Parlamentskorrespondenz Nr. 384 vom 06.05.2009

Die Budgetpolitik der Regierung im Urteil der Experten

Hohe Defizite drohen, Pröll will ausgabenseitig konsolidieren

Wien (PK) - 2009: 77,492 Mrd. €; 2010: 70,778 Mrd. €; 2011: 71,222 Mrd. €; 2012: 73,308 Mrd. €; 2013: 74,662 Mrd. € - so lauten die jährlichen Ausgabenobergrenzen im Gesetzentwurf für die beiden Bundesfinanzrahmen bis 2013, die der Budgetausschuss heute unter der Leitung seines Obmannes Jakob Auer in Verhandlung nahm (110 d.B.). Die Differenz zwischen den Ausgabenobergrenzen und den zu erwarteten Einnahmen wird für 2009 gegenüber dem Vorjahr von 9,564 Mrd. € auf 13,6 Mrd. € steigen und auch 2013 noch 12,1 Mrd. € ausmachen. Damit wird die Herausforderung deutlich, vor der die Haushaltspolitik in der näheren Zukunft steht: Die Rezession zieht hohe Defizite im Bundesbudget nach sich und lässt auch das Maastricht-Defizit des Gesamtstaates steigen. Dieses wächst 2009 von 0,4 % auf 3,5 % des BIP, erreicht 2010 einen Wert von 4,7 % und wird erst 2013 wieder sinken, auf 3,9 % des BIP. Die Staatsverschuldung nimmt bis 2013 in Relation zum BIP von 62,5 % auf über 78 % zu.

Ob diese - auf WIFO-Prognosen vom letzten März aufbauenden - Zahlen angesichts der zuletzt nach unten revidierten Wirtschaftsprognosen noch zutreffen, welche Maßnahmen gegen eine fortdauernde Krise sinnvoll wären und wie man die Defizite und Staatsschulden nach Bewältigung der Krise wieder zurückführen könne, waren die Hauptthemen im öffentlichen Expertenhearing, mit dem der Ausschuss auch die diesjährigen Budgetverhandlungen einleitete.

Josef Pröll: Eine solide Basis für die Bewältigung der Krise

Finanzminister Josef Pröll gab zunächst einen Überblick über die diszipliniert geführten Budgetverhandlungen auf Regierungsebene, in denen es aus seiner Sicht gelungen sei, ein stabiles Fundament für die Bundeshaushalte 2009 und 2010 zu erreichen. Österreich steuere mit zwei Konjunkturpaketen und dem Bankenpaket sowie mit der größten Steuerreform in der Geschichte der Republik gegen die Wirtschaftskrise, was dazu führe, dass die Budgetdefizite in den Jahren 2010 bis 2012 über 4 % liegen werden und erst im Jahr 2013 wieder unter diesen Wert sinken werden. Angesichts neuer, nach unten korrigierter Prognosen sei es nicht auszuschließen, dass sich Haushaltsdefizite und Schuldenquoten schlechter entwickeln könnten. Der Finanzrahmen bildet aber in jedem Fall eine tragfähige Basis für eine erfolgreiche Bewältigung der Krise, zeigte sich der Finanzminister überzeugt.

Abgeordneter Werner Kogler (G) fragte, ob die Daten noch zutreffen, die die Bundesregierung dem Finanzrahmen und dem Doppelbudget zugrunde gelegt haben. Neue schlechtere Daten ab 2010 lassen Defizite von rund 5 % befürchten, daher stelle sich die Frage, wie man Verschuldungsquoten von mehr als 80 % vermeiden und exorbitante Zinsbelastungen in Grenzen halten könne. Welche Sparpakete seien geplant, fragte Kogler, der auch wissen wollte, ob eine Konsolidierung des Budgets nach der Krise ohne einnahmenseitige Maßnahmen überhaupt möglich sei.

