Parlamentskorrespondenz Nr. 242 vom 09.04.2010

Universitäten mit Zugangsbeschränkungen oder Zugangsregelungen?

Erste Aktuelle Stunde im Bundesrat mit Wissenschaftsministerin Karl

Wien (PK) – Die heutige Sitzung des Bundesrats begann mit einer Premiere. Erstmals wurde eine "Aktuelle Stunde" in der Länderkammer abgehalten. Als Thema stand "Aktuelle Perspektiven zum Thema Zugangsbeschränkungen" zur Diskussion. Dem politischen Diskurs stellte sich Bundesministerin Beatrix Karl.

Die Diskussion wurde mit einer Wortmeldung von Bundesrat Andreas SCHNIDER (V/St) eingeleitet. Er kritisierte den Titel als einseitig, da das Wort "Zugangsbeschränkungen" negativ besetzt sei. Schnider wollte das Thema positiv beleuchten, mit Worten wie "Zugangsregelungen", "Zugangsvereinbarungen" oder "Zugangsmöglichkeiten". Dies deshalb, weil das moderne Bildungskonzept heute nicht mehr linear gestaltet ist, sondern die Bildungswege miteinander verknüpft und durchlässig sind. Man müsse daher von einem Bildungsnetzwerk reden, sagte Schnider, wobei an bestimmten Knotenpunkten Selbst- und Fremdevaluierungen stattfinden. Daher sei es auch beim Übergang vom Sekundär- in den Tertiärbereich wichtig zu schauen, wer über welche Eignung verfügt. Der Bundesrat wies darauf hin, dass es bereits sowohl an Fachhochschulen als auch an Pädagogischen Hochschulen Eignungsüberprüfungen gibt, weshalb es für ihn unverständlich ist, dass dies für den Bereich der Universitäten abgelehnt wird.

Schnider zufolge wäre es sinnvoll, über Bereichseignungen durch klare und eindeutige Orientierungshilfen im gesamten tertiären Bereich nachzudenken. Das habe nichts mit einer Begrenzung zu tun, sondern mit der Öffnung von Chancen, erklärte er. Junge Menschen sollten dorthin gelenkt werden, wo sie am besten hinpassen und damit würde man am freien Hochschulzugang nicht rütteln. Es sei insgesamt ein Bewusstseinswandel erforderlich, meinte Schnider, da man im gesamten Bildungssystem noch immer die Schwächen hervorhebt anstatt nach Stärken und Talenten zu suchen.

Diesem Zugang konnte sich Bundesrätin Muna DUZDAR (S/W) nicht anschließen. Sie bekräftigte den vollen Widerstand der SPÖ gegen Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren. Studiengebühren würden die soziale Ungleichheit weiter verschärfen, betonte Duzdar, und dies könne keine Politik in einem Land sein, wo der Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss der Eltern und der Kinder noch immer enorm groß sei. Untersuchungen zeigten deutlich, dass der Abbruch der Bildungslaufbahn in Österreich stark mit dem sozialen Status und dem Bildungsstand der Eltern zusammenhängt. Die soziale Ausgrenzung ziehe sich durch das gesamte Bildungssystem. Es gebe kein besseres Mittel gegen Armut als Bildung, unterstrich Duzdar, weshalb sich Studiengebühren fatal auswirken würden.

Ein ebenso klares Nein kam von ihr zu Zugangsbeschränkungen. Österreich verfüge über eine der niedrigsten Akademikerquoten, obwohl die Nachfrage an qualifizierten Arbeitskräften steige und permanent von der Entwicklung einer Wissensgesellschaft geredet werde. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang scharf die Aussagen der Ministerin, die für einige Studien den sogenannten Notfall-Paragrafen einsetzen möchte. Dieser sei für Ausnahmesituation gedacht gewesen und könne keinesfalls als Modell für eine langfristige Hochschulplanung herhalten, befand die Bundesrätin. Außerdem sei zu befürchten, dass der EuGH Zugangsbeschränkungen als Grund für die Vertragswidrigkeit von Quotenregelungen für AusländerInnen heranziehen könnte. Zugangsbeschränkungen in einem Land erwiesen sich als Domino-Effekt in anderen Ländern und am Ende stünden in Europa nur mehr Eliteuniversitäten.

