Parlamentskorrespondenz Nr. 20 vom 12.01.2012

Bundesminister Töchterle: Hochschulplan liegt im Zeitrahmen

Wissenschaftsausschuss diskutiert Zukunft der Hochschulbildung

Wien (PK) – Der Hochschulplan und damit die Entwicklung des österreichischen Hochschulraumes stand heute im Mittelpunkt der Debatte des Wissenschaftsausschusses. Im Rahmen einer Aktuellen Aussprache gab dabei Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle den Abgeordneten Auskunft über den derzeitigen Stand der Entwicklung des österreichischen Hochschulplans.

Bundesminister Töchterle stellte dabei den Abgeordneten die vier Teilbereiche des Hochschulplans vor. Mit Ende des Jahres sei man in allen Bereichen zu substanziellen Ergebnissen gekommen. Allerdings müsse man den Hochschulplan als fortschreitenden Prozess verstehen, der Veränderungen unterworfen sei. Über einzelne Details stehe er noch in Verhandlungen mit dem Koalitionspartner, deshalb handle es sich erst um ein vorläufiges Ergebnis, das aber jedenfalls herzeigbar sei.

Auf der Tagesordnung stand zudem ein Regierungsabkommen zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation, welches einstimmig plenumsreif gemacht wurde.

Bundesminister Töchter: Hochschulplan ist ein Entwicklungsprozess

Bundesminister Töchterle definierte den Hochschulplan als fortlaufenden Gestaltungsprozess zur Weiterentwicklung des österreichischen Hochschulraums. Man habe die Diskussion Ende des vergangenen Jahres zu einen präsentablen Ergebnis geführt. Über einige Details gebe es noch Verhandlungen innerhalb der Koalition, er gehe aber davon aus, das eine Umsetzung der Projekte in der nächsten Leistungsvereinbarungsperiode 2013 bis 2015 erfolgen werde.

Der Hochschulplan umfasse vier Teilprojekte, in welche die Hochschulpartner intensiv eingebunden seien, erläuterte der Minister. Dabei handle es sich zuerst um die Koordinierungsmaßnahmen von Forschung und Lehre, um eine bessere Profilbildung und Schwerpunktsetzungen der Hochschulen zu erreichen.

Ein Bauleitplan legt die Abfolge des Baugeschehens an den 21 staatlichen Hochschulen und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften fest. Ein Großforschungsinfrastrukturplan dient der Prioritätensetzung im Bereich der kostenintensiven Forschungsinfrastruktur. In diesen Planungsbereich gehört auch die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie.

Der vierte Planungsschwerpunkt ist die kapazitätsorientierte Universitätsfinanzierung, für die ein Modell der Studienplatzfinanzierung und getrennter Budgets zur Finanzierung von Lehre, Forschung und Infrastruktur erarbeitet wurde. Dieses Modell soll in der Leistungsvereinbarungsperiode 2013 bis 2015 schrittweise eingeführt werden.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) eröffnete die Debatte mit der Bemerkung, der Hochschulplan enthalte sicher viel Vernünftiges, aber wenig Neues. Zudem seien zu viele Aspekte seiner Finanzierung noch offen. Wie man damit die angestrebten Ziele erreichen wolle, sei unklar. Vor allem vermisste Grünewald Strategien der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, dieser würde oft zu "Teilzeitforschern" degradiert. Auch G-Abgeordneter Alexander Van der Bellen thematisierte die Studienplatzfinanzierung und bemerkte kritisch, dass man nur so genannte "prüfungsaktive" Studierende als Grundlage der Berechnung heranziehen werde. Das wirke sich zuungunsten der Ressourcen für nebenberuflich Studierenden aus. Auch seien die Doktoranden nicht einbezogen, es sei also zu fragen, wie sie finanziert werden sollten. 

Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) verwies hingegen auf die hervorragenden Leistungen der österreichischen Hochschulen. Der Hochschulplan schaffe es, verschiedene Planungsstrategien zu einer Einheit zusammenzuführen, meinte die Abgeordnete. Die Internationalisierung der Hochschulen sei positiv und finde die Unterstützung ihrer Fraktion. Es könne aber nicht immer nur um die Frage zusätzlicher Mittel gehen, man müsse an ihrem besseren Einsatz arbeiten. Ihre Fraktionskollegin Anna Franz meinte dazu, es sei dem Minister dafür zu gratulieren, dass er trotz schwieriger Budgetlage zusätzliche Mittel für die Universitäten erreicht habe, und wollte wissen, wann die Umsetzung der Studienplatzfinanzierung im Rahmen der Leistungsvereinbarungen erfolgen werde.