Abgeordneter Robert Lugar (B) zeigte sich erstaunt darüber, dass die Regierung bei ihrer Budgetplanung von optimistischen Annahmen und nicht von einen Worst Case-Szenario ausgegangen sei. Der Abgeordnete wollte auch wissen, welche Einsparungspotenziale - Pensionen, Verwaltung, Gesundheitssystem - gehoben werden sollen, und ob diese Budgets tatsächlich als eine "Kampfansage an die Krise" zu verstehen seien.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) sah den Sinn der heute beginnenden Budgetverhandlungen in Frage gestellt, da alle wüssten, dass die zugrundeliegenden Zahlen falsch seien. Die aktuelle Wachstumsprognose für 2009 laute nicht mehr auf minus 2,2 % wie noch im März, sondern auf ein Minus von 4 %. Der Redner erkundigte sich bei den Experten, ob weitere Prognoseverschlechterungen zu erwarten seien.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) hielt es für richtig, angesichts der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg Geld in die Hand zu nehmen und bewusst von dem 2002 eingeschlagenen Konsolidierungspfad abzuweichen. Zur Diskussion um die sich laufend ändernden Prognosedaten stellte der Abgeordnete fest: "Wir fahren im Nebel", sah aber keine Alternative zu den vorliegenden Budgets. Angesichts einer Zinsbelastung von 11,4 Mrd. € im Jahr 2013 plädierte Stummvoll dafür, die Balance zwischen Krisenbewältigung und Einsparungsmöglichkeiten auf der Ausgabenseite im Auge zu behalten.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) hielt Unsicherheiten bei der Einschätzung der Grundlagen eines Haushalts für unvermeidlich, man könne aber nicht darauf verzichten, ein Budget zu erstellen, umso mehr, als viele Ausgaben gut einschätzbar seien und das neue Haushaltsrecht die Möglichkeit biete, zwischen variablen und fixen Ausgaben zu unterscheiden. Sollte die Situation noch schlechter werden, sei es notwendig, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Beschäftigung zu sichern. Die Frage, wie man Defizite künftig verringere, ziehe die Frage nach sich, ob bei Sozialleistungen gespart, Steuern auf Arbeit erhöht oder Steuern auf Vermögen eingeführt werden sollen - und wie sich das jeweils auf die Beschäftigung auswirke.

Hans-Joachim Bodenhöfer warnt vor steigenden Zinsbelastungen 

Hans-Joachim Bodenhöfer sprach die Erwartung eines deutlich stärkeren Rückgangs der Wirtschaftsleistung aus, da der Konjunkturrückgang in Deutschland mit bis zu minus 6 % beziffert werde, was Auswirkungen auf Österreich habe. Für 2010 rechne er mit einer leichten Besserung der Wirtschaftslage und für 2011 mit einer deutlichen Verbesserung. Am Strategiebericht der Bundesregierung vermisse er Aussagen darüber, wie man die hohe Staatsverschuldung wieder reduzieren wolle, und welche Maßnahmen zur Konsolidierung geplant seien. Zur aktuellen Budgetpolitik sehe er kurzfristig keine Alternative, sagte der Experte, es gelte aber, sich rechtzeitig zu überlegen, wie man eine Zinsbelastung von 11 Mrd. € im Jahr 2013 vermeiden könne. Bodenhöfer empfahl, die Budgetnot zu nützen, um Reformwiderstände zu überwinden.

Gerhard Lehner: Alle Gruppen müssen zur Konsolidierung beitragen   

Gerhard Lehner wollte auf jedes Schönreden der überaus schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verzichten, gab aber seinen Eindruck wieder, in den internationalen Prognosen herrsche eine negative Tendenz, am Ende könnten bessere Daten vorliegen als heute angenommen. Der Experte erinnerte bei der Frage nach der Konsolidierung an Erfahrungen in den Jahren 1987 und 1996, als man es schaffte, von teilweise noch höheren Defiziten "wieder herunterzukommen". "Alle Gruppen müssen dazu beitragen", zeigte sich Lehner überzeugt und plädierte dafür, rechtzeitig die Arbeit an einem klaren Konsolidierungskonzept aufzunehmen. Zum vorliegenden Doppelbudget sehe er keine Alternative, wohl aber die Möglichkeit, allenfalls im kommenden Herbst Anpassungen für das Jahr 2010 vorzunehmen, wenn die Wirtschaftsprognose vom September ein klareres Bild über die weitere Entwicklung geben werde.

