Parlamentskorrespondenz Nr. 145 vom 27.02.2013

Breite Mehrheit im Nationalrat für Ausweitung der Pendlerpauschale

Pendlerpauschale für Teilzeitjobs, Pendlereuro und Jobticket für alle

Wien (PK) – Die Reform der Pendlerpauschale bringt mit dem neuen "Pendlerzuschlag" Verbesserungen für Teilzeitbeschäftigte durch Anhebung der Negativsteuer für BezieherInnen von geringen Einkommen. Neu eingeführt werden auch der "Pendlereuro" (1 Euro pro Kilometer Arbeitsweg) und das "Jobticket", das ArbeitgeberInnen auch Nicht-PendlerInnen steuerfrei für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zur Verfügung stellen können. Gestrichen wird das Pendlerpauschale für ArbeitnehmerInnen, die einen arbeitgebereigenen Dienstwagen privat nutzen können. WochenpendlerInnen mit anerkannter doppelter Haushaltsführung können Familienheimfahrten weiterhin als Werbungskosten steuerlich geltend machen. Den entsprechenden Änderungen im Einkommensteuergesetz stimmten SPÖ, ÖVP, FPÖ und Team Stronach zu.

Bevor die Debatte zur Ausweitung der Pendlerpauschale begann, kündigte der vorsitzführende Zweite Nationalratspräsident Fritz NEUGEBAUER für 15.13 Uhr eine Dringliche Anfrage des Team Stronach an Finanzministerin Maria FEKTER zum Thema "Korruptionsverdacht im Netzwerk von ÖVP-Landespolitik, der niederösterreichischen Vermögensverwaltung fibeg, Raiffeisenlandesbanken, Hypo Banken und den Bundesagenturen ÖBFA und FMA" an.

Weiters informierte Neugebauer über ein Verlangen der Grünen, eine Kurze Debatte über die Beantwortung ihrer Anfrage an Unterrichtsministerin Claudia Schmied zum Thema "Missstände im Bereich des Landesschulrats für Niederösterreich" durchzuführen. Diese Kurzdebatte erfolge im Anschluss an die Dringliche Anfrage.  

Moser: Reform ist weder sozialgerecht noch ökologisch zielführend

Für Abgeordnete Gabriela MOSER (G) ist der Entwurf zur Reform der Pendlerpauschale weder sozial gerecht noch ökologisch zielführend. Der vom Finanzministerium vorgelegte Gesetzentwurf sei im Grunde ein "Sack voller Wahlzuckerl", der vorrangig den Besserverdienenden zugutekomme. So gingen 60% der angekündigten Förderungen an jene, die über 50.000 € im Jahr verdienen, während der Großteil der PendlerInnen auf Grund ihrer niedrigeren Einkommen schlechter ausstiegen, skizzierte die Grüne Verkehrssprecherin. Außerdem kritisierte sie, dass PendlerInnen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen, erst ab 20 km eine Entschädigung zustehe, autofahrende PendlerInnen aber schon ab 2 km eine Ausgleichszahlung erhielten. Mit der in Verhandlung stehenden Vorlage werde lediglich die Zersiedelung gefördert, was die Gemeinden finanziell belaste, und man habe mit erhöhtem CO2 Ausstoß zu rechnen, wodurch neuerlich Emissions-Zertifikate in Millionenhöhe gekauft werden müssten. Daher sei die geplante Reform auch steuerpolitisch nicht gutzuheißen, so Moser.

Wöginger: Wichtiges Signal für arbeitende Menschen

Abgeordneter August WÖGINGER (V) erachtete den Reformplan des Finanzministeriums, die Förderungen für PendlerInnen um 150 Mio. € zu erhöhen, dagegen als wichtiges Signal für die arbeitenden Menschen, die damit entlastet würden. Angesichts des starken Anstiegs der Inflation und erhöhter Spritpreise werde durch die Pendlerpauschale-Neu nun ein entscheidender Steuerungsausgleich geboten. Neben dem kilometerabhängigen Pendler-Euro, der Verdoppelung des Pendlerzuschlags und des Job-Tickets für alle ArbeitnehmerInnen nannte der ÖVP-Mandatar die Ausweitung der Anspruchsberechtigung auf Teilzeitbeschäftigte als wichtige Maßnahme der Reform im Sinne eines sozialen Ausgleichs. Wöginger begrüßte weiters den vom Finanzministerium installierten "Pendlerrechner" zur Ermittlung des zustehenden Förderbetrags.

