Parlamentskorrespondenz Nr. 968 vom 20.10.2011

Untersuchungsausschuss: Eine der schärfsten "Waffen" des Parlaments

Sparsam genutzt, aber stets heftig umstritten

Wien (PK) – BZÖ, ÖVP, SPÖ und FPÖ haben in der heutigen Sitzung des Nationalrats einen gemeinsamen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur "Klärung von Korruptionsvorwürfen" eingebracht. Die Debatte und Abstimmung darüber findet nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist eine der schärfsten "Waffen" des Parlaments, um die Regierungsarbeit zu kontrollieren. Insgesamt 19 Mal in der Zweiten Republik hat der Nationalrat bisher auf dieses Instrument zurückgegriffen, um bestimmte Vorfälle aufzuklären und etwaige Missstände in der Verwaltung ans Tageslicht zu bringen. Besonders in Erinnerung blieben etwa die Untersuchungsausschüsse zur Lucona-Affäre und zu umstrittenen Kriegsmaterialexporten, die Ende der 80er-Jahre zu mehreren Rücktritten führten. Zuletzt befassten sich die Abgeordneten von Juli bis Dezember 2009 im Rahmen eines Untersuchungsausschusses mit dem Vorwurf der Bespitzelung von Mandataren und parlamentarischen Mitarbeitern durch Polizei und Justiz.

Die Frage, zu welchem Thema ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden soll, ist stets heftig umstritten. Die Regierungsparteien lehnen Anträge der Opposition häufig mit dem Argument ab, dass man zunächst die Justizbehörden ermitteln lassen solle. Zudem werfen sie FPÖ, Grünen und BZÖ generell vor, Untersuchungsausschüsse als "Tribunale" zu missbrauchen, die Rechte von Auskunftspersonen regelmäßig zu missachten und vertrauliche Akten den Medien zuzuspielen. Dem gegenüber steht von Seiten der Opposition der immer wieder geäußerte Vorwurf an SPÖ und ÖVP im Raum, Missstände aus parteipolitischen Motiven vertuschen und verschleiern zu wollen.

Für weitere Aufregung in der Vergangenheit sorgten auch Aktenschwärzungen von Ministerien, Diskussionen um die Ladung von Auskunftspersonen und das vorzeitige Aus von Untersuchungsausschüssen gegen den Willen der Opposition. So beendete die Koalition den letzten Untersuchungsausschuss zur Abhör- und Spitzelaffäre durch eine Fristsetzung.

SPÖ und ÖVP haben zwar bereits vor geraumer Zeit zugesagt, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu einem parlamentarischen Minderheitsrecht zu machen, die Verhandlungen im Geschäftsordnungskomitee des Nationalrats liegen derzeit aber auf Eis. Es spießt sich unter anderem an der Frage, welches Gremium bei Meinungsdifferenzen, etwa über die Formulierung des Untersuchungsgegenstandes oder über die Ladung von Auskunftspersonen, für die Streitschlichtung zuständig sein soll.

Auskunftspersonen stehen unter Wahrheitspflicht

Geregelt ist das Procedere für parlamentarische Untersuchungsausschüsse in einer eigenen Verfahrensordnung. Dort ist unter anderem auch das Recht des Ausschusses auf umfassende Aktenanforderung sowie die Pflicht von geladenen Auskunftspersonen zur wahrheitsgemäßen Aussage verankert. Im Bedarfsfall kann der Ausschuss bei Gericht die Verhängung von Ordnungs- und Beugestrafen beantragen. Um die Grund- und Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen zu wahren und ein faires Verfahren sicherzustellen, ist dem bzw. der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses ein Verfahrensanwalt / eine Verfahrensanwältin beigestellt.

Die Anhörung von Auskunftspersonen und Sachverständigen im Untersuchungsausschuss ist, im Gegensatz zu den vertraulichen Beratungen der Abgeordneten, in der Regel medienöffentlich. Über solche medienöffentliche Anhörungen werden auch Wortprotokolle erstellt, die, ein entsprechender Beschluss des Ausschusses vorausgesetzt, in Form von so genannten Kommuniqués auf der Website des Parlaments veröffentlicht werden.

Der Untersuchungsausschuss selbst hat nicht die Möglichkeit, Regierungsmitglieder für zutage tretende Missstände in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verantwortung zu ziehen. Es bleibt dem Nationalrat vorbehalten, gegebenenfalls ein Misstrauensvotum zu fassen oder eine Ministeranklage zu erheben.

Der Bundesrat hat, anders als der Nationalrat, kein Recht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Enorme Herausforderung für die Parlamentsverwaltung

Untersuchungsausschüsse stellen sowohl die politischen Fraktionen als auch die Parlamentsverwaltung vor große Herausforderungen, was Logistik und Arbeitsaufwand betrifft. Zum einen müssen riesige Aktenberge durchforstet, zum anderen ein oft dicht gedrängtes Sitzungsprogramm bewältigt werden. So hielten etwa die beiden im November 2006 parallel eingesetzten Untersuchungsausschüsse zum Eurofighter-Kauf und zur Überprüfung der Effizienz der Banken-Aufsicht innerhalb von acht Monaten zusammen 88 Sitzungen mit einer Beratungsdauer von rund 830 Stunden ab. Dabei wurden mehr als 200 Auskunftspersonen befragt und 12.000 Seiten Protokoll angefertigt. Für eine gewisse Arbeitserleichterung sorgen inzwischen moderne Technologien: die angeforderten Akten werden stapelweise eingescannt und den Fraktionen auf CDs bzw. DVDs zur Verfügung gestellt. (Schluss)