Parlamentskorrespondenz Nr. 1014 vom 14.12.2010

Zahl der Pensionsanträge im Jahr 2010 rückläufig

Budgetausschuss behandelt Kapitel Arbeit und Soziales

Wien (PK) – Die Zahl der Pensionsanträge ist in den ersten drei Quartalen des heurigen Jahres rückläufig gewesen. Bis zum Oktober hat es um rund 2.000 Anträge weniger gegeben als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das teilte Sozialminister Rudolf Hundstorfer bei den Beratungen im Budgetausschuss des Nationalrats über das Kapitel Arbeit und Soziales des Budgets für 2011 mit. Betroffen davon war auch die Langzeitversichertenregelung, wo um 3,2 % weniger Pensionszuerkennungen zu verzeichnen gewesen sind. Es müsse aber weiter alles getan werden, um das tatsächliche Pensionsantrittsalter zu heben, machte Hundstorfer geltend.

Zentrale Themen bei den Beratungen im Budgetausschuss waren neben den Pensionen auch die Bereiche Arbeitsmarkt und Pflege, wobei Hundstorfer die Kürzung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik gegen Kritik der Opposition verteidigte.

Im Budgetentwurf für 2011 sind für das Kapitel Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz insgesamt Ausgaben von rund 17,93 Mrd. € vorgesehen. Das ist ein Plus von 1,93 % gegenüber dem Voranschlag 2010. Auf die Untergruppe Arbeit entfallen dabei 5,97 Mrd. €, auf Soziales und Konsumentenschutz 2,36 Mrd. € und auf den Bereich Sozialversicherung 9,59 Mrd. €. Die Einnahmen werden mit 4,88 Mrd. € prognostiziert.

Deutlich weniger Geld gibt es unter anderem für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, ebenso sind im Bereich der Krankenversicherung geringere Ausgaben als 2010 veranschlagt. Die Kosten für Pensionen und das Pflegegeld steigen hingegen zum Teil deutlich. Auch für Zuschüsse zur 24-Stunden-Betreuung sowie für Verbrechensopfer sind Mehrausgaben vorgesehen.

Aktive Arbeitsmarktpolitik: Einsparungen für Minister "akzeptabel"

Eingeleitet wurde die Diskussion im Ausschuss von Abgeordnetem Herbert Kickl (F), der die Kürzung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in vielerlei Hinsicht als problematisch bezeichnete und zu bedenken gab, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise immer noch nicht zu Ende sei. Auch Abgeordnete Birgit Schatz (G) zeigte für die Budgeteinsparungen in diesem Bereich kein Verständnis und kritisierte das Bestreben des AMS, Arbeitslose möglichst schnell in irgendeine Art von Beschäftigung zu bringen, statt Qualifikationsmaßnahmen in den Vordergrund zu rücken und adäquate Arbeitsplätze anzubieten.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer hielt der Kritik der Opposition entgegen, dass das Budget des AMS für aktive Fördermaßnahmen trotz einer Kürzung um 40 Mio. € immer noch das dritthöchste in der Geschichte sei. Er zeigte sich überzeugt, dass man mit den zur Verfügung stehenden Mitteln "gut über das Jahr 2011 kommen wird", und verwies in diesem Zusammenhang auf die rückläufige Arbeitslosigkeit und den Rückgang der Schulungen.

In Kurzarbeit haben sich nach Auskunft Hundstorfers zum Stichtag 2010 5.200 Personen befunden. Am Höhepunkt der Kurzarbeit Mitte 2009 waren es noch 57.000 ArbeitnehmerInnen gewesen. Den entsprechenden Aufwand für 2009 bezifferte er mit 113 Mio. €. Es sei nicht abschätzbar, wie viele Arbeitsplätze durch das Kurzarbeitsmodell gesichert werden konnten, sagte der Minister, er geht aber von aus, dass die Kurzarbeit einen wichtigen Beitrag zur verhältnismäßig niedrigen Arbeitslosenquote in Österreich geleistet hat.

Für 2011 erwartet sich Hundstorfer einen weniger deutlichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen als heuer, er äußerte sich grundsätzlich aber optimistisch und machte darauf aufmerksam, dass zuletzt 61.000 Menschen mehr in Österreich beschäftigt waren als noch 2009.

