Parlamentskorrespondenz Nr. 963 vom 30.11.2010

Mit verstärkten Kräften gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität

Internationale Initiativen gegen Kindesmissbrauch

Wien (PK) – Das strafrechtliche Kompetenzpaket stand im Mittelpunkt des Justizblocks in der heutigen Sitzung des Nationalrats. Damit wird nicht nur eine Kronzeugenregelung gesetzlich verankert. Die Vorlage zielt auch darauf ab, kriminell erwirtschaftetes Vermögen wirkungsvoll zugunsten des Staatshaushalts einziehen zu können, mehr Transparenz in die Tätigkeit staatsanwaltschaftlicher Organe zu bringen und Strukturen zur bundesweiten, spezialisierten und zentralisierten Bekämpfung von schwerer Wirtschaftskriminalität und Korruption zu schaffen. Darüber hinaus wird die Teilnahme an Terror-Camps unter Strafe gestellt. Die Vorlage passierte den Nationalrat einstimmig.

Außerdem ebnete man mit den Stimmen aller Fraktionen den Weg zur Ratifizierung des Übereinkommens zur Errichtung der Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg bei Wien als internationaler Organisation.

Desweiteren genehmigten die Abgeordneten einstimmig zwei internationale Übereinkommen zum Schutz der Kinder. Dabei geht es einerseits um das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch, andererseits um das Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung mit der Republik Mauritius.

Kronzeugenregelung, Kampf gegen Korruption, Terror-Camps

Zunächst nahmen die Abgeordneten das strafrechtliche Kompetenzpaket in Verhandlung und gaben grünes Licht für die Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg bei Wien als internationaler Organisation.

Die ebenfalls zur Diskussion stehenden Anträge der Opposition fanden jedoch nicht die erforderliche Mehrheit. So sollte nach einem Entschließungsantrag der FPÖ kriminelle Bank- und Finanzdienstleistungsmanager zur Verantwortung gezogen werden.

Weiters schlagen die Freiheitlichen in einem Entschließungsantrag vor, dass diejenigen, die im Rahmen einer Versammlung an einer Schlägerei oder einem Angriff mehrerer tätlich teilnehme, mit einer bis zu einjährigen Freiheitsstrafe zu bedrohen seien.

In einem weiteren Antrag spricht sich die FPÖ außerdem dafür aus, Personen, die einen Beamten wissentlich falsch verdächtigen, mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren zu belegen.

Die Anträge des BZÖ betreffend verbesserter Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und Verankerung des Tatbestands der "Terrorismusausbildung" im Strafgesetzbuch wurden ebenfalls abgelehnt.

Ebenso erging es einem weiteren durch das Kompetenzpaket obsolet gewordenen Entschließungsantrag der nunmehrigen F-Abgeordneten Martin Strutz, Josef Jury und Maximilian Linder.

Abgeordneter Werner HERBERT (F) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zum strafrechtlichen Kompetenzpaket an, klagte aber darüber, dass zwei wichtige Anliegen seiner Fraktion im Justizausschuss keine Berücksichtigung gefunden haben. Die FPÖ halte es für wichtig, die Versammlungsfreiheit uneingeschränkt aufrecht zu erhalten, zugleich aber Maßnahmen zu treffen, um durch einen eigenen Tatbestand Sachbeschädigungen und Angriffen auf ExekutivbeamtInnen bei Kundgebungen wirksamer entgegenzutreten.

