Parlamentskorrespondenz Nr. 158 vom 24.02.2016

Rechnungshof zeigt einmal mehr Strukturprobleme im Bildungswesen auf

Nationalrat: RH-Berichte zu Bildung, gerichtlicher Verfahrensdauer, Immobilienwirtschaft, Vermögensverwaltung in Sozialversicherung

Wien (PK) – Auch Berichte des Rechnungshofs, die in der heutigen Sitzung des Nationalrats zur Debatte standen, gaben Anlass zu einer bildungspolitischen Diskussion. So haben die Prüfer in einem Bericht beispielsweise aufgezeigt, dass es bei den 5.367 Schulversuchen in Österreich im Jahr 2012/13 keine entsprechende Evaluierung, keine einheitlichen Kriterien und keine zentrale Steuerungsmöglichkeiten gegeben habe. Schulversuche dienten auch oft als Ersatz für fehlende oder zu starre rechtliche Bestimmungen, viele hätten das Erprobungsstadium längst überschritten und seien dauerhaft eingerichtet.

Im Ausschuss wie im Plenum wurde einmal mehr die Kompetenzzersplitterung im Schulwesen beklagt, man war sich auch über die Notwendigkeit einig, die hohe Zahl der Schulversuche zu reduzieren. Der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser, wertete die hohe Zahl der Schulversuche als ein Zeichen für die mangelnde Flexibilität und Autonomie im österreichischen Schulsystem. "Weg von den Zentralstellen, hin zu den Standorten", lautete sein Resümee. Matthias Strolz (N) teilte diese Auffassung und meinte, die hohe Zahl der Schulversuche werfe ein fragliches Licht auf die Schulentwicklung. Grundsätzlich kritisierte er, dass die Bildungsreform nur schleppend vor sich gehe, und warf der Regierung vor, Machtpolitik statt Bildungspolitik zu betreiben. Christian Lausch (F) merkte an, das Geld für die Schulversucher hätte man weit besser verwenden können. Seitens der ÖVP hoffte Claudia Durchschlag, dass mit der angestrebten Ausweitung der schulischen Autonomie die Schulen flexibler agieren und damit auch die Schulversuche begrenzt werden können. Sie übte offen Kritik an der Neuen Mittelschule, die man ihrer Meinung nach ohne entsprechende Evaluierung ins Regelschulwesen übernommen hat.

NEOS-Initiative zur engeren Verzahnung der Elementarpädagogik mit der Volksschule

Der NEOS-Klubobmann und Bildungssprecher Matthias Strolz konzentrierte sich in seinem Redebeitrag vor allem auf die Kindergärten und die Volksschulen. Angesichts der Tatsache, dass in Österreich ein Fünftel der 15-Jährigen nicht ordentlich sinnerfassend lesen kann, sieht seine Partei bei der Gruppe der 3-bis 10-Jährigen dringenden Handlungsbedarf. In einem Entschließungsantrag, der jedoch nicht die erforderliche Mehrheit fand, fordert er, der Elementarpädagogik und der Volksschule mehr Augenmerk zu schenken und neue Lösungswege anzudenken. Vor allem muss nach Meinung der NEOS die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Volksschule neu gestaltet werden. Sie schlagen fließende Übergänge zwischen elementaren Bildungseinrichtungen und der Volksschule vor, sprechen sich für jahrgangsübergreifenden Unterricht aus und verlangen mehr finanzielle Ressourcen für die Volksschule. Notwendig ist nach Auffassung der NEOS eine umfassende finanzielle, pädagogische und personelle Autonomie für die Volksschulen. Zudem treten die NEOS für eine gleichwertige Ausbildung und Bezahlung der ElementarpädagogInnen und SchulpädagogInnen sowie für die Verankerung der Elementarpädagogik im Bildungsressort – und nicht wie derzeit im Familienministerium – ein.

SPÖ, Grüne und NEOS drängen auf alternative Beurteilung in der Volksschule

Als vordringlich bezeichnete Strolz die Freigabe der Art der Notengebung in der Volksschule. Hier hakten auch Harald Walser von den Grünen und Elmar Mayer von der SPÖ ein, die sich beide vehement für eine alternative Leistungsbeurteilung aussprachen. Den Schulversuch dazu gebe es seit 50 Jahren, erinnerte Walser kritisch, rund 2.000 Schulen hätten daran teilgenommen und nun soll er endlich im Rahmen der Bildungsreform umgesetzt werden. Wie Walser konnte auch Mayer die Zurückhaltung der ÖVP in diesem Punkt nicht verstehen. Alternative Benotung bringe mehr als die Ziffernbenotung, appellierte Mayer an die ÖVP, sie nehme von den SchülerInnen den Druck weg und erfordere auch eine gründlichere Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Kinder.