Für die betriebliche Lehrlingsförderung stehen Hundstorfer zufolge 163 Mio. € aus Mitteln des Insolvenzentgeltfonds zur Verfügung. Dazu kommen 31 Mio. € aus AMS-Mitteln und 15 Mio. € vom Bundessozialamt für die Lehrstellenförderung für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen. Als ein Problem erachtet Hundstorfer die Konzentration der Jugendlichen auf wenige Lehrberufe, das Ministerium versuche hier durch verschiedene Maßnahmen gegenzusteuern. So gebe es etwa bei Fleischerlehrstellen mehr Angebot als Nachfrage.

In Einrichtungen der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung können nach Darstellung Hundstorfers insgesamt 12.000 Jugendliche untergebracht werden, derzeit sind 10.700 Plätze belegt. Für diesen Bereich sind Budgetmittel in der Höhe von 140 Mio. € veranschlagt. Hauptziel bleibe aber die betriebliche Berufsausbildung, bekräftigte der Minister. Für ältere Arbeitslose wird es laut Hundstorfer weiter eine Reihe von Spezialmaßnahmen – Qualifizierungs- und Umschulungsangebote, Eingliederungshilfen – geben.

In sozioökonomischen Betrieben und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten, ein von Abgeordnetem Jochen Pack (V) angesprochenes Thema, sind laut Hundstorfer derzeit 26.000 Menschen beschäftigt.

Was die Leiharbeiter-Problematik betrifft, machte Hundstorfer gegenüber Abgeordnetem Kickl geltend, Leiharbeiter in Österreich seien im Gegensatz zu manch anderen Ländern sozialversicherungsrechtlich vollständig abgesichert und würden nach Kollektivvertrag bezahlt. Er will mit den Sozialpartnern aber über ein adäquates Verhältnis zwischen fix angestellten Mitarbeitern und Leiharbeitern sowie über eine verpflichtende Übernahme von Leiharbeitern in die Stammbelegschaft nach einem bestimmten Zeitraum verhandeln.

Positiv äußerte sich Hundstorfer zur geplanten "Rot-Weiß-Rot-Card". Sie bringe ein transparentes System bei der Zuwanderung nach messbaren und objektiven Kriterien, bekräftigte er. Hundstorfer sieht insbesondere die Frage der Schlüsselkräfte als gut gelöst, bei den sogenannten "Mangelberufen" hat es seiner Ansicht nach schon in der Vergangenheit ein gut funktionierendes System gegeben.

Von Seiten der Abgeordneten hoben sowohl Abgeordnete Renate Csörgits (S) als auch ihr Fraktionskollege Franz Riepl die erfolgreichen Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hervor. Die Arbeitsmarktlage habe sich überraschend schnell verbessert, betonte Riepl. Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) machte dem gegenüber darauf aufmerksam, dass viele ArbeitnehmerInnen lediglich Teilzeit arbeiten bzw. geringfügig beschäftigt seien, und unterstrich, grundsätzliches Ziel müsse Vollzeitbeschäftigung sein.

Als Schwerpunktsetzungen der Arbeitsinspektion im kommenden Jahr nannte Hundstorfer auf eine Frage von Abgeordnetem Karl Öllinger (G) u.a. die Bereiche optische Strahlungen, Arbeitszeiteinhaltung, gesundheitliche und psychische Probleme sowie neben der Baubranche und dem Gastgewerbe die Möbeltischlereien. Abgeordnetem Dietmar Keck (S) teilte der Minister mit, dass die Arbeitsunfälle rückläufig seien. Bei einer Schwerpunktüberprüfung der Arbeitszeit im Handel wurden laut Hundstorfer zuletzt mehr als 3.000 Übertretungen festgestellt, wobei etwa die maximale Tagesarbeitszeit oder vorgeschriebene Ruhepausen nicht eingehalten worden seien.

Pensionen - Andrang beim Nachkauf von Schul- und Studienzeiten

Von zahlreichen Abgeordneten wurde auch das Thema Pensionen angeschnitten. So hob Abgeordneter Martin Bartenstein (V) die Notwendigkeit hervor, weitere kostendämpfende Maßnahmen im Bereich der Langzeitversichertenregelung zu setzen. Abgeordneter Oswald Klikovits (V) wollte wissen, ob es gelungen sei, das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben. Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) erkundigte sich nach der Verteilung der Pensionsausgaben auf Frauen und Männer. Abgeordneter Werner Neubauer (F) thematisierte die Streichung des Alleinverdienerabsetzbetrags.

