Parlamentskorrespondenz Nr. 685 vom 09.07.2014

Petitionsausschuss soll an Stellenwert gewinnen

Rederecht für EU-Abgeordnete im Nationalrat könnte ausgeweitet werden

Wien (PK) – Der Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen und ein Antrag der NEOS auf Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats stand am Ende der heutigen Nationalratssitzung. Die Abgeordneten betonten durchwegs die positive Entwicklung, die der Ausschuss genommen hat, und unterstrichen, dass er in seiner Rolle, Anliegen der BürgerInnen an die Politik heranzutragen, gestärkt werden müsse. Der Bericht wurde sodann mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Ein Initiativantrag der NEOS auf Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes zielt darauf ab, den in Österreich gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments Rederecht im Nationalrat zu gewähren und ihnen die Teilnahme an allen Ausschussverhandlungen mit beratender Stimme zu ermöglichen. Der Antrag wurde nach einer Ersten Lesung dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen.

Bürgerinitiativen als Indikator für Interessen der BürgerInnen

Die Debatte eröffnete Christian Hafenecker (F) mit dem Hinweis auf die Vielfalt der Themen, mit denen sich die BürgerInnen des Landes an den Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen wenden. Politik und Gesetzgebung sollten dieses Interesse der BürgerInnen als wichtigen Indikator dafür sehen, wo der Schuh drückt. Allzu oft würden Petitionen aber "erster Klasse beerdigt", klagte Hafenecker und plädierte dafür, Bürgerinitiativen und Petitionen zu einer besseren Zeit und mit mehr Redezeit im Plenum zu debattieren. Auch sollten die Geschäftsordnung ausgebaut und die Instrumente der direkten Demokratie nach dem Vorbild der Schweiz gestärkt werden. Die FPÖ stehe für entsprechende Beschlüsse zur Verfügung.

Jede Petition und jede Bürgerinitiative komme ins Plenum, wenn auch in unterschiedlicher Form, hielt Hermann Lipitsch (S) gegenüber seinem Vorredner fest. Auch er plädierte für eine Aufwertung des Ausschusses. Man müsse aber vermeiden, dass sich der Ausschuss mit zu vielen Initiativen befasst, für die er letztlich gar nicht zuständig sei. Lipitsch sah den Ausschuss auf dem richtigen Weg und bekannte sich zu dem Bemühen, den BürgerInnen zu signalisieren, dass ihre Anliegen ernst genommen werden. Dazu gehöre auch, sie darüber zu informieren, wo gegebenenfalls nicht der Bund, sondern das Land oder die Gemeinde für ihr Anliegen zuständig sind.

Auch Edith Mühlberghuber (F) würdigte das Engagement der BürgerInnen, die sich mit thematisch vielfältigen Anliegen an das Parlament wenden und für überaus interessante Diskussionen im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen sorgen. Besondere Aufmerksamkeit schenkte Mühlberghuber einer Initiative für den Ausbau der politischen Bildung, den der Petitionsausschuss an den Unterrichtsausschuss als zuständigen Fachausschuss weitergeleitet hat.

An positive Ergebnisse der Verhandlungen im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen erinnerte Abgeordneter Hermann Gahr (V). Oft lösen Initiativen von BürgerInnen gesetzgeberische Maßnahmen aus. Eine Bürgerinitiative für eine bessere Zugsverbindungen zwischen Nord- Süd- und Osttirol habe kürzlich zur Entscheidung des Landes Tirol über den Einsatz von 3,9 Mio. € für die Verbindung zwischen Innsbruck und Lienz geführt, berichtete Gahr. Er befasste sich auch mit der Erhaltung von Hausapotheken der Landärzte. Angesichts der vielen Landärzte, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, spreche er sich dafür aus, den Gebietsschutz zu lockern und für mehr Flexibilität zu sorgen.

Manchmal benötige die Realisierung einer Initiative auch Druck aus Wien, sagte Abgeordneter Peter Wurm (F) und erinnerte an eine Bürgerinitiative aus Gries am Brenner für eine Volksbefragung über ein Asylwerberheim. Diese werde aber vor Ort von Grünen und ÖVP verhindert, kritisierte der Mandatar. Die Durchführung von Volksbefragungen müsse ein Recht der BürgerInnen sein, wenn die dafür notwendigen Unterschriften vorliegen.

Wolfgang Pirklhuber (G) wünschte sich ebenfalls eine Weiterentwicklung des Ausschusses. Einen wichtigen Indikator dafür sah er im Umgang des Ausschusses mit Petitionen und Bürgerinitiativen, von denen mehr den zuständigen Fachausschüssen zur weiteren Behandlung zugewiesen werden sollten. Die oft gewählte Enderledigung sei nicht der richtige Weg, wenn der Ausschuss sich zu einem Instrument entwickeln soll, um politische Anliegen der BürgerInnen aufzugreifen. Auch müsse sein Austausch mit der Volksanwaltschaft verstärkt werden.