Außerdem bestehe die Notwendigkeit, ExekutivbeamtInnen gegen Unterstellungen und falsche Behauptungen zu schützen, die auf das Motiv von Angeklagten zurückgehen, sich in den Medien und in einem Strafverfahren besser zu positionieren.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) verwies auf den enormen Schaden, den Wirtschaftskriminelle der Gesellschaft zufügen und untermauerte damit die Notwendigkeit einer effizienten Strafverfolgung. Da es bei Verfahren gegen Wirtschaftskriminelle oft um komplizierte Sachverhalte gehe, in denen sich RichterInnen und StaatsanwältInnen hochspezialisierten AnwältInnen gegenübersehen, sei das vorliegende Kompetenzpaket zu begrüßen. Es enthält erweiterte Möglichkeiten zur Abschöpfung der Bereicherung bei Wirtschaftsdelikten, mehr Transparenz bei staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen, die Einrichtung einer zentralen Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität und die Ausweitung der im Kartellrecht bewährten Kronzeugenregelung. Mit einem S-V-Abänderungsantrag schlug Donnerbauer vor, klarzustellen, dass die Kompetenz für Wirtschaftsdelikte bei den Landesgerichten bleibe, Fälle bei Bedarf aber in Wien abgehandelt werden können. Ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien sieht zudem einen Erfahrungsbericht der Justizministerin an den Nationalrat vor.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) bezeichnete die Konzentration der Wirtschaftskriminalitätsverfahren in Wien für sinnvoll, weil ein Großteil der Delikte in Wien begangen werde. Die Einrichtung einer speziellen Staatsanwaltschaft sorge endlich für Waffengleichheit zwischen den AnklägerInnen und der "hochgerüsteten Armee von AnwältInnen", denen die StaatsanwältInnen in solchen Fällen oft gegenüberstehen. Zu bedauern sei die Ablehnung zusätzlicher Planstellen für den Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität. Positiv sah Scheibner die neue Kronzeugenregelung und die Verbesserung der Transparenz bei staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen; auch die Diversion sollte in die neuen Transparenzbestimmungen einbezogen werden, merkte Scheibner an.

Kritik übte der Redner an einer Ausschussfeststellung, die darauf gerichtet ist, terroristische Aktivitäten anders zu beurteilen, wenn diese mit dem Hinweis auf Menschenrechte gerechtfertigt werden. Scheibner lehnte dies scharf ab, weil ausreichend Institutionen zur Durchsetzung menschenrechtlicher Anliegen zur Verfügung stehen und die Rechtsordnung jede Form von Selbstjustiz ausschließen müsse. In diesem Sinn legte der Abgeordnete auch einen Abänderungsantrag seiner Fraktion vor.

Demgegenüber hielt es Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) für sinnvoll, seitens des Ausschusses klarzustellen, dass etwa Delikte bei Aktionen gegen den Walfang anders zu behandeln seien als die Ausbildung in Terrorcamps. Weiters erläuterte Jarolim die neue Kronzeugenregelung in Verfahren gegen Wirtschaftskriminelle, die sich im Kartellrecht bewährt habe und signalisierte seine Zustimmung zur Weiterentwicklung der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft zu einer Staatsanwaltschaft gegen Wirtschaftskriminalität. Prinzipiell bleibe die Zuständigkeit für Wirtschaftskriminalität aber bei den Landesgerichten, schwierige Fälle können in Zukunft aber nach Wien geholt werden. In Analogie zu den verschärften Maßnahmen gegen die Wirtschaftskriminalität trat Jarolim in einem Entschließungsantrag auch für verstärkte justizielle Maßnahmen gegen den Sozialbetrug ein.

Abgeordneter Christian LAUSCH (F) brach eine Lanze für ExekutivbeamtInnen, die immer häufiger Gefahr laufen, durch Unterstellungen und falsche Behauptungen in ihrem Ansehen geschädigt zu werden. Lausch illustrierte dies mit dem Fall eines Justizwachebeamten, der von einem Häftling einer Nothilfe-Überschreitung bezichtigt wurde, nachdem dieser einer Krankenschwester zu Hilfe geeilt war, die von diesem Häftling attackiert und schwer verletzt worden war.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) sprach von einem längst überfälligen Justizpaket, einem Schritt in die richtige Richtung und begrüßte insbesondere die Kronzeugenregelung, den Schlüssel, um korrupte Systeme aufzubrechen. Sehr gut sei auch zu beurteilen, dass Staatsanwaltschaften die Einstellung von Verfahren künftig gegenüber den Opfern begründen müssen. Unverständlich sei aber, dass bei Fortführungsanträgen 90 Euro zu zahlen sein sollen.

