Parlamentskorrespondenz Nr. 576 vom 02.07.2012

Fortsetzung der ESM-Debatte im Budgetausschuss

Maria Fekter warnt Opposition vor Asterix-Ökonomie

Wien (PK) – Der Budgetausschuss hat heute das österreichische Stabilitätsprogramm für die Jahre 2011 bis 2016 diskutiert und mit S-V-G-Mehrheit zur Kenntnis genommen. Es zielt auf einen ausgeglichenen Haushalt des Gesamtstaates bis 2016. Zugleich setzt die Regierung auf Wachstum und Beschäftigung durch Investitionen in Bildung, Universitäten und Infrastruktur. Reformen werden in den Bereichen Pensionen, Gesundheitspolitik, öffentliche Verwaltung, Förderungen und Arbeitsmarkt umgesetzt (III-322 d.B.). Mit derselben Mehrheit akzeptierte der Ausschuss das "Nationale Reformprogramm Österreich 2012" (III-324 d.B.), das die Regierung zur Umsetzung der "Europa 2020-Strategie" für Beschäftigung, Forschung&Entwicklung, Klimaschutz, Energiepolitik und Armutsbekämpfung im laufenden Jahr vorgelegt hat. Auf den genannten Gebieten verfolgt Österreich ehrgeizigere Ziele als die EU und kann überdurchschnittliche Etappenergebnisse vorweisen. In diesem Zusammenhang informierte Finanzministerin Maria Fekter die Ausschussmitglieder über das gute Zeugnis, das der IWF dem österreichischen Reform- und Konsolidierungsprogramm ausgestellt und zudem festgestellt hat, dass Österreich zu den vier europäischen Ländern gehört, die sich makroökonomisch im Gleichgewicht befinden. 

Abgeordnete Elisabeth Bruckberger-Kaufmann (B) setzte sich demgegenüber kritisch mit einer Regierungspolitik auseinander, die sich auf Reformankündigungen beschränke, zugleich aber darauf verzichte, konkrete Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen. Die Abgeordnete hielt die Annahmen des Stabilitätsprogramms angesichts des Finanzbedarfs des ESM für unrealistisch und lehnte es ab, für Defizitsünder im Fiskalpakt Geldstrafen vorzusehen, man sollte ihnen vielmehr den Verlust von Stimmrechten androhen.

Abgeordneter Maximilian Linder (F) brachte Probleme in Folge der Überalterung der Bevölkerung zur Sprache und verlangte konkrete Maßnahmen, insbesondere auch zur Unterstützung des ländlichen Raumes.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) erkundigte sich nach dem Beitrag der Bundesländer zur Budgetkonsolidierung, drängte auf Einsparungen durch eine Staats- und Verwaltungsreform und erkundigte sich nach der Strategie der Bundesregierung zur Erhöhung des Pensionsalters und zur Lösung der demographischen Probleme.

Finanzministerin Maria Fekter wies mit Stolz auf das gute Zeugnis hin, das der IWF dem österreichischen Reform- und Konsolidierungsweg ausgestellt hat. Ein wesentlicher Teil der Reformpolitik sei die Gesundheitsreform, zu der bis zum Herbst 15a-Verträge mit den Bundesländern ausgehandelt werden, kündigte die Ministerin an. Österreich zähle zu den vier EU-Mitgliedsländern, die sich makroökonomisch im Gleichgewicht befinden, habe der IWF festgestellt.

Die Bundesländer beteiligen sich am Stabilitätspakt, erfuhren die Abgeordneten, die meisten Länder seien auf Reformkurs, sagte Fekter.

Die Vorgangsweise gegen Defizitsünder sei klar geregelt, teilte die Ministerin mit und erläuterte die Vorgangsweise an den Beispielen Ungarns sowie Bulgariens und Deutschlands, letztere seien aus dem Defizitverfahren wieder herausgekommen, sagte Fekter.

Im Weiteren erläuterte Fekter die Maßnahmen der Bundesregierung zur Heranführung des faktischen Pensionsantrittsalters an das gesetzliche Pensionsalter, informierte über Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes und erinnerte daran, dass der Bund mit den Bundesländern eine Schuldenbremse vereinbart hat. Eine Staats- und Verwaltungsreform brauche eine Verfassungsmehrheit, daher setze sie auf schrittweise verwaltungsreformatorische Fortschritte auf allen Ebenen, bei Bürgermeistern, Landeshauptleuten und in den Ressorts. Der Kritik, die Bundesregierung spreche nur von Reformen, handle aber nicht, hielt Fekter die 98 Novellen entgegen, die mit dem jüngsten Konsolidierungspaket beschlossen wurden und derzeit umgesetzt werden.

In einer zweiten Verhandlungsrunde sprach sich Abgeordneter Bernhard Themessl (F) für Anreize an die Wirtschaft aus, Lehrlinge auszubilden und erinnerte in diesem Zusammenhang kritisch daran, dass überbetriebliche Ausbildungsstätten eine teure Form der Lehrlingsausbildung darstellten.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) erkundigte sich nach der Umsetzung der wirkungsorientierten Haushaltsführung.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) klagte über die Belastung der SteuerzahlerInnen und BürgerInnen durch die Sparpakete der letzten Jahre und warnte vor der enormen Staatsverschuldung, die 2012 insgesamt 283 Mrd. € erreichen und zehn Mrd. € Zinsenbelastung pro Jahr mit sich bringen wird. Gradauer kritisierte die Verdoppelung der Parteienförderung und mahnte eine Reform des Förderungswesens ein.