Bruno Rossmann: Doppelbudget angesichts neuer Prognosen "Makulatur"  

Bruno Rossmann nannte das vorliegende Doppelbudget angesichts der massiven Verschlechterungen in den Wirtschaftsprognosen "Makulatur". Für 2010 rechne er mit einer Defizitquote jenseits der 6 %. Da nicht ausreiche, was bisher gegen die Krise getan wurde, seien zusätzliche Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit notwendig. Rossmann plädierte für zusätzliche kommunale Investitionen sowie für Investitionen in die öffentlichen Verkehrsnetze. Um die soziale Sicherheit zu verbessern, bedürfe es der Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung und einer Erhöhung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung. "Wer heute von Keynes redet, muss sich Gedanken über die Zeit nach 2011 machen", sagte Rossmann weiter, das könne bedeuten, noch höhere Defizite in Kauf nehmen zu müssen, wenn die Arbeitslosigkeit nicht zurückgehe. Beim Thema Konsolidierung unterstrich Rossmann die Bedeutung von Investitionen in Forschung und Bildung sowie Maßnahmen auf der Einnahmenseite. Von einer Verwaltungsreform erwarte er nicht mehr als einen Budgeteffekt von 1 Mrd. €. Einnahmenseitig sollte der Fokus auf Steuern liegen, die nur geringe schädliche Auswirkungen auf das Wachstum haben. Die Besteuerung von Vermögen und die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer wären auch Maßnahmen zur Entlastung des Faktors Arbeit und zur Überwindung der Schieflage in der Steuergerechtigkeit.

Ewald Walterskirchen: Budgetschwerpunkte richtig gesetzt

Ewald Walterskirchen hielt Prognosen auch dann für sinnvoll, wenn sie unsicher seien. Die aktuelle Wachstumsprognose der EU-Kommission bezeichnete auch Walterskirchen als zu pessimistisch. Denn es gebe auch positive Nachrichten: aus den USA und aus Asien kämen Wirtschaftsdaten, die besser seien als zuletzt erwartet. Die Auswirkungen des Doppelbudgets auf das BIP quantifizierte Walterskirchen mit einem Wachstumsplus von 1,5 % und mit einem Arbeitsmarkteffekt von 30.000 Jobs; der Experte sah die Schwerpunkte in den Budgets richtig gesetzt, sah aber die Mittel für die Kurzarbeit zu gering angesetzt und meinte, man hätte auch mehr Geld für die thermische Sanierung bereitstellen können, da dies große Multiplikatoreffekte hätte. Die Konsolidierung des Budgets werde nicht nur ausgabenseitig möglich sein, Nulllohnrunden würden angesichts der niedrigen Inflation budgetär deutlich weniger bringen als in den achtziger und neunziger Jahren.

Ulrich Wlecke für institutionelle Schuldenbremse

Auch Ulrich Wlecke bekannte sich zur Sinnhaftigkeit von Prognosen, auch wenn diese schwierig und unsicher seien. Er rechne mit stärker steigenden Defiziten, weil die steigende Arbeitslosigkeit das Budget stärker belasten werde und gleichzeitig Einnahmen wegbrechen werden. Angesichts von Defiziten um 5 % seien dann auch die Möglichkeiten eines weiteren Gegensteuerns begrenzt, sagte der Experte, und plädierte dafür, mittelfristig eine institutionelle Verschuldungsgrenze einzuziehen. Denn niemand könne wollen, dass das Budgetdefizit auf 20 bis 25 Mrd. € zunehme, die Zinsenbelastung würde exorbitant zunehmen.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) kritisierte die aus ihrer Sicht nur "magere" Steigerung der Mittel für die Forschungsförderung, was umso bedauerlicher sei, als die Unternehmen Forschungsausgaben einschränken, was eine Kompensation durch den Staat dringend nötig machte. Auch den Klimaschutz und die Umweltförderungen sah die Rednerin nicht ausreichend dotiert. Schließlich klagte sie auch über mangelnde Impulse gegen die sich weiter öffnende Einkommensschere zwischen Männern und Frauen.