Sozialminister Hundstorfer wies darauf hin, das durchschnittliche Pensionsantrittsalter sei nur geringfügig gestiegen. 2009 gingen Männer demnach mit durchschnittlich 59,1 Jahren und Frauen mit 57,1 Jahren in den Ruhestand. Ein großes Problem sind für Hundstorfer dabei jene Personen, die eine Invaliditätspension in Anspruch nehmen, wobei er zu bedenken gab, dass es sich hierbei um kranke Menschen handle.

Der Andrang beim Nachkauf von Schul- und Studienzeiten ist laut Hundstorfer stark, allerdings könne man noch nicht sagen, wie viele Personen von dieser Möglichkeit vor der bevorstehenden Verteuerung der Beiträge Gebrauch machen werden. Bei langzeitversicherten Personen gibt es nach Darstellung Hundstorfers in den ersten drei Quartalen 2010 um 3,2 % weniger Pensionszuerkennungen als im Vergleichszeitraum 2009, nach dem Auslaufen der geltenden "Hacklerregelung" ab 2014 rechnet der Minister mit einer Halbierung der Anträge.

Die Aussetzung der Pensionsanpassung für BezieherInnen von Pensionen über 2.310 € wertete Hundstorfer als "sozial verträgliche Maßnahme" und Teil des Konsolidierungspakets. Den Berechnungen des Sozialministeriums zufolge sind davon nicht einmal 5 % der ASVG-PensionistInnen betroffen. 91 % beziehen weniger als 2.000 € Pension und kommen damit in den Genuss der vollen Pensionsanpassung von 1,2 %, für den Rest gilt eine Abschleifregelung. Generell kommen laut Hundstorfer die Pensionsleistungen Frauen verstärkt zugute, demnach sind etwa von 239.000 AusgleichszulagenbezieherInnen rund 67 % Frauen.

Von der Streichung des Alleinverdienerabsetzbetrags in Haushalten ohne Kinder seien BezieherInnen niedriger Pensionen de facto nicht betroffen, konstatierte Hundstorfer.

Aufwand für Pflege wird 2011 um rund 3 % steigen

Zum Themenkomplex Pflege merkte Hundstorfer an, der Aufwand für das Pflegegeld werde trotz der gesetzten kostendämpfenden Maßnahmen weiter steigen. Er rechnet mit zusätzlichen Kosten in der Höhe von 3 % im kommenden Jahr. Hundstorfer befürwortet, wie er sagte, die Einrichtung eines Pflegefonds, diese solle in zwei Etappen umsetzt werden. Eine finanzielle Unterstützung der Länder und Gemeinden durch den Bund will Hundstorfer mit der Frage des Stabilitätspaktes verknüpfen.

Abgeordneter August Wöginger (V) hatte zuvor auf den steigenden Pflegeaufwand und die damit verbundenen großen Herausforderungen für die Gemeinden verwiesen. Er gab außerdem zu bedenken, dass 80 % der pflegebedürftigen Personen zu Hause betreut würden, und hob wie Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) und Abgeordneter Norbert Hofer (F) die Leistungen von Angehörigen im Pflegebereich hervor. Abgeordnete Ursula Haubner (B) sprach das Thema Qualitätssicherung bei der häuslichen Pflege an.

Der Sozialminister teilte dazu mit, dass von 435.000 PflegegeldbezieherInnen 58 % zu Hause – in der Regel von Angehörigen oder Nachbarn – betreut würden, ohne dass gleichzeitig auf professionelle mobile Dienste zurückgegriffen werde. 42 % nehmen dem gegenüber irgendeine Form von Sachleistung in Anspruch, wobei sich 16 % der Betroffenen in stationärer Pflege befinden, 2 % das Modell der 24-Stunden-Betreuung nützen und der Rest unter Zuhilfenahme von mobilen Diensten zu Hause gepflegt werde. Die sozialversicherungsrechtliche Absicherung für pflegende Angehörige wird nach Auskunft Hundstorfers von 5.000 Personen in Anspruch genommen, dafür werden heuer 30 Mio. € aufgewendet.

Um zu prüfen, inwieweit die häusliche Betreuung adäquat erfolgt, wurden im vergangenen Jahr mehr als 18.000 Hausbesuche gemacht, wobei es in 99,2 % der Fälle keine Beanstandung gegeben habe. Für kommendes Jahr sind 20.000 Hausbesuche geplant.

