Parlamentskorrespondenz Nr. 334 vom 26.04.2013

Fortdauerndes Schulschwänzen kann teuer werden

Weitere Themen im Nationalrat: Facharbeiter, Pflichtschulabschluss

Wien (PK) – 440 € kann es in Zukunft kosten, wenn SchülerInnen sämtliche von der Schule, Schulbehörde und Jugendwohlfahrt ergriffene Maßnahmen missachten und weiterhin den Unterricht schwänzen. Das sieht eine Novelle zum Schulpflichtgesetz vor, die heute den Nationalrat passierte.

Jugendlichen wird darüber hinaus der Weg geebnet, den Pflichtschulabschluss auch nach Ende der Schulpflicht nachzuholen. Dem Facharbeitermangel soll mit Hilfe der Facharbeiter-Ausbildungsinitiative begegnet werden. So soll Personen ohne Lehrstelle ein Berufsschulbesuch als ordentlichen SchülerInnen ermöglicht werden.

Zudem erfolgten in der heutigen Sitzung Anpassungen zahlreicher Materien aus dem Unterrichts- und Wissenschaftsbereich an die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Versäumter Pflichtschulabschluss? – Neue Möglichkeit zum Nachholen

Den Auftakt des Unterrichtsblocks machte ein Sechs-Parteien-Initiativantrag, der eine Vereinheitlichung von Gesetzesbestimmungen vorsieht, die SchülerInnen den Besuch von Pflichtschulen über die achte Schulstufe hinaus ermöglichen. Auch der Weiterbesuch Polytechnischer Schulen fällt unabhängig vom erfolgreichen Abschluss bestimmter Schulstufen unter diese Regelungen. Damit soll vermieden werden, dass junge Menschen im Fall von Schullaufbahnverlusten keine Möglichkeit zum Pflichtschulabschluss haben.

Wie schon der Unterrichtsausschuss nahm auch das Nationalratsplenum den Antrag einstimmig an.

Abgeordneter Elmar MAYER (S) begrüßte die Möglichkeit eines zehnten Schuljahres sowie die gemeinsame Initiative betreffend die neunte Schulstufe und rückte die Chancengleichheit an den Nahtstellen des Bildungssystems in den Mittelpunkt seiner Ausführungen.

Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) unterstützte ebenfalls die Möglichkeit, durch ein zusätzliches Schuljahr den Pflichtschulabschluss zu erreichen. Jungen Menschen würden damit neue Chancen für den Arbeitsmarkt eröffnet, meinte er.

Der vorliegende Beschluss sei ein Bekenntnis aller Parteien zur polytechnischen Schule, betonte Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F), der sich im Übrigen einer Meinung mit seinen Vorrednern bezüglich der Notwendigkeit zeigte, jungen Menschen die Chance zur Nachholung des Bildungsabschlusses zu bieten.

Als Tropfen auf dem heißen Stein interpretierte Abgeordneter Harald WALSER (G) den Beschluss und forderte eine ambitioniertere Schulreform. Er trat dabei insbesondere für ein flexibleres Schulsystem an den jeweiligen Schnittstellen ein.

Von einer notwendigen Reparatur für junge Menschen im Sinne der Chancengerechtigkeit sprach Abgeordnete Ursula HAUBNER (B), gehe es doch darum, nicht die Zeit in der Schule abzusitzen, sondern zu einem positiven Bildungsabschluss zu kommen. Die BZÖ-Mandatarin bekannte sich ebenfalls zur polytechnischen Schule, forderte aber eine Weiterentwicklung zu einem Modulsystem.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (T) zeigte sich über das Zustandekommen des Sechs-Parteien-Antrags erfreut. Damit werde vielen Jugendlichen ein Bildungsabschluss ermöglicht, hielt er fest. Lobend hob Markowitz auch das Jobcoaching hervor.