Bundesrätin Duzdar forderte daher die Ministerin auf, für eine europaweite Lösung einzutreten und in den zuständigen Gremien alles zu tun, damit die Hürden und Zugangsbeschränkungen in Europa abgebaut werden. Die Probleme an den Universitäten dürften nicht dazu genutzt werden, um Eliten zu schaffen, sagte Duzdar, vielmehr müsse ausreichendes Budget für die Universitäten bereitgestellt werden.

Für einen freien Hochschulzugang sprach sich auch Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) aus. Ihrer Meinung nach liegt das Problem bei den AHS, wo man ansetzen müsse. Heute sei längst nicht mehr gesichert, dass die Matura tatsächlich reif für ein Hochschulstudium mache. Das Niveau an den AHS sei in den letzten Jahrzehnten vor allem in den Ballungsräumen stark gesunken, auf der anderen Seite habe man einen Facharbeitermangel zu verzeichnen. Man müsse daher die Hauptschulen wieder dazu machen, was sie einmal waren.

Mühlwerth hielt aber auch nichts von einem, wie sie sagte, "Lizitieren" der Akademikerquote und thematisierte dabei die Arbeitslosenrate bei AkademikerInnen. In Österreich gebe es eine ausreichende Versorgung mit AkademikerInnen, bemerkte sie, ein Mangel sei nur bei der Technik und bei den Naturwissenschaften festzustellen. Mühlwerth übte auch Kritik an den Aufnahmetests in der Medizin, da diese ExpertInnen zufolge wenig aussagekräftig seien. Vor allem würde der Sozialtest schwerwiegende Mängel aufweisen, sie halte diesen auch mehr für einen Gesinnungs- als für einen Eignungstest. Zugangsbeschränkungen würden das Problem nicht lösen, stellte Mühlwerth abschließend fest und propagierte einmal mehr das 12-Punkte-Programm der FPÖ, das als Entschließungsantrag dem Nationalrat vorliegt.

Die FP-Politikerin sprach sich in ihren Ausführungen auch für die Errichtung einer Medizin-Universität in Linz aus und meinte, dass 100 Mio. € zusätzlich für die Universitäten nicht ausreichen würden.

In ihrer Reaktion auf die Debattenbeiträge betonte Bundesministerin Beatrix KARL, sie spreche immer nur von Zugangsregelungen oder Zugangsverfahren.

Die Wissenschaftsministerin versuchte ihre Sicht des offenen Hochschulzugangs eingehend zu erläutern und bedauerte, dass die Diskussion derzeit so festgefahren ist. Nach ihrer Meinung seien beim offenen Hochschulzugang zahlreiche Widersprüche festzustellen. So führe dieser nicht zu einer Verbesserung der sozialen Struktur und Durchmischung, wie sämtliche Untersuchungen zeigten. Demgegenüber sei die soziale Durchmischung an den Fachhochschulen sehr gut gelungen, obwohl es dort Zugangsregelungen und teilweise Studiengebühren gebe. Auch würden Massenstudien die Chancen für Kinder aus bildungsfernen und sozial schwachen Schichten keineswegs erhöhen. Vielmehr gebe es gerade in den Massenstudien die meisten Abbrüche, weil sich viele Studierende die lange Studiendauer aufgrund langer Wartezeiten nicht leisten können.

Die Ministerin meinte ferner, man zahle für den offenen Hochschulzugang einen hohen Preis, nämlich die Massenstudien und dort sei die notwendige Qualität nicht gesichert. Der freie Hochschulzugang stelle auch das falsche Rezept für höhere Akademikerquoten dar, erklärte Karl, das Gegenteil sei der Fall. So habe beispielsweise Finnland eine doppelt so hohe Akademikerquote zu verzeichnen als Österreich, obwohl es dort neben einem Numerus Clausus zusätzlich Zugangsregelungen an den Universitäten gibt. In Österreich seien die Drop-out-Quoten gerade in den Massenstudien extrem hoch, erklärte die Ministerin und kritisierte in diesem Zusammenhang die praktizierten Knock-out-Prüfungen als unfair und unzumutbar.

Die Studierenden würden sich faire Zugangsregelungen verdienen, fügte sie hinzu. Untersuchungen hätten ergeben, dass sich in diesem Fall die Studierenden bewusster für ein Studium entschieden, sich besser vorbereitteen und auch die Motivation eine größere sei. Im Falle von Zugangsregelungen verringere sich darüber hinaus die Studiendauer und es gebe mehr Abschlüsse.