Westenthaler: Neue Regelungen sind kompliziert und ungerecht

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) replizierte, mit der neuen Pendlerpauschale werde nur das alte System fortgeschrieben, die Regelungen seien außerdem ungerecht und kompliziert. Unter Bruno Kreisky eingeführt, sei der eigentliche Zweck der Pendlerpauschale die finanzielle Unterstützung der ArbeiterInnen gewesen, erinnerte der BZÖ-Mandatar, derzeit erhielten aber gerade Wenigverdienende die geringsten Ausgleichsleistungen, wie Westenthaler anhand eines Beispiels der Arbeiterkammer darlegte. Von Direktförderungen der PendlerInnen könne er im Gesetzesentwurf nichts erkennen, zeigte er sich erbost, alle Zahlungen schienen unter "Absetzbeträge" auf. Ein weiterer Kritikpunkt Westenthalers war die Deckelung der Pauschale bei 60 km, wodurch längere Entfernungen nicht ausgeglichen würden.

Rudas: Entscheidender sozialer und ökologischer Fortschritt

Abgeordnete Laura RUDAS (S) erwiderte ihrem Vorredner, der Gesetzesentwurf stelle einen entscheidenden sozialen und ökologischen Fortschritt dar. Immerhin müssten im Rest Europas die BezieherInnen geringer Einkommen drastische Kürzungen hinnehmen, wohingegen in Österreich mit der neuen Pauschale eine Million PendlerInnen zukünftig entlastet würden. Die SPÖ-Politikerin hob hervor, dass auch Teilzeitkräfte in Hinkunft die Pendlerpauschale erhielten, und KleinverdienerInnen höhere Zuschläge bezögen. Diese Maßnahmen für mehr Gerechtigkeit seien ihrer Fraktion ein besonderes Anliegen gewesen. Als positiven ökologischen Aspekt wertete Rudas, dass mit der Reform im Sinne des Umweltschutzes der öffentliche Verkehr attraktiver werde.

Kogler: AutofahrerInnen werden bevorzugt

Abgeordneter Werner KOGLER (G) konnte dagegen kein Mehr an Gerechtigkeit in der debattierten Regierungsvorlage erkennen. Immer noch sei die Höhe der Pendlerpauschale vom Einkommenden der Bezugsberechtigten abhängig. Mit dem vorliegenden Entwurf sei aus sozialer, steuer- sowie umweltpolitischer Sicht eine Chance vertan worden und es werde durch komplizierte Bestimmungen zudem mehr Verwaltungsaufwand geschaffen, kritisierte der Grün-Mandatar. Aus Sicht seiner Fraktion sollten alle PendlerInnen für jeden gefahrenen Kilometer gleich viel absetzen können, so Kogler und er beanstandete, das Pendeln mit dem Auto werde dem Entwurf zufolge höher entschädigt als jenes mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Podgorschek: Eine schlechte Reform ist besser als gar keine

Der Gesetzesentwurf sei nicht "der Weisheit letzter Schluss", räumte Abgeordneter Elmar PODGORSCHEK (F) ein, doch sehe er einen akuten Handlungsbedarf, da gerade in den letzten zwei Jahren ein exorbitanter Preisanstieg zu verzeichnen gewesen sei. Viele BürgerInnen müssten sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich das Auto noch leisten können, und der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr sei in vielen Regionen nicht möglich. Die neuen Regelungen kämen zu spät und seien noch komplexer als die derzeit gültigen, aber eine "schlechte Reform sei besser als gar keine", meinte Podgorschek. Die FPÖ werde dennoch ihr eigenes Modell zur Pendlerpauschale auch nach der heutigen Debatte weiter einfordern, da dies eine sofortige Entlastung der PendlerInnen – und nicht erst zum Jahresausgleich – vorsehe.

