Parlamentskorrespondenz Nr. 1100 vom 10.12.2009

Nationalrat debattiert Gesundheits-Themen

Anpassungen in einer Reihe von Gesetzen

Wien (PK) – Aus dem Gesundheitsausschuss lagen dem Nationalrat eine Reihe von Anpassungen in verschiedenen Gesetzen vor. Zunächst ging es um eine Regierungsvorlage, die Umsetzungen einer EU-Richtlinie bringt, und um zwei Anträge des BZÖ (743/A[E] und 699/A[E]).

Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) sah bei der Änderung des Arzneimittelgesetzes die Chance vertan, im Interesse der PatientInnen Maßnahmen gegen das Umpacken von Medikamenten bei den Großhändlern zu ergreifen. Kritik übte der Redner auch an der Ausdehnung der Haltbarkeitsgrenzen bei Medikamenten, die im Zuge einer drohenden Pandemie erfreulicherweise doch nicht gebraucht werden. Auch das diene nicht den Patienten, daher lehne seine Fraktion diesen Entwurf ab.

Abgeordneter Erwin SPINDELBERGER (S) verteidigte den vorliegenden Gesetzesvorschlag und argumentierte, besondere Umstände erforderten eben besondere Regeln, etwa bei der Abgabe von Medikamenten im Zuge einer Epidemie. Die Änderungen bringen seiner Meinung nach wichtige Verbesserungen und die Angleichung an europäische Bestimmungen. Auch Zulassungen aus der Vergangenheit könnten nun EU-konform evaluiert werden, bemerkte er. Ältere Medikamente dürften nur dann abgegeben werden, wenn diese für den Zivil- und Katastrophenschutz angekauft worden sind und wenn eine genau Prüfung bestätige, dass diese unbedenklich weitergegeben werden können.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) begrüßte die Verbesserungen bei der klinischen Bewertung und die Ausweitung des Medizinbegriffs. Die durch einen Abänderungsantrag eingefügten Sonderbestimmungen im Zusammenhang mit Krisensituationen bezeichnete sie jedoch als fahrlässig und als eine Anlassgesetzgebung, da offensichtlich zu viel Impfstoff gegen die Schweinegrippe eingelagert worden sei, so ihre Mutmaßung. Haubner kündigte daher eine getrennte Abstimmung an.

Abgeordneter Peter SONNBERGER (V) schloss sich Abgeordnetem Spindelberger an und hob hervor, dass die Sicherheit der KonsumentInnen im Vordergrund stehe. In diesem Sinne habe man auch eine Ausschussfeststellung angenommen.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) thematisierte die Abgabe psychotroper Medikamente, die seiner Meinung nach bei Privatärzten zu leicht gemacht werde. Spadiut wies darauf hin, dass die Weitergabe dieser Medikamente als Drogenersatz im Steigen begriffen sei und in Verbindung mit Alkohol zu Rauschzuständen und sogar zum Tod führen könne. Er schlug daher vor, das Arzneibewilligungssystem auch auf die Erfassung solcher Stoffe auszuweiten.

Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) sah in den Gesetzen eine klare Verbesserung, die der Patientensicherheit dient. Vor allem hielt er es für sinnvoll, dass auch Daten klinischer Prüfungen zentral gesammelt werden. Grünewald befürwortete weiters die EU-Richtlinie, die sich mit der Sicherheit von Medikamenten bei Säuglingen und Kindern befasst. Die Bedenken in Bezug auf die Versuche hätten wissenschaftlich und ethisch widerlegt werden können, sagte er und forderte die Regierungsparteien auf, endlich der Bioethik-Konvention des Europarats beizutreten.

Abgeordneter Kurt LIST (B) kritisierte die Sozialversicherungsträger, da diese die Abgabe von Medikamenten in Hausapotheken von WahlärztInnen nicht direkt verrechnen. Die PatientInnen müssten daher die Medikamente vorfinanzieren und das sei älteren Leuten nicht zumutbar, sagte List, der darin auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erblickte.

Abgeordneter Erwin KAIPEL (S) betonte, das Zulassungssystem werde durch die Novelle rascher und nachvollziehbarer und die Marktüberwachung effektiver und nachhaltiger. Dies sei deshalb wichtig, weil es immer mehr Medikamentenfälschungen gebe. Kaipel befürwortete auch die Bestimmungen zur klinischen Bewertung und zeigte sich zufrieden darüber, dass die Mitglieder der Ethikkommission nunmehr ihre Beziehungen zur Industrie offenlegen müssen.