Finanzministerin Maria Fekter teilte Abgeordnetem Themessl mit, dass das AMS spezielle Programme zur Förderung älterer Dienstnehmer anbietet und hielt es angesichts des aktuellen Lehrlingsmangels nicht für angebracht, Steuergelder zur Förderung von Lehrplätzen einzusetzen. Es gelte den erfolgreichen österreichischen Mix aus dualer und schulischer Berufsausbildung zu erhalten. "Europa orientiert sich am Beispiel Österreichs", fügte die Ministerin zu. Am Beispiel des Innenressorts erklärte die Ressortleiterin die Implementierung der wirkungsorientierten Haushaltsführung, die ab 2013 in allen Ressorts gelten werde und dafür sorgen werde, dass man mit weniger Geld mehr Effizienz erreiche. - Die beiden Berichte wurden jeweils mit S-V-G-Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Budgetvorsorge für den Europäischen Stabilitätsmechanismus

Dann empfahl der Budgetausschuss dem Nationalratsplenum mit S-V-G-Mehrheit Änderungen im Bundesfinanzgesetz 2012 und im Bundesfinanzrahmen (für 2012 sowie für 2013 bis 2016), um budgetäre Vorsorgen für den Fall zu treffen, dass Österreich - im Rahmen des vom Nationalrat noch zu genehmigenden ESM-Vertrages – seine Kapitalanteile beschleunigt einzahlen muss, um die Bonität des ESM oder die gemeinsame Mindestdarlehenskapazität von ESM und EFSF (500 Mrd. €) zu sichern. Außerdem werden im Bundeshaushaltsgesetz 2013 die Termine für die Berichterstattung zum Beteiligungs- und Finanzcontrolling an den Budgetausschuss verschoben und die Eurostat-Empfehlung berücksichtigt, Rückzahlungsverpflichtungen des Bundes aus "cash collaterals" (Absicherungsgeschäfte gegen das Zinsrisiko) in die Finanzschuld des Bundes aufzunehmen (1711 d.B.). Der Beschluss enthielt auch formale Änderungen, die von SPÖ und ÖVP im Zuge der Debatte beantragt wurden.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) leitete die Debatte mit der grundsätzlichen Feststellung ein, seine Fraktion lehne sowohl den ESM als auch den Fiskalpakt ab, weil beide Vorlagen einen massiven Kompetenztransfer nach Brüssel bedeuten würden. Podgorschek wandte sich gegen die jüngsten europäischen Gipfelbeschlüsse, die es den Banken ermöglichen sollen, Geld aus dem Schutzschirm zu erhalten und hielt dem die Vorschläge der FPÖ für eine Bankenkonkursordnung in Europa sowie zur Trennung von Investmentbanken und Geschäftsbanken entgegen. Versuche, die Eurozone durch Beschlüsse in Richtung eines EU-Bundesstaates und durch einen Haftungsverbund zu retten, sei verfehlt, weil dies zu immer mehr Schulden der Mitgliedstaaten führen werde, zeigte sich Podgorschek überzeugt.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) kritisierte den ESM als "Knebelungsvertrag in Richtung EU-Zentralstaat", der von den Menschen abgelehnt werde. "Die Österreicher wollen nicht für Italien und Spanien zahlen", sagte Huber.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) erinnerte die Redner von FPÖ und BZÖ daran, dass der ESM-Gouverneursrat das Stammkapital des ESM nur erhöhen könne, wenn der Nationalrat zustimme. Bei ESM-Mehrheitsentscheidungen müssen die überstimmten Mitgliedsländer nicht mitzahlen. Ein von Abgeordnetem Krainer vorgelegter S-V-Abänderungsantrag enthielt redaktionelle Berichtigungen und ergänzte budgettechnische Vorkehrungen in Hinblick auf den geänderten Zeitplan für die Einzahlung der Kapitalanteile beim ESM.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) sprach von einer katastrophalen Entscheidung, die von der Koalition - unverständlicherweise mit Unterstützung der Grünen - durch das Haus gepeitscht werde. Gradauer hielt die Entscheidung für den ESM vor allem angesichts des jüngst in Frankreich festgestellten Finanzbedarfs von 40 Mrd. € und des von Experten für Österreich mit mehr als 300 Mrd. € bezifferten Risikos als fatal. Der Fiskalpakt bedeute den Verlust der finanz- und budgetpolitischen Souveränität Österreichs, stellte Gradauer besorgt fest.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) wies die Behauptung zurück, der ESM werde durch das Parlament gepeitscht und erinnerte – unisono mit Abgeordnetem Werner Kogler (G) und Finanzministerin Maria Fekter – an die ausführlichen und vielstündigen Debatten, die seit Monaten zum Thema ESM im Nationalrat und in dessen Ausschüssen geführt wurden.

