Parlamentskorrespondenz Nr. 1373 vom 02.12.2015

U-Haft für Jugendliche nur noch in Ausnahmefällen

Justizausschuss beschließt Novelle zum Jugendgerichtsgesetz

Wien (PK) – Die weitgehende Zurückdrängung der Haft, insbesondere der U-Haft, bei Jugendlichen ist der Hauptgesichtspunkt einer Novelle zum Jugendgerichtsgesetz, die heute vom Justizausschuss beschlossen wurde. Ziel ist es dabei, Alternativen zur Haft zu forcieren und jungen Menschen im Rahmen von so genannten Sozialnetzkonferenzen Hilfe in schwierigen Lebenssituationen anzubieten. Während die Regierungsparteien ebenso wie Grüne und NEOS von einem richtigen Schritt sprachen, meldeten Freiheitliche und Team Stronach vor allem Bedenken gegen die Ausdehnung von Erleichterungen des Jugendstrafrechts auf junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren an und stimmten gegen die Reform. In dem von den Abgeordneten verabschiedeten Paket sind zudem auch Änderungen des Tilgungsgesetzes enthalten, durch die nun sämtliche nachteiligen Folgen von Verurteilungen nach den Anti-Homosexuellen-Paragraphen des Strafgesetzbuches beseitigt werden.

Gesetz stärkt Alternativen zur Haft

Untersuchungshaft für Jugendliche soll nach den Bestimmungen der Novelle (852 d.B.) in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen verhängt werden. Eine derartige Entscheidung müssen Gericht und Staatsanwaltschaft überdies ausdrücklich begründen. Fällt die Straftat in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts, so etwa Sachbeschädigung, Körperverletzung oder Diebstahl, dann ist die Verhängung der U-Haft jedenfalls ausgeschlossen. Erleichterungen für jugendliche StraftäterInnen wie geringere Strafdrohungen finden zudem auch Anwendung auf junge Erwachsene im Alter von 18 bis 21 Jahren. Strafaufschub zu Ausbildungszwecken soll darüber hinaus bei einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zulässig sein.

Neu ist die Verankerung der Sozialnetzkonferenz, durch die das soziale Umfeld – Angehörige, Freundeskreis, Nachbarn, Schule – zur Bewältigung von Krisen einbezogen werden soll. Konkret geht es darum, den Jugendlichen bei der Ausarbeitung eines verbindlichen Zukunftsplans und dessen Einhaltung zu unterstützen.

Wo es Chancen gibt, Haft zu vermeiden, sollten alle Möglichkeiten dazu ausgeschöpft werden, fasste Justizminister Wolfgang Brandstetter den Grundtenor der Reform zusammen, wobei er überdies zu bedenken gab, das Konzept der Abschreckung durch Haft mache bei Jugendlichen keinen Sinn. Vielmehr gelte es, die Ursachen der Jugendkriminalität zu beseitigen. Mit dieser Neuregelung sei die Frage der U-Haft für Jugendliche aber noch nicht abgehakt, das Justizministerium arbeite laufend an bestmöglichen Lösungen, versicherte Brandstetter.

Regierungsparteien sehen Reform als Meilenstein

Es sei wichtig und richtig, im Jugendstrafrecht auf Maßnahmen abseits der klassischen Instrumente zu setzen, betonte SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim, der sich von der Novelle vor allem Impulse für Resozialisierung und Rückfallsvermeidung erwartet. Die neuen Bestimmungen schaffen Hilfe, aus der Kriminalitätsspirale wieder herauszukommen, pflichteten ihm seine Fraktionskolleginnen Elisabeth Grossmann und Katharina Kucharowits bei.