Die Einrichtung einer zentralen schlagkräftigen Wirtschaftsstaatsanwaltschaft ist richtig, das wird zu mehr Qualität bei der Verfolgung von Wirtschaftsdelikten führen, zeigte sich Steinhauser überzeugt. Es wäre aber gut gewesen, die Betroffenen in diese Entscheidung einzubinden, merkte der Redner an und verlas dazu einen kritischen Brief, in dem sich der Vertreter der StaatsanwältInnen darüber beschwert, dass er von dieser Entscheidung im Radio erfahren habe. "Das ist schlechter Stil", lautete der Vorwurf des Abgeordneten an die Justizministerin. Unprofessionell sei auch die Vorgangsweise bei der Entscheidung darüber gewesen, wo die Verfahren abgewickelt werden sollen, in Wien oder in den Ländern. Ähnlich Steinhausers Urteil über die vorliegenden Änderungen beim Thema "Terrorcamps". Legistische Lücken bei der Strafverfolgung krimineller Vereinigungen sollten nach ausführlichen Gesprächen mit ExpertInnen geschlossen werden, sagte der Abgeordnete.

Justizministerin Claudia BANDION-ORTNER wies auf die Schwierigkeiten hin, Korruption und Wirtschaftskriminalität abzugrenzen, und begrüßte die Konzentration der entsprechenden Verfahren an einer Stelle, wodurch sie sich mehr Kompetenz und mehr Transparenz erwartete. Insgesamt rechnete sie damit, dass durch die neuen Instrumente das Vertrauen in Justiz noch mehr gesteigert wird.

Abgeordneter Martin STRUTZ (F) kritisierte, dass nun auch die Zuständigkeit der Gerichte für die Behandlung von Wirtschaftsstrafsachen auf Wien konzentriert wird, und befürchtet dadurch eine Abwertung der Landesgerichte. Besser wäre es seiner Meinung nach, diese Verfahren im regionalen Bereich abzuhandeln.

Abgeordneter Peter Michael IKRATH (V) unterstützte das Gesetz unter dem Aspekt von mehr Transparenz und wünschte für die Zukunft eine professionellere Kommunikationsarbeit in heiklen Wirtschaftscausen. Die Einwände seines Vorredners wies er als "schlecht argumentiert" zurück.

Abgeordneter Otto PENDL (S) sah im Paket einen Beitrag für mehr Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit und verteidigte insbesondere die Strafbestimmung betreffend die Terrorcamps.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) beklagte missbräuchliche Verwendung des Terrorparagraphen und sprach sich für eine Diskussion des gesamten Bereichs und gegen eine isolierte Betrachtung der Terrorcamps aus.

Abgeordnete Karin HAKL (V) zeigte sich "erschüttert" über die ablehnende Haltung der Grünen zur Strafbestimmung betreffend die Terrorcamps, kritisierte aber auch Relativierungen bei der Strafbarkeit der Terrorismusausbildung. Wer es mit der demokratischen Durchsetzung von politischen Zielen ernst meine, der  müsse sich auch uneingeschränkt zum Gewaltverzicht bekennen, betonte Hakl mit Nachdruck.

Abgeordnete STESSL-MÜHLBACHER (S) begrüßte die Bündelung der Kompetenzen und die Erhöhung der Transparenz bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, sah aber noch Handlungsbedarf in Sachen Weisungsfreistellung der Staatsanwaltschaft.

Abgeordneter Johann RÄDLER (V) nahm seine Wortmeldung zum Anlass, die Politik des Landes Niederösterreich auf den Gebieten Wissenschaft und Forschung zu würdigen.

Abgeordneter Peter WITTMANN (S) unterstützte die Bestrafung der Ausbildung zum Terrorismus, stellte aber klar, dass TierschützerInnen nicht mit dem Terrorismusparagrafen verfolgt werden dürfen, "denn dann könnte man ja jeden Hundezüchterverein zum Terrorcamp erklären."

Abgeordneter Hannes FAZEKAS (S) lehnte die Anträge der FPÖ ab und warnte vor der Gefahr, Elemente eines Polizeistaates einzubringen.

Abgeordneter Ewald SACHER (S) bekannte sich ausdrücklich zum Terrorismusparagrafen und unterstrich, es müsse sichergestellt werden, dass es bei der notwendigen Terrorbekämpfung nicht zu einer überzogenen und möglicherweise undemokratischen Auslegung kommt. Unter dem Titel der Terrorbekämpfung dürfe jedenfalls nicht über das Ziel geschossen werden, stellte er klar.

Bei der Abstimmung wurde das Paket in dritter Lesung einstimmig angenommen. Auch die beiden S-V-B-Entschließungsanträge passierten das Plenum ebenso wie der Staatsvertrag betreffend die Errichtung der Internationalen Anti-Korruptionsakademie als internationale Organisation einstimmig.