Auch Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED begrüßte die vorliegende Parteieninitiative. Generell meinte sie, die Aufwertung der Polytechnischen Schulen liege auch ihr sehr am Herzen. Kein Verständnis zeigte Schmied für die von Abgeordnetem WALSER geäußerte Kritik an der Bildungspolitik, im Bildungsbereich werde sehr viel gemacht, sagte sie.

In einer letzten Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt warf Abgeordneter Ewald SACHER (S) Abgeordnetem Walser vor, ein "unverbesserlicher Pessimist" zu sein. Auch kleine Schritte im Bildungsbereich seien Schritte in die Zukunft, hielt er fest, zudem sind seiner Ansicht nach in den vergangenen Jahren auch etliche große Schritte gesetzt worden.

Dem Schulschwänzen wird nun ernsthaft der Kampf angesagt

Gemeinsam debattiert wurden in Folge die Regierungsvorlage für verstärkte Maßnahmen gegen das Schulschwänzen und Schulrechtsnovellen im Zusammenhang mit dem ab 2014 gültigen neuen Verwaltungsgericht-Instanzenzug.

Mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP nahm der Nationalrat eine Änderung des Schulpflichtgesetzes und des Bildungsdokumentationsgesetzes an, durch die verstärkt gegen unentschuldigte Fehlzeiten vorgegangen werden soll. Ein Fünf-Stufen-Plan zur Vermeidung von Schulpflichtverletzungen ist dabei als Unterstützungshilfe betroffener SchülerInnen und deren Erziehungsberechtigten geplant. Greifen sämtliche von Schule, Schulbehörde und Jugendwohlfahrt gesetzte Maßnahmen nicht, sieht die Regierungsvorlage eine Verwaltungsstrafe von bis zu 440 € vor.

Der Entschließungsantrag des BZÖ, wonach bei fortgesetzter Verletzung der Schulpflicht eine verringerte Familienbeihilfe ausbezahlt werden sollte, fand jedoch nicht die erforderliche Unterstützung.

Mehrheitlich passierten die Schulrechts-Anpassungen an die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit den Nationalrat. Durch Änderungen von insgesamt 16 Gesetzesmaterien im Bereich des Schulrechts wird in einer Sammelnovelle das Bundesverwaltungsgericht bzw. in Fällen der mittelbaren Bundesvollziehung das Verwaltungsgericht des jeweiligen Bundeslandes als alleinige Berufungsinstanz für Entscheidungen der Schulbehörden festgelegt.

Eine weitere Anpassungsnovelle sieht vor, dass Berufungen gegen studienrechtliche Entscheidungen von Pädagogischen Hochschulen ab 2014 an das dann geschaffene Bundesverwaltungsgericht und nicht mehr wie bisher zur Studienkommission gelangen.

5-Stufenplan für Opposition bürokratisch und praxisfremd

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) setzte sich kritisch mit der Gesetzesvorlage zum Thema Schulschwänzen auseinander. Die FPÖ glaube nicht, dass die Verhängung von Strafen bei häufigem Schulschwänzen das Allheilmittel sei, meinte er. Es sei gut und richtig, zunächst mit den Eltern zu reden, erklärte Rosenkranz, sollten die Gespräche aber nicht fruchten, wäre es sinnvoller, die Familienbeihilfe zu streichen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen solchen Schritt teile seine Fraktion nicht.

Zustimmen wird die FPÖ Rosenkranz zufolge den beiden Anpassungsgesetzen an die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit. Durch die Gesetze werde Rechtssicherheit hergestellt.

Der vorgesehene 5-Stufen-Plan gegen das Schulschwänzen ziele vorrangig auf eine bessere Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schule und gegebenenfalls Jugendwohlfahrt ab, führte Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) aus. Ob das Ziel erreicht werden kann, soll ihr zufolge durch eine Evaluierung des Gesetzes festgestellt werden. Generell betonte Gessl-Ranftl, Schulschwänzen sei kein Massenproblem in Österreich.