Eine gewisse Enttäuschung am vorliegenden Ergebnis des Hochschulplans ließ Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) in ihrer Wortmeldung durchblicken. Es fehlten die datenmäßigen Grundlagen, um die anstehenden weitreichenden strategischen Entscheidungen treffen zu können, meinte sie. Vor allem müsse man die Frage beantworten, wo Österreich sich in der internationalen Arbeitsteilung positionieren wolle, und welche Qualifikationen und Ausbildungsplätze daher gebraucht würden. Die Studienplatzfinanzierung dürfe aus Sicht der SPÖ kein Instrument der Studienplatzbeschränkung werden, unterstrich Kuntzl. Auch S-Abgeordneter Johann Hell thematisierte die Studienplatzfinanzierung. Er fragte nach den Offensivmitteln und was davon tatsächlich den Massenstudien zu Gute komme. Seine Fraktionskollegin Sabine Oberhauser erkundigte sich nach den Strategien, um mehr soziale Durchmischung an den Universitäten zu erreichen, und S-Abgeordneter Kurt Gartlehner nach der Verwendung der Mittel des Hochschulstrukturfonds.

Abgeordneter Rainer Widmann (B) sah widersprüchliche Positionen der Koalitionsparteien, die kein tragfähiges Konzept für die Hochschulen erkennen ließen. Den Fragen von Zugangsregelungen und Finanzierung der Unis, auch durch Studiengebühren, müsse aber endlich ernsthaft diskutiert werden, forderte er. Außerdem brauche man eine Neuausrichtung des Stipendiensystems.

Ausschussvorsitzender Martin Graf (F) fragte, wann der Hochschulplan dem Parlament tatsächlich vollständig vorgelegt werde, und sah einen Mangel an Prognosen über die Entwicklung der Studierendenzahlen, die sich aus vorliegenden Daten über die Stärke von Geburtenjahrgängen ja durchaus abschätzen lasse. Dies sei für die geplante Anhebung der Akademikerquoten durchaus von Bedeutung. In der Debatte über Zugangsbeschränkungen und Ressourcen zeichne sich ab, dass die zukünftigen Jahrgänge immer weniger Chancen erhalten würden. Studiengebühren seien aber aus seiner Sicht nicht die Lösung aller Probleme, die möglichen Modelle müssten eingehend diskutiert werden.

Auf die Fragen der Abgeordneten erwiderte Bundesminister Karlheinz Töchterle, es sei wichtig, die Debatte über die Zukunft der Universtäten nicht ausschließlich auf die Frage der Studienplatzfinanzierung zu reduzieren. Universitäten seien nicht nur Ausbildungsstätten, sondern stellten auch die wichtigsten Forschungseinrichtungen Österreichs dar. Was Prognosen über zukünftige Entwicklungen betreffe, müsse man bedenken, dass Abschätzungen von Studierendenströmen in einem gemeinsamen europäischen Hochschulraum sehr schwer zu treffen seien. Kritik an der fehlenden Datenbasis ließ er nicht gelten. Der Hochschulplan beruhe auf einer umfassenden Datenbasis, sein Ressort könne diese jederzeit vorlegen. Töchterle beantwortete sodann im Detail die Frage nach dem Einsatz der Offensivmittel, insgesamt wende man hier 2011 und 2012 pro Jahr 54 Mio. € auf.

Zur Frage nach der Berechnung der Studienplatzfinanzierung führte der Minister aus, dass diese von den derzeitigen Studierendenzahlen ausgehen. Der Ist-Stand sei dabei aber nicht der Soll-Stand, der über Leistungsvereinbarungen mit den Hochschulen festgelegt werde. Es gehe dabei aber nicht um die Reduktion von Studierendenzahlen, sondern darum, Studierende in jene Fächer zu lenken, in denen noch Bedarf bestehe. Ein solcher Lenkungseffekt sei auch die ausschließliche Intention von Zugangsbeschränkungen, hielt er fest.

Den Problemen berufstätiger Studierender müsse man selbstverständlich Aufmerksamkeit widmen. Doktoratsstudien seien deshalb nicht in die Studienplatzfinanzierung einbezogen, weil man DoktorandInnen nicht mehr als Studierende, sondern als Mitforschende definiere. Die Zukunft des Doktorats liege sicherlich im voll ausfinanzierten PhD-Studium. Die Studienplatzfinanzierung werde in der nächsten Leistungsvereinbarungsperiode 2013 bis 2015 versuchsweise implementiert.

Um den Anteil von Studierenden aus bildungsfernen Schichten zu steigern, setze sein Ressort früh über eine verbesserte Studieninformation an. Diesem Zweck dienten zahlreiche Aktivitäten, die junge Menschen mit Wissenschaft und Forschung vertraut machen. So könne man verhindern, dass ausschließlich das Elternhaus über die Studienentscheidung bestimme. Eine Evaluierung des Stipendiensystems sei derzeit im Gange. Über die Hochschulmilliarde stehe er in aussichtsreichen Verhandlungen mit dem Finanzministerium, dieser Betrag beziehe sich dabei auf die nächste Leistungsvereinbarungsperiode von 2013 bis 2015. Die Mittel des Strukturfonds betragen 150 Millionen € jährlich, informierte Bundesminister Töchterle. Mit diesen schaffe man Leistungsanreize für die Universitäten, wenn diese Ziele des Hochschulplans bereits jetzt umsetzen.