Abgeordneter Maximilian Linder (B) drängte auf Einsparungen durch Reformen, warnte vor sinkenden Ertragsanteilen der Gemeinden und befürchtete Nachteile für den österreichischen Tourismus wegen der Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie von Konkurrenzländern.

Abgeordneter Bernhard Themessl (F) warnte vor faulen Krediten in den österreichischen Banken sowie vor davon ausgehenden Gefahren für das österreichische Budget.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) sah keine Alternative zur aktuellen Budgetpolitik in Österreich und der EU, wies die Behauptung zurück, das Budget sei "Makulatur" und sah keinen Anlass, mit einem Defizit von 20 bis 25 Mrd. € zu rechnen. Der Abgeordnete hielt es nicht für zweckmäßig, kurz nach einer Steuerreform von Steuererhöhungen zu reden, von Konsolidierungsmaßnahmen sollte erst die Rede sein, wenn die Wirtschaft wieder anspringt. Mit einer institutionellen Verschuldungsbremse hätte man das Bankenpaket nicht schnüren und die Banken nicht auffangen können, gab der Redner zu bedenken.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) zeigte sich überzeugt, dass Österreich vor guten Budgetbeschlüssen stehe und wies darauf hin, dass sich Österreich mit zusätzlichen konjunkturstützenden Aufwendungen im Umfang von 5 % des BIP in zwei Jahren im internationalen Vergleich sehen lassen könne.

Beim Abbau der Defizite sah Matznetter die Möglichkeit, durch eine Verwaltungsreform mehr als 1 Mrd. € einzusparen. Man müsse sich fragen, welche Maßnahmen viel Geld bringen, ohne das Wachstum negativ zu beeinflussen. Man sollte sich auch heute schon Gedanken machen, was einnahmenseitig zu tun sei. Matznetter meinte, es könnte genügen, Steuerlücken zu schließen, ohne neue Steuern einzuführen. Als besonders wichtig nannte Matznetter die Erweiterung der Investitionsbegünstigung.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) hielt die Lage bei den osteuropäischen Krediten heimischer Banken für beherrschbar und zeigte sich zuversichtlich für die Umsetzung des Bankensicherungspakets. Kritik äußerte der Redner an der mangelnden Informationspolitik der Bundesregierung.

Weniger optimistisch beurteilte der Abgeordnete die Entwicklung der Staatsschulden, die in den kommenden Jahren bis auf 265 Mrd. € steigen könnten. In diesem Zusammenhang vermisste Van der Bellen eine Strategie zur Rückführung der Schulden und Defizite im Strategiebericht. Wenn der Finanzminister meine, eine Konsolidierung sei ohne einnahmenseitige Maßnahmen möglich, habe er die Verantwortung zu sagen, wie er sich das vorstelle.

Abgeordneter Ernest Windholz (B) hielt es für notwendig, die Verwaltungsreform sofort anzugehen, drängte auf einen Kapitaltransfer zugunsten der Gemeinden, die als größter öffentlicher Investor unter sinkenden Ertragsanteilen leiden und klagte darüber, dass die vorzeitige Abschreibung von einem Teil der Wirtschaft nicht genützt werden könne.