Als "völlig unpraktikabel" wertete hingegen Abgeordneter Harald WALSER (G) den vorgesehene 5-Stufen-Plan. Das Parlament mache sich lächerlich, wenn es derartige Gesetze beschließe, meinte er und plädierte dafür, den Schulen selbst zu überlassen, wie sie mit Schulschwänzern umgehen.  

Skeptisch äußerte sich Walser auch zu den Anpassungsgesetzen an die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit. Er fürchtet aufwändigere Beschwerdeverfahren im Schulbereich, was vor allem sozial schwächeren Familien auf den Kopf fallen könnte. Allgemein bekräftigte Walser, er sei kein Schwarzseher, sondern ein großer Optimist, was Bildungsreformen betrifft, und erwarte sich, dass das Bildungs-Volksbegehren letztlich doch erfolgreich sei.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) machte geltend, dass PädagogInnen immer öfter über vermehrtes Schulschwänzen klagten. Die derzeitigen Maßnahmen gegen Schulschwänzen sind ihrer Ansicht nach zahnlos, der 5-Stufen-Plan werde den PädagogInnen helfen, Eltern ihre Verantwortung besser bewusst zu machen. Letztendlich seien die Kinder die Leidtragenden, wenn Schule für die Eltern keinen Stellenwert habe, unterstrich Franz.

BZÖ für Verringerung der Familienbeihilfe bei fortdauerndem Schulschwänzen

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) lehnte den vorgesehenen 5-Stufen-Plan namens des BZÖ hingegen ab und wertete diesen als sehr bürokratisch und praxisfremd. Es wäre sinnvoller, im Falle von Schulschwänzen in letzter Konsequenz eine reduzierte Familienbeihilfe auszuzahlen als Strafen zu verhängen und diese dann mühsam einzutreiben, konstatierte sie und legte einen entsprechenden Entschließungsantrag vor. Allgemein betonte Haubner, notorisches Schulschwänzen sei kein Kavaliersdelikt, es habe enorme negative Konsequenzen auf die Berufs- und Lebenschancen.

Abgelehnt werden vom BZÖ Haubner zufolge auch die beiden Anpassungsgesetze an die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das Beschwerdeverfahren werde verkompliziert, auf die Eltern kämen Zusatzkosten zu, bemängelte sie.

In Richtung Abgeordnetem Walser hielt Abgeordneter Elmar MAYER (S) fest, es spreche nichts dagegen, dass sich die Schulen selbst mit dem Problem Schulschwänzen auseinandersetzen. Es brauche aber eine zentrale Behörde, die im Fall des Falles Strafen verhänge.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (T) erklärte, das Team Stronach werde der Gesetzesvorlage zum Schulschwänzen nicht zustimmen. Es gebe ein bestehendes Gesetz, der 5-Stufen-Plan verursache viel zu viel Bürokratie, argumentierte er. Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetze wird das Team Stronach ihm zufolge hingegen billigen.

Schmied: Ziel ist, dass jedes Kind auch die Schule besucht

Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED unterstrich, oberstes Ziel müsse es sein, dass jedes Kind, das in Österreich lebt, auch die Schule besucht. Der 5-Stufen-Plan erscheine ihr von der Herangehensweise her vernünftig, sagte sie, es sei sinnvoll, zunächst einmal die Ursache dafür zu finden, wenn junge Menschen die Schule nicht besuchen. Wesentlich ist für sie auch, dass die Dokumentation zum Thema Schulschwänzen verbessert wird.

Was die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit betrifft, fällt laut Schmied künftig bei Beschwerdeverfahren im Schulbereich eine Behördenebene weg. Sie räumte ein, dass dies eine große Umstellung ist.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) zeigte kein Verständnis für die Ablehnung des 5-Stufen-Plans gegen notorisches Schulschwänzen durch die Opposition. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass Schulschwänzen in Österreich ein Problem sei, betonte er und äußerte sich überzeugt davon, dass nunmehr ein wirksames Gesetz beschlossen werde. Man dürfe die Sache nicht bagatellisieren, warnte Lettenbichler.