In einer zweiten Verhandlungsrunde erkundigte sich Abgeordneter Martin Graf (F) nach den Hauptpunkten in den Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien zum definitiven Hochschulplan sowie nach dem dafür vorgesehenen Zeitrahmen.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) hielt fest, das für die Universitäten in Aussicht gestellte Geld reiche gerade noch aus, um dort den Status quo aufrecht zu erhalten. Den Vorwurf, er rede die Universitäten schlecht, wies Grünewald zurück. Es gelte die Universitäten vor einer Situation zu bewahren, in der sie entscheiden müssen, ob sie hochwertig forschen oder ausbilden wollen.

Abgeordneter Elmar Mayer (S) wollte wissen, ob der Ansturm deutscher Studierender auf österreichische Universitäten im befürchteten Ausmaß eingetreten sei und drängte auf eine europäische Lösung dieses Problems.

Der Ausbau der Fachhochschulen war das Anliegen des Abgeordneten Harry Buchmayr (S). Konkret fragte er nach zusätzlichen Fächern und Standorten. Außerdem interessierte sich Buchmayr für Maßnahmen zugunsten von Studierenden aus bildungsfernen Schichten sowie von Frauen und MigrantInnen.

Abgeordneter Rainer Widmann (B) ersuchte den Minister, eine ausführlichere Version seines Entwurfs für einen Hochschulplan auch dem Parlament vorzulegen und reichte alle Vorwurf der Polemik im Zusammenhang mit der "Hochschulmilliarde" an Finanzministerin Fekter weiter. Widmanns Interesse galt auch der künftigen Regelung zum Thema Studiengebühren.

Wissenschaftsminister Karl-Heinz Töchterle nannte als größten Verhandlungspunkt mit dem Koalitionspartner SPÖ das Thema Studienplatzfinanzierung, er hoffte auf eine gemeinsame Lösung, konnte aber noch keinen Zeitpunkt für das Ende der Verhandlungen nennen. Der befürchtete Ansturm deutscher Studierender auf österreichische Universitäten habe nicht stattgefunden, berichtete Töchterle, in Innsbruck und Salzburg werden zwar mehr deutsche StudentInnen registriert, der Zustrom sei aber "bewältigbar", sagte der Minister. In diesem Zusammenhang berichtete der Minister über Erfolge seiner Bemühungen, das Thema "asymmetrische Mobilität der Studierenden" in Europa auf die Agenda der EU zu setzen.

Die Absicht, zusätzliche 4000 Ausbildungsplätze an Fachhochschulen zu schaffen, ziele nicht auf neue Standorte, sondern auf den Ausbau bestehender Fachhochschulen. Zur Förderung von Frauen im tertiären Bildungssektor bestehen spezielle Programme, teilte Töchterle den Abgeordneten mit.

Nach dem 29. Februar 2012 wird zum Thema Studiengebühren wird nach dem Erkenntnis des VfGH ein Gesetz gelten, das um einige Absätze kürzer sei als bisher. Seiner Interpretation nach werde es dieses Gesetz den Universitäten möglich machen, Studiengebühren einzuheben, sagte Bundesminister Töchterle, der sich in seiner Rechtsansicht ausdrücklich auf die gleichlautende Meinung von Professor Heinz Mayer stützte. "Mir wäre eine Regelung lieber", sagte Töchterle weiter und erinnerte an seinen diesbezüglichen konkreten Vorschlag.

Abkommen zur Förderung der Forschungskooperation mit Russland   

Ein Regierungsabkommen mit Russland über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit soll eine stabile Basis für bilaterale Forschungskooperationen schaffen und diese Zusammenarbeit systematisch fördern, insbesondere durch die Finanzierung von Mobilitätskosten im Rahmen gemeinsamer Forschungsprojekte. Dafür werden aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung jährlich maximal 90.000 € zur Verfügung gestellt. – Der Beschluss auf Zustimmung erfolgte im Ausschuss einstimmig.

Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) unterstrich die Bedeutung von Kooperationsabkommen für die Fortsetzung der Internationalisierungsstrategie der österreichischen Universitäten und begrüßte das Abkommen mit Russland ausdrücklich als eine "schöne Sache".

Abgeordneter Rainer Widmann (B) besprach die Vorlage ebenfalls positiv, drängte aber gemeinsam mit Abgeordnetem Martin Graf (F) darauf, die internationalen Kooperationen der österreichischen Hochschulen übersichtlich darzustellen und eine Kosten-Nutzen-Evaluierung anzustellen. Konkret schlug Abgeordneter Graf vor, eine Datenbank über alle internationalen Verträge zu erstellen.

Wissenschaftsminister Karl-Heinz Töchterle berichtete über Bemühungen, eine solche Übersicht zu schaffen. Dies sei angesichts der Fülle sehr unterschiedlicher Abkommen und der Vielzahl internationaler Kooperationen auf Hochschulebene ein schwieriges Unterfangen. (Schluss)