Parlamentskorrespondenz Nr. 509 vom 13.05.2016

Parlament: TOP im Nationalrat am 18. Mai 2016

Neuer Bundeskanzler im Nationalrat; weitere Themen: TTIP und CETA, Sicherheit, Lohn- und Sozialdumping, Milchmarkt, Gentechnik

Wien (PK) – Nach seiner Ernennung zum Bundeskanzler durch Bundespräsident Heinz Fischer wird sich der voraussichtlich neue Regierungschef Christian Kern mit seinem Team in der Nationalratssitzung am Mittwoch erstmals in seiner neuen Funktion den Abgeordneten vorstellen.

Auch TTIP und CETA sowie die Sicherheitslage werden den Nationalrat beschäftigen. Die Tagesordnung sieht zudem ein Gesetzespaket mit weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping sowie Änderungen im Weingesetz zur Rettung des Uhudler vor. Außerdem soll auf Grund einer Entschließung des Landwirtschaftsausschusses ein Dialog mit der österreichischen Milchwirtschaft über politische Maßnahmen für eine kostendeckende Milchproduktion gestartet werden. Zudem bekräftigen alle Parlamentsparteien, auch weiterhin die Gentechnikfreiheit auf Österreichs Feldern gewährleisten zu wollen.

Aktuelle Stunde zum Thema Sicherheit und Aktuelle Europastunde zu TTIP und CETA

Das Plenum beginnt mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Aktionsplan 'Sicheres Österreich' - Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit", ausgewählt von der ÖVP. Innenminister Wolfgang Sobotka und Justizminister Wolfgang Brandstetter haben dieser Tage ein geplantes Gesetzespaket zur Kriminalitätsbekämpfung vorgestellt, das sicherlich zu einer inhaltlich kontroversen Debatte Anlass geben wird.

Für die Aktuelle Europastunde haben die Grünen vorgeschlagen, über TTIP und CETA zu diskutieren, wobei sie ihre kritische Haltung unter dem Titel: "TTIP Verhandlungsstopp und ein NEIN zu CETA. Fairer Handel statt Konzernherrschaft" deponieren. In den EU-Ausschüssen von Nationalrat und Bundesrat gab es dazu ebenfalls bereits intensive Debatten mit skeptischen Stimmen – für Emotionalität im Für und Wider wird daher gesorgt sein.

Erklärung des neuen Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zur Regierungsumbildung

Christian Kern wird voraussichtlich der 13. Bundeskanzler der Zweiten Republik. Gemeinsam mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gibt er eine Erklärung ab und präsentiert erstmals gegenüber dem Nationalratsplenum seine Pläne für die verbleibende Legislaturperiode. Angesichts der zu erwartenden größeren Regierungsumbildung ist davon auszugehen, dass auch die neu ernannten Regierungsmitglieder zu ihren Aufgabengebieten Stellung nehmen. Jedenfalls ist eine umfassende und heftige Debatte über die Politik der SPÖ-ÖVP-Koalition zu erwarten.

Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping wird verschärft

Die Regierung setzt nun weitere Schritte gegen Sozial- und Lohndumping und hat dem Parlament ein Gesetzespaket vorgelegt, das den Sozialausschuss mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und Team Stronach passiert hat. Die FPÖ hält das Ganze für zahnlos, die NEOS befürchten eine Abschottung des österreichischen Arbeitsmarkts.

Kernpunkt der Gesetzesnovelle ist, neben der Einführung einer Auftraggeberhaftung im Baubereich, die Implementierung eines elektronischen Behördenkooperationssystems (IMI) zur engeren Zusammenarbeit mit den anderen EU-Staaten. Damit sollen Verwaltungsstrafverfahren gegen ausländische Unternehmen wegen Unterentlohnung und ähnlicher Vergehen beschleunigt werden, auch sollen Strafbescheide leichter vollstreckt werden können.  Österreich setzt damit die EU-Richtlinie zur Durchsetzung der EU-Entsenderechtlinie, kurz Durchsetzungsrichtlinie, um.

