Parlamentskorrespondenz Nr. 909 vom 14.11.2012

Spindelegger will für EU-Gelder zur ländlichen Entwicklung kämpfen

Budget für Äußeres im Nationalrat

Wien (PK) - Österreichs Rolle in der Europäischen Union und in der Welt stand im Mittelpunkt der Debatte über die Untergliederung "Äußeres", bei der die Abgeordneten ihr Augenmerk auch dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA)schenkten.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) bemängelte die Verwendung der Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit als nicht zielführend und wenig effizient, wobei er argumentierte, in erster Linie würden die Mittel für Verwaltungsbürokratie und Selbstdarstellung aufgewendet. In einem Entschließungsantrag verlangte er deshalb eine Effizienzsteigerung und Kostenreduktion im Bereich Entwicklungszusammenarbeit, aber auch Kostensenkungen bei den Vertretungsbehörden im Ausland sowie drastische Kürzungen der Beiträge zu den internationalen Organisationen und eine Verringerung des österreichischen EU-Beitrags.

Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V) betonte, Österreich nehme mit diesem Budget seine Verantwortung im Bereich der Neugestaltung der EU wahr, leiste wichtige Impulse im Rahmen der Vereinten Nationen und bleibe im humanitären Bereich ein verlässlicher Partner. Eingespart werde dort, wo es um die Nutzung von Synergien gehe, stand für die Rednerin fest.

Abgeordnete Alev KORUN (G) bezeichnete die Wirkungsziele des Budgets als zu wenig ambitioniert und vermisste auch klare Stellungnahmen Österreichs in Sachen Menschenrechte, so etwa gegenüber Russland im Zusammenhang  mit der Verurteilung der Musikerinnen von Pussy Riot. Sie beklagte zudem, die Einsparungen im Ressort würden vornehmlich den Bereich Entwicklungszusammenarbeit treffen, und sprach weiters kritisch von einer Schieflage zwischen wirtschaftlichen Interessen und Menschenrechten bei den außenpolitischen Aktivitäten Österreichs.

Festigung der EU statt Erweiterungsphilosophie

Abgeordneter Josef CAP (S) trat für eine Festigung der EU und eine stärkere Orientierung auf dem Mittelmeerraum ein und sprach sich gegen eine "unendliche Erweiterungsphilosophie" aus. Außerhalb der Europäischen Union sollte Österreich, wie Cap empfahl, als Land ohne globale Interessen seine traditionelle Vermittlerrolle ausüben und "den arabischen Frühling nicht vorbeigehen lassen". 

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) wünschte eine Stärkung der eigenständigen Rolle in der Außenpolitik und sah Österreich vor allem aufgerufen, ein klares Signal zu setzen, dass man niemals Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele akzeptieren werde. Wichtig war es dabei aus der Sicht Scheibners, den Dialog nach dem Motto "Wer miteinander spricht, der schießt nicht aufeinander" zu fördern. Ziel der aktuellen Verhandlungen über das EU-Budget wiederum sollte eine Verringerung des Beitrags sein, wobei Scheibner die Regierung aufforderte, den Rabatt und die Unterstützung der Landwirtschaft wenn notwendig auch mit einer Vetodrohung zu verteidigen.

Abgeordneter Franz GLASER (V) zeigte sich erleichtert, dass es beim Budget für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit nun doch nicht zu den angekündigten Kürzungen gekommen sei, und sprach von einem Akt der Solidarität mit den schwächsten Ländern der Welt. Im Rahmen der EZA sollte in Zukunft der ländlichen Entwicklung ein noch stärkerer Schwerpunkt gewidmet werden, schlug Glaser vor, verwies aber gleichzeitig auch auf die steigende Bedeutung von Wirtschaftspartnerschaften in der Entwicklungspolitik als Chance für beide Seiten. 

