Parlamentskorrespondenz Nr. 265 vom 25.03.2015

Die Steuerreformdiskussion erreicht den Nationalrat

Konsens bei der Lohnsteuersenkung, Dissens bei der Gegenfinanzierung

Wien (PK) – Als Entlastungsprogramm zur Stärkung von Kaufkraft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen stellten Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mittlerlehner ihre Pläne für eine Steuerreform 2015/16 vor, die nach der Begutachtung vom Nationalrat bewertet und beschlossen werden soll. Die Regierungsspitze erläuterte ihre Ziele, kleine und mittlere Einkommen steuerlich zu entlasten, damit die Kaufkraft zu stärken und so Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen und erhielt dafür durchaus Zustimmung bei den Abgeordneten. SPÖ-Klubobmann Schieder lobte die Entlastung des Faktors Arbeit durch Gegenfinanzierungsmaßnahmen bei Kapitaleinnahmen und Grundstücksverkäufen. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka sah die Steuerreform als Initialzündung für weitere Reformschritte zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Steuerbetrugs und die Registrierkassenpflicht riefen bei den Abgeordneten teils Kritik an pauschalen Unterstellungen gegenüber UnternehmerInnen, teils Sorgen wegen Belastung der Gastronomie hervor. Die Grünen schlugen Öko-Steuern und eine stärkere Entlastung kleiner Einkommen vor, die FPÖ verlangte nachhaltige Maßnahmen gegen die kalte Progression.

In der Debatte wurden acht Entschließungsanträge seitens der Opposition eingebracht, die jedoch keine Mehrheit fanden. So machten sich die Grünen für eine Steuerstrukturreform stark, die eine echte Ökologisierung des Abgabensystems, die Wiedereinführung einer reformierten Erbschafts- und Schenkungssteuer inklusive Privatstiftungen und einen geschlechtergerechten Steuertarif mit gleichmäßig verteilten Entlastungsvolumina beinhaltet. Außerdem wenden sie sich gegen die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für Pellets von 10% auf 13%.

Die NEOS preschten mit fünf Forderungen vor. So setzen sie sich für eine Reduktion der Parteienförderung auf Bundes- und Landesebene ein und sprechen sich für mehr Steuerautonomie der Länder und Gemeinden aus. Dabei soll es aber nicht zu Steuererhöhungen kommen, unterstreichen sie in ihrem Antrag. Ferner drängen die NEOS darauf, die Kommunalsteuer abzuschaffen und eine Steuerfinanzierung der Wohnbauförderung einzuführen. Ihnen zufolge sollte auch die Kammerumlage II gestrichen und innerhalb von fünf Jahren die Arbeiterkammerumlage um jeweils 0,05 Prozentpunkte gesenkt werden. In einer weiteren Entschließung zur Streichung der Kammerumlage II kritisieren sie scharf die Pflichtmitgliedschaft.

Ein Dorn im Auge ist dem Team Stronach wiederum, wie sie in einer Entschließung formulieren, die Kriminalisierung von Wirten und Gewerbetreibenden. Vielmehr sollte die Steuerreform ihrer Meinung nach durch Einsparungen in der Verwaltung finanziert werden. 

Faymann: Steuerreform entlastet, belebt die Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze         

Die Steuerreform bringe die von vielen seit langem geforderte Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Lohn- und Einkommensteuer von derzeit 36,5% auf 25%, führte Bundeskanzler Werner Faymann einleitend aus. Dies entlaste die LohnsteuerzahlerInnen um 4,6 Mrd. € oder um 17% - ein enormer Betrag in Zeiten knapper Budgets. Daher sei es notwendig, finanziellen Spielraum durch eine Gegenfinanzierung zu schaffen, wozu die Einführung einer Registrierkassenpflicht und die Möglichkeit für die Steuerbehörden gehören, bei Betriebsprüfungen ohne gerichtliche Genehmigung in Konten Einschau zu nehmen. An dieser Stelle warb der Bundeskanzler um Unterstützung der Opposition. Weiters informierte Faymann über die Beseitigung von Steuerbefreiungen und über höhere Steuern auf Dividenden und Vermögenszuwächse beim Verkauf von Immobilien.

Es handle sich um eine große Steuerreform, die den Menschen insgesamt 4,9 Mrd. € an Entlastung bringe. Internationale Experten sprechen von mutigen Maßnahmen, die wirtschaftlich sinnvoll seien, weil sie die Kaufkraft stärkten und gegen die Arbeitslosigkeit wirkten.

