Parlamentskorrespondenz Nr. 1089 vom 20.12.2012

Arbeit darf nicht krank machen

Sozialbericht im Bundesrat

Wien (PK) – Von der psychischen Belastung am Arbeitsplatz über Invaliditätspensionen, Kurzarbeit, wetterbedingte Belastungen der Bauarbeiter bis hin zur allgemeinen sozialen Lage reichte die Themenpalette, die die Bundesrätinnen und Bundesräte in der heutigen Plenarsitzung mit Bundesminister Rudolf Hundstorfer diskutierten.

Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz sind stark im Steigen begriffen. Die Regierung setzt daher vermehrt auf Prävention. Entsprechende Änderungen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und im Arbeitsinspektionsgesetz zielen daher darauf ab, den psychischen Beeinträchtigungen und Erkrankungen von ArbeitnehmerInnen mehr Augenmerk als bisher zu schenken und den Einsatz von ArbeitsmedizinerInnen und ArbeitspsychologInnen in Unternehmen zu forcieren. Es herrschte Einstimmigkeit.

Bundesrätin Monika KEMPERLE (S/W) zeigte sich alarmiert über den Anstieg der Zahl von psychisch belasteten ArbeitnehmerInnen, den sie vor allem auf Stress, Erschöpfung, unangemessene Terminvorgaben, ständige Erreichbarkeit, Flexibilisierung und Vermengung von Berufs- und Privatleben zurückführte. Es sei höchste Zeit für die verpflichtende Evaluierung der psychischen Belastung sowie die Präventivbetreuung, folgerte sie, meinte allerdings, weitere Schritte, wie etwa Arbeitszeitverkürzung und Reduktion der Überstunden müssten noch folgen.

Bundesrat Edgar MAYER (V/V) stellte fest, es gehe um eine verbesserte Prävention für die ArbeitnehmerInnen, damit diese länger und gesünder im Arbeitsleben verbleiben. Das sei nicht auch eine Erfordernis, die sich aus der demographische Entwicklung ergebe, stellte der Bundesrat fest. Insgesamt bringe das Gesetz wesentliche Verbesserungen beim Arbeitnehmerschutz, denen er gerne zustimme.

  

Bundesrat Franz PIROLT (F/K) meinte, es sei vermutlich schwierig, psychische Belastungen so konkret zu beurteilen, wie körperliche Beschwerden. Daher sei es wichtig, dafür zu sorgen, dass für die ArbeitgeberInnen keine negativen Auswirkungen entstehen. Insgesamt sei das Gesetz ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

   

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) begrüßte, dass auch psychische Belastungen im ArbeitnehmerInnenschutz zur Kenntnis genommen werden. Es ließe sich aber einiges noch verbessern. Ein Problem sah sie darin, dass es in Österreich noch mit einem Stigma behaftet sei, wenn man eine Therapie in Anspruch nehme. Das Gesetz trage hoffentlich zur Bewusstseinsbildung bei, sagte Kerschbaum.

Keine befristete Invaliditätspension mehr

Auch die Abschaffung der befristeten Invaliditätspension mit entsprechenden Begleitmaßnahmen zur Wiedereingliederung in den Beruf traf nicht auf ungeteilte Zustimmung. Die Gesetzesvorlage (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012) mit der auch die Kurzarbeitsregelung ausgedehnt wird, passierte die Länderkammer mit Mehrheit.

Bundesrat Franz PIROLT (F/K) meinte, die Intention der Gesetzesänderung, den Rechtsanspruch auf Rehabilitation zu regeln, sei zwar durchaus in Ordnung. In Begutachtungsverfahren, sei aber auf einige Probleme hingewiesen worden, so etwa von der Stadt Wien und Bundesarbeitskammer. Sozialminister Hundstorfer sei auf diese Kritik nicht eingegangen, die Freiheitlichen würden daher nicht zustimmen. 

