Parlamentskorrespondenz Nr. 751 vom 30.06.2015

Anbauverbot für Genpflanzen: Abgeordnete setzen ersten Schritt

Novelle zum Gentechnikgesetz passiert Gesundheitsausschuss

Wien (PK) – Auf EU-Ebene wurde nach jahrelanger Diskussion vor kurzem endgültig beschlossen, den EU-Mitgliedsländern das Recht einzuräumen, selbst zu entscheiden, ob sie den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Staatsgebiet zulassen oder nicht. Zur Umsetzung dieses Selbstbestimmungsrechts sind auch in Österreich nationale Regelungen erforderlich. Einen ersten Schritt setzte heute der Gesundheitsausschuss des Nationalrats. SPÖ, ÖVP und NEOS stimmten einer von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser ausgearbeiteten Novellierung des Gentechnikgesetzes zu. Ein weiterer Gesetzentwurf liegt im Landwirtschaftsausschuss des Hohen Hauses, dieser wird morgen tagen. Über die Stoßrichtung der beiden Gesetze herrscht weitgehend Einigkeit, die Grünen kritisieren allerdings, dass es kein bundeseinheitliches Gentechnik-Anbauverbot, sondern neun verschiedene Länderregelungen geben wird. Auch die FPÖ ist mit der Umsetzung unzufrieden.

Um sicherzustellen, dass die heimischen Felder gentechnikfrei bleiben, hat Österreich gemäß EU-Recht eine zweifache Opt-Out-Möglichkeit. So kann Österreich künftig bereits im Zuge der EU-weiten Zulassung genmanipulierter Pflanzen eine Ausnahmeregelung für sein Staatsgebiet beantragen. Die konkreten Umsetzungsbestimmungen dazu sind im Gentechnikgesetz (530 d.B. ) verankert. Ebenso ist dort geregelt, welche Schritte das Gesundheitsministerium zu setzen hat, um zu gewährleisten, dass bereits bestehende EU-Marktzulassungen wie die Genmaissorten MON810 und T25 in Österreich weiter verboten bleiben. Bis 3. Oktober hat Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser für eine entsprechende Note an die EU-Kommission Zeit.

Um verbleibende Schlupflöcher im Zulassungsverfahren zu schließen, sind darüber hinaus ein bundesweit geltendes Gentechnik-Anbauverbot-Rahmengesetz und, da der Anbau von Saat- und Pflanzgut grundsätzlich in die Kompetenz der Länder fällt, länderspezifische Regelungen vorgesehen. Über das Rahmengesetz wird der Landwirtschaftsausschuss morgen beraten, im Nationalrat ist dafür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Grüne fordern bundeseinheitliche Regelung

Vor allem die Kompetenzzersplitterung ist Grün-Abgeordnetem Wolfgang Pirklhuber ein Dorn im Auge. Für ihn ist es unverständlich, dass Österreich das von der EU eingeräumte Selbstbestimmungsrecht durch zwei Bundesgesetze und neun Landesgesetze umsetzen will. Österreich mache sich damit lächerlich, meinte er und sprach von einem "Schildbürgerstreich der Sonderklasse".

Pirklhuber rechnet insbesondere dann mit Problemen, wenn ein Saatgutkonzern im Zuge eines Zulassungsverfahrens eine Opt-Out-Erklärung Österreichs nicht akzeptiert. In diesem Fall habe der Bund keine Handhabe mehr, um ein österreichweit geltendes Anbauverbot für das betreffende Saat- bzw. Pflanzgut durchzusetzen. Vielmehr sei man darauf angewiesen, dass die Länder tätig werden und keine Fristen versäumen, machte Pirklhuber geltend. Jedes einzelne Bundesland müsse gegenüber der EU das verordnete Anbauverbot begründen und entsprechende Gutachten vorlegen. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoller, die gesamte Kompetenz im Gesundheitsressort zu bündeln.

Pirklhuber hatte im Vorfeld der Ausschussberatungen auch einen Antrag (1211/A) eingebracht, der darauf abzielt, in Sachen Gentechnik-Anbauverbot eine koordinierte Vorgangsweise zwischen dem Gesundheitsministerium, dem Landwirtschaftsministerium und den Ländern sicherzustellen. Dieser fand bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit.

Unzufrieden mit der Regierungsvorlage zeigte sich auch FPÖ-Abgeordneter Josef A. Riemer. Es sei wichtig, dass Österreich rasch handle, Verbesserungen seien aber notwendig, sagte er. Zustimmung zum Gesetzentwurf kam hingegen von NEOS-Abgeordnetem Gerald Loacker.