Zur Schaffung einer klaren und übersichtlichen Struktur werden außerdem die Regelungen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping aus dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) herausgelöst und in ein eigenes Gesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, transferiert. Das betrifft etwa auch die Pflicht ausländischer Unternehmen, nach Österreich entsendete ArbeitnehmerInnen nicht nur nach österreichischem Kollektivvertrag zu bezahlen, sondern ihnen auch die gleichen Urlaubsansprüche und Ruhezeiten zuzugestehen. Ausdrücklich gilt das neue Gesetz auch für HeimarbeiterInnen und in weiten Bereichen für LandarbeiterInnen.

Neu im Baubereich eingeführt wird eine Auftraggeberhaftung für Lohnansprüche grenzüberschreitend tätiger ArbeitnehmerInnen. Damit will man Auftraggeber von Bauaufträgen dazu bewegen, mehr Sorgfalt bei der Auswahl der ausführenden Unternehmen walten zu lassen, wobei die Haftung im Falle einer direkten Auftragsvergabe durch den Bauherren bzw. die Bauherrin – also nicht in Form einer Auftragskette – nur dann gilt, wenn der Auftraggeber von der Unterentlohnung gewusst hat bzw. davon wissen musste. Betroffene BauarbeiterInnen haben acht Wochen Zeit, um eine Unterentlohnung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zu melden. Per Ausschussfeststellung ausdrücklich klargestellt wurde in diesem Zusammenhang, dass der Erstauftraggeber nicht für eine allfällige Unterentlohnung haftet, wenn er ein befugtes Unternehmen im Inland beauftragt hat.

Das Gesetzespaket sieht aber auch einige bürokratische Erleichterungen vor, etwa was die Bereithaltung von Unterlagen am Arbeitsort und die Vorabmeldung betrifft. Bestimmte vorübergehende Mitarbeiter-Entsendungen innerhalb grenzüberschreitend tätiger Konzerne werden vom neuen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz überhaupt ausgenommen.

Zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping hat der Nationalrat in der Vergangenheit bereits eine Reihe von Schritten gesetzt. So wurden im Jahr 2011, kurz vor der Öffnung des Arbeitsmarkts für zehn ost- und südosteuropäische EU-Länder, umfangreiche Dokumentationspflichten für Unternehmen, die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Lohnkontrollen und eine deutliche Anhebung des Strafrahmens beschlossen, um die Bezahlung von Dumpinglöhnen zu unterbinden. Die Bestimmungen wurden 2014 zur Schließung einiger Schlupflöcher nachgeschärft. Vor kurzem haben die Abgeordneten außerdem eine Novelle zum Bundesvergabegesetz verabschiedet, die bei Auftragsvergaben der öffentlichen Hand das Bestbieterprinzip gegenüber dem Billigstbieterprinzip stärkt.

Anträge der FPÖ und Grünen zu Bestbieterprinzip, Aufstockung der Finanzpolizei, Sperre des Arbeitsmarkts für AsylwerberInnen, Kassasturz beim AMS und zur gesetzlichen Verankerung des 13. und 14. Monatsgehalts

Mitverhandelt mit dem Gesetzespaket gegen Lohn- und Sozialdumping werden Anträge der FPÖ und der Grünen.

So sprechen sich die Freiheitlichen dafür aus, bei Auftragsvergaben durch die öffentliche Hand künftig ausnahmslos das Bestbieterprinzip anzuwenden. Dieser Entschließungsantrag soll auf Empfehlung des Sozialausschusses dem Verfassungsausschuss zugewiesen werden, da dieser Ausschuss für Änderungen im Bundesvergaberecht zuständig ist.

Neben den Freiheitlichen treten auch die Grünen für die weitere Stärkung des Bestbieterprinzips im Vergaberecht ein. Man solle alle Gestaltungsmöglichkeiten, die die einschlägige EU-Richtlinie bietet, nutzen und verstärkt auf Qualitätskriterien sowie umweltrelevante und soziale Aspekte fokussieren, verlangen sie in ihrem Antrag, der ebenfalls an den Verfassungsausschuss weitergeleitet werden soll.

Voraussichtlich abgelehnt wird eine Initiative der Freiheitlichen, den Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen nicht weiter zu öffnen.

Der Finanzausschuss soll sich näher mit dem Anliegen der Grünen befassen, die Finanzpolizei personell und finanziell besser auszustatten und die Lohnkontrollen zu verstärken. Im Sozialausschuss haben sich auch SPÖ-Abgeordnete hinter die Intention des diesbezüglichen Antrags gestellt. Die Befürworter der Initiative halten eine Aufstockung der Finanzpolizei für notwendig, um die Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes auch durchsetzen zu können.