Als letzte in dieser Debatte ergriff Abgeordnete Edith MÜHLBERGHUBER (F) das Wort. Sie bekräftigte die Forderung der FPÖ, bei notorischem Schulschwänzen die Familienbeihilfe zu streichen anstatt Strafen zu verhängen. Es sei wichtig, den Eltern klar zu machen, dass sie eine wichtige Vorbildwirkung haben, konstatierte sie. Wenn Eltern den Schulbesuch ernst nehmen, würden das auch die Kinder tun.

Zweite Chance für Lehrabschluss

Einhellig stimmten die Abgeordneten der Facharbeiter-Ausbildungsinitiative zu, mit der auch Personen ohne Lehrstelle in einem Unternehmen ein Berufsschulbesuch als ordentlichen SchülerInnen ermöglicht wird. Die verstärkte Durchlässigkeit des beruflichen Bildungswesens für Erwachsenen ab 20 Jahren soll nicht zuletzt den Fachkräftemangel in Österreich eindämmen. Mit einem Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage hat der Unterrichtsausschuss zudem verankert, dass bei neuen Reifeprüfungen, in denen schriftliche und mündliche Prüfungen getrennt benotet werden, im Falle einer negativen Beurteilung der Klausurprüfung eine mündliche Kompensationsprüfung abgelegt werden kann.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) machte darauf aufmerksam, dass der Anstoß zum vorliegenden Gesetzentwurf auf eine Bürgerinitiative zurückgehe. Es gebe immer mehr junge Arbeitslose, die nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen, darunter viele ehemalige Lehrlinge, die die Lehre nicht abgeschlossen haben, skizzierte er. Ihnen werde nun das Nachholen der Facharbeiterprüfung mit Unterstützung der Berufsschulen erleichtert. Diese könnten künftig ihre Türen auch für jene öffnen, die früher einmal Lehrlinge waren.

Beim vorliegendem Gesetz gehe es darum, Jugendlichen die eine Lehre abgebrochen haben, eine zweite Chance auf einen Lehrabschluss zu geben, betonte Abgeordnete Anna FRANZ (V). Durch einen regulären Berufsschulbesuch werde es für sie leichter, im zweiten Bildungsweg doch noch eine Facharbeiterausbildung abzuschließen. Für Franz ist diese Maßnahme nicht zuletzt auch wegen des herrschenden Facharbeitermangels in Österreich sinnvoll.

Auch Abgeordneter Harald WALSER (G) begrüßte den vorliegenden Gesetzentwurf. Das duale Ausbildungssystem in Österreich sei etwas Vorbildhaftes, unterstrich er. Generell forderte Walser eine Aufwertung der Berufsschulen und äußerte sich kritisch zu Leistungsgruppen in Berufsschulen.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) kündigte die Zustimmung des BZÖ zum vorliegenden Gesetzentwurf an und wertete es als positiv, dass die Politik 4,7 Mio. € in die Hand nimmt, um jungen Erwachsenen die Möglichkeit zu geben, im zweiten Bildungsweg einen Facharbeiterabschluss zu erwerben. Das sei eine richtige und wichtige Investition in junge Menschen und auch zur Bekämpfung des Facharbeitermangels sinnvoll, sagte sie.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (T) sah das Gesetz ebenfalls als praxisnahe an. Es nütze jenen jungen Menschen, die sich erst später zu einem Lehrabschluss entschließen, sagte er. Zu denken gebe ihm allerdings die hohe Rate von Lehrabbrechern in den überbetrieblichen Lehrwerkstätten, merkte er an.

Bundesministerin Claudia SCHMIED (S) begrüßte die gesetzliche Maßnahme, mit der ein größeres Maßnahmenpaket für Personen, deren Bildungsweg nicht so glatt verlaufen sei, nun komplettiert werde.

Als wichtig sah es Abgeordnete Rosa LOHFEYER (S) an, dass unterbrochene Lehrausbildungen nun leichter abgeschlossen werden können. Es gehe um die stärkere Durchlässigkeit des Berufsschulsystems, um junge Menschen zu ermuntern, höherwertige Ausbildungen anzustreben und ihre Chancen zu verbessern. Damit werde nun eine weitere Forderung des Bildungsvolksbegehrens umgesetzt.

