sei langfristig notwendig, man müsse dabei allerdings die Budgetprobleme im Auge behalten, meinte der Ökonom. Den kritischen Brief für Obama hätte er nicht unterschrieben, sagte Lehner und sprach die Erwartung aus, die USA würden sich schneller von der Krise erholen, als viele glaubten. Für Österreich hoffe er, dass es besser durch die Krise kommen werde als andere Länder. 

Bruno Rossmann (Arbeiterkammer Wien) machte zunächst darauf aufmerksam, dass der Spitzensteuersatz wegen der Jahressechstelregelung real nicht 50 %, sondern 43,7% betrage. Die stärkere Einbeziehung der höheren Einkommen sowie der Vermögen in die Finanzierung der Budgetdefizite sei notwendig, weil es ungerecht wäre, die kleinen Einkommen, die von der Krise stärker betroffen werden als die höheren, nach der Krise stärker zur Finanzierung der Krisenprogramme heranzuziehen. Auch Rossmann wandte sich gegen die Kumulierung der Betriebsausgabenpauschalierung und des Gewinnfreibetrags und plädierte hinsichtlich einer Strukturreform des Abgabensystems für eine Entlastung des Faktors Arbeit.

Einmal mehr sprach sich der Experte auch für eine aufkommensneutrale und ökosoziale Steuerreform aus, weil er davon ausgehe, dass der nächste Konjunkturzyklus von Investitionen in die Effizienz der Energieversorgung getragen sein werde, mehr noch, er rechne mit einem neuen Kontradieff-Zyklus im Zeichen neuer Energietechnologien.

Die Beratungen über die Steuerreform 2009 werden im morgigen Finanzausschuss fortgesetzt.   

Eingangs der öffentlich abgehaltenen Ausschusssitzung hatte Abgeordneter Peter Westenthaler (B) beantragt, in der morgigen Sitzung des Finanzausschusses den Generaldirektor der Erste Bank, Andreas Treichl, als Auskunftsperson zu laden, um den Abgeordneten Gelegenheit zu geben, Informationen über die Bedingungen der staatlichen Kapitalspritze von 1,9 Mrd. € an das Institut zu erhalten. Der Antrag wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt. Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) verwies auf eine diesbezügliche informelle Aussprache der Fraktionssprecher im Finanzausschuss mit Notenbankgouverneur Ewald Nowotny und mit der FMA-Spitze. Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) hielt es für ausgeschlossen, über die Kreditvergaben einer Bank öffentlich zu diskutieren. Abgeordneter Werner Kogler (G) hielt es zwar für möglich, globale Auskünfte über Kreditvergaben von Bankmanagern zu erfragen, plädierte aber für die Einberufung einer eigenen Ausschusssitzung und die Ladung von Vertretern aller betroffenen Banken. Diesem Vorschlag schloss sich Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) an. (Schluss)