Bundesminister Alois STÖGER stellte fest, das vorliegende Gesetz erhöhe die Rechtssicherheit und stärke das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen. Er verteidigte auch die Bestimmungen des Abänderungsantrags, da dieser sicherstelle, dass man die richtigen Medikamente zur richtigen Zeit zur Verfügung hat. Damit würden auch die Vertriebswege auf eine gute Basis gestellt. Abgeordnetem List erklärte er, das von ihm dargelegte Problem sehe er nicht, weil es kaum WahlärztInnen mit Hausapotheken gebe.

Bei der Abstimmung wurde das Medizinproduktegesetz und das Arzneimittelgesetz nach getrennter Abstimmung mehrheitlich angenommen.

Der Antrag des BZÖ betreffend Ausdehnung des Arzneimittelbewilligungsservice auf Privatrezepte für Medikamente, die unter das Suchtgiftgesetz bzw. die Psychotropenverordnung fallen, wurde ebenso mehrheitlich abgelehnt wie der Antrag des BZÖ betreffend Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes bei Rezeptabrechnungen.

Ärztegesetz-Novelle und Änderung des Apothekerkammergesetzes

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) hielt es für falsch, die Kammern in die Verfassung zu heben. Sie sah in dem vorliegenden Gesetz nicht nur eine Verpolitisierung der Ärzte- und Apothekerkammer, sondern sie befürchtete auch die Beschneidung der Selbstverwaltung. Mit den beiden Gesetzen werde das Ende der freien Berufe eingeläutet, befürchtete sie.

Abgeordnete Sabine OBERHAUSER (S) bezeichnete die Argumentation ihrer Vorrednerin als "Unsinn", denn das Gegenteil sei der Fall. Die Zuordnungen zu den übertragenen und eigenen Wirkungsbereichen werde viel klarer und transparenter gestaltet, stellte sie fest. Die Qualitätssicherung sei in den übertragenen Wirkungsbereich übergeleitet worden, der Verwaltungsaufwand werde verringert.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) bewertete das Gesetz ähnlich wie Belakowitsch-Jenewein. Das BZÖ lehne es ab, Kammern und Sozialpartner in den Verfassungsrang zu heben und die Zwangsmitgliedschaft festzuschreiben. Das sei ein völlig falsches Signal, meinte Haubner und befürchtete ein Mehr an Verwaltung, ein Mehr an Kosten und zusätzliches Personal. Sie kritisierte auch, dass der Minister ab nun ein Weisungsrecht im übertragenen Wirkungsbereich hat. Damit würden ÄrztInnen und ApothekerInnen vom Minister an die kurze Leine genommen.

Abgeordneter Erwin RASINGER (V) sah im Gegensatz dazu einen Bürokratieabbau. Darüber hinaus vertrat er die Auffassung, das der Minister ein Aufsichtsrecht brauche. Rasinger befasste sich dann kurz mit den neuesten OECD-Zahlen, die dem österreichischen Gesundheitssystem in den meisten Bereichen Bestnoten ausstellt. Berechtigte Kritik gebe es aber an der zu hohen Anzahl an Spitalsbetten und im Hinblick auf die Prävention bei Jugendlichen. Die Tatsache, das Kinder und Jugendliche zu viel rauchen und Alkohol trinken, zu wenig Bewegung machen und das Falsche essen, würde Kosten in der Zukunft verursachen, die auch das beste Gesundheitssystem nicht leisten werde können, warnte Rasinger.

Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) machte darauf aufmerksam, dass die meisten Ärztinnen und Ärzte in Spitälern arbeiten und der Prozentsatz der Ärzte, die frei tätig sind, unter 50 % liegt. Aber auch diese seien in großem Ausmaß Vertragspartner, sodass auch deren Freiheit eingeschränkt sei.