Das definierte Ziel, innerhalb von 60 Tagen über Anträge auf Pflegegeld zu entscheiden, wird laut Hundstorfer in seinem Zuständigkeitsbereich erreicht. Der gewichtete Schnitt bei Neuanträgen betrage 58,1 Tage und bei Anträgen auf Erhöhung des Pflegegelds 54,5 Tage, skizzierte er. Probleme gebe es hier aber in einigen Bundesländern, räumte der Minister ein.

Mindestsicherung: Sozialminister schließt Missbrauch weitgehend aus

Mehrfach von der FPÖ thematisiert wurde die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Abgeordneter Kickl und Abgeordneter Hofer zeigten sich überzeugt, dass das System nicht missbrauchssicher sei. So ist es ihrer Meinung nach etwa nicht möglich zu überprüfen, ob jemand Vermögen im Ausland besitze.

Sozialminister Hundstorfer hielt dem entgegen, dass die Missbrauchsanfälligkeit der Mindestsicherung nicht höher sei als jene der Sozialhilfe. Die Länder hätten schon bisher geprüft, ob die Angaben der BezieherInnen glaubwürdig seien und im Bedarfsfall erforderliche Überprüfungen eingeleitet. Er verwahre sich gegen den von der FPÖ vermittelten Eindruck, dass die Mindestsicherung von Ausländern ausgenutzt werde, betonte er. Hundstorfer machte auch geltend, dass in jenen drei Bundesländern, in denen die Mindestsicherung bereits umgesetzt wurde, der Anstieg der BezieherInnen gegenüber der zuvor gewährten Sozialhilfe unter der prognostizierten Quote von plus 20 % liege.

Barrierefreie Bundesgebäude: Hundstorfer verteidigt Fristerstreckung

Verteidigt wurde von Hundstorfer die vorgesehene Fristerstreckung für die barrierefreie Gestaltung von Bundesgebäuden. Er wies darauf hin, dass hier keine Ausgaben gekürzt, sondern lediglich auf mehrere Jahre aufgeteilt würden. Probleme mit der Einhaltung der geltenden Frist haben ihm zufolge vor allem das Wissenschaftsministerium, das Unterrichtsministerium und das Innenministerium. So müssten etwa noch rund 500 Schulen aufgerüstet werden.

Die Berechnung der Behindertenverbände, wonach bei behinderten Menschen 650 Mio. € eingespart würden, kann Hundstorfer, wie er sagte, nicht nachvollziehen. Sowohl bei der Arbeitsassistenz als auch bei der Integration von behinderten Jugendlichen in den Arbeitsmarkt gebe es keine Einsparungen, versicherte er. Dass die Probezeit für behinderte Menschen verlängert werde und der spezielle Kündigungsschutz damit erst nach vier Jahren greife, steht für Hundstorfer nicht im Widerspruch zur UN-Konvention über die Rechte von behinderten Menschen.

Festhalten will Hundstorfer auch an der Umgestaltung der Mobilitätsförderung für behinderte Menschen – statt der Rückerstattung der Nova beim Kauf eines behindertengerechten Fahrzeuges soll es in Hinkunft erhöhte steuerliche Freibeträge geben.

In Bezug auf die pensionsversicherungsrechtliche Absicherung von Menschen in Beschäftigungstherapie stellte Hundstorfer weitere Gespräche in Aussicht. Deren Einbeziehung in die Unfallversicherung sei in Umsetzung, konstatierte er.

Die schwierige Lage von behinderten Menschen hatten zuvor neben Abgeordnetem Hofer auch die Abgeordneten Franz Josef Huainigg (V) und Helene Jarmer (G) angesprochen.

Im Zusammenhang mit dem Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung hat das Sozialressort 16 Projekte unterstützt, teilte Hundstorfer auf eine Frage von Abgeordneter Heidrun Silhavy (S) mit. Generell versucht sein Ressort verstärkt Fördergelder der EU abzuholen, sagte der Minister Abgeordnetem Johann Hell (S). Um ein Schließen der Einkommensschere zwischen Männer und Frauen, ein von Abgeordneter Sonja Ablinger (S) angesprochenes Thema, will sich der Minister weiter bemühen. Zur Einführung eines "Papamonats" auch in der Privatwirtschaft gibt es laut Hundstorfer derzeit kein konkretes Projekt. Um die Gewalt gegen ältere Menschen einzudämmen, setzt Hundstorfer u.a. auf Bewusstseinsbildung und verwies auf weitere Maßnahmen seines Ressorts. (Fortsetzung Budgetausschuss)