Abgeordneter Roman Haider (F) wies darauf hin, dass die USA viel mehr für die Konjunktur tun als Österreich und darüber hinaus eine expansive Geldpolitik betreiben. Er frage sich, woher das Geld für den konjunkturpolitischen "Zweitschlag" kommen solle, den Vizekanzler Pröll neulich angekündigt habe.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) plädierte für eine zielgerichtete Hebung der Abgabenmoral und wies die Kritik Rossmanns an der Ausweitung der Investitionsförderung zurück. Auch wandte sich Tamandl gegen jede Verunsicherung der Bürger durch eine Vermögenssteuerdiskussion. Bevor man über ein weiteres Konjunkturpaket diskutiere, sollte man die Auswirkungen der Steuerreform abwarten.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) machte darauf aufmerksam, dass sich manche Betriebe in den Regionen einen 90 %-Lohnausgleich bei Kurzarbeit nicht leisten könnten. Außerdem zeigte sich die Rednerin besorgt für die Zeit nach dem Auslaufen der Kurzarbeitsvereinbarungen. "Was sagen wir den Menschen, die danach von Armut bedroht sind?". Um den sozialen Frieden zu erhalten, mahnte die Abgeordnete Gerechtigkeit bei den zu erwartenden Maßnahmen zur Schuldenrückzahlung ein.

Hans-Joachim Bodenhöfer sah die Vermögenssteuerdiskussion für schädlich an, weil sie Investoren abschrecke; die Steuerquote sei in Österreich ohnedies hoch, sagte der Experte. Zur Förderung der Forschung, insbesondere auch der Grundlagenforschung, hätte sich die Wissenschaft mehr Geld gewünscht, sagte Bodenhöfer und hielt auch das Plus im Budget für die Universitäten für "nicht überwältigend". Die Mittel für den Klimaschutz reichten gerade aus, um die Kyotoziele nicht zu sehr zu verfehlen, sagte der Experte pointiert. In der Verwaltungsreform sei "sehr viel Geld drinnen", meinte  Bodenhöfer im Gegensatz zu Bruno Rossmann, und drängte auf Umsetzung der Vorschläge des Verfassungskonvents. Vom Bankenpaket würden keine Gefahren für das Budget ausgehen, sagte Bodenhöfer, das Partizipationskapital werde zurückkommen und die Garantien kaum schlagend werden. Im internatonalen Vergleich stehe Österreich gut da, sehe sich aber einem wachsenden internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Die Bedeutung von kommunalen Projekten auf die Konjunktur unterstrich der Experte.

Gerhard Lehner erklärte die Unterschiede in der US-amerikanischen und der europäischen Konjunkturpolitik mit dem weitgehenden Fehlen automatischer Stabilisatoren in den USA. Das Instrument der vorzeitigen Abschreibung wirke sich sehr positiv auf die Konjunktur aus, sagte Lehner, weil es das Investitionsrisiko der Betriebe reduziere und Investitionen anreize, die ohne Abschreibung unterblieben wären. Auch Lehner wandte sich dagegen, gleichzeitig über Steuerentlastung und -belastung zu diskutieren und riet von einer Substanzbesteuerung ab, weil sie Arbeitsplätze vernichten würde. Auch Lehner sah Österreich gut dastehen, es müsse aber ab 2012 aufpassen, rechtzeitig zu konsolidieren. Sollten weitere Maßnahmen zur Konjunkturstützung notwendig sein, könnte man Gemeindeinvestitionen ins Auge fassen, weil damit insbesondere den KMU geholfen werden könne.

Dass Österreich im internationalen Vergleich gut dastehe, bestätigte auch Bruno Rossmann. Um seine Rolle als "Bestperformer" nicht zu verlieren, sollte man jetzt eine Verwaltungsreform und eine Bundesstaatsreform in Angriff nehmen und rechtzeitig über eine Vermögensbesteuerung nachdenken. Die 1,2 Mrd. € zusätzlich für Forschung und Bildung, von denen Minister Hahn gesprochen habe, könne er im Doppelbudget nicht finden, kritisierte Rossmann, klagte über die schlechte Position Österreichs beim Klimaschutz und meinte, man hätte das Geld für das Familienpaket besser für mehr Kinderbetreuungseinrichtungen ausgegeben. Damit wäre auch ein größerer Beitrag zur Gendergerechtigkeit möglich gewesen. Beim Bankenpaket hielt Rossmann seine Kritik an einer intransparenten Umsetzung aufrecht und warnte vor den Ostrisiken der österreichischen Banken.