Abgeordneter Johann HECHTL (S) wies die Befürchtungen, die Gesetze würden mehr Kosten verursachen, zurück. Trotz der notwendigen Planstellen würden im Ministerium Umschichtungen vorgenommen, wodurch eine Kostenneutralität gewährleistet sei, hielt er fest. Er begrüßte die Weisungsbindung durch den Bundesminister im übertragenen Wirkungsbereich und bekannte sich zur Selbstverwaltung der Kammer.

Abgeordneter Karl DONABAUER (V) bekräftigte, die Gesetze brächten kein Ende der freien Berufe und meinte, man könne nur auf einer gesetzlichen Mitgliedschaft mit Rechten und Pflichten aufbauen. Die anfallenden Kosten hielt Donabauer für verkraftbar. Leichte Kritik übte er daran, dass die Apothekerkammer für die Weiterbildung ihrer Mitglieder selbst verantwortlich ist und wünschte sich im Interesse der Qualitätssicherung die Angleichung der diesbezüglichen Bestimmungen an das Ärztegesetz.

Abgeordneter Günter KÖßL (V) argumentierte, die Hebung in den Verfassungsrang bedeute mehr Rechte und Pflichten und werde damit auch zur Qualitätssteigerung beitragen. Auch er sah keine Aufblähung der Bürokratie durch die Neuerungen und unterstützte das Weisungsrecht des Ministers im übertragenen Wirkungsbereich.

Bei der Abstimmung wurde sowohl die Novelle zum Ärztegesetz als auch jene zum Apothekerkammergesetz mit Mehrheit angenommen.

Regierungsvorlage und FPÖ- Antrag zur In-Vitro-Fertilisation

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) kritisierte die Änderungen zum IVF-Fonds-Gesetz scharf. Es könne den Frauen nicht zugemutet werden, über das Ergebnis jeder In-Vitro-Fertilisation eine Meldung zu machen. Außerdem trat sie dafür ein, auch Frauen über 40, die sich sehnlich ein Kind wünschen, eine finanzielle Unterstützung zu geben. Das würde der gesellschaftlichen Realität entsprechen, meinte Belakowitsch-Jenewein und zeigte sich empört über die Ablehnung ihres Vorschlags durch die Koalition. Während SPÖ und ÖVP Frauen über 40 nicht unterstützten, plädiere aber der Gesundheitsminister für die rezeptfreie Abgabe der "Pille danach", ärgerte sich die F-Abgeordnete. Das sei ein hoch dosiertes Medikament, weshalb der Vorschlag nicht nur zynisch, sondern auch verantwortungslos sei.

Abgeordnete Petra BAYR (S) konterte, die "Pille danach" sei kein Medikament, das Leben tötet. Frauen würden auch nicht verantwortungslos handeln, das Bild der FPÖ habe offenbar nichts mit moderner Frauenpolitik zu tun. Die Ablehnung, die IVF auch bei Frauen über 40 zu fördern, begründete Bayr mit dem Hinweis auf stark sinkende Erfolgsraten nach dem 40. Lebensjahr. Sie verstand es auch nicht, warum es belastend sein sollte, das Ergebnis einer IVF zu melden.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) zeigte zwar Verständnis für die statistische Erfassung, meinte aber, dass eine Meldung nach einem Misserfolg zu einer psychischen Belastung führen könnte. Er befürchtete weiters, dass die anfallenden Nebenkosten den Familienlastenausgleichsfonds noch mehr belasten.

Abgeordneter Erwin RASINGER (V) stellte als Mediziner fest, die Erfolgschancen bei Frauen ab dem 40. Lebensjahr seien weitaus geringer als bei jüngeren Frauen. Die gesellschaftliche Entwicklung habe nichts mit biologischen Prozessen zu tun, sagte er.

Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) bezeichnete es als einen Fehler, dass man ungewollte Unfruchtbarkeit nicht als Krankheit anerkennt. Daher zahlen die Kassen die IVF nicht und deshalb müsse ein Fonds einspringen. Grünewald meinte in diesem Zusammenhang, Frauen sollten nicht auf einen Gnadenakt eines Fonds angewiesen sein, vielmehr wäre es zielführender, den Selbstbehalt sozial zu staffeln. Dazu brachte er einen Abänderungsantrag ein. Grünewald hatte Verständnis für die Notwendigkeit, Statistiken zu führen, da die Erfolgsquote in privaten Anstalten höher liege als in öffentlichen. Auch angesichts der vielen Mehrlings- und Frühgeburten sollten die Institutionen Rechenschaft ablegen, und vom Gesetz her sollten Qualitäts- und Sicherheitskriterien festgelegt werden. Grünewald plädierte weiters dafür, die Zahl der befruchteten Eizellen zu limitieren. Was die "Pille danach" betrifft, so wies er darauf hin, dass diese durch den obersten Sanitätsrat als unbedenklich eingestuft wurde.

