Parlamentskorrespondenz Nr. 610 vom 27.06.2013

Innenausschuss stimmt Zivildienst-Reform zu

Ausbildungsbeitrag soll Qualifikationen erhöhen

Wien (PK) – Um auch in Zukunft ausreichend Zivildiener zur Verfügung zu haben, soll der Zivildienst attraktiver gestaltet werden. Das sieht ein Gesetzesvorschlag der Regierung vor, der heute vom  Innenausschuss des Nationalrats unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags mit breiter Mehrheit gebilligt wurde. Unter anderem ist geplant, die Qualifikationen von Zivildienstleistenden bei der Zuteilung stärker zu berücksichtigen und Zivildienern nach Ableistung ihres Dienstes eine Kompetenzbilanz auszustellen. Zudem sollen Zivildiensteinrichtungen durch finanzielle Hilfen des Staates motiviert werden, Zivildiener besser auszubilden. Analog zu Grundwehrdienern kann künftig auch Zivildienern ein finanzieller Härteausgleich zuerkannt werden.

Für das Gesetz stimmten neben den Koalitionsparteien auch die FPÖ, die Grünen und das Team Stronach. Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill bedauerte namens der Grünen zwar, dass die langjährige Forderung ihrer Fraktion, den Zivildienst auf sechs Monate zu verkürzen, nicht umgesetzt wird, sie sieht wie die anderen Oppositionsfraktionen aber etliche Verbesserungen im Gesetz. Seitens des BZÖ verwies Abgeordneter Peter Westenthaler auf die von der Arbeiterkammer und vom ÖGB gehegte Befürchtung, dass die vorgesehene Ausdehnung des Einsatzbereiches des Freiwilligen Sozialen Jahres auf das Rettungswesen Arbeitsplätze gefährden könnte.

Zwei ebenfalls mit breiter Mehrheit vom Innenausschuss gefasste Entschließungen zielen darauf ab, das Freiwillige Soziale Jahr bzw. andere Freiwillige Jahre nach dem Freiwilligengesetz bis spätestens Mitte 2016 zu evaluieren sowie den Auslandsdienst auf neue rechtliche und organisatorische Beine zu stellen. Konkret soll auf Wunsch der Abgeordneten etwa über eine Öffnung des Auslandsdienstes für Frauen nachgedacht werden.

Zivildiensteinrichtungen erhalten Ausbildungsbeitrag

Durch die Gesetzesnovelle (2406 d.B. ) wird es Zivildiensteinrichtungen künftig ermöglicht, Zivildiener auch für qualifiziertere Tätigkeiten einsetzen, sofern diese vor oder während des Zivildienstes eine entsprechende Berufsberechtigung erworben haben. Besondere Fähigkeiten von Zivildienstpflichtigen sollen dabei bereits bei deren Zuweisung berücksichtigt werden. Außerdem ist geplant, Zivildienern in Hinkunft nach Ableistung des Dienstes eine standardisierte Kompetenzbilanz auszustellen, aus der absolvierte Ausbildungen und Einsatzbereiche hervorgehen sollen. Damit wird die Voraussetzung für eine Anrechnung von Schulungen und Tätigkeiten im Rahmen weiterführender Ausbildungen geschaffen.

Mit einem Ausbildungsbeitrag sollen Zivildiensteinrichtungen motiviert werden, Zivildienern eine qualifizierte Ausbildung anzubieten. Übernommen werden bis zu 70 % der Ausbildungskosten im Ausmaß von maximal 1.700 €, wobei sich das Sozial- und das Innenministerium die Aufwendungen teilen. Gebietskörperschaften und Rettungsorganisationen können diesen Ausbildungsbeitrag allerdings nicht geltend machen, er ist vorläufig außerdem bis Ende 2017 befristet. Ein Freiwilliges Sozialjahr, ein Freiwilliges Umweltschutzjahr und ein Freiwilliger Gedenk-, Friedens- oder Sozialdienst im Ausland von mindestens 12 Monaten werden in Hinkunft auf den Zivildienst angerechnet.

Damit länger erkrankte Zivildienstpflichtige ihre Restdienstzeit rascher absolvieren können, kann die zulässige Höchstzahl an zugewiesenen Zivildienstplätzen für bis zu zwei Monate um zwei Plätze überschritten werden. Die Zuweisung zu einem Zivildienstplatz ist künftig bis zu drei Werktage vor dem Antrittstermin möglich, wenn der Zivildiener dem ausdrücklich zustimmt. Nach einem Widerruf der Zivildiensterklärung können bereits überwiesene Bezüge zurückgefordert werden.

Der im Zuge der Beratungen eingebrachte S-V-Abänderungsantrag sieht neben der Beseitigung von Redaktionsfehlern die oben erwähnte Möglichkeit vor, auch Zivildienern einen finanziellen Härteausgleich nach den Bestimmungen des Heeresgebührengesetzes zuzuerkennen.

