Parlamentskorrespondenz Nr. 1065 vom 15.11.2011

Die ÖBB bleibt Zankapfel zwischen den Parteien

Flugsicherung in Europa - erste Schritte zur Vereinheitlichung

Wien (PK) – Verkehrsthemen beherrschten den nächsten Diskussionsblock in der heutigen Sitzung des Nationalrats. So wurde zunächst der Gemeinwirtschaftliche Leistungsbericht 2010 mit den Stimmen der Regierungsparteien zur Kenntnis genommen. Demgemäß gab es im abgelaufenen Jahr Bestellungen in der Höhe von 731 Mill. €

Einstimmig genehmigten die Abgeordneten jedoch die gesetzlichen Grundlagen für die Schaffung eines funktionalen Luftraumblocks "Zentraleuropa" betreffend die Flugsicherungsdienste. Der Beschluss der Abgeordneten galt der Beendigung der nach EU-Recht nicht mehr anwendbaren CEATS-Vereinbarung über die Flugsicherungsdienste.

ÖBB: Kritik an "Ausdünnung" von Direktverbindungen

Im Zusammenhang mit dem Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht kritisierte die Opposition, aber auch die ÖVP, die ihrer Meinung nach zunehmende "Ausdünnung" der Direktverbindungen auf ÖBB-Strecken. Die Ministerin hingegen argumentierte, noch nie sei in Österreich so viel Bahn gefahren und seien so viele Güter auf der Schiene befördert worden wie heute. Die Westbahn sei nun eine eigenwirtschaftlich geführte Strecke, was sie begrüße.

Abgeordneter Mario KUNASEK (F) kündigte die Ablehnung des Berichts durch seine Fraktion an. In diesem Bereich klafften "Anspruch und Wirklichkeit" schließlich zu weit auseinander, argumentierte er. Kritik übte Kunasek dabei unter anderem an der Tatsache, dass zwar Leistungen "heruntergefahren" würden, die aufgewendeten finanziellen Mittel davon aber unberührt blieben. Was die geplante Einstellung des Direktzugverkehrs auf der Strecke Salzburg-Graz-Salzburg anbelange, begründe man sie außerdem unter Hinweis auf falsche Daten: Die Fahrgastzahlen seien schließlich nicht seriös erhoben worden, zeigte sich der F-Mandatar überzeugt. Er brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, auf das ÖBB-Management einzuwirken, um die geplante Streichung dieser Verbindung zu verhindern.

S-Mandatar Anton HEINZL sprach von einer Erfolgsgeschichte der gemeinwirtschaftlichen Leistungsbestellungen. Für die 731 Mio. €, die dafür 2010 ausgeschüttet wurden, wurden über 70 Mio. Zugkilometer im Personenverkehr bestellt und 210 Mio. Fahrgäste befördert, erläuterte er. Das neue Qualitätsmanagement diene der Verbesserung der Fahrgastzufriedenheit. Ohne die gemeinwirtschaftlichen Leistungen würde ein Drittel an Gütern mehr auf Österreichs Straßen transportiert und dadurch das Straßennetz überfordert. Die Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Leistungen stelle daher einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik dar, hielt der Abgeordnete fest.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) räumte ein, Verkehrsministerin Bures zeige sich durchaus bemüht und der vorliegende Bericht schaffe erstmals tatsächliche Transparenz. Angesichts zahlreicher Wehrmutstropfen werde aber auch ihre Fraktion die Zustimmung versagen müssen. Kritik gelte es dabei nicht zuletzt an der bereits angesprochenen "Ausdünnung" von Direktverbindungen in der Steiermark zu üben. Verbindungen zwischen Landeshauptstädten seien aus Sicht der Grünen klare Grundsatzaufgabe des Bundes: Bures solle die Verantwortung deshalb nicht auf die Länder abwälzen, kritisierte die G-Abgeordnete. Wenig positiv äußerte sich Moser außerdem zur konkurrenzlosen Direktvergabe und den bestehenden Kapitalrendite-Regelungen: Sie verhinderten schließlich, dass das Optimum für die BenutzerInnen der öffentlichen Verkehrsmittel herausgeholt werden könne, zeigte sich Moser überzeugt.