Fekter: Reform ist sozial ausgewogen

Finanzministerin Maria Theresia FEKTER unterstrich, mit der Reform der Pendlerpauschale würden sowohl jene, die eine hohe Steuerleistung erbringen, als auch Nichtsteuerpflichtige entlastet. Der Gesetzesentwurf sei damit sozial ausgewogen. Zudem erhielten zukünftig auch AbeitnehmerInnen mit Teilzeitbeschäftigung die Pauschale. Um die soziale Gerechtigkeit des Reformplans zu untermauern umriss Fekter die Maßnahmenpunkte Pendlereuro, der steuerlich absetzbar ist, und Job-Ticket, das auch jenen zusteht, die keine Pendlerpauschale erhalten. Sie betonte außerdem, dass für die private Nutzung des Dienstwagens keine Entschädigung mehr gewährt werde. Da Mehrverdienende in Österreich überproportional hohe Steuern zahlen, sei es nur gerecht, wenn auch der Mittelstand von der Neuregelung profitiert, sagte die Bundesministerin.

Der Pendlerausgleichsbetrag gestehe auch Personen, die wenig Lohnsteuer zahlen, die volle Förderung zu, führte Fekter weiter aus. Gerade für die ländlichen Regionen seien die Pendler-Ausgleichszahlungen von Bedeutung, da die meisten PendlerInnen ihre Arbeitswege dort zurücklegten. Die Finanzministerin kündigte für die laufende Debatte noch einen Abänderungsantrag an, in dem sichergestellt wird, dass auch PensionistInnen den Absetzbetrag nützen können.

Auswirkung der Pendlerpauschale-Neu wird unterschiedlich interpretiert

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) konnte sich den positiven Ausführungen der Finanzministerin nicht anschließen. Sein Kritikpunkt war vor allem, dass das derzeitige System der Pendlerförderung, das sich an der steuerlichen Absetzbarkeit orientiert, die Wenigverdiener massiv benachteilige. Dies werde auch durch Studien der Arbeiterkammer bestätigt, hob der BZÖ-Mandatar hervor. Er brachte sodann einen Entschließungsantrag betreffend "eine rasche Reform der Pendlerpauschale – Umsetzung einer kilometerabhängigen Abrechnung mit Negativsteuer" ein.

Abgeordnete Elisabeth KAUFMANN-BRUCKBERGER (T) befürwortete grundsätzlich die Reform der Pendlerförderung und hob insbesondere die Besserstellung von Teilzeitkräften hervor, von der vor allem berufstätige Frauen profitieren werden. Positiv beurteilte sie die Ausweitung des Jobtickets, wodurch ArbeitgeberInnen motiviert werden sollen, den DienstnehmerInnen die Jahreskarten für die Öffis zu finanzieren; dies sollte im städtischen Bereich noch viel mehr forciert werden.

Zahllose Studien belegten, dass das österreichische Steuer- und Abgabensystem proportional wirke. Dies bedeute, dass, relativ gesehen, auch Bezieherinnen von niedrigeren Einkommen anteilsmäßig gleich viel Steuern und Abgaben zahlen als Personen, die sehr viel verdienen, kritisierte einleitend Abgeordneter Bruno ROSSMANN (G). Was das konkrete Thema anbelangt, so handle es sich um keine Pendlerreform, sondern um eine Verschwendung von Steuergeldern und eine Fortschreibung der sozialen Ungerechtigkeiten, zumal der Großteil über Freibetragsregelungen läuft, unterstrich Rossmann. Außerdem werden seiner Ansicht nach die völlig falschen Anreize gesetzt, da AutofahrerInnen stärker bevorzugt werden als PendlerInnen, die öffentliche Verkehrsmittel benützen. Dieses Pendlerpauschale sei daher ein "Zersiedelungspauschale", das zu weiteren hohen Folgekosten führen wird.