Die Ankurbelung der Wirtschaft sei zwar Sache der EU, sagte Faymann, zeigte sich aber zugleich überzeugt, dass Österreich auch eigene Instrumente nützen soll, um die Konjunktur zu stärken. Dabei erfuhren die Abgeordneten von der Absicht der Bundesregierung, die Forschungsprämie zu erhöhen, die Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen zu erleichtern, mittelfristig die Effizienz der Verwaltung zu steigern und das Bildungssystem zu verbessern. Auf diesem Weg stelle die Steuerreform einen wichtigen Markstein dar, der die Wirtschaft belebt, die Arbeitslosigkeit bekämpft und im Interesse aller ÖsterreicherInnen liege.

Mitterlehner: Gegen den Steuerbetrug, für eine neue Kultur des Miteinanders in Österreich  

Vizekanzler Reinhold Mittlerlehner machte darauf aufmerksam, dass Österreich im siebten Jahr einer Wirtschaftskrise, die viele Länder zwinge, Sparprogramme umzusetzen, eines der wenigen Länder sei, die eine Steuerreform und ein Konjunkturprogram konzipieren, und damit in den nächsten fünf Jahren das Wachstum um 0,5% steigern werde.

Profitieren werden sechs Millionen BürgerInnen, viele PensionistInnen und auch die Unternehmen. Die Entlastung des Mittelstandes, dem Mitterlehner 30% des Entlastungsvolumens zuordnete, sei ausdrücklich erwünscht und positiv zu bewerten. Zu begrüßen sei auch, dass es gelungen sei, auf Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftssteuern zu verzichten. Der Kritik, die Steuerreform enthalte keine ökologische Maßnahmen hält Mitterlehner die Auffassung entgegen, Öko-Steuern könnten wegen der engen europäischen und globalen Vernetzung der Wirtschaft nur international akkordiert eingeführt werden.

Die Gegenfinanzierungsmaßnahmen seien notwendig, um die Budgetneutralität der Steuerreform sicherzustellen. An dieser Stelle hielt Wirtschaftsminister Mittlerlehner tourismuspolitisch motivierten Klagen wegen der Anhebung der Mehrwertsteuer für Übernachtungen die Feststellung entgegen, diese Mehrwertsteuersätze seien in Nachbarländern deutlich höher. Österreich stehe als ein Land mit mittleren Tourismuspreisen im internationalen Wettbewerb gut da und könne diese Maßnahme verkraften.

Eine Lanze brach der Vizekanzler für die Betrugsbekämpfung, die mit 1,9 Mrd. € zur Gegenfinanzierung beitragen soll. Ausdrücklich verteidigte Mitterlehner auch die Einführung von Registrierkassen und entgegnete der Kritik daran, indem er sagte: "Betrug kann kein Geschäftsmodell sein". An dieser Stelle wies Mittlerlehner auf Länder wie die Schweiz und die USA hin, in denen Steuerbetrug als gemeinschaftsgefährdend eingestuft seien. Wo alle Steuern zahlen, müsse der Einzelne weniger beitragen und auf Dauer komme man auch mit niedrigeren Abgaben aus, sagte Mitterlehner, dem es um eine neue Kultur des Miteinanders in einem modernen und wettbewerbsfähigen Österreich geht.

Strache verlangt nachhaltige Maßnahmen gegen die kalte Progression

FPÖ Klubobmann Heinz-Christian Strache bedauerte einleitend, dass die Oppositionsparteien bislang nicht in die Beratungen über die Steuerreform eingebunden waren und hielt es von daher für unverständlich, dass die Regierung nun in einzelnen Punkten um eine Zweidrittelmehrheit bitte.

Die Steuerreform habe mit 5 Mrd. € tatsächlich ein großes Volumen, räumte Strache ein. Dieser Betrag diene aber bedauerlicherweise nicht zur Gänze Steuersenkungen. In Wahrheit würde nur umgeschichtet und die Menschen nicht entlastet, obwohl Österreich die höchste Steuerquote in der EU habe. "Österreich ist Ausgaben- und Einnahmenweltmeister", formulierte Strache. Durch die Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer werde den Menschen lediglich zurückgegeben, was ihnen der Finanzminister seit 2009 durch die kalte Progression aus der Tasche gezogen habe. Was die Senkung des Eingangssteuersatzes den Menschen bringe, werde ihnen in den kommenden Jahren von der kalten Progression bald wieder weggefressen werden, sagte Strache, der den Verzicht auf Maßnahmen gegen die kalte Progression in den Mittelpunkt seiner Kritik an den Steuerreformplänen der Regierung stellte.