Auch Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) freute sich über die breite Unterstützung einer Initiative, die helfe, dem Fachkräftemangel in Österreich entgegenzuwirken. Positiv sei auch die bessere Regelung des Benotungssystems der Zentralmatura zu vermerken, die Teil der Novelle sei.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) wertete die Novelle ebenfalls als einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Ausbildungschancen junger Menschen.

Breite Ablehnung der FPÖ-Initiative gegen interkulturelles Lernen

Auf heftige Kritik bei allen Parteien außer der FPÖ stieß hingegen der Antrag des Freiheitlichen Mandatars Mathias Venier, der sich für die Streichung der Ausdrücke "interkulturell" sowie "Gendermainstreaming" in Lehrplänen öffentlicher Schulen stark macht und diese durch ein Bekenntnis zur österreichischen Kultur ersetzt sehen möchte. Die Mehrheit im Plenum folgte bei der Abstimmung der Ablehnung des Unterrichtsausschusses zu diesem Antrag.

Abgeordneter Mathias VENIER (F) ortete eine, wie er sagte, "künstliche Empörung" bereits im Vorfeld der Debatte zu seinem Antrag. Man polemisiere, statt sachlich zu argumentieren. Das beweise, dass die FPÖ offenbar ins Schwarze getroffen habe, wenn sie sich mit diesem Antrag gegen unsinnige, der Meinungsfreiheit und den Interessen des Landes widersprechende Auswüchse der Political Correctness wende. Allen Versuchen, die bürgerlich-freiheitliche Gesellschaftsordnung zu zerstören, erteile die FPÖ eine klare Absage. Die rote Erziehungsdiktatur, die hinter solchen Versuchen stehe, müsse aufgezeigt und beendet werden, sagte Venier.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S) stellte fest, dass die interkulturellen Kompetenzen, die Abgeordneter Venier aus den Lehrplänen streichen wolle, unter anderem Fähigkeiten wie Selbstreflexion, Empathie und Konfliktfähigkeit enthalten. Ziel des interkulturellen Lernens sei auch, das eigene Tun von einem unreflektiertem zum Niveau eines reflektierten Handelns erheben zu können - alles Eigenschaften, die sie Abgeordnetem Venier nur empfehlen könne.

Nach Ansicht von Abgeordneter Christine MAREK (V) ist Antrag in vieler Hinsicht schlicht verfassungswidrig. Er widerspreche unter anderem dem Verbot der Indoktrination, der Religionsfreiheit und sei ein Versuch, die österreichische Bevölkerung zu entzweien. Wer nicht verstehe, was Gender Mainstreaming eigentlich heiße, solle nicht dagegen argumentieren. Im Bildungsbereich gehe es wesentlich darum, bei allen Maßnahmen darauf zu achten, was jeweils die Auswirkungen auf Mädchen und Burschen sind. Abgeordneter Venier habe das offenbar nicht begriffen, so Marek.

Abgeordneter Harald WALSER (G) drückte sein Erstaunen darüber aus, dass Abgeordneter Venier seinen Redebeitrag ernst meine. Er solle bedenken, dass sein eigener Familienname auf italienische oder französische Zuwanderer verweisen könnte. Österreich habe bereits hunderte Jahre "Multi-Kulti" hinter sich, wie die Wiener Küche zeige. Jene "offensiv ausgelebte fremdländische Lebensweise", welche die FPÖ kritisiere, finde sich überall, sogar die Namen der Abgeordneten dieser Partei könne man als ein Indiz für das Wirken interkultureller Einflüsse werten, bemerkte Walser spitz. 