Schieder: Reform kommt vielen Frauen zugute

Staatssekretär Andreas SCHIEDER erinnerte daran, dass das System der Pendlerpauschale schon unter Kreisky eingeführt wurde, aber natürlich ständig den neuen Gegebenheiten angepasst werden müsse. Aus diesem Grund habe man nun auch die Teilzeitbeschäftigten in die Förderung aufgenommen, was vor allem vielen Frauen zu Gute kommen wird. Weitere Eckpunkte der Reform sind das steuerfreie Jobticket, die Einführung des Pendlereuros sowie die Erhöhung der Negativsteuer, von der die GeringverdienerInnen profitieren werden. Durch einen zusätzlichen Abänderungsantrag soll es noch zu einer finanziellen Erleichterung für Pensionistinnen und Pensionisten kommen, erläuterte Schieder.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) brachte den bereits angekündigten Abänderungsantrag ein, der neben Klarstellungen eine Änderung bei der Einschleifregelung für den Pensionistenabsetzbetrag bringt. In Richtung von Abgeordneter Gabriela Moser stellte Tamandl mit Nachdruck fest, dass im sogenannten Speckgürtel niemand eine große Pendlerpauschale bekomme, da jedem ein öffentliches Verkehrsmittel zumutbar ist. Unrichtig sei auch die Aussage von Abgeordnetem Westenthaler, wonach der Pendlereuro gedeckelt ist.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) widersprach seiner Vorrednerin und wies darauf hin, dass er nie gesagt habe, der – einkommensabhängige - Pendlereuro sei gedeckelt. Er habe aber darauf hingewiesen, dass die Pendlerpauschale mit 60 km gedeckelt ist. Dies benachteilige all jene Menschen, die lange Fahrten in Kauf nehmen müssen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Es handle sich generell um ein sehr ungerechtes System, dass die Besserverdiener begünstige, kritisierte Westenthaler und führte einige Rechenbeispiele an. Er könne daher absolut nicht verstehen, warum die SozialdemokratInnen so einer Vorlage zustimmen können.

Abgeordnete Heidrun SILHAVY (S) verteidigte die Neuerungen der Pendlerreform, weil davon sowohl Teilzeitbeschäftigte als auch NiedrigverdienerInnen und ältere Menschen profitieren werden. Aus ökologischer Sicht sehr positiv sei auch die Einführung des steuerfreien Jobtickets. Angesichts dieser Fortschritte verstehe sie daher die umfassende Kritik der Grünen an dieser Vorlage nicht. Schließlich wies sie noch auf die Besserstellung der PensionistInnen hin, die auch ihr Fraktionskollege Erwin KAIPEL (S) ausdrücklich begrüßte.

Die Freiheitlichen werden der Pendlerförderung zustimmen, kündigte Abgeordneter Harald JANNACH (F), auch wenn man sich noch mehr gewünscht hätte. In einem Entschließungsantrag setzte sich der Redner sodann für die Wiedereinführung des Agrardiesels ein, um ungerechte Wettbewerbsbedingungen auszugleichen.

Sodann meldeten sich noch eine Reihe von ÖVP-MandatarInnen zu Wort, die die Vorteile der neuen Pendlerförderung hervorhoben. Während Abgeordnete Dorothea SCHITTENHELM (V) von einer wirklich grundlegenden Reform im Sinne der Frauen, Lehrlinge und Familien sprach, begrüßte Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) die echte Weiterentwicklung der Pendlerpauschale. Seine Fraktionskollegen Franz ESSL (V) und Oswald KLIKOVITS (V) wiederholten noch einmal die Eckpunkte der Pendlerreform, von der über 1,6 Millionen Menschen profitieren werden. Abgeordnete Gertrude AUBAUER (V) schloss sich ihren Vorrednern an und strich die Verbesserungen beim Alleinverdienerabsetzbetrag für die PensionistInnen heraus.

Bei der Abstimmung wurde die Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung eines S-V-Zusatz- bzw. Abänderungsantrags mehrheitlich angenommen. Der BZÖ-Entschließungsantrag betreffend rasche Reform der Pendlerpauschale fand keine Mehrheit. Bei der namentlichen Abstimmung über den FPÖ-Entschließungsantrag betreffend Wiedereinführung des Agrardiesels wurden 49 Ja-Stimmen und 109 Nein-Stimmen abgegeben; der Antrag gilt somit als abgelehnt. (Fortsetzung Nationalrat) jan/red