RH-Präsident Moser: Rechnungshofberichte zeigen Strukturmängel und dringenden Reformbedarf im Schulbereich

In einem weiteren Prüfbericht vermisst der Rechnungshof bei Bauprojekten für Bundesschulen bis 2018 ein Controlling der Vorhaben. Es gebe auch keinen ausreichenden Überblick für die Umsetzung und Kosten, zudem fehle ein Zeitplan. Der Rechnungshof rät daher, in den Schulentwicklungsprogrammen konkrete Zielvorgaben und Standortkonzepte aufzunehmen.

Ruth Becher (S) wollte die Ergebnisse des Rechnungshofs nicht so negativ sehen und hob hervor, dass die Prüfer dem Ministerium weitgehend ein gutes Zeugnis ausgestellt hätten. So sei bestätigt worden, dass das Ziel der Verringerung der Klassenschülerhöchstzahlen erreicht worden sei. Unterschiedliche Sichtweisen zwischen Ministerium und Rechnungshof ortete sie jedoch bei den Standortkonzepten, wobei sie sich insofern auf die Seite des Ministeriums schlug, als sie sagte, dass es sich hierbei um eine politische Bewertung handle, die mit den Regionen abgestimmt werden müsse. Becher hob in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Barrierefreiheit bei Schulbauprojekten hervor und zeigte sich zuversichtlich, dass Bildungsministerin Heinisch-Hosek die Sanierung der Bundesschulen in einer stimmigen Art und Weise vorantreibe.

Seitens der ÖVP thematisierte Johann Singer in diesem Zusammenhang abermals die Ausweitung der Autonomie und meinte, wesentliches Ziel der Bildungsreform müsse die Stärkung der Standorte sein. Den Schulen sollte man so weit wie möglich freie Hand lassen, um auf die Bedürfnisse eingehen zu können.

Für Rechnungshofpräsident Josef Moser zeigen die Prüfberichte im Schulbereich die Notwendigkeit rascher Reformen, insbesondere von Strukturreformen, auf. Er kritisierte zudem das Fehlen eines die Gebietskörperschaften übergreifenden Schulstandortmanagements.

Kritik an Arbeitsweise in Bezirks- und Landesgerichten

Da in den Prüfberichten neben der Schulverwaltung auch viele andere Themen aufgegriffen werden, nahmen die Abgeordneten auch zu unterschiedlichen Aspekte Stellung. So hat der Rechnungshof Bezirksgerichte und Landesgerichte unter die Lupe genommen und im diesbezüglichen Bericht festgestellt, dass die Verfahrensdauer bei ausgewählten Bezirksgerichten zwischen 2,2 und 17,3 Monaten, bei ausgewählten Landesgerichten zwischen 2,9 und 6,5 Monaten liegt. Die Ursachen sind im Wesentlichen in der unterschiedlich effizienten Arbeitsweise der RichterInnen zu finden und waren sachlich nicht begründet, so der Rechnungshof. Hier sei eine Ursachenanalyse nötig, meinte dazu Hermann Gahr (V). Er bemängelt vor allen die vielerorts hohen Rückstände, die mangelnden Datenlagen und die teilweise mangelnde Dienstaufsicht. Gahr forderte aber grundsätzlich, die Bezirksgerichtskultur in den ländlichen Gebieten zu erhalten.

Kritisch gesehen vom Rechnungshof wird auch die Tatsache, dass Häftlinge nicht sozialversichert sind und dadurch im Krankheitsfall hohe Kosten verursachen. Dieses Thema griff Marianne Gusenbauer-Jäger (S) auf und verlangte, die 2013 ausgelaufene Vereinbarung mit den Ländern bei den kommenden Finanzausgleichsverhandlungen wieder aufzugreifen. Auch Christian Lausch (F) drängte darauf, die Empfehlungen des Rechnungshofs hinsichtlich der medizinischen Versorgung im Strafvollzug umzusetzen, da man sich dadurch viel Geld ersparen könnte. Rechnungshofpräsident Josef Moser lobte die Kooperation mit dem Justizministerium und berichtete, dass bereits 30 Mio. € eingespart werden konnten.