Von einem Meilenstein sprach auch ÖVP-Mandatar Rouven Ertlschweiger. Haft werde für Jugendliche in Zukunft die absolute Ausnahme darstellen, junge Straftäter erhalten durch dieses Gesetz vielmehr eine zweite Chance, zeigte er sich überzeugt. ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker wiederum begrüßte vor allem die Sozialnetzkonferenzen als wichtiges Instrumentarium zur Resozialisierung. Präzisierungen im Zusammenhang mit Verfahrensbeschleunigung und Haftverkürzung, aber auch Fehlerberichtigungen brachte ein Abänderungsantrag der Regierungsparteien, der ebenfalls mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS beschlossen wurde.

Positives Echo auch bei Grünen und NEOS

Überwiegend positiv fiel auch die Beurteilung durch die Grünen aus. Albert Steinhauser bezeichnete die Ausdehnung des Jugendstrafrechts auf junge Erwachsene als absolut richtiges Signal und betonte, damit werde dem Prinzip der Spezialprävention Rechnung getragen. Die vom Beschluss des Ausschusses miterfasste Änderung des Tilgungsgesetzes, die die Streichung der nachteiligen Folgen von Verurteilungen nach den Anti-Homosexuellen-Paragraphen vorsieht, ist für die Grünen allerdings zu wenig weitreichend. Steinhauser verlangte eine volle Rehabilitierung und kündigte die Ablehnung dieser Passage des Pakets durch seine Fraktion an.

In den Chor der Zustimmung reihte sich auch Nikolaus Scherak von den NEOS ein, der vor allem die Ausdehnung der Bestimmungen auf junge Erwachsene sowie die Einrichtung von Sozialnetzkonferenzen begrüßte. Mit Bedauern stellte er allerdings fest, dass es nicht möglich war, sich auf eine Bündelung aller Jugendstrafsachen bei einem einzigen Gericht zu einigen. Ein Entschließungsantrag (582/A(E)) seiner Fraktion, der als eine der Maßnahmen zur Modernisierung des Jugendstrafrechts auch diese Forderung enthält, fand bei der Abstimmung aber keine Mehrheit.

Für FPÖ und Team Stronach ist Novelle überschießend

Skepsis und Ablehnung überwogen hingegen bei FPÖ und Team Stronach. Die Tendenz des Gesetzes zu alternativen Maßnahmen sei zwar richtig, meinte Harald Stefan (F), der allerdings die Ausdehnung auf über 18-jährige junge Erwachsene als überschießend ablehnte. Das Gesetz werde nur eine Reduzierung der Haftzahlen bringen, helfe den Jugendlichen aber wenig, verschärfte sein Klubkollege Christian Lausch die Kritik. Bis ein Jugendlicher in Haft kommt, haben schon alle gelinderen Mittel versagt. Jugendliche, denen eine große Gefährlichkeitsprognose bescheinigt wird, sollten in einer Art Kinderheim untergebracht werden, wo sie auf die Eingliederung ins normale Leben vorbereitet werden, schlug Lausch vor. Team Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen meldete ebenfalls Bedenken gegen die Ausdehnung der Erleichterungen des Gesetzes auf junge Erwachsene an. In der Praxis könnte dies dazu führen, dass junge Menschen von Bandenmitgliedern bewusst vorgeschickt werden, um Straftaten zu verüben.  

Nicht durchsetzen konnten sich die Freiheitlichen mit einer Initiative (724/A(E)), in der sie strengere Strafen für Verletzungen von Beamten, Zeugen und Sachverständigen verlangen. Philipp Schrangl begründete dies vor allem unter Hinweis auf den Umstand, dass diese Personengruppe immer häufiger massiven Drohungen und körperlicher Gewalt ausgesetzt sei. Es gelte daher, den gesteigerten Unrechtsgehalt dieser Handlungen auch durch höhere Strafdrohungen entsprechend hervorzuheben. Dies sei der Gesetzgeber den Personen, die für die Rechtsstaatlichkeit und die Aufrechterhaltung der Demokratie ihr Leben und ihre Gesundheit riskieren, schuldig. (Fortsetzung Justizausschuss) hof