Abgeordneter Rupert Doppler (F) widmete sich dem Anliegen eines besseren Angebots für die Ausbildung von Blindenhunden. Was in diesem Bereich in Deutschland und der Schweiz möglich sei, müsste auch in Österreich möglich sein, meinte er.

Für Ausschussobmann Michael Pock (N) stand fest, dass der Ausschuss noch weiter geöffnet werden soll. Als Beispiel, wohin die Entwicklung seiner Ansicht nach gehen müsse, nannte er den Petitionsausschuss des deutschen Bundestags. Wenn man mehr Bürgerinitiativen an Fachausschüsse zuweisen wolle, müsse man auch sicherstellen, dass diese angemessen damit umgehen und sie nicht endlos vertagen, betonte Pock.

Es habe eine positive Entwicklung des Ausschusses stattgefunden, konzedierte Ulrike Königsberger-Ludwig (S). Man dürfe aber nicht falsche Hoffnungen wecken, was mit einer Petition oder Bürgerinitiative erreicht werden kann. Ein Beispiel sei die Forderung nach Verkürzung des Zivildienstes. Sie selbst sehe diese Forderung zwar positiv und unterstütze sie, die derzeitigen Rahmenbedingungen erlaubten aber nicht, sie umzusetzen.

Friedrich Ofenauer (V) stellte fest, es gebe oft gegensätzliche Interessen, die hinter Initiativen stehen. Ungeachtet dessen müssten alle ernsthaft diskutiert werden.

Hannes Weninger (S) unterstrich ebenfalls, sowohl Ausschuss wie Plenum würden sich ernsthaft mit den Anliegen der BürgerInnen auseinandersetzen. Man müsse aber auch zur Kenntnis nehmen, dass sich Forderungen gelegentlich widersprechen und man es nicht allen recht machen kann.

Martina Diesner-Wais (V) meinte, die Möglichkeit der Online-Unterstützung habe eine große Aufwertung des Instruments Bürgerinitiative und Petition gebracht. Auch ihr liege die Sicherung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, die immer wieder angesprochen werde, sehr am Herzen, betonte sie.

Der Ausschuss gehe viel ernsthafter mit Petitionen und Bürgerinitiativen um, seitdem diese nicht mehr automatisch mit Ablauf der Gesetzgebungsperiode verfallen, stellte Dietmar Keck (S) fest. Er hoffe, dass dessen Berichte in Zukunft einen prominenteren Platz in der Tagesordnung der Nationalratssitzung erhalten. Der Ausschuss widme sich den Anliegen selbst kleinster Interessensgruppen, unterstrich er, etwa der Forderung nach einer Ausbildungsmöglichkeit für HufpflegerInnen.

Der Ausschuss sei ein guter Indikator von Stimmungslagen der Bürgerinnen und Bürger, sagte Johannes Rauch (V). Es sei aber wichtig, dass Anliegen von Bürgerinitiativen klar formuliert werden, denn nicht immer sei dies der Fall.

Erwin Preiner (S) griff die Initiative zum Schutz der Fischbestände heraus, zu der man eine Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums eingeholt habe. Diese habe festgestellt, dass eine Bejagung von Kormoranen und Ottern aufgrund der bestehenden Gesetze nicht möglich sei.

Beatrix Karl (V) war überzeugt, dass es ein richtiger Schritt war, das Alter für die Beteiligung an Bürgerinitiativen auf 16 Jahre herabzusetzen. Das zeigten mehrere Initiativen von SchülerInnen zur Stärkung des demokratischem Bewusstseins an den Schulen. Die Forderung nach einem eigenen Fach "Politische Bildung" werde vom Unterrichtsausschuss weiter behandelt.

NEOS für umfassendes Rederecht von Europaabgeordneten

Das Rederecht für Europaabgeordnete im österreichischen Nationalrat solle gestärkt werden, damit Europapolitik mehr als Teil der Innenpolitik wahrgenommen werde, argumentierte NEOS-Klubchef Matthias Strolz. Er sei durchaus bereit, über die Details noch zu verhandeln, solange die Stoßrichtung stimme. Strolz verwies darauf, dass bereits einige europäische Staaten Europaabgeordneten ein umfassendes Rederecht einräumen und sagte, er hoffe auf eine Einigung bereits kommenden Herbst.

Im Großen und Ganzen positiv bewerteten Christine Muttonen (S), Beatrix Karl (V) und Dieter Brosz (G) die Intention des Antrags. EU-Politik sei immer enger mit Innenpolitik verwoben, meinte Muttonen, man dürfe aber nicht übers Ziel hinausschießen. Denkbar sei eine Redemöglichkeit für EU-Abgeordnete zu Punkten, wo es um die Mitwirkung des Nationalrats an EU-Gesetzgebung gehe, sagte Abgeordnete Karl. Brosz stimmte dieser Sicht zu und gab darüber hinaus zu bedenken, man müsse auch auf zeitorganisatorische Aspekte achten, um nicht ein Rederecht zu schaffen, das dann faktisch nicht in Anspruch genommen werden kann. (Schluss Nationalrat) sox