Die vorzeitige Abschreibung wirke nur in Unternehmen, die Gewinne machten, sagte Rossmann und kritisierte fehlendes frisches Geld für die BIG. Den Vorschlag Matznetters, die Spekulationsfrist im Einkommensteuergesetz zu ändern, sah Rossmann positiv und plädierte dafür sie abzuschaffen. Eine Vermögensbesteuerung sollte nicht auf die Substanz der Unternehmen, sondern auf Anteile der Eigentümer zielen. Gemeindeinvestitionen sah auch Bruno Rossmann als sehr konjunkturwirksam an.

Ewald Walterskirchen sah die Ostkredite österreichischer Banken weitgehend durch Sparkapital gesichert und stimmte jenen zu, die Österreich sowohl wirtschaftlich als auch budgetär gut positioniert  sehen. Da die Arbeitslosigkeit und auch die Kurzarbeit steige, sei es notwendig, Umschichtungen vorzunehmen, um zu verhindern, dass die Arbeitslosigkeit weiter steige. Notwendiger als eine Erhöhung der Nettoersatzrate sah Walterkirchen eine Verlängerung der Arbeitslosenunterstützung an. Für eine Vermögenszuwachssteuer habe sich das WIFO ausgesprochen, weil die Besteuerung von Gruppen mit geringem Einkommen negative Auswirkungen auf die Konjunktur habe. Diese Gruppen geben oft mehr aus als ihr Einkommen ausmacht, das zur Gänze in den Konsum fließe. Der Durchschnittshaushalt in Österreich habe dem gegenüber eine Sparquote von 10 %. Die Einführung einer Transaktionssteuer scheitere derzeit am Widerstand Großbritanniens und Luxemburgs. Die vorzeitige Abschreibung beurteilte Walterskirchen positiv, sinnvoll wäre auch ein Kapitaltransfer zugunsten der Gemeinden.

Ulrich Wlecke hielt fest, eine höhere Arbeitslosigkeit, die letztlich bis gegen 500.000 gehen könne und Einnahmenausfälle ab dem zweiten Halbjahr 2009 könnten 2010 zu einem Defizit von 22 bis 25 Mrd. € führen. Dass eine "institutionelle Ausgabenbremse" in Notfallsituationen Ausnahmen zulasse, sei selbstverständlich.

Bei den Kapitalpartizipationen des Staates an Banken vermisste der Experte Auflagen für Managergehälter und Dividenden. Eigenkapitalbeteiligungen wären zweckmäßiger gewesen, weil sie mehr Kontroll- und Eigentümerrechte für den Staat mit sich gebracht hätten. Ob die vorgesehenen 10 Mrd. € zur Rekapitalisierung der österreichischen Banken ausreichen werden, bezweifelte Wlecke.

Finanzminister Josef Pröll warnte davor, die Situation der Banken schlechter darzustellen als sie sei. Die Umsetzung des Bankenpakets entspreche dem EU-Reglement, betonte der Minister, und forderte dazu auf, Unterschiede zwischen deutschen und österreichischen Banken nicht aus den Augen zu verlieren. In den Bilanzen österreichischer Banken befinden sich fast keine Toxic Assets. Österreich liege richtig mit seinem Bankenpaket.