Abgeordneter Johann MAIER (S) betonte, dieses Gesetz sei an die medizinischen Erkenntnisse angepasst und trage dem Umstand Rechnung, dass bei Frauen über 40 IVF-Versuche nur eine relativ geringe Erfolgsaussicht haben.

Abgeordnete Anna HÖLLERER (V) verteidigte unter Hinweis auf die Schwierigkeiten einer künstlichen Befruchtung bei steigendem Alter die Altersgrenze des Gesetzes.

Abgeordneter Hermann LIPITSCH (S) fasste als letzter Redner zu diesem Punkt noch einmal die wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes zusammen und bekannte sich zu den datenschutzrechtlichen Regelungen und zur Altersgrenze.

Bei der Abstimmung wurde die Vorlage in Dritter Lesung mehrheitlich angenommen. Der Entschließungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit.

Thema Tierschutz

Mehrere Vorlagen waren dem Thema Tierschutz gewidmet. Unter einem debattierte der Nationalrat eine Regierungsvorlage, einen Fünf-Parteien- Antrag sowie einen G-Antrag und einen B-Antrag.

Abgeordneter Bernhard VOCK (F) sprach von einem guten Tag für den Tierschutz und begrüßte ausdrücklich die Handelsverbote. Er bedauerte allerdings, dass es nicht möglich war, eine Einigung über die Kontrolle von Tierschmuggel an der Grenze zu erzielen.

Abgeordneter Dietmar KECK (S) zeigte sich erfreut über den Fünf-Parteien-Antrag betreffend EU-weite Tierschutzstandards und meinte, in Zukunft werde es wichtig sein, das Thema Tierschutz parteiübergreifend zu behandeln. Was die illegalen Welpentransporte betrifft, trat Keck grundsätzlich für eine Beschlagnahme der Fahrzeuge ein, verwies aber auf diesbezüglich notwendige Gespräche im Innenausschuss.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) bemerkte, es sei höchste Zeit, dass es in der EU endlich einheitliche Tierschutzregeln gibt. Der Redner hielt überdies seine Forderung nach einem Verbot des Verkaufs von Hundewelpen in Tierhandlungen aufrecht und trat ferner in einem Entschließungsantrag für stichprobenartige Kontrollen von illegalen Tierimporten an den Grenzübergängen ein.

Abgeordneter Franz EßL (V) bekannte sich zum Tierschutz, zeigte sich aber irritiert über die Forderung, den Tierschutz in Verfassungsrang zu heben, wobei er meinte, prioritär wäre die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) ortete Bewegung in der Tierschutzdebatte und begrüßte den gemeinsamen Antrag betreffend EU-Tierschutzstandards, der, wie sie betonte, viele Forderungen der Grünen enthält. Handlungsbedarf sah Brunner aber weiterhin auch auf innerstaatlicher Ebene, dies insbesondere bei der Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung. Nicht in Frage komme, Tierschutz gegen die Kinderrechte auszuspielen, betonte sie mit Nachdruck.

Abgeordnete Gertrude AUBAUER (V) drängte die EU, die höheren österreichischen Tierschutzstandards zu übernehmen. Handlungsbedarf sah sie vor allem bei den Tierversuchen zu kosmetischen Zwecken. Das Ziel müsse eine Vision Zero sein nach dem Motto "Keine Tierversuche, kein Tierleid".

Bundesminister Alois STÖGER unterstrich, Österreich werde mit dem gemeinsamen Antrag seiner Vorreiterrolle in Sachen Tierschutz gerecht.

Bei der Abstimmung wurde die Gesetzesvorlage ebenso wie die Entschließung einstimmig angenommen. Die negativen Berichte des Gesundheitsausschusses wurden jeweils mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Der B-Entschließungsantrag blieb in der Minderheit.

(Schluss Gesundheit/Forts. NR)