Zudem wies der Redner die Erhöhung von Mehrwertsteuersätzen, wie sie für Kino- und Theaterkarten, für Blumen oder Taxi- und Hotelrechnungen geplant ist, ebenso zurück wie die Erhöhung der Kapitalertragssteuer auf 27,5%, weil dies den Mittelstand sowie kleine und mittlere Unternehmen treffe. "Die Abgabenquote sinkt nicht", klagte der FPÖ-Klubobmann. Auch halte er den Großteil der UnternehmerInnen nicht für Steuerhinterzieher, sagte Strache und problematisierte die Absicht auf jeder Almhütte eine Registrierkasse aufzustellen. Die Vorschläge seiner Fraktion für eine Steuerreform fasste Strache mit dem Hinweis auf nachhaltige Maßnahmen gegen die kalte Progression, auf eine Entlastung niedriger Einkommen von Sozialabgaben sowie auf Einsparungen durch eine Verwaltungsreform zusammen. Der Staat sollte bei Subventionen und bei überteuerten Bauvorhaben sparen, denn ohne eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote "sehen die Menschen kein Licht am Ende des Tunnels".

Schieder: Kampf gegen Steuerbetrug schützt ehrliche Unternehmen

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder nannte ArbeiterInnen, Angestellte, BeamtInnen, PensionistInnen, kleine Unternehmen und Selbstständige als die Menschen, die von der Steuerreform profitieren werden, sie nütze den Leistungsträgern und in Form der Negativsteuer Menschen die so wenig verdienen, dass die keine Lohnsteuer zahlen. Die Steuerreform sei auch ein konjunkturpolitischer Meilenstein und verteilungspolitisch positiv zu beurteilen, weil sie armen Menschen, aber auch Frauen überdurchschnittliche zu Gute komme. An dieser Stelle rechnete der SPÖ-Klubobmann Kritikern der Steuerreform vor, dass 90% der Entlastung kleinen und mittleren Einkommen nütze. Eine Pensionistin mit 1.400 € brutto könne 560 € mehr pro Jahr erwarten, eine durchschnittliche vierköpfige Familie 1.580 €. Da Menschen mit höheren Nettoeinkommen mehr Geld ausgeben können, sei von der Steuerreform ein Konjunktureffekt zu erwarten, den Schieder auf 900 Mio. € jährlich schätzte. Für absolut notwendig hielt Klubobmann Schieder Maßnahmen gegen den Karussellbetrug bei der Mehrwertsteuer, insbesondere auch zum Schutz ehrlicher UnternehmerInnen. Die Steuerreform trage auch zur wünschenswerten Umverteilung der Steuerlast vom Faktor Arbeit zum Faktor Kapital Rechnung, wobei Schieder die höhere Besteuerung von Einkünften aus dem Immobilienverkauf und die Anhebung der Kapitalertragssteuer nannte. Diese Steuerreform, die von internationalen Experten als im EU-Vergleich exemplarisch gelobt werde, sei gut und werde zur Stärkung des Wachstums in Österreich beitragen, schloss Schieder.

Grüne für Ökosteuern und mehr Umverteilung 

Die Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig-Piesczek, anerkannte das große Volumen der geplanten Steuerreform, merkte aber kritisch an, dass Entlastungen mittlerer und hoher Einkommen im Fokus stünden und die Reform dem Anspruch einer Strukturreform nicht gerecht werde. Die Klubobfrau vermisste Öko-Elemente und hielt es angesichts der schlechten Position Österreichs bei Maßnahmen gegen umweltschädliche Privilegien für verantwortungslos, Öko-Steuern abzulehnen, wie dies der Vizekanzler getan habe. Der internationale Kontext würde Umweltmaßnahmen im Steuerrecht durchaus zulassen, sagte Glawischnig-Piescek.

Zudem mahnte die Rednerin einen größeren Beitrag hoher Vermögen bei der Gegenfinanzierung von Steuerentlastungen ein. Die Grünen haben dafür Vorschläge unterbreitet und würden eine Sekretärin mit einem Bruttoeinkommen von 1.400 € nicht bloß um 370 € entlasten, sondern um 660 € und eine teilzeitbeschäftige Mutter mit einem Monatseinkommen von 800€ nicht nur um 209 € pro Jahr, sondern um 1100 € pro Jahr. Im Gegenzug würden sich der Bundeskanzler und der Vizekanzler beim Steuermodell der Grünen nur über 208 € mehr pro Jahr freuen können, statt über 2175 €. Da die Gegenfinanzierung nicht gesichert, sondern zu 50% auf Sand gebaut sei, sprach Glawischnig-Piescek die Befürchtung aus, die Menschen müssten mit Sparmaßnahmen und mit der Kürzung wichtiger Sozialleistungen rechnen.