Mit dem Doppelbudget 2009/10 sei Österreich auch für eine Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt gerüstet, sagte Pröll. Die Ausgaben für die Kurzarbeit wurden variabel in das Budget eingestellt; dies erlaube, situationsbedingt zu reagieren. Angesichts einer variablen Budgetierung von "Makulatur" zu reden sei falsch. Der Vizekanzler wandte sich auch dagegen, eine Besteuerungsdiskussion zu führen, die den Mittelstand irritiere, und schlug vor, über Konsolidierungsmaßnahmen erst dann zu reden, wenn die Wirtschaft wieder anspringe. Die Verwaltungsreform werde in der

zuständigen Arbeitsgruppe unter der Leitung des Rechnungshofpräsidenten bereits ausgearbeitet, es gehe um Effizienzsteigerungen. Das Konsolidierungspaket werde seinen Schwerpunkt ausgabenseitig haben, sagte der Finanzminister.

Abgeordneter Hubert Kuzdas (S) drängte auf Kapitaltransfers zugunsten der Gemeinden und auf ein rasch beschäftigungswirksames Konjunkturpaket der Gemeinden. Prölls Vorwurf, die SPÖ wolle den Mittelstand zusätzlich besteuern, wies Kuzdas zurück.

In das selbe Horn stieß Abgeordneter Franz Kirchgatterer (S) und zeigte sich besorgt für die Zeit nach dem Auslaufen der Kurzarbeiterregelung.

Hans-Joachim Bodenhöfer räumte ein, die Zurückzahlung der Schulden werfe die Frage der Gerechtigkeit auf, sah derzeit aber nicht den richtigen Zeitpunkt, um über eine Vermögensbesteuerung zu reden. Der Experte regte an, über eine Ökologisierung des Steuersystems, eine Entlastung des Faktors Arbeit, die Einführung einer Pflegeversicherung und über eine konjunkturabhängige Flexibilisierung der Einkommensteuertarife sowie über die Dauer der Arbeitslosenunterstützung zu diskutieren. Bodenhöfer bejahte eine Förderung von Gemeindeinvestitionen, wandte sich aber gegen Investitionszuschüsse- und -prämien, weil Betriebe nicht investieren, die nicht ausgelastet sind.

Gerhard Lehner hielt den Schuldenabbau für schwieriger als den Defizitabbau und meinte, das gesamte Konsolidierungsvolumen werde erst in zwei Jahren abschätzbar sein. Von einem Kapitaltransfer zugunsten der Gemeinden seien große Konjunkturwirkungen zu erwarten, bevor man ein drittes Konjunkturpaket schüre, sollte man aber die Wirkungen der bereits beschlossenen Maßnahmen abwarten. Skepsis äußerte der Experte gegen eine Spekulationssteuer, die schon im Jahr 2000 erfolgreich beim VFG bekämpft worden sei.

Bruno Rossmann sah den Schuldenabbau als großes Problem an, weil Vermögensveräußerungen und Ausgliederungen nicht mehr möglich seien. Von einer mittelfristigen Finanzplanung könne trotz mancher Fortschritte durch das neue Haushaltsrecht keine Rede sein, weil keine Strategie für die Budgetkonsolidierung erkennbar sei. Seine Hoffnung gelte diesbezüglich dem nächsten Finanzrahmengesetz im Jahr 2010.

Konjunkturbedingte Nachbesserungen seien notwendig, etwa durch kommunale Investitionen, thermische Sanierung und ein höheres Arbeitslosengeld, um ein Abgleiten in die Armut für jene zu verhindern, die in der Krise das Risiko tragen, ihren Arbeitsplatz - und damit ihre Existenz - zu verlieren.

Auch Ewald Walterskirchen und Ulrich Wlecke hielten es für zweckmäßig, die Wirkungen der bereits beschlossenen Konjunkturpakete abzuwarten, ehe man ein neues schnüre. Sollte die Krise länger dauern, müsste man sich für 2010 Maßnahmen überlegen, fügte Walterskirchen hinzu, eventuell zugunsten von Gemeinden, für die thermische Sanierung und für den Wohnbau. Auch sollte man verhindern, dass Menschen nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes in die Armutsfalle geraten. (Schluss Hearing/Forts. Budgetausschuss)