In Kraft treten sollen die Bestimmungen mit 1. Oktober 2013. Die durch die Gesetzesnovelle erwarteten Mehrkosten für das Innen- und das Sozialministerium werden mit jährlich 4,5 Mio. € beziffert. Gleichzeitig wird mit dem Gesetzespaket wird der Einsatzbereich des Freiwilligen Sozialjahrs – vorerst befristet bis Ende 2017 – auf das Rettungswesen ausgedehnt.

Mit der Regierungsvorlage mitverhandelt wurden drei Anträge der Grünen, von denen zwei (1898/A[E] , 2196/A[E] ) mit den gefassten Entschließungen als miterledigt gelten. Sie zielten auf eine faire Entlohnung von Auslandsdiensten und die Öffnung der Auslandsdienste für Frauen ab. Von der Ausschussmehrheit abgelehnt wurde hingegen die Forderung der Grünen, den verpflichtenden Zivildienst auf sechs Monate – mit freiwilliger Verlängerungsmöglichkeit – zu verkürzen sowie die Grundvergütung zu verdoppeln (2195/A[E] ). Über die Grünen hinaus stimmte nur das Team Stronach dem Antrag zu.

Im Rahmen der Debatte erinnerte Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) daran, dass ein Großteil jener WählerInnen, die bei der Volksbefragung für die Beibehaltung der Wehrpflicht gestimmt haben, dies mit der Bedeutung des Zivildienstes begründet hatten. Im vorliegenden Gesetz sieht sie eine Reihe positiver Punkte. Konkret nannte sie etwa die Ausstellung eines Kompetenznachweises für Zivildiener, die mögliche Absolvierung von Ausbildungsmodulen im Rahmen des Zivildienstes und die Anrechnung eines Freiwilligen Jahres auf den Zivildienst.

Was den Auslandsdienst betrifft, gab Windbüchler-Souschill zu bedenken, dass Frauen zwar ein Freiwilliges Jahr im Ausland absolvieren könnten, sie hätten aber nicht die gleiche Absicherung wie Zivildiener im Auslandsdienst.

Abgeordneter Peter Westenthaler (B) räumte ein, dass es im Gesetz einige Verbesserungen gebe. Er verwies aber auf die Sorge der Arbeiterkammer und des ÖGB, wonach sich die Ausweitung des Freiwilligen Sozialen Jahres auf den Rettungsdienst negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken könnte. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoller gewesen, zuerst das Freiwillige Soziale Jahr zu evaluieren und erst dann über eine etwaige Ausweitung nachzudenken.

Abgeordneter Harald Vilimsky (F) sprach sich dafür aus, genauer ein Auge darauf zu werfen, für welche Tätigkeiten Zivildiener im Auslandsdienst bzw. Jugendliche, die ein Freiwilliges Jahr im Ausland absolvieren, eingesetzt werden.

Seitens der Koalitionsparteien äußerten sich die Abgeordneten August Wöginger (V) und Ulrike Königsberger-Ludwig (S) ausdrücklich zustimmend zur Gesetzesnovelle. Wöginger zufolge sind nicht nur wesentliche Verbesserungen für Zivildiener vorgesehen, es komme auch zu erheblichen Verwaltungsvereinfachungen. Er glaubt auch nicht, dass Freiwillige regulär Beschäftige vom Arbeitsmarkt verdrängen. Was die Verpflichtung von Zivildiensteinrichtungen betrifft, Arbeitszeitregelungen einzuhalten, machte Wöginger geltend, dass es für Katastrophenfälle einer Ausnahmeregelung bedürfe. Positiv zum Gesetz äußerte sich auch Team-Stronach-Abgeordnete Martina Schenk.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer wies darauf hin, dass bereits in der Vergangenheit darauf Bedacht genommen wurde, dass durch das Freiwillige Soziale Jahr keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Auch in Zukunft werde es entsprechende Prüfungen geben. Zur von Abgeordneten Wöginger angeschnittenen Problematik merkte der Minister an, in Katastrophenfällen sei nicht mit Arbeitszeitüberprüfugnen bei Hilfsorganisationen durch die Arbeitsinspektion zu rechnen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hob hervor, dass bereits jetzt mehr als 90 % der Zivildiener mit dem Zivildienst zufrieden seien. Für sie bringen die neuen Bestimmungen eine Win-Win-Situation für alle Betroffenen. Die Problematik, dass Freiwillige oder Zivildiener Beschäftigte vom Arbeitsmarkt verdrängen, gibt es ihrer Einschätzung nach in der Praxis nicht. Vielmehr würden Zivildienst und das Freiwillige Soziale Jahr die Möglichkeit bieten, einmal in den Sozialbereich hineinzuschnuppern, viele würden sich in weiterer Folge für einen sozialen Beruf entscheiden.

Die Regierungsvorlage wurde unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags mit den Stimmen der SPÖ, der ÖVP, der FPÖ, der Grünen und des Team Stronach angenommen. Der G-S-V-Entschließungsantrag zum Auslandsdienst fand die Unterstützung aller Fraktionen mit Ausnahme des Team Stronach. Der S-V-G-Entschließungsantrag betreffend Evaluierung der Freiwilligen Jahre wurde gegen die Stimmen des BZÖ beschlossen. (Fortsetzung Innenausschuss) gs