Befürchtungen der Abgeordneten Elisabeth Bruckberger-Kaufmann (B), der Gouverneursrat der ESM könnte das Stammkapital unbegrenzt erhöhen, bemühte sich Abgeordneter Kai-Jan Krainer zu zerstreuen, indem er darauf hinwies, dass der österreichische Kapitalanteil am ESM nur mit Genehmigung des Nationalrats erhöht werden könne. Der ESM werde sowohl intern als auch extern durch einen Prüfungsausschuss kontrolliert, dem auch Vertreter nationaler Rechnungshöfe und des europäischen Rechnungshofs angehören.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) äußerte insbesondere auch wegen der finanziellen Entwicklung Italiens Sorgen angesichts der ESM-Entscheidung der Regierung und der Grünen.

Abgeordneter Franz Eßl (V) sah hingegen keine Alternative zum ESM und Abgeordneter Christoph Matznetter (S) erinnerte daran, dass Österreich auch beim Beitritt zur UNO Souveränitätsrechte abgegeben habe. Dies entspreche einer globalen Entwicklung in Richtung Zivilisation, einer vernünftige Entwicklung, die nicht durch "Festhalten an irgendeiner Freiheit in Krähwinkel" gestoppt werden sollte. Matznetter erinnerte an die parlamentarische Einbindung in alle ESM-Entscheidungen und hielt es für vernünftig, einen europäischen Weg zu gehen, statt gezwungen zu werden, sich dem IWF zu unterwerfen.

Abgeordneter Werner Kogler (G) machte auf Diskussion zum ESM seit mehreren Monaten aufmerksam, erinnerte an zwischenzeitliche Verbesserungen und an einmalig ausgestattete Mitwirkungsrechte des Parlaments, die es möglich machen werden, jeden Einzelfall abzuwägen. Er halte es für möglich, das Instrument ESM richtig zu verwenden und seinen Missbrauch zu vermeiden. "Es ist nicht so falsch, was Monti und Merkel ausgehandelt haben", sagte Kogler und wandte sich scharf gegen Formulierungen wie "Ermächtigungsgesetz für eine Finanzdiktatur". Solche Sätze ließen es vielmehr als geboten erscheinen, über Grenzen bei der Verwendung der Sprache in der politischen Auseinandersetzung nachzudenken, meinte Kogler.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) hielt es demgegenüber durchaus für legitim von einer "Finanzdiktatur" zu sprechen und sah keinen Anlass anzunehmen, dass der Fiskalpakt funktionieren soll, nachdem schon die Maastricht-Regeln nicht eingehalten wurden.

Abgeordneter Maximilian Linder (F) hielt es für falsch, den Banken die Möglichkeit zu bieten, mit Hilfe des ESM Geld zu schöpfen und forderte dazu auf, über Alternativen zum ESM nachzudenken.

Abgeordneter Konrad Steindl (V) räumte ein, dass es Fehlentwicklungen in Europa gab, die zur Entstehung einer Finanzoligarchie und in die Überschuldung von Staaten geführt haben. Diese Entwicklung gelte es zu reparieren, dem diene der Fiskalpakt, sagte Steindl.

Finanzministerin Maria Fekter wies ihrerseits auf die Geschäftsordnungs-Novelle hin, die die Rechte des Nationalrats gegenüber dem ESM sichere und garantiere, dass der Gouverneursrat keinen Cent ohne Genehmigung des Nationalrats abrufen oder ausbezahlen kann.

Fragen der Ausschussmitglieder nach Wachstumsmaßnahmen beantwortete die Ressortleiterin mit dem Hinweis auf Mittel aus EU-Töpfen, die noch nicht ausgeschöpft sind, sowie auf eine Erhöhung des Stammkapitals der europäischen Investitionsbank um 10 Mrd. €, die zu einer Erhöhung des Investitionsvolumens um 180 Mio. € führe, wobei der österreichische Beitrag 200 Mio. € ausmache. Die Möglichkeit, das Kapital des ESM aufzustocken sei nicht unbegrenzt, ESM und EFSF sind gemeinsam mit 700 Mrd. € begrenzt, erfuhr der Ausschuss. Die Kapitalbeiträge von Ländern, die an ESM-Programmen teilnehmen, werden nicht zurückgezahlt, sondern bleiben beim ESM, führte Fekter aus und warnte angesichts unrealistischer Risikoszenarien vor einer "Asterix-Ökonomie" und wies die Vorstellung, Österreich könnte in die Lage kommen, alleine die gesamte Haftungslast des ESM schultern zu müssen, zurück. Tatsache sei, dass die Währungsunion eine Wirtschaftsunion brauche und es notwendig sei, makroökonomische Differenzen zwischen den Mitgliedsländern auszugleichen. Einen finanzpolitischen Schwenk bei Bundeskanzler Faymann habe sie nicht bemerken können, sagte die Finanzministerin in Beantwortung einer Frage des Abgeordneten Gradauer, sie betonte vielmehr die gute Abstimmung zwischen dem Bundeskanzler und ihr in allen Fragen der europäischen Finanzpolitik. (Schluss)