Die Wissenschaftsministerin zog daraus den Schluss, in Österreich müsse ein moderner Hochschulraum entwickelt werden, der der europäischen Norm entspricht. Dazu zähle auch, Klarheit beim Zugang und eine entsprechende Qualität. Diese bei den Massenstudien nicht gegeben und man bekomme in diesen Bereichen auch nicht die besten HochschullehrerInnen. Wenn man Qualität haben will, so muss man über Zugangsregelungen nachdenken, bekräftigte Karl und hoffte auf eine Einigung mit der SPÖ in Bezug auf die Inanspruchnahme der Notfallverordnung bei bestimmten Studienrichtungen.

Bundesrat Stefan SCHENNACH (G/W) kritisierte daraufhin die Ministerin, einen falschen Zugang zu haben und das Problem am schwächsten Glied, nämlich bei den Studierenden, lösen zu wollen. Er konstatierte eine zu geringe Durchlässigkeit im österreichischen Bildungssystem und prangerte auch die niedrige Akademikerquote an. Schennach hielt es für verfehlt, Bildungswilligen am Beginn ihres Studiums eine Prüfung hinzuknallen, wie er sich ausdrückte. Am Anfang dürfe kein Selektionssystem stehen, sondern die Chance einer Orientierungsphase, und dafür habe die Politik auch Geld in die Hand zu nehmen. Bildung könne daher auch nicht Teil des Konsolidierungsprogramms sein, vielmehr müsse man in Bildung investieren, das heißt bei der Angebotsseite anzusetzen und nicht mit einer Beschränkung des Universitätszugangs zu agieren.

Bundesrat Michael HAMMER (V/O) bekräftigte dem gegenüber, es gehe nicht um Zugangsbeschränkungen, sondern um die Steuerung des Angebots und somit um Zugangsregelungen. Er bekräftigte die Aussagen der Ministerin und meinte, Steuerungsmöglichkeiten würden positive Auswirkungen haben. Hammer plädierte dafür, die Frage in den Mittelpunkt zu stellen, welche Qualifikation Österreich in Zukunft braucht, um erfolgreich sein zu können. Sich lediglich an Studierendenzahlen festzuhalten, bringt seiner Auffassung nach nichts. Im Vordergrund müsse die Qualität stehen, betonte er.

Bundesrat Wolfgang ERLITZ (S/St) forderte die Universitäten auf, der Qualitätsverbesserung im Zuge der kommenden standardisierten, teilzentralen Reifeprüfung Rechnung zu tragen, und meinte, das Maturazeugnis neu sollte als elementarer Bestandteil eines Qualifikationsmodells den Zugang zu den Universitäten ermöglichen. Kritik übte er in diesem Zusammenhang an Plänen der Rektorate, eigene Qualifikationsanforderungen zu erstellen, und sprach von versteckten Drop-out-Kritieren.

Bundesrätin Cornelia MICHALKE (F/V) sah die Universitäten als internationale Bildungsstätten und appellierte an die EU, die nach wie vor fehlende Harmonisierung auf diesem Gebiet in Angriff zu nehmen. Innerstaatlich schlug die Rednerin Überlegungen hinsichtlich dezentraler Ansätze als effizientere und kostengünstigere Lösungen vor und trat in diesem Sinn für die Einrichtung einer eigenen Universität in Vorarlberg zumindest für die Fächer Wirtschaft und Jus sowie für den Vollausbau der FH Vorarlberg ein.

Bundesministerin Beatrix KARL verteidigte die Zugangsverfahren an den Med-Unis mit dem Argument, dadurch würde den Studierenden eine bessere Ausbildung als auf einer Massenuniversität geboten, was sich in der Folge positiv auf die Qualifizierung der Mediziner auswirke. Zur Quotenregelung für das Medizinstudium hielt Karl fest, diese sei an sich EU-rechtswidrig, habe aber ihre Rechtfertigung darin, dass die in Österreich ausgebildeten deutschen Medizinstudenten meist wieder nach Deutschland zurückkehren. Dies würde die medizinische Versorgung in Wien gefährden, zumal es dann an heimischem medizinischem Nachwuchs fehle. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. BR)


Format