Abgeordnete Elisabeth KAUFMANN-BRUCKBERGER (T) begrüßte Einsparungen im Budget der Zentralstelle sowie bei den Reisekosten und trat auch nachdrücklich dafür ein, Einsparungen bei den Vertretungsbehörden vorzunehmen, weil der Steuerzahler kein Verständnis dafür habe, dass Österreich allein in New York drei Vertretungen unterhalte. Stattdessen schlug die Rednerin vor, erfolgreiche österreichische Unternehmer im Ausland dafür zu gewinnen, ehrenamtlich Vertretungsaufgaben zu übernehmen.

Spindelegger: neue UN-Organisation für erneuerbare Energie in Wien

Außenminister Michael SPINDELEGGER (V) erläuterte den Abgeordneten, die zur Budgetkonsolidierung notwendigen Einsparungen von 20 Mio. € im Außenressort bestünden zu 11,4 Mio. € aus Struktureinsparungen. Dazu kommt die Schließung von Vertretungsbehörden in Krakau und Chicago, wo andere Vertretungsstellen künftig die Arbeit der Botschaften übernehmen werden. Die Behauptung, es werde auf Kosten von Nichtregierungsorganisationen (NGO) gespart, wies der Außenminister zurück. Weitere Einsparungen werden bei Pflichtbeiträgen an internationale Organisationen möglich sein, etwa durch die Beendigung von UN-Missionen sowie bei freiwilligen Beiträgen, aber nur nach sorgfältiger Prüfung, wie der Vizekanzler betonte.

Eine neue internationale UN-Organisation für die Nutzung erneuerbarer Energieträger wird ihren Sitz in Wien einnehmen, sagte Spindelegger. Dies sei auch deshalb sehr erfreulich, weil es zum österreichischen Schwerpunkt "Erneuerbare Energieträger" passe.

In seinen Antworten auf Detailfragen unterstrich der Außenminister sein Eintreten für die Menschenrechte und für die Religionsfreiheit weltweit, wobei er darauf aufmerksam machte, dass 70 % aller Verfolgungen aus religiösen Gründen Christen betreffen. Er stehe dazu, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zu fördern und erläuterte von daher die Rücknahme der in Loipersdorf beschlossenen EZA-Einsparungen. Der Außenminister berichtete von seinem nachdrücklichen Eintreten für Menschenrechte und demokratische Entwicklung in den Ländern des "arabischen Frühlings" und unterstrich das Interesse Österreichs an demokratischen Strukturen in dieser Region. Eine Kürzung der Mittel für die ländliche Entwicklung in Österreich sei für ihn nicht akzeptabel, diese Haltung werde er bei den Verhandlungen in Brüssel mit entsprechendem Nachdruck vertreten, versprach Spindelegger den Abgeordneten abschließend.

Auch Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) gab ihrer Freude über die Rücknahme der Kürzung bilateraler EZA-Mittel Ausdruck und sprach von einer Trendwende, nachdem die Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren einen wesentlichen Beitrag zu den Einsparungen im Außenministerium leisten musste. Bei diesem Thema sprach sich Muttonen dafür aus, Rücklagen des Ressorts für die Finanzierung von EZA-Projekten zu verwenden.

In ihren Ausführungen zur internationalen Politik riet die Mandatarin angesichts der allgemeinen Einschätzung, dass sich das Assad-Regime in Syrien nicht werde halten können, sich auf die Zeit nach Assad einzustellen. Muttonen schlug auch ein stärkeres Engagement Österreichs im Mittelmeerraum sowie in Afrika und im Nahen und Mittleren Osten vor, wo sich Österreich nicht auf rein wirtschaftliche Präsenz beschränken sollte.

Österreich hat Schutzfunktion für Südtirol

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) wandte sich der aktuellen Entwicklung in Südtirol zu, nachdem der italienische Ministerrat im Oktober einen Entwurf für eine zentralistische Verfassungsreform beschlossen hat. Auch wenn dieser Gesetzesentwurf mittlerweile von der Tagesordnung genommen wurde, sollte Österreich seine Schutzfunktion wahrnehmen und die Südtiroler nötigenfalls auch durch internationale Klagen bei der Verteidigung ihrer Autonomie unterstützen. In einem Entschließungsantrag seiner Fraktion forderte der Abgeordnete die Bundesregierung auf, ihre Schutzfunktion wahrzunehmen und gegen die Beschneidung der Rechte Südtirols aufzutreten.

Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V) zeigte sich erfreut über die Ansiedlung einer neuen UN-Organisation in Wien, die sich mit erneuerbaren Energieträgern befassen wird. Die insgesamt 55 internationalen Organisationen in Wien seien wichtig für die Bundeshauptstadt und für Österreich, unterstrich der Abgeordnete und machte darauf aufmerksam, dass den Kosten für diese Amtssitze Einnahmen gegenüberstünden, weil viele von ihren Heimatländern bezahlte Diplomaten und Bedienstete der Organisationen mit ihren Familien in Österreich leben.

Im Einzelnen ging der Redner auf die OSZE ein und berichtete von Friedensmaßnahmen im Kaukasus, der Förderung wirtschaftlicher Kooperationen, dem Einsatz für Menschenrechte und – aus persönlicher Erfahrung - vom Engagement der OSZE für den Aufbau demokratischer Strukturen, insbesondere auch durch die Entsendung von WahlbeobachterInnen.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) lobte Außenminister Spindelegger für die Rücknahme der Einsparungen bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit und setzte sich für eine schrittweise Aufstockung der EZA mit dem Ziel eines BIP-Anteil von 0,7 % ein. Dies entspreche nicht nur dem Gebot der Menschlichkeit gegenüber den ärmsten Menschen der Welt, sondern auch der globalen Verantwortung Österreichs als eines wohlhabenden Landes, argumentierte die Abgeordnete.

Abgeordnete Renate CSÖRGITS (S) konzentrierte sich auf das Thema Gender Budgeting im Außenministerium und freute sich über die deutliche Schwerpunktsetzung in diesem Resort, wobei sie die Unterstützung von Frauen und Mädchen in bewaffneten Auseinandersetzungen, die Berücksichtigung von Frauen bei friedlichen Konfliktlösungen und das Engagement für die Überwindung der Armut sowie für Programme zur Gleichstellung von Frauen und Männern hervorhob.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) ortete politischen Sprengstoff in Südtirol und warnte die Bundesregierung vor einer Vogel-Strauß-Politik gegenüber Südtirol. Huber verlangte eine Klage beim EUGH wegen des Bruchs des Autonomiestatutes und machte darauf aufmerksam, dass Südtirol nach dem Entzug von 850 Mio. € durch Italien finanziell mit dem Rücken zur Wand stehe. Huber befürchtete einen massiven Rechtsruck in Südtirol, sah Handlungsbedarf für die Schutzmacht Österreich und verlangte die Einberufung des Südtirol-Unterausschusses.

Entwicklungszusammenarbeit bündeln und aufstocken

Zum Thema EZA unterbreitete Huber einen Entschließungsantrag des BZÖ, der darauf gerichtet war, die österreichische Entwicklungszusammenarbeit aus Effizienzgründen auf zwei Schwerpunktregionen zu konzentrieren.

Abgeordnete Christine MAREK (V) lobte den Außenminister, der den Spagat zwischen Einsparungen und einer Budgetpolitik schaffe, die negative Auswirkungen auf die Menschen vermeide. So konnte das Bürgerservice des Ministeriums ausgebaut werden, dessen Erfolg an einer steigenden Zahl von Zugriffen auf die Website des Resorts abzulesen sei. Marek unterstrich die Notwendigkeit eines starken österreichischen Vertretungsnetzes im Ausland und begrüßte die Sorgfalt, mit der alle Aspekte bei der Schließung von Vertretungsbehörden geprüft würden. Die Rednerin gab auch ihrer Freude über neue Standorte wie Katar und Aserbaidschan Ausdruck und unterstützte die Nutzung von Synergien zwischen verschiedenen Partnern bei der Vertretung Österreichs im Ausland.

Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) bekannte sich zur Formulierung von Wirkungszielen im Bundesfinanzgesetz und kritisierte die aus seiner Sicht zu allgemein und oberflächlich gehaltenen Wirkungsziele des Außenministeriums. Aufgrund seiner historischen Vergangenheit als Großmacht im Donauraum verfüge Österreich auch heute noch über ein positives Image in vielen Nachbarländern und sollte es stärker für eine aktive Außenpolitik in diesem Raum nützen, meinte Karlsböck. Der Abgeordnete erinnerte auch an die erfolgreiche Kooperation mit Deutschland und den Niederlanden und warnte davor, nur deshalb eine neue Achse mit Frankreich zu bilden, weil der Bundeskanzler und der französische Staatspräsident derselben Partei angehören.

Für die 100 Millionen Christen, die weltweit unter Verfolgung leiden, sollte Österreich nicht ein Ansprechpartner, sondern DER Ansprechpartner sein, meinte Abgeordneter Karlsböck. 

Abgeordnete Petra BAYR (S) legte einen Entschließungsantrag vor, der darauf gerichtet ist, die Trendwende zugunsten einer Aufstockung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit im Bundesfinanzrahmengesetz 2014 bis 2017 zu berücksichtigen. Österreich sei mit einer Quote von 0,25 % weit von seinem Ziel - 0,7% des BNE - entfernt und liege damit gleichauf mit Ländern wie Griechenland oder Italien. Petra Bayr schlug vor, einen seriösen Pfad vorzugeben, auf dem das 0,7%-Ziel erreicht werden soll. Erfreut zeigte sich die Rednerin über die Verankerung des Grundsatzes politischer Kongruenz in der EZA als Wirkungsziel des Ressorts. Bayr appellierte an die Abgeordneten, an der Entwicklung zu einer besser dotierten EZA weiterzuarbeiten.

Strategische Debatte für aktive Außenpolitik

Kritisch zu den Wirkungszielen des Außenministeriums äußerte sich Abgeordneter Hannes WENINGER (S). Er vermisst dabei das Bemühen um eine aktive Außenpolitik, weshalb er dringend eine inhaltliche und strategische Debatte einforderte. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass auch ein kleines Land akzentuierte und anerkannte Außenpolitik betreiben könne, bemerkte er. Es schmerze ihn auch, dass das Wort "Klimawandel" nirgends vorkomme. Man stehe vor einem Klimagipfel, so Weninger, und er warne davor, dieses Thema nur den UmweltministerInnen, den NGOs und den ExpertInnen zu überlassen. Klimapolitik muss ein gesamtpolitisches Instrument werden, forderte er unmissverständlich.

Abgeordneter Anton HEINZL (S) bemängelte die Kürzung der Beiträge zu internationalen Organisationen. Insbesondere bedauerte er die Kürzung des österreichischen Beitrags zur Organisation UN-Women um ein Fünftel. Dabei handle es sich um eine unverzichtbare Tätigkeit zum Schutz von Frauen, die Opfer von systematischer Vergewaltigung oder Beschneidung oder davon bedroht sind, erläuterte er. Er hoffe daher, dass sich Österreich im Jahr 2014 wieder verstärkt seiner internationalen Verantwortung stellen werde.

Abgeordneter Hermann KRIST (S) konzentrierte sich in seinem Redebeitrag auf Südtirol und bewertete die Tatsache, dass dafür im Budget 375.000 € bereit stehen, als einen Beweis der Verbundenheit mit Südtirol. Österreich habe im Rahmen der letzten Turbulenzen angemessen reagiert und bewiesen, dass es seine vertraglich festgelegte Schutzfunktion auch wahrnimmt. Krist hatte daher kein Verständnis für die, wie er sagte, verbalen Ausrutscher von Abgeordnetem Huber und anderen. Man werde weiterhin wachsam sein, versicherte er. (Fortsetzung Nationalrat)