Die negativen Berichte des Justizausschusses über die weiteren Anträge von FPÖ und BZÖ wurden mehrheitlich bestätigt. 

Noch viel zu tun im Kampf gegen Kindesmissbrauch

Das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch sowie das Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung mit der Republik Mauritius passierten den Nationalrat einstimmig.

Der Antrag des BZÖ betreffend Abschaffung der Verjährungsfristen von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige fand hingegen keine Mehrheit.

Abgeordnete Susanne WINTER (F) erinnerte an die zu diesen Themen stattgefundene Diskussion im Ausschuss und bemängelte dabei, dass der Nationalrat diesen so wichtigen Punkten viel zu wenig Zeit eingeräumt habe. Wenn man Kinder wirklich schützen wolle, dann müsse man diesen Fragen weit mehr Aufmerksamkeit zuwenden als dies derzeit der Fall sei. Konkret brachte sie einen Entschließungsantrag betreffend Web-Filtering bei Kinderpornographie ein. Dies solle den Staat ermächtigen, entsprechende Websites sperren zu können.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) trat gleichfalls für den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch ein. Dieser sei immer eine grobe Verletzung von Kinderseelen, die Folgen seien schwerwiegend und nachhaltig, weshalb es begrüßenswert sei, dass endlich entsprechend gegen sexuelle Gewalt vorgegangen werde. Erfreulich sei, dass Grooming endlich als Straftatbestand erfasst werde.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) brachte einen Entschließungsantrag auf automatische Anzeigepflicht bei sexuellem Missbrauch von Kindern ein und kündigte sodann die Zustimmung seiner Fraktion zum vorliegenden Abkommen an, wiewohl bemängelt werden müsse, wie lange es gedauert habe, bis dieses Abkommen endlich hier vorgelegt wurde. Die Ministerin könne jetzt aber immerhin zeigen, dass ihr die Inhalte dieses Abkommens ein ernstes Anliegen seien, und zwar am Beispiel des Falles Kampusch, wo der Verdacht naheliege, dass hinter diesem Fall ein breit angelegter Kinderschänderring stehe, dem endlich das Handwerk gelegt werden müsse.

Abgeordneter Johann MAIER (S) würdigte das in Rede stehende Abkommen als zweckmäßig und zielführend. Es sei notwendig, dass alle Staaten gemeinsam auf internationaler Ebene gegen solche Formen der Kriminalität vorgingen, denn nur so sei gewährleistet, dass man diesen Verbrechen Herr werde. Internationale Richtlinien seien auch unabdingbar, um etwa Grooming adäquat bekämpfen zu können.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) bezeichnete das Abkommen als richtig und wichtig, weshalb es von seiner Fraktion auch entsprechend unterstützt werde. Allerdings dürfe man dabei nicht vergessen, dass höhere Strafen allein Verbrechen noch nicht verhinderten, man müsse auch entsprechende Aktionen setzen, um diese bereits im Vorfeld zu unterbinden, wobei auch hier auf internationaler Ebene zusammengearbeitet werden müsse. Konkret trat er dafür ein, diesbezügliche Seiten nicht nur zu sperren, sondern sie zu löschen, denn nur damit werde man wirkliche Resultate erzielen können.

Bundesministerin Claudia BANDION-ORTNER hielt fest, der Kampf gegen Kinderpornographie habe bei ihr höchste Priorität, wie die diversen Aktivitäten ihres Hauses bewiesen. Man sei auf diesem Gebiet in Europa Vorreiter, erklärte das Regierungsmitglied, das sodann über die aktuellen Maßnahmen auf europäischer Ebene berichtete. Sie werde auch weiterhin entschlossen gegen Kinderpornographie kämpfen, schloss die Ministerin.

Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) meinte, Kinder zu schützen müsse oberstes Prinzip sein, und von diesem Postulat lasse sich auch ihre Fraktion leiten. Zudem trat sie für eine Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung ein.

Auch Abgeordnete Ruth BECHER (S) empfahl schließlich die Annahme der in Rede stehenden Vorlagen und befasste sich mit dem Thema Verjährungsfristen in diesem Zusammenhang. (Fortsetzung Nationalrat)