Sowohl SPÖ-Abgeordneter Michael Ehmann als auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser werteten den von den Grünen geäußerten Wunsch nach einer Kompetenzverschiebung als realpolitisch nicht umsetzbar. Für Oberhauser ist es vordringlich, dass der Nationalrat die vorliegende Novelle zum Gentechnikgesetz rasch beschließt, damit sie rechtzeitig den notwendigen Brief nach Brüssel schicken kann. Die Koordinierung des Gentechnik-Anbauverbots, also Stufe 2 der von der EU eingeräumten Opt-Out-Möglichkeit, obliegt ihr zufolge Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Man müsse regeln, was passiere, wenn ein Bundesland schlafe, so Oberhauser.

Gentechnik: Zahlreiche Laborversuche, kein Antrag auf Freisetzung

Zur Diskussion im Ausschuss stand auch der 6. Bericht der Gentechnikkommission, den Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser gemeinsam mit Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner dem Nationalrat vorgelegt hat. Er wurde nach einer kurzen Debatte gegen die Stimmen der FPÖ zur Kenntnis genommen. Aus dem Bericht geht unter anderem hervor, dass es in den Jahren 2011 bis 2013 mehr als 600 Anmeldungen zur Durchführung von Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in geschlossenen Systemen gegeben hat, die meisten davon betrafen das Wissenschaftsressort. Die regelmäßig durchgeführten Kontrollen ergaben nur minimale Beanstandungen, die keinerlei Beeinträchtigung der Sicherheit darstellten. Ein Antrag auf Freisetzung oder Inverkehrbringen von GVO wurde im dreijährigen Berichtszeitraum nicht gestellt.

Anders sieht die Lage in anderen EU-Mitgliedstaaten aus. Laut Bericht wurden von nationalen Behörden in der vom Bericht umfassten Periode 16 verschiedene genmanipulierte Pflanzen (Mais, Raps, Baumwolle und Sojabohnen) zugelassen. Weitere 60 befanden sich zum Zeitpunkt der Berichterstellung in der Pipeline. In Bezug auf menschliche Gentherapien wurden in Österreich laut Bericht zwei Anträge gestellt und ein älterer Antrag nochmals neu bewertet.

In der Debatte mahnte Abgeordneter Pirklhuber (G) mehr Engagement Österreichs in Sachen Risikoforschung im Bereich der Gentechnik ein. Laut Gesundheitsministerin Oberhauser steht dafür ein kontinuierliches Budget zur Verfügung.

Glyphosat: Grüne fordern Verbot für Haus- und Gartenbereich

Schließlich vertagte der Gesundheitsausschuss einen Antrag der Grünen (1064/A(E)), der auf ein Verbot glyphosathaltiger Pestizide im Haus- und Gartenbereich und auf Verkehrswegen abzielt. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber weist darauf hin, dass die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid vor kurzem als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hat. Auch bei der Erstzulassung von Glyphosat in den USA sei die Frage der krebserregenden Wirkung bereits Thema gewesen, erinnerte er. Pirklhuber gab auch zu bedenken, dass herkömmliche Pestiziduntersuchungen den Wirkstoff Glyphosat nicht berücksichtigen.

ÖVP-Abgeordneter Johann Höfinger begründete die Vertagung des Antrags damit, dass es sehr divergierende Studien zu diesem Thema gebe und man weitere Untersuchungen abwarten solle. Es sei wichtig, die Bevölkerung nicht zu verunsichern, mahnte er und machte geltend, dass es weitaus kritischer bewertete Stoffe, die etwa in Kosmetika enthalten sind, gebe.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser sprach sich dafür aus, am Thema weiter dranzubleiben. Österreich habe bereits in der Vergangenheit einige Vorkehrungen getroffen, um die Verwendung glyphosathältiger Produkte einzuschränken, betonte sie. So müssten entsprechende Pestizide in Baumärkten versperrt sein und KäuferInnen gezielt informiert werden. Auf die Ausbringung auf Verkehrswegen habe sie keinen Einfluss, so Oberhauser.

Die Ministerin berichtete den Abgeordneten auch, dass das Gesundheitsministerium regelmäßig Lebensmittelproben auf Glyphosatrückstände untersuche. In den Jahren 2010 bis 2014 sind ihr zufolge 852 Proben geprüft worden. Bei 93 % konnten keine Rückstände festgestellt werden. Am häufigsten waren Spuren in Linsen und Leinsamen zu finden. (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) gs