Lopatka: Initialzündung für weitere Reformen

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka hielt die Tarifreform zur Entlastung aller ÖsterreicherInnen für gelungen und forderte die Opposition auf, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren, da mit dieser Reform langjährige Verlangen der Opposition umgesetzt würden. Außerdem bestünde die geplante Gegenfinanzierung nicht nur aus Umverteilungsmaßnahmen, sondern zu 75% aus nicht steuerlichen Maßnahmen. "Das ist sehr ambitioniert", sagte der ÖVP-Klubobmann, der Maßnahmen gegen den Sozialbetrug und den Missbrauch der Mindestsicherung ausdrücklich begrüßte.

Die Steuerreform sei nur der erste Schritt, die Initialzündung für weitere Reformen, insbesondere zur Senkung der Kosten bei den Pensionen sowie in der Verwaltung, wobei er auch auf Unterstützung von Seiten der Bundesländer setze. Lopatkas Ziel ist es, Österreich wieder an die Spitze der EU zu führen, die Opposition sollte mitzugehen statt weiterhin eine Politik des Schlechtredens zu betreiben.

Team Stronach: Steuersystem vereinfachen, Unternehmen entlasten

Die Klubobfrau des Teams Stronach, Waltraud Dietrich, begrüßte die Tarifreform, die schon längst hätte gemacht werde sollen, wandte sich aber entschieden dagegen, der Wirtschaft Steuerhinterziehung zu unterstellen. Die Krise in Österreich sei hausgemacht, weil die Regierung sich als unfähig erweise, Reformen herbei zu führen. Dietrich mahnte insbesondere eine Verwaltungsreform ein, die die Staatskosten auf 5% reduziere. Von einer Steuerreform sei auch eine Vereinfachung des Steuersystems zu verlangen, meinte Dietrich und plädierte für Steuererklärungen, die auf einem Blatt Papier Platz haben. Österreich brauche eine Kultur der Ermunterung junger Menschen, UnternehmerInnen zu werden. Stattdessen schikaniere die Bundesregierung Wirte mit Allergieverordnungen und nun mit einer Registrierkassenpflicht. "Viele WirtInnen werden zusperren", befürchtete Klubobfrau Dietrich und legte einen Entschließungsantrag zur Förderung des Wirtschaftsstandortes durch eine Steuerreform vor, die mit Verwaltungseinsparungen gegenfinanziert werden soll.

Strolz: Diese Steuerreform ist nicht enkelfit

Auch wenn Matthias Strolz von den NEOS die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer als richtig begrüßte, befürchtete er, dass diese Entlastung aufgrund der kalten Progression nur vorübergehend sein werde. Auch fehlen ihm Investitionen in Bildung und Innovation, weshalb die geplante Steuerreform den "Enkelfit-Test" nicht bestehen werde. Die Regierung habe auch kein Rezept gefunden, die rasante Arbeitslosigkeit zu stoppen, so sein weiterer Kritikpunkt. Besonders schwer wiegt für Strolz auch der Umstand, dass die Regierung nach seinem Dafürhalten kein Verständnis für das unternehmerische Österreich und keinen Respekt für das Unternehmertum zeige. Vielmehr werde der Mittelstand abgewürgt, meinte Strolz. Der Klubobmann der NEOS machte seine Kritik an konkreten Punkten fest und prangerte vor allem an, dass die Regierung sich nicht durchringen konnte, die Parteienfinanzierung zu reduzieren, weshalb er auch einen diesbezüglichen Entschließungsantrag vorlegte. Strolz vermisste entschlossene Schritte gegen die aggressive Steuerflucht und forderte einmal mehr eine Modernisierung des Gewerberechts. Im Gegensatz dazu wolle die Regierung die Zwangsbeiträge für die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer weiter erhöhen. Statt die 22 Sozialversicherungen zusammenzulegen, erhöhe man die Höchstbeitragsgrundlage, so sein weiterer Vorwurf. Auch habe die Regierung keinen Mut, die Pensionsprivilegien der BeamtInnen in Wien abzustellen. Aus diesem Grund machte Strolz Werbung für das Reformprogramm der NEOS, das eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger im Ausmaß von 8,4 Mrd. € über einen Zeitraum von 8 Jahren vorsieht. (Fortsetzung Nationalrat) fru/jan/sch