Bundesrat Gerald KLUG (S/St) meinte, die Gründe für die Ablehnung seitens der Freiheitlichen könne er nicht nachvollziehen. Es werde nun die Invaliditätspension schrittweise abgeschafft und auf Rehabilitation gesetzt. Man versuche, rechtzeitig auf Risikofaktoren zu reagieren, die zu einer Invalidität führen könnten. Grundsätzlich wolle man alles tun, damit möglichst alle gesund in Pension gehen. Das Zusammenwirken von ganz unterschiedlichen Institutionen in der Vollziehung werde sicher eine Herausforderung sein, aber er sei überzeugt, dass diese gelingen werde. Die gesetzliche Umsetzung dieser schwierigen Materie sei jedenfalls sehr gut gelungen. Auch in der Änderung der Pflegefreistellung reagiere man durch ein modernes Arbeitsrecht auf geänderte Lebensumstände und Familienkonstellationen.   

     

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) begrüßte die Idee, statt der Invaliditätspension nun mehr auf Rehabilitation zu setzen. Im Zusammenspiel von PVA, AMS und Rehabilitationseinrichtungen gebe es sicherlich noch Probleme. Die Frage sei, wie die Personen, die keinen Berufsschutz haben, überhaupt den Anspruch erhalten sollen. Das seien vor allem Personen mit schlechter Ausbildung, für sie gebe es noch immer keine Lösung. Aus all diesen Gründen würden die Grünen nicht zustimmen, argumentierte Dönmez.   

    

Bundesrat Josef STEINKOGLER (V/O) hob hervor, dass wichtige Änderungen bei der Regelung der Invaliditätspension vorgenommen werden. Andere Neuerungen des Gesetzes seien, dass die Berufsfeuerwehr nun unter die Nachtarbeitsregelung falle und eine Anpassung bei den Bestimmung über Pflegefreistellungen erfolgen. Es seien insgesamt gute Regelungen, denen er mit gutem Gewissen zustimmen könne.

Sozialminister Rudolf HUNDSTORFER entgegnete Bundesrat Pirolt, sowohl Arbeiterkammer und Stadt Wien hätten nach der Umsetzung des Gesetzes keine Kritik mehr geübt, ihre Anregungen seien also sehr wohl umgesetzt worden. 70.000 Menschen stellten jährlich Anträge auf Invaliditätspension, von denen 30.000 genehmigt werden, erläuterte Hundstorfer. Die gesetzliche Regelung betreffe besonders die Personengruppe, die bislang nur eine befristete Invaliditätspension erhalten habe, und ziele auf Rehabilitation statt Pensionierung ab. Sein Ressort setze auch gezielt Maßnahmen für die Generation 50 Plus und für niedrig qualifizierte ArbeitnehmerInnen, betonte der Minister. Zusammen mit dem Gesetz habe man auch andere Details, etwa im Bereich der Pflegefreistellungen, geregelt. Es gehe ihm grundsätzlich darum, längerfristig die Zahl derer zu senken, welche aus gesundheitlichen Gründen in Pension gehen müssen, unterstrich der Bundesminister.

Eingliederung der ZiviltechnikerInnen in Pensionsversicherung

Einhellig und ohne Debatte stimmte der Bundesrat der Überführung der ZiviltechnikerInnen in das Pensionsversicherungssystem der freiberuflich selbständig Erwerbstätigen ab 2013 zu.

Verbesserungen für Beschäftigte am Bau

Als Schlechtwetter am Bau gilt künftig ausdrücklich nicht nur Regen, Schnee und Frost, sondern auch Hitze. Dies sieht eine Novelle des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG) und des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes vor. Des weiteren wird der Strafrahmen für nicht gewährte Einsichtnahme in Lohnunterlagen an jene des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes angepasst. Die Zustimmung erfolgte einhellig.

Bundesrat Gerald KLUG (S/St) stellte fest, es gebe wesentliche legistische Verbesserungen, etwa in der verpflichtenden Information von Bauarbeitern, wenn laut Kollektivvertrag eine Unterentlohnung vorliege. Das erlaube ihnen, ihre Ansprüche besser einzufordern. Auch die Urlaubsregelung bei Schichtarbeit werde nun verbessert. Diesen maßgeblichen sozialen Verbesserungen werde seine Fraktion gerne zustimmen.     