V-Abgeordneter Martin BARTENSTEIN hielt fest, er stimme in vielen Punkten mit der Kritik von Abgeordneter Moser überein. Es habe sicherlich Verbesserungen gegeben, etwa beim Qualitätsmanagement. Unverständlich sei aber, dass zwischen Graz und Linz keine Direktverbindung mehr bestehe. Eine solche sollte angesichts der aufgewendeten Summen eigentlich möglich sein, kritisierte er. Für eigenartig befand es Bartenstein auch, dass auf der Westbahn keine gemeinwirtschaftlichen Leistungen mehr bestellt wurden. Der Vertrag über die Bestellung der Leistungen selbst sei nicht Teil des Berichts, obwohl er dem Vernehmen nach einige fragwürdige Punkte enthalte. Es sollte außerdem ein Mehr an Ausschreibungen geben, damit auch andere Unternehmen die Leistungen anbieten können, forderte Bartenstein. Damit wäre insgesamt eine Verbesserung des Angebots erzielbar.

B-Mandatar Christoph HAGEN kritisierte die Monopolstellung der ÖBB im Bereich des Güterverkehrs, die es privaten Anbietern faktisch unmöglich mache, auf diesem Gebiet etwas voranzubringen. Der Abgeordnete drängte außerdem auf die Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen in Hinblick auf das Pensionssystem der Österreichischen Bundesbahnen. Die "Zuckerl", die hier noch bestünden, seien nicht zu verantworten und zutiefst ungerecht, stand für Hagen außer Frage.

Verkehrsministerin Doris BURES meinte, der Bericht erfülle die Forderung nach Transparenz in der Frage gemeinwirtschaftlicher Leistungen. Es gebe keine undurchsichtigen Zahlungsströme mehr, sondern es werde klar dargestellt, welche Leistungen um welche Summe erbracht wurden. Außerdem werde deutlich zwischen wirtschaftlich zu führenden Strecken und solchen, auf denen Tarife unterstützt werden müssten, unterschieden. Außer Streit stehe dabei, dass den ÖBB große Bedeutung für den öffentlichen Verkehr zukomme, sowohl was den Personen- wie den Güterverkehr betreffe. Es sei deshalb eine gemeinsame Kraftanstrengung für einen umweltfreundliches Verkehrsmittel notwendig. Bedauerlich war aus Sicht der Ministerin, dass manche Länder diese Anstrengung nicht ausreichend unterstützten. Aufgabe des Bundes sei es, das vereinbarte Zielnetz mit klar definierten Bestellungsleistungen zu unterstützen. Noch nie wurde in Österreich so viel Bahn gefahren und wurden so viele Güter auf der Schiene befördert, wie jetzt, stellte die Ministerin fest. Das zeige, dass das Geld gut investiert sei. Die Westbahn sei nun eine eigenwirtschaftlich geführte Strecke, und sie unterstütze den Wettbewerb darauf.

Abgeordneter Josef AUER (S) meinte, es stehe außer Frage, dass der öffentliche Personenverkehr in dünn besiedelten Gebieten sichergestellt werden müsse. Dazu brauche es die heute diskutierten gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Was die Kritik an der "Ausdünnung" von Verbindungen anbelange, gelte es aber sehr wohl auch die Länder in die Pflicht zu nehmen, meinte der Abgeordnete, der scharfe Kritik an den einmal mehr vorgebrachten ÖBB-"Mythen" übte. Die SPÖ werde die Bundesbahnen jedoch nicht "fallen lassen", sondern alles daran setzen, dass sie nach Jahren, in denen sie beinahe "tot gewirtschaftet wurden", wieder auf die Beine kommen.

G-Abgeordnete Christiane BRUNNER widersprach der Ministerin: Entgegen ihrer Darstellung sei das Zielnetz nicht im Parlament beschlossen worden. Das Angebot für die Fahrgäste wäre trotz hoher Zahlungen nicht besser geworden, sondern es seien sogar Strecken eingestellt worden. Dafür sollte die ÖBB eigentlich Abzüge bekommen, forderte Brunner. Für stillgelegte Strecken müssten zudem Nachfolgebetreiber gefunden werden. Es finde derzeit außerdem eher eine Verlagerung von der Schiene auf die Straße statt. Besonders in ländlichen Regionen stehe es um das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel schlecht. In diesem Bereich erwarte sie sich von der Verkehrsministerin mehr Engagement, vor allem in Hinblick auf die sehr beschämende österreichische Klimabilanz, schloss Brunner.  

