Parlamentskorrespondenz Nr. 1401 vom 09.12.2015

Jugendgerichtsgesetz-Novelle forciert Alternativen zur Haft

Beschluss im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS

Wien (PK) – Haftstrafen für Jugendliche sollen in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen verhängt werden. Eine heute vom Nationalrat verabschiedete Novelle des Jugendgerichtsgesetzes forciert gelindere Maßnahmen als Alternativen zu Straf- und U-Haft und setzt überdies auf so genannte Sozialnetzkonferenzen zur Resozialisierung und Rückfallprävention. Für die Reform stimmten neben den Regierungsparteien auch Grüne und NEOS, während FPÖ und Team Stronach vor allem Bedenken gegen die in der Novelle enthaltene Ausdehnung der Erleichterungen des Jugendstrafrechts auf junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren anmeldeten. Teil des vom Plenums genehmigten Pakets ist auch eine Änderung des Tilgungsgesetzes, durch die sämtliche negativen Auswirkungen von Verurteilungen nach den Anti-Homosexuellen-Paragraphen des Strafgesetzbuchs beseitigt werden.

Haft bleibt Ausnahme, Krisenbewältigung durch Sozialnetzkonferenz

Konkret soll nun durch die Jugendgerichtsgesetz-Novelle die Haft bei Jugendlichen weitestgehend zurückgedrängt werden. Untersuchungshaft bleibt damit die absolute Ausnahme. Eine derartige Entscheidung müssen Gericht und Staatsanwaltschaft überdies ausdrücklich begründen. Bei Delikten wie Sachbeschädigung, Körperverletzung oder Diebstahl, die in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallen, ist U-Haft jedenfalls ausgeschlossen. Ein Novum bildet zudem die gesetzliche Verankerung der Sozialnetzkonferenzen. Grundidee ist es dabei, das soziale Umfeld – Angehörige, Freundeskreis, Schule – zur Krisenbewältigung heranzuziehen und den Jugendlichen bei der Ausarbeitung eines verbindlichen Zukunftsplans und dessen Einhaltung zu unterstützen.

SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS wollen jungen Straffälligen zweite Chance geben

Straffällige junge Menschen verdienen eine zweite Chance, betonten Michaela Steinacker (V) und Gisela Wurm (S) übereinstimmend, wobei die Justizsprecherin der ÖVP vor allem die gesetzliche Verankerung der Sozialnetzkonferenzen nach dem Motto "Einbeziehen statt Ausgrenzen" begrüßte. SPÖ-Abgeordneter Harald Troch erwartet sich von der Heranziehung des sozialen Umfelds eine stabilisierende Wirkung auf junge straffällige Menschen, die, wie es seine Klubkollegin Katharina Kucharowits ausdrückte, besondere Unterstützung brauchen. Von einem Schritt in die richtige Richtung sprach auch Johannes Jarolim (S) und sah in den Alternativen zur Haft eine Chance sowohl für die betroffenen Jugendlichen als auch für die gesamte Gesellschaft. "Wenn Jugendliche straucheln, dann muss man sie stützen", pflichtete ihm ÖVP-Abgeordneter Rouven Ertlschweiger bei, der seinen Blick auf den Gedanken der Resozialisierung lenkte.

"Die härteste Sanktion ist nicht immer die beste", bestätigte seitens der Grünen Albert Steinhauser. Maßnahmen wie Sozialnetzkonferenzen und Jugendgerichtshilfe würden dazu beitragen, dass U-Haft für Jugendliche die absolute Ausnahme bleibt. Die im Tilgungsgesetz vorgenommene Beseitigung der negativen Folgen von Verurteilungen nach den Anti-Homosexuellen-Paragraphen allerdings geht nach Meinung des Grünen-Justizsprechers zu kurz. Hier wäre eine echte Aufhebung und volle Rehabilitierung die bessere Lösung gewesen. Friedrich Ofenauer (V) begrüßte die Änderung im Tilgungsrecht und meinte, die Gesellschaft habe sich weiterentwickelt. Heute beseitige man Folgen einer Rechtslage, die man früher für berechtigt gehalten habe.

Ein richtiger Schritt in Richtung einer modernen Jugendgerichtsbarkeit sei die vorliegende Novelle, befand NEOS-Justizsprecher Nikolaus Scherak und hob insbesondere die Sozialnetzkonferenz als innovativen Weg hervor, junge Menschen wieder von der schiefen Bahn abzubringen. Er bedauerte allerdings, dass es nicht möglich war, sich auf die Einrichtung von Jugendkompetenzzentren zur Schließung jener Lücke zu einigen, die durch die Auflösung des Jugendgerichtshofs entstanden ist. Ein Entschließungsantrags Scheraks, der auf die Konzentration sämtlicher Jugendsachen an einem einzigen Bezirksgericht abzielt, blieb bei der Abstimmung in der Minderheit. Diese Forderung war auch Teil eines weiteren NEOS-Antrags betreffend Modernisierung des Jugendstrafrechts, der ebenfalls abgelehnt wurde. Justizminister Wolfgang Brandstetter meinte dazu, er sei offen für dieses Anliegen, gerade beim Jugendstrafrecht gelte es, auf der Höhe der Zeit zu sein. Die Reform reagiere jedenfalls auf die gefährliche Phase der Adoleszenz und ermögliche es, besser auf Einzelfälle einzugehen.

FPÖ und Team Stronach sehen geringere Strafdrohungen für junge Erwachsene als falschen Weg

Bei diese Novelle gehe es nicht um Lausbubengeschichten, sondern um die Entkriminalisierung von Jugendbanden, kritisierte Philip Schrangl seitens der Freiheitlichen, Für 18 bis 21-Jährige werde sich die Haft verkürzen, bei Jugendlichen ändere sich aber wenig, gab Christian Lausch (F) zu bedenken und sprach in diesem Zusammenhang von einer Generalamnestie junger Erwachsener. Besser wäre es gewesen, die Regelung der Fußfessel auf Jugendliche Ersttäter auszudehnen. Eine geringere Strafdrohung für junge Erwachsene bezeichnete auch Christoph Hagen (T) als falschen Weg. Es bestehe die Gefahr, dass junge Menschen nun gezielt von der organisierten Kriminalität eingesetzt werden.

Strengere Strafen bei Übergriffen gegen Exekutive, Zeugen und Sachverständigen: Keine Mehrheit für FPÖ-Initiative

In der Minderheit blieb FPÖ-Abgeordneter Philipp Schrangl mit seinem Vorstoß auf strengere Strafen für die Verletzung von Exekutivbeamten, Zeugen und Sachverständigen. Diese Personengruppe, die für die Rechtsstaatlichkeit und die Aufrechterhaltung der Demokratie oft ihr Leben und ihre Gesundheit riskiert, sei immer häufiger massiven Drohungen und körperlicher Gewalt ausgesetzt, argumentierte er. Es gelte daher, den gesteigerten Unrechtsgehalt derartiger Übergriffe durch höhere Strafdrohungen entsprechend hervorzuheben. Unterstützung erhielt die Initiative von Team-Stronach-Mandatar Christoph Hagen sowie dem fraktionslosen Abgeordneten Gerhard Schmid.

Justizminister Wolfgang Brandstetter sah im besonderen Schutz für die Exekutive grundsätzlich ein berechtigtes Anliegen, erinnerte aber daran, dass die bestehende Rechtslage bei Körperverletzung an Beamten, Zeugen und Sachverständigen bereits eine Verdreifachung der Strafdrohung vorsieht. (Fortsetzung Nationalrat) hof