Bundesrat Edgar MAYER (V/V) sprach von einer guten sozialpartnerschaftlichen Einigung, die bei den Urlaubsansprüchen von Bauarbeitern gefunden wurde. Es gehe um wesentliche Verbesserungen, vor allem auch für jene, welche den Unbilden der Witterung ausgesetzt seien.         

Bundesrat Franz PIROLT (F/K) meinte, es sei nicht mehr viel hinzuzufügen. Kritisch seien Datenschutzprobleme zu sehen, und eine  Kostensteigerung bei Bauarbeiten zu befürchten. Für Bauarbeiter, die schwere Arbeit im Freien verrichten, gebe es entscheidende Verbesserungen.        

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) zeigte sich ebenfalls erfreut über die Verbesserung für die Menschen, die im Hoch und Tiefbau sowie im Straßenbau tätig sind, und kündigte die Zustimmung der Grünen an.

Mehr oder weniger Armut in Österreich?

Der Sozialbericht 2011-2012 wurde in der Länderkammer breit diskutiert und schließlich mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Bundesrat Franz PIROLT (F/K) stellte fest, es werde keine Zustimmung seiner Fraktion zu diesem Bericht geben. Im Bereich des Arbeitsmarkts habe es aufgrund der unternehmerischen Initiative einen Anstieg der Beschäftigung gegeben. Die Arbeitsmarktmaßnahmen des AMS, die aus seiner Sicht vor allem aus praxisfernen Umschulungen bestünden, sei in vielen Bereichen unwirksam, sagte der Bundesrat. Den Ausführungen zum Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen halte er nicht für stichhaltig. Der Bericht gehe auch nicht auf das Problem ein, wie man Asylwerber schnell in den Arbeitsmarkt integrieren könne. Asylwerber, die jahrelang nicht arbeiten, würden in der Bevölkerung kein Verständnis finden. Im Bereich der Renten sei zu berücksichtigen, dass sich die Lebensarbeitszeit in den letzten Jahrzehnten stark verkürzt habe. Hier müsse man Regelungen finden, wie Menschen länger im Erwerbsleben bleiben können. Manifeste Armut sei im Anstieg, sagte Bundesrat Pirolt, vor allem bei Niedrigpensionen.

Reinhard TODT (S/W) meinte, der Bericht zeige, dass Österreich die Folgen der Krise im Sozialbereich gut gemeistert habe. Es werden eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, um ältere ArbeitnehmerInnen länger im Erwerbsleben zu halten und zu einer Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalter zu gelangen. Das einheitliche Pensionskonto werde verwirklicht. Wesentliche Verbesserungen habe es im Pflegebereich gegeben. Mit der Finanzierung des Pflegefonds sei eine wesentliche Grundsatzentscheidung gefallen. Der Seniorenplan sei international ein einmaliges Dokument und damit könne richtungsweisend und visionär auf die Bedürfnisse älterer Menschen reagiert werden. Todt verwies auf das besondere Engagement von SeniorInnen in der Freiwilligentätigkeit. Der Bericht zeige insgesamt eine erfolgreiche Bilanz der Arbeit von Sozialminister Hundstorfer, resümierte Bundesrat Todt.          