Dieser Antrag würde konsequent weitergedacht bedeuten, dass man den Großteil der Bildungsinhalte aufgrund ihre fremden Herkunft oder auch den Unterricht von Fremdsprachen abschaffen müsste, meinte Abgeordneter Stefan PETZNER (B). Es sei schockierend, dass ein junger Mann wie Abgeordneter Venier solche ewig gestrigen Ansichten vertrete. Aufgeschlossenheit fremden Kulturen gegenüber sei heute eine wichtige Eigenschaft für junge Menschen. Der Antrag des Abgeordneten Venier lasse für ihn Zweifel an der Koalitionsfähigkeit der FPÖ aufkommen.

Der Antrag sei offenbar von denen, die ihn kritisierten, nicht gelesen worden, konterte Abgeordneter Johannes HÜBNER (F). Darin werde eine Entideologisierung des Bildungsauftrags der Schulen angestrebt. Die Schule solle nicht Umerziehung betreiben, hier weiche seine Meinung von der seiner VorrednerInnen grundsätzlich ab. Ein verfassungsrechtliches Indoktrinierungsverbot, wie es Abgeordnete Marek behauptet habe, kenne er nicht. Der Antrag wende sich genau gegen Indoktrinierung und wolle eine ideologisch neutrale Schule statt der "Vergenderung" der Erziehung. Der Antrag sei gerechtfertigt und wichtig im Sinne von Pluralismus und Demokratie, schloss Hübner.

Diffizile Anpassung des Universitätsrechts an neue Verwaltungsgerichtsbarkeit

Mehrheitlich wurde das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags, der lediglich redaktionelle Fehler bereinigte, angenommen. Die Novelle regelt den Instanzenzug für Entscheidungen in Studienangelegenheiten und soll mehr Rechtssicherheit bei Beschwerden schaffen. Das bewährte System von Entscheidungen der Universitäten über Studienzulassungen und Studienanerkennungen soll dabei erhalten bleiben.

Der von den Grünen eingebrachte Abänderungsantrag blieb in der Minderheit. Sie wenden sich dagegen, dass im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung der Senat Gutachten statt Stellungnahmen abgeben soll.

Abgeordneter Kurt LIST (B) hielt fest, im Ausschuss seien viele Detailfragen offen geblieben, deren Klärung trotz gegenteiliger Ankündigungen nicht erfolgt sei. Daher werde das BZÖ nicht zustimmen. Grundsätzlich halte er fest, dass in der Hochschulpolitik Stillstand herrsche, auch Bundesminister Töchterle sei wie seine Vorgänger im Amt gescheitert. An den Hochschulen herrsche Frustration, und ein Rettungsschirm für die Universitäten wäre wichtiger, als Milliarden für südeuropäische Pleitestaaten auszugeben.

Dem entgegnete Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V), die Materie der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei im Bereich der Universitäten schwieriger als in anderen Bereichen umzusetzen. Es gehe dort um die Beurteilung von Lernleistungen und um ein verbindliches Curriculum. Bisher wurden vom Senat praktisch alle Verfahren in diesem Zusammenhang sehr zufriedenstellend geregelt. Im Sinne der Novelle der Verwaltungsgerichtsbarkeit würden nun aber die Verwaltungsgerichte für diese Verfahren zuständig. Wichtig sei dabei, dass keine Anwaltspflicht bestehe und ein einfacher Zugang zum Recht möglich sei. Die Voraussetzung, dass es gar nicht erst zu Verfahren vor Gericht komme, sei, die bessere Durchlässigkeit zwischen den Hochschulen und die Qualitätssicherung und Gleichwertigkeit der Studienabschlüsse zu fördern. Diese Anliegen seien aber nicht vor Gericht zu entscheiden.

Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) schloss sich den Ausführungen ihrer Vorrednerin an. Der Wissenschaftsausschuss habe sich mit der Novelle ausführlich und befasst und dazu sogar ein Expertenhearing abgehalten. Aus ihrer Sicht seien einige Änderung zwar denkbar gewesen. Man könne die kritisierten längeren Fristen auch als eine Chance sehen, dass Entscheidungen an den Universitäten besser vorbereitet werden und es letztlich zu keinen Beschwerden in zweiter Instanz kommt. Sollten sie sich nicht bewähren, könne man hier später noch immer Änderungen vornehmen, meinte sie.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) präzisierte, in dieser Frage gehe es um den besonderen Stellenwert der akademischen Senate und um die Qualitätssicherung der Studien. Die erarbeitete Lösung erscheine ihm praktikabel. Man werde sehen müssen, ob man Kinderkrankheiten der Regelung später noch beseitigen müsse. Die Umsetzung der Menschenrechtskonvention bedinge aber die neuen Instanzenzüge, um mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten, gab er zu bedenken. Diese Reform sei unter diesem Aspekt und nicht unter dem Gesichtspunkt einer Kostenersparnis zu sehen.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) erinnerte an einen Entschließungsantrag aller Fraktionen, der vorsah, dass in die Umsetzung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle alle universitären Gruppen in die Erarbeitung der Lösung eingebunden werden sollten. Das Hearing habe offenbar dem Zweck gedient, dieser Forderung nachträglich zu entsprechen. Die gefundene Lösung könnte vor allem in zwei Punkten besser sein, nämlich was die Fristen betreffe, wo man besser bei den auch sonst bei den Verwaltungsgerichten vorgesehenen zwei Monaten bleiben sollte. Lange Entscheidungsfristen könnten für Studierende Studienverzögerungen bedeuten. Weiters sollte statt des Begriffs "Gutachten" das Wort "Stellungnahme" verwendet werden. Studierende müssten sonst allenfalls mit Gegengutachten argumentieren, was für sie hohe Kosten bedeuten würde. Sie hoffe auf Unterstützung des Abänderungsantrags, den sie in diesem Sinne einbringe, auch wenn prinzipiell die Grünen der Regierungsvorlage ihre Zustimmung geben wollen.

Töchterle: Einbindung der Senate ist wichtig

Wissenschaftsminister Karlheinz TÖCHTERLE erläuterte die Anpassung der drei Gesetze im Hochschulbereich. Während es in zwei Fällen nur um neue Instanzenzüge gehe, habe man sich beim Universitätsgesetz darum bemüht, die bewährte Mitwirkung der Senate und der ProfessorInnen zu erhalten. Seiner Meinung nach sei es gelungen, in Zusammenarbeit mit VertreterInnen der Hochschulen eine gute Lösung der Frage zu finden. Durch die Regelung, die vorsehe, dass Gutachten an das zuständige Organ, das in seiner Entscheidung an die Beachtung dieser Gutachten gebunden sei, abgegeben werden, stelle die Einbindung der Senate sicher.

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) brachte zu der Novelle einen Abänderungsantrag ein, welche der Bereinigung von Redaktionsversehen diente.

Man sei sich dessen bewusst gewesen, dass die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Probleme mit der Autonomie der Hochschulen bringen könne und man daher kompliziertere Wege der Umsetzung finden müsse, hielt Abgeordneter Elmar MAYER (S) fest. Die Frage der Länge der Fristen werde man beobachten und evaluieren müssen. Insgesamt sei ein guter Weg gefunden worden, war Mayer überzeugt.

Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) nahm die Debatte zum Anlass, seinen Unmut über Zugangsbeschränkungen und gegenderte Zulassungstests an den Medizinischen Universitäten zu äußern und sprach sich für die Schaffung einer Med-Uni in Linz aus, um den Medizinermangel in Österreich zu bekämpfen.

Abgeordnete Karin HAKL (V) erwiderte, die Anzahl der Studierenden reiche aus, die ärztliche Grundversorgung zu gewährleisten. Was den Ärztemangel im ländlichen Raum betrifft, sah sie Handlungsbedarf vor allem hinsichtlich der Hausapotheken, um ÄrztInnen eine existenzielle Basis zu sichern.

Von einem guten Gesetz sprach zusammenfassend auch Abgeordnete Elisabeth GROSSMANN (S). (Fortsetzung Nationalrat) jan/red


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