Parlamentskorrespondenz Nr. 590 vom 05.07.2012

Umweltverträglichkeitsprüfung: Novelle passiert den Nationalrat

Verfahrensvereinfachungen und UVP-Pflicht für Schiefergasbohrungen

Wien (PK) – Am Ende seines langen Sitzungstages verabschiedete der Nationalrat eine Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz samt Änderung des Luftfahrtgesetzes (1809 d.B.) mit Stimmenmehrheit. Gemeinsam mit dieser Novelle debattierten die Abgeordneten Anträge der Grünen und des BZÖ mit weitergehenden Vorschlägen zur UVP-Gesetz-Novelle sowie zu den Rechten von Umweltschutzorganisationen (1977/A(E), 1829/A(E), 1947/A(E), 1979/A(E)) und das Verlangen der Grünen, die Schiefergasförderung zu verbieten (1827/A(E)). Alle Oppositionsanträge wurden, wie schon im Ausschuss, mehrheitlich abgelehnt.

Abgeordneter Harald JANNACH (F) eröffnete die Debatte und sprach die Befürchtung aus, die vorliegende UVP-Gesetznovelle werde den Wirtschaftsstandort schädigen. Jannach übte auch Kritik an der zu kurzen Begutachtungsfrist bei der Erarbeitung dieser Novelle, die auch dem Parlament viel zu spät vorgelegt wurde. Die Sozialpartner hatten wesentlich länger Zeit, sich mit dem Entwurf auseinanderzusetzen als die Parlamentarier, klagte der Redner, der auch auf die Kritik der Wirtschaft an einem unübersichtlichem Entwurf hinwies.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) erinnerte demgegenüber an den langen und sehr offenen Diskussionsprozess, der zum vorliegenden Novellenentwurf geführt hat. An diesem Gesetz wurde mit allen Interessensgruppen ein Jahr lang gearbeitet, das habe es ermöglicht, die Begutachtungsfrist kurz zu halten, erklärte Schultes. Die UVP vereinfache die Verwaltung für die Investoren, daher seien die Schwellwerte wichtig. Nunmehr ermögliche eine freiwillige UVP dem Investor, auf ein Feststellungsverfahren zu verzichten und so rascher zu einer Genehmigung zu gelangen. Dazu kommen neue Bestimmungen für Windkraft- und Wasserkraftprojekte, für Verkehrsvorhaben und für Flughäfen. Rasch gelöst wurde auch die Problematik Schiefergas, Probebohrungen und Förderung wurden in die UVP-Pflicht übernommen.

Abgeordneter Christiane BRUNNER (G) unterstrich, dass das UVP-Gesetz der Umwelt dienen soll und betonte an dieser Stelle, wie wichtig die Bürgerbeteiligung am Verfahren sei. Diesen Grundsatz sollte auch die FPÖ berücksichtigen, die sonst für direkte Demokratie eintrete. Die Bürgerbeteiligung sei im UVP-Gesetz aber immer noch nicht ausreichend geregelt, was auch die EU bestätige, die Österreich ausdrücklich zu Verbesserungen mahne. Die Grünen fordern Verbesserungen für AnrainerInnen. Eine Parteienstellung von NGOs im Feststellungsverfahren reiche nicht aus, weil NGOs oft andere Interessen vertreten als AnrainerInnen und Bürgerinitiativen. Es fehle auch die finanzielle Unterstützung von Bürgerinitiativen. Da Bürgerinitiativen öffentliche Interessen vertreten, haben sie einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung, argumentierte die Abgeordnete. Die Novelle bringe auch Verschlechterungen, etwa die Verkürzung des Feststellungsverfahrens oder die Ausweitung des Entlastungsprivilegs bei Flughäfen und Starkstromleitungen zu Lasten der BürgerInnen. Nach wie vor nicht umgesetzt sei auch die Aarhus-Konvention, die es BürgerInnen ermöglichen soll, Versäumnisse der Behörden gerichtlich einzuklagen. Eine UVP-Pflicht für Schiefergas bedeute nicht, dass es in Zukunft keine Schiefergasbohrungen geben werde – daher bleiben die Grünen bei ihrer Forderung nach einem Schiefergas-Abbauverbot.

Abgeordneter Hannes WENINGER (S) bekannte sich dazu, das Verfolgen wirtschaftlicher Ziele unter strengen Umweltauflagen zuzulassen – das ist das Ziel der vorliegenden Novelle zum UVP-Gesetz, die unter Einbindung aller Stakeholder ausgearbeitet worden sei. Weninger sprach von Fortschritten sowohl für die Umwelt als auch für die Investoren und nicht zuletzt auch für die AnrainerInnen, denn wenn ein Feststellungsverfahren negativ ausgehe, können nun  Umweltorganisationen eine Überprüfung beantragen. Wer von Energiewende spreche, könne nicht gegen die Verbesserung des Leitungsnetzes auftreten, erinnerte Weninger und begrüßte es, dass das Thema Schiefergas in kurzer Zeit in das UVP-Gesetz aufgenommen und geregelt werden konnte. Dieses strenge UVP-Gesetz erhöht die Lebensqualität in Österreich und trägt zur Energiewende bei, sagte der Abgeordnete.

Abgeordneter Martina SCHENK (B) teilte die Euphorie ihres Vorredners nicht und kündigte die Ablehnung der UVP-Gesetznovelle durch das BZÖ an. Wesentliche Anregungen von Experten seien nicht berücksichtigt worden, die Kritik von Expertenseite überwiege eindeutig. Diese Novelle sei von der Koalition durchgepeitscht worden, um den Ausbau des Flughafens Schwechat voranzutreiben, es handle sich um ein Gesetz im Interesse des niederösterreichischen Landeshauptmanns, vermutete die Rednerin. Martina Schenk bedauerte, dass sich die Koalitionsparteien nicht die Zeit genommen habe, die nötig gewesen wäre, um eine gute Novelle auszuarbeiten.