Abgeordnete Karin HAKL (V) zeigte sich erfreut darüber, dass einige Bundesländer nunmehr Geld in die Hand nehmen, um wichtige Verbindungen aufrechtzuerhalten. Eine Verdichtung der Verbindungen insgesamt sei jedoch trotz aller Bemühungen nicht gelungen, bedauerte die Mandatarin. Es gelte deshalb darüber nachzudenken, ob es bei den ÖBB überhaupt noch eine Bundeszuständigkeit brauche. Die permanente Erhöhung der Kosten sei vor dem Hintergrund unzureichender Qualitäts- und Effizienzsteigerungen außerdem nicht hinnehmbar, zeigte sich Hakl überzeugt.

S-Mandatar Wilhelm HABERZETTL hielt fest, im österreichischen Schienennetz seien bereits acht Unternehmen im Güterverkehr tätig. Die Grünen hätten zudem der Vereinbarung des Zielnetzes selbst zugestimmt. Mit Ausschreibungen gebe es kaum positive Erfahrungen in verschiedenen europäischen Ländern. Die Neufassung der gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge sei jedenfalls gelungen, betonte Haberzettl. Die Steigerungen der Zahlungen dafür sei auf die dringend notwendige Indexanpassung zurückzuführen. Die Strecke zwischen Salzburg und Graz habe kein hohes Reiseaufkommen, betonte Haberzettl, was erkläre, warum keine Direktverbindungen geführt würden. Auf anderen Strecken, etwa der Westbahn, die stark benützt werde, stelle man den Reisenden, vor allem aber den Pendlern, das entsprechende Angebot zur Verfügung. Haberzettl konzedierte Bundesministerin Bures, eine gute Verkehrspolitik zu betreiben.

Abgeordneter Johann RÄDLER (V) wollte die Situation der ÖBB nicht schön geredet wissen. Was die Einstellung regionaler Verbindungen anbelange, sei sie immer ein Verlust, zeigte sich der V-Mandatar überzeugt. Um einer Verlagerung von Transporten von der Schiene auf die Straße entgegenzuwirken, gelte es außerdem, mit Anreizen zu arbeiten. Was den Bundesbahnreformprozess anbelangt, sei dieser nicht, wie von Seiten der Eisenbahnergewerkschaft zunächst postuliert worden, der "Todesstoß" für die ÖBB gewesen: Man habe es im Gegenteil mit einer Erfolgsgeschichte zu tun, hielt Rädler unter anderem dem scheidenden Gewerkschaftschef Wilhelm Haberzettl entgegen. 

Der Bericht wurde mit Stimmenmehrheit zur Kenntnis genommen.

Der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend Sicherung der IC-Zugverbindungen Salzburg-Graz-Salzburg verfehlte das erforderliche Quorum und wurde damit abgelehnt.

Ziel ist einheitlicher Europäischer Luftraum – Kritik an Austro Control

Im Rahmen der folgenden Diskussion über die Schaffung des Funktionalen Luftraumblocks "Zentraleuropa " und der damit in Zusammenhang stehenden Beendigung der CEATS-Vereinbarung wurde dieser Schritt zur Vereinheitlichung des europäischen Luftraums im Interesse der Verringerung von Wartezeiten zwar allgemein begrüßt, die Abgeordneten bedauerten jedoch, dass es bislang nicht gelungen ist, die Zersplitterung der Luftraumüberwachung gänzlich zu überwinden.

Abgeordneter Anton HEINZL (S) sah im Abkommen zum Funktionalen Luftraumblock "Zentraleuropa" einen wichtigen Schritt, um die bislang noch sehr zersplitterte Luftraumüberwachung in Europa, die zu langen Wartezeiten im Flugverkehr und auch höheren Kosten für die Fluggäste führe, zu vereinheitlichen. Die Vorteile eines einheitlichen Luftraums ließen sich etwa in den USA beobachten. Es sei daher notwendig, dass auch Europa hier zu einer Vereinheitlichung finde. Österreich werde daher künftig mit seinen Nachbarländern im Osten und Südosten einen einheitlichen Luftraum Zentraleuropa bilden.