Der vorliegende Bericht des Sozialministeriums dokumentiere, so Bundesrat Christian JACHS (V/O), dass Österreich das "Sozialland Nummer 1" in Europa sei und es werde darin auch gezeigt, dass der Anteil armutsgefährdeter ÖsterreicherInnen sinke. Auch die Ausbildungsgarantie für Jugendliche, das umgesetzte Behindertenbeschäftigungsprogramm und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Arbeitnehmerinnen nannte der V-Bundesrat als wichtige Elemente für die Zukunftssicherung der Soziallandschaft. Die Kehrseite des Wohlfahrtsstaates sei allerdings, hob Jachs hervor, dass Österreich immer noch zu hohe Arbeits- und Lohnkosten habe. Das wertete er als Gefahr für die Sicherung des Sozialstaates, da dieser eine starke Wirtschaft als Grundlage benötige. Insgesamt erachtete Jachs Systemänderungen etwa bei den Pensionen und bei der Pflege als essentiell und er rief die BundesrätInnen auf, gemeinsam für eine Harmonisierung der Pflegestandards in Österreich einzutreten, um die diesbezügliche Kostenungleichheit in verschiedenen Bundesländern zu beseitigen.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) hielt seinem Vorredner entgegen, dem Bericht entnehme er, dass die Armut in Österreich keineswegs rückläufig sei. Vielmehr habe sich die Zahl Armer, also jener die sich weder Heizung noch Arztbesuche leisten können, von 2005 bis 2010 verdoppelt und auch heuer seien die Obdachlosenzentren wieder voll. Besonders dramatisch sah der G-Mandatar die Zunahme langfristig verfestigter Armut bei Jugendlichen und bei Frauen. Ursache dieser Entwicklung sind Dönmez zufolge nicht zuletzt die im letzten Rechnungshof-Einkommensbericht dargestellte immer größer werdende Einkommensschere und die ungleiche Vermögensverteilung, da die vermögendsten 5% der Bevölkerung fast die Hälfte des Gesamtvermögens besäßen. 

Bundesrätin Inge POSCH-GRUSKA (S/B) lobte zunächst die Behindertenpolitik des Sozialressorts, da bereits 50.000 Personen von den Förderungen der Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderung profitiert hätten. Ärgerlich fand sie in diesem Zusammenhang, dass von den 102.000 Pflichtstellen für ArbeitnehmerInnen mit Behinderung noch 35.000 unbesetzt seien, es liege daher an den Arbeitgebern, ihren Beitrag zu diesem Sozialprojekt zu leisten. In Richtung Bundesrat Pirolt (F) vermerkte Posch-Gruska, tatsächlich würden nach dem Kollektivvertrag Frauen und Männer gleich bezahlt, allerdings wäre zu betrachten, welche Arbeit mit welcher Einstufung Arbeitnehmerinnen übernehmen. Dass AsylwerberInnen nicht regulär arbeiten dürften, stehe seit 2004 im Gesetz, wenn es auch sozial nicht in Ordnung sei. Als "soziale Errungenschaft" beschrieb die S-Bundesrätin dagegen, dass das freiwillige Sozialjahr in Österreich eingeführt wird.

Sozialminister Rudolf HUNDSTORFER hielt eingangs fest, die Daten im vorliegenden Bericht stammten aus dem Jahr 2010; seit damals sei tatsächlich ein Rückgang der Armut in Österreich zu vermelden. Bezugnehmend auf die Anmerkung, es gebe in den österreichischen Bundesländern unterschiedliche Pflegekosten, verwies der Bundesminister darauf, dass die hohen Aufwendungen in Wien aus der Tatsache herrührten, dass in der Bundeshauptstadt Ärzte in Pflegeheimen vollbeschäftigt angestellt sind.

Auf die Kritik am heimischen Pensionssystem durch die FPÖ replizierte Hundstorfer, die freiheitliche Fraktion habe sich immer gegen eine Veränderung der Hacklerpension gestemmt, solle also nicht auf ein höheres Pensionsantrittsalter pochen. Ebenso verwehrte er sich dagegen, die Behindertenpolitik seines Ressorts als wirtschaftsschädigend zu bezeichnen, immerhin habe das Sozialministerium die Kündigungsfrist von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung von 6 Monaten auf 4 Jahre verlängert. Hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeit von AsylwerberInnen erinnerte der Sozialminister daran, dass nunmehr Asylwerbende als ErntehelferInnen und asylwerbende Jugendliche als Lehrlinge arbeiten dürfen. (Fortsetzung Bundesrat)


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