Abgeordneter Franz HÖRL (V) begrüßte die Verkürzung der UVP-Verfahren und sprach dem Umweltminister seine Anerkennung dafür aus. Die Entwicklung bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen gehe in die richtige Richtung. Hörl ging auch die Möglichkeit einer freiwilligen UVP ein und begrüßte Verfahrensvereinfachungen, die es der Wirtschaft ermöglichen, Kosten zu sparen, kritisch äußerte sich Hörl jedoch zur Ausweitung der Rechte von NGOs.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH erinnerte daran, wie heftig die Interessen von Wirtschaft einerseits und Anrainern sowie Umweltorganisation andererseits aufeinanderprallen. Seine Aufgabe sei es, solche Interessen unter einen Hut zu bringen und dafür zu sorgen, dass Verfahren unter Wahrung der Bürgerrechte abgewickelt und Entscheidungen rasch getroffen werden können. Diesem Ziel diene die vorliegende UVP-Gesetznovelle. Wer die Energiewende schaffen wolle, auf Atomstrom verzichten und aus den fossilen Energieträgern aussteigen wolle, brauche effiziente Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Produktion von Energie aus erneuerbaren Energieträgern – das sei das Ziel dieser Novelle, die Geld und Zeit spare. Auch Probebohrungen für Schiefergas werden UVP-pflichtig, teilte der Minister mit, der den Abgeordneten sein Ziel erläuterte, Österreich energieautark zu machen.

Abgeordneter Mathias VENIER (F) äußerte massive Bedenken gegen die Schiefergasförderung. Er fürchtet unter anderem massive Wasserverunreinigungen durch den Einsatz schwerer Chemikalien bei der Exploration.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) wies darauf hin, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen auch beim Aus- und Umbau von Flughäfen notwendig seien. Der Lärmschutz für die Bevölkerung in den Einflugschneisen sei ihr ein besonderes Anliegen, betonte sie. Das in der Vergangenheit durchgeführte Mediationsverfahren in Bezug auf den Flughafen Wien Schwechat wertete sie in diesem Sinn als großen Erfolg.

Abgeordnete Susanne WINTER (F) bedauerte, dass aktuelle Umweltberichte nicht im Plenum diskutiert werden. Diese Berichte würden stets interessante Informationen enthalten, sagte sie. Ein absolutes Nein zur Schiefergasförderung lehnt Winter ab.

Abgeordneter Johannes SCHMUCKENSCHLAGER (V) wies darauf hin, dass die Enteignungsregelungen, die für Bundesstraßen gelten, künftig auch für Flughäfen Gültigkeit haben sollen. Enteignungen dürfen und müssen aber immer das allerletzte Mittel bleiben, betonte er. Generell hob Schmuckenschlager die Bedeutung von Infrastrukturinvestitionen hervor, wobei er sich ausdrücklich für eine Bürgereinbindung bei Großprojekten aussprach.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) führte aus, dass Österreich laut einer Prüfung des Rechnungshofs die Aarhus-Konvention korrekt anwende. Andere Länder wie Tschechien und die Slowakei sind ihm zufolge aber säumig. Neubauer kritisierte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung, die seiner Ansicht nach zu wenig gegen den Ausbau des AKW Temelin unternimmt.

Zustimmend zur UVP-Novelle äußerten sich schließlich noch die Abgeordneten Josef AUER (S), Erwin HORNEK (V), Walter SCHOPF (S), Nikolaus PRINZ (V), Peter STAUBER (S), Rudolf PLESSL (S), Andrea GESSL-RANFTL (S) und Hannes FAZEKAS (S). So begrüßte Abgeordneter Schopf die Möglichkeit, künftig auch freiwillig eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die Abgeordneten Prinz und Plessl erwarten sich von den vorgesehenen Maßnahmen mehr Effizienz bei Umweltverträglichkeitsprüfungen und Verfahrensbeschleunigungen, Abgeordneter Stauber hofft auf eine Erleichterung der Arbeit der Gemeinden.

Abgeordnete Gessl-Ranftl ging nochmals auf das Thema Schiefergas-Förderung ein und machte auf die Verunsicherung der Bevölkerung aufmerksam. Ihr zufolge wird derzeit eine Fördermethode geprüft, die ohne toxische Chemikalien auskommt. Abgeordneter Fazekas hob die Bedeutung des Flughafens Wien Schwechat für die Sicherung von Arbeitsplätzen hervor. Abseits des Themas UVP wies Abgeordneter Hornek auf die umfassenden Investitionen in moderne Umwelttechnologien in Österreich hervor.

Das Schlusswort in der Debatte hatte Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G), der in Richtung FPÖ darauf hinwies, dass es nur einen Planeten gebe und bei einer Zerstörung der Umwelt auch die Ökonomie zerstört werde. Als "beschämend" wertete er, dass Umweltminister Berlakovich ein Totalverbot der Schiefergasförderung ablehnt.

Die UVP-Novelle wurde vom Nationalrat mit Stimmenmehrheit verabschiedet. Die ablehnenden Berichte des Umweltausschusses über die Anträge der Opposition nahmen die Abgeordneten ebenfalls mehrheitlich zur Kenntnis.

Um eine rasche Ausfertigung der Beschlüsse des Nationalrats zum ESM und zum Fiskalpakt zu ermöglichen, wurden am Ende der Sitzung Teile des amtlichen Protokolls verlesen. Eine weitere (165. ) Sitzung des Nationalrats diente in der Geschäftsordnung vorgesehenen Mitteilungen und Zuweisungen. (Schluss)