Unter dem Titel "Kassasturz in der Arbeitslosenversicherung" sprechen sich die Freiheitlichen dafür aus, gemeinsam mit der monatlichen Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen jeweils auch einen Statusbericht über die budgetäre Lage der Arbeitslosenversicherung und das zur Verfügung stehende AMS-Budget zu erstellen. Ein solcher Kassasturz würde die Möglichkeit bieten, sich die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen genauer anzuschauen und zielgerichtete Pläne zu entwickeln, meinen die FPÖ-Abgeordneten.

Dieser FP-Vorstoß wird voraussichtlich ebenso wenig eine Mehrheit finden wie die Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung des 13. und 14. Monatsgehalts. Derzeit sind die Sonderzahlungen in den Kollektivverträgen verankert.

Lösung zur Rettung des "Uhudler"

Mit einer Novelle zum Weingesetz wird der "Uhudler" vom Wein zum Obstwein und soll durch eine geschützte Ursprungsbezeichnung dauerhaft abgesichert werden. Trotz der Übertragung in den Obstweinbereich bleiben die Vorschriften für Wein – önologisches Verfahren, Kellerbuch, Kataster – aber aufrecht. Weitere Änderungen des Weingesetzes betreffen die Erhöhung des Hektarertrags von 9.000 kg auf 10.000 kg nach der Umstellung des Rebflächenverzeichnisses auf die Anforderungen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems. Zudem enthält die Novelle auch einen Vorbehalt der Bezeichnung "Ausbruch" für Prädikatsweine aus Rust. Nach dem EU-Recht war der "Uhudler" nur befristet bis 2030 zugelassen, die Grünen sehen in der Obstwein-Lösung noch offene Fragen.

Suche nach einem Ausweg aus der Krise am Milchmarkt

Das Auslaufen der Milchquoten in der EU mit April des Vorjahres hat für die betroffenen bäuerlichen Betriebe negative Folgen gehabt. Über die von der Opposition in Form von Entschließungen vorgelegten Vorschläge zur Verbesserung der Situation konnte aber in dem eigens dafür eingesetzten Unterausschuss keine Einigung erzielt werden. Das von allen vier Oppositionsparteien gemeinsam geforderte "10-Punkte Milchpaket" mit der zentralen Forderung nach einem garantierten Milchpreis für die ersten 65.000 Liter sowie ein Vorstoß der FPÖ in Richtung Mengenregulierung zur Stabilisierung des Milchmarkts fanden im Landwirtschaftsausschuss keine ausreichende Zustimmung.

Zum "Milchpaket" haben SPÖ und ÖVP hingegen eine eigene Entschließung eingebracht, in der die Regierung aufgefordert wird, Studien zur Situation der Agrarmärkte sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Wertschöpfung und zur Verbesserung der Marktsituation zu fördern. Für Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sind nationale Milchquotenregelungen weder rechtlich möglich, noch ökonomisch sinnvoll, machte er bereits im Ausschuss klar.

Die Grünen setzen in der angespannten Situation am Milchmarkt auf das Gespräch und wollen einen sogenannten "Milchdialog" in Form eines Runden Tisches mit allen Beteiligten – von den Milchbetrieben über die Lebensmittelindustrie bis hin zu den VerbraucherInnen. Ihr ursprünglicher Antrag wurde im Landwirtschaftsausschuss abgelehnt, die Agrarsprecher aller Fraktionen einigten sich aber auf eine gemeinsame Aufforderung an die Regierung in Form eines Antrags, einen Runden Tisch mit den wichtigsten Stakeholdern abzuhalten.

Klares Signal gegen Gentechnik-Anbau in Österreich

Die Bundesregierung hat im Landwirtschaftsausschuss von allen sechs Parlamentsparteien den Auftrag erhalten, im Fall einer EU-Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen deren Anbau in Österreich mit den bestehenden gesetzlichen Mitteln zu verhindern. Grundlage für die Entschließung war ein Antrag der Freiheitlichen gegen den Anbau und die Einfuhr von genmodifizierten Maissorten. (Schluss) jan/keg