Sozialversicherungsträger brauchen Rahmenbedingungen für Vermögensmanagement

Die NEOS artikulierten mittels eines Entschließungsantrags ein weiteres Thema: das Vermögensmanagement von Sozialversicherungsträgern. Sie orten eine enorme Ungleichverteilung der (Finanz-)Vermögenswerte zwischen den Gebietskrankenkassen und den übrigen Sozialversicherungsträgern und vermissen entsprechende Rahmenbedingungen. Gerald Loacker (N) meinte, die Vermögensverwaltung werde auf Kosten der Versicherung betrieben. Die Sozialversicherungsträger verfügten über 3,7 Mrd. € an Finanzvermögen, in den letzten zehn Jahren sei das Vermögen um 60% gestiegen. Es gebe aber keine klaren Regeln zu einem Vermögensmanagement, weshalb die NEOS eine Deckelung der Vermögen fordern.

Die Kritik wurde von Rechnungshofpräsident Josef Moser bestätigt, der die Notwendigkeit gesetzlicher Rahmenbedingungen unterstrich, um Transparenz und Finanzierungssicherheit zu gewährleisten. Der Antrag der NEOS wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt.

RH-Präsident Moser drängt auf Harmonisierung im Pensionsrecht

Loacker kritisierte grundsätzlich Steuerungs- und Kontrolldefizite bei Pensionierungen und warf Betrieben vor, Leute in Pension zu schicken und damit Personalkosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Rechnungshofpräsident Josef Moser ortete generell hohes Einsparungspotential, wenn man die Pensionssysteme harmonisieren würde. Im ÖBB-Pensionsrecht bezifferte er die Harmonisierungslücke mit rund 920 Mio. €, bei den Sozialversicherungen nannte er ein Harmonisierungspotential von 786 Mio. €. Über 50 Mio. € seien dies bei der Nationalbank, über 300 Mio. € bei den Ländern. In diesem Sinne drängte Moser auf rasche Harmonisierungsschritte, denn das würde mehr Pensionsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit bringen.

Grüne kritisieren Immobilienwirtschaft der öffentlichen Hand

Gabriela Moser von den Grünen nahm die Immobilienwirtschaft der öffentlichen Hand ins Visier und thematisierte konkret den Kauf des Palais Kaunitz für die Internationale Anti-Korruptionsakademie (IACA) in Laxenburg. Für den Umbau habe es keinen Bauherren gegeben, sondern sei beim Amt der niederösterreichischen Landesregierung gelegen. Die "hanebüchene Abwicklung" habe zu überhöhten Kosten geführt. Ebenso bedenklich sei der Verkauf von Schloss Reifnitz an Frank Stronach gewesen, der einen Preisabschlag von 30% erzielen konnte, weil er für den Kauf touristische Zwecke angegeben hatte, ohne dann entsprechend zu handeln. Dies seien nur zwei Beispiele dafür, dass die Immobilienwirtschaft der öffentlichen Hand völlig unprofessionell betrieben wird und von Freunderlwirtschaft geprägt sei, so das Resümee der Grün-Politikerin.

Josef Lettenbichler (V) setzte sich für eine ausreichende Dotierung der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung ein, da die Unternehmen Planungssicherheit brauchen. Die Mittel der Stiftung sollten Lettenbichler zufolge unabhängig von der Zinsentwicklung jährlich 125 Mio. € betragen.

Team-Stronach-Mandatarin Martina Schenk blickte über die Grenzen nach Europa hinaus und kritisierte, dass die Verwendung der Fördergelder der EU nur unzureichend kontrolliert werden. So versickere die Hälfte der EU-Entwicklungshilfe - das sei im Jahr 2014 ein Betrag von 15 Mrd. € gewesen. Jeder zweite Euro für Entwicklungszusammenarbeit leiste nicht das, was er sollte, so Schenk. Laut Europäischem Rechnungshof betrage die Fehlerquote allgemein 4,4%, das bedeute, dass 6,3 Mrd. € ohne Rechtsgrundlage ausgegeben wurden.

RH-Präsident Moser: Es gibt viele Sparpotentiale und Strukturprobleme

In seiner abschließenden Stellungnahme wies Rechnungshofpräsident Josef Moser nochmals eindringlich darauf hin, dass öffentliche Mittel effizienter, zielgerichteter, nachhaltiger und kostengünstiger eingesetzt werden könnten. Das zeigten die Berichte seines Hauses deutlich auf. Es bestünden Sparpotentiale, offenkundige Strukturprobleme und die Transparenz sei verbesserungsbedürftig, so Moser. Die drei Rechnungshofberichte wurden schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Nationalrat) jan