V-Mandatar Ferdinand MAIER (V) begrüßte das "Single European Sky"-Abkommen, bedauerte aber, dass es nicht gelungen sei, die Ziele der EU-Kommission zu erreichen. Damit befinde man sich, wie der Abgeordnete ausführte, in einer überaus "peinlichen" Situation. Das einzige, was man geschafft habe, sei schließlich die Wahrung des Status-quo gewesen. Was die von Seiten der Verkehrsministerin vorgelegte "Roadmap" anbelange, wäre sie nichts anderes als ein "lieb- und belangloses" Papier ohne Verbindlichkeit. Damit stelle man nicht die notwendigen Weichen für eine effiziente und zukunftsträchtige Luftfahrtpolitik, zeigte sich Maier überzeugt.

F-Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) meinte, es sei positiv, dass der gemeinsame europäische Luftraum Schritt für Schritt umgesetzt werde, wenn es dabei auch noch Probleme gebe. Grundsätzlich befinde man sich auf einem guten Weg. Allerdings sei anzumerken, dass es in Österreich große Probleme bei Pünktlichkeit und Kosteneffizienz im Flugverkehr gebe. Grund dafür sei die Nachlässigkeit, mit der österreichische Luftverkehrspolitik seit langem betrieben werde. Ministerin Bures sei dafür allerdings nicht allein verantwortlich zu machen. Sie habe in ihrem Ressort viele Missstände geerbt. So agiere etwa die Austro Control willkürlich "nach Gutsherrenart". Es müsse anstelle von Bürokratie mehr Serviceorientierung geben. Hier sollte die Ministerin durchgreifen, forderte Deimek.

Dass Kritik an der Austro Control geübt werden müsse, stand für Abgeordnete Gabriela MOSER (G) außer Frage. Die beiden Regierungsvorlagen, die heute zur Diskussion stünden, seien aber Schritte in die richtige Richtung. Die Grüne Fraktion werde sie deshalb auch unterstützen. Kritik äußerte Moser aber an der Bestrebung, eine dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat zu bauen. Vor dem Hintergrund des Ziels der Effizienzsteigerung sei dies nicht sinnvoll, zumal im Nachbarstaat Slowakei noch Kapazitäten genützt werden könnten.

B-Mandatar Christoph HAGEN kündigte die Zustimmung auch seiner Fraktion an. Die Regelung, um die es hier gehe, sei an sich vernünftig. Er schloss sich aber ebenfalls der Kritik an der Austro Control an. Es sei etwa bedenklich, dass dort weit überhöhte Gehälter bezahlt würden. Hier müsste dringend "ausgemistet" werden, forderte der Abgeordnete.

Abgeordneter Peter STAUBER (S) sprach vor dem Hintergrund der heute zu verabschiedenden Vorlagen von Effizienz- und Sicherheitssteigerungen im Bereich des Flugverkehrs. Angesichts der zahlreichen positiven Effekte, die sie nach sich zögen, könne man sie gar nicht ablehnen, zeigte sich der S-Mandatar überzeugt.

Bundesministerin Doris BURES sah es als positiv, dass man Schritte zu einer Vereinheitlichung des europäischen Luftraums setzt. Aus bisher 36 Lufträumen würden nunmehr 9 europäische Luftraumblöcke. Das bedeute kürzere Flugzeiten und damit auch eine geringere Schadstoffbelastung der Umwelt, unterstrich sie. Die Ministerin bedankte sich für die Unterstützung, die das Verkehrsministerium bei der Entwicklung der Roadmap Luftfahrt aus mehreren anderen Ressorts und von Seiten der Interessens- und Wirtschaftsvertreter gefunden habe. Man habe gemeinsam eine klare Strategie bis 2020 entwickelt, die eine gute Zukunft der österreichischen Luftfahrt garantiere.

In der Abstimmung erhielten die beiden Regierungsvorlagen einhellige Zustimmung.

(Fortsetzung Nationalrat)