Parlamentskorrespondenz Nr. 674 vom 15.06.2016

Kinderbetreuungsgeld: Ab März 2017 kommt flexibles Konto

Reformpaket erhält im Nationalrat Stimmen von SPÖ, ÖVP und Team Stronach

Wien (PK) – Die Verhandlungen über eine Reform des Kinderbetreuungsgelds haben länger gedauert als ursprünglich beabsichtigt. Nun ist das Gesetzespaket aber unter Dach und Fach. Der Nationalrat stimmte in seiner heutigen Sitzung der von Familienministerin Sophie Karmasin initiierten Regierungsvorlage mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP und Team Stronach zu. Zuvor waren im Ausschuss noch geringfügige Änderungen vorgenommen worden. Unzufrieden mit der Reform sind FPÖ, Grüne und NEOS, Judith Schwentner (G) und Michael Pock (N) sehen eine große Chance auf weitergehende Reformen vertan. FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller kritisierte unter anderem, dass das Kindergeld nicht valorisiert und die Zuverdienstgrenze nicht abgeschafft wird.

Anträge der Opposition fanden keine Mehrheit. So folgte der Nationalrat den Empfehlungen des Familienausschusses und lehnte sowohl einen von der FPÖ eingebrachten Antrag zur Zuverdienstgrenze als auch einen Antrag der NEOS betreffend die Einführung einer zweiten, längeren, Variante des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds ab. Auch weitere, im Zuge der heutigen Beratungen eingebrachte Entschließungsanträge sowie ein Abänderungsantrag der NEOS blieben in der Minderheit. In Form einer Entschließung ersucht der Nationalrat Familienministerin Sophie Karmasin, sich intensiv mit den Chancen und Nutzen von Internet und neuen Medien für Kinder und Jugendliche auseinanderzusetzen.

Flexibles Konto, Partnerschaftsbonus und "Familienzeit"

Kernpunkt der Reform ist ein flexibles Kinderbetreuungsgeld-Konto. Es ersetzt ab dem 1. März 2017 die derzeit wählbaren vier Pauschalvarianten. Je nach Länge der Inanspruchnahme werden monatlich zwischen rund 440 € und 1.030 € ausgezahlt, wobei der Bezug für einen Elternteil auf 28 Monate und für beide Eltern auf 35 Monate begrenzt sein wird. Die ausgezahlte Gesamtsumme beträgt 12.337 € für einen Elternteil bzw. 15.449 € für beide Elternteile. Außerdem winkt ein Partnerschaftsbonus von 1.000 € bei annähernd gleicher Aufteilung der Kinderbetreuung sowie ein Vorschuss von 700 € auf das Kinderbetreuungsgeld, sollte der so genannte "Papa-Monat" (Familienzeit) in Anspruch genommen werden. Voraussetzung für diese einmonatige berufliche Auszeit nach der Geburt eines Kindes ist eine Einigung mit dem Arbeitgeber. Weiter bestehen bleibt die Möglichkeit, 12 bzw. 14 Monate einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld in Anspruch zu nehmen.

Im Paket enthalten sind auch gewisse Verbesserungen für AlleinerzieherInnen. Mit Einbußen von jeweils 1.300 € müssen hingegen Eltern rechnen, die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen versäumen. Ziel des Reformpakets ist neben mehr Flexibilität für die Eltern auch eine höhere Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung.

FPÖ kritisiert Verschlechterungen für manche Eltern

In der Debatte beklagte FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller, dass trotz der langen Verhandlungen über die Kinderbetreuungsgeld-Reform "nichts Erfreuliches herausgekommen ist". Weder habe man eine Valorisierung des Kindergeldes vorgenommen, noch komme es zu Vereinfachungen und mehr Transparenz. Vielmehr bringe das vorliegende Reformpaket für manche Familien sogar Verschlechterungen, und zwar sowohl was die maximale Bezugsdauer von Kindergeld als auch was die ausgezahlte Summe betrifft. Betroffen sind laut Kitzmüller vor allem Alleinerziehende sowie Eltern, die sich nicht für eine Aufteilung der Kinderbetreuung entscheiden. Sie forderte daher einen Schritt zurück, konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag aber nicht durchsetzen. Auch ihre Forderung nach einer gänzlichen Abschaffung der Zuverdienstgrenze fand wenig Anklang.

Im Zusammenhang mit dem "Papa-Monat" bemängelte Kitzmüller unter anderem, dass der so genannte Familienzeit-Bonus von 700 € auf das Kinderbetreuungsgeld angerechnet wird. Ähnlich wie Kitzmüller argumentierte auch der frühere FPÖ-Abgeordnete Rupert Doppler (o.F.).

Grüne fordern weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Väterbeteiligung

Enttäuscht äußerte sich auch Grün-Abgeordnete Judith Schwentner. Sie sieht zwar einige positive Punkte im Paket, ihrer Meinung nach hat man aber die Chance vertan, Gesellschaftspolitik zu machen und ambitionierte Schritte zu setzen, um die Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung zu erhöhen. Das Kinderbetreuungsgeld sei auch nach wie vor von einem traditionellen Familienbild geprägt: "Vater, Mutter und Kind unter einem Dach".

Zur Untermauerung ihrer Kritik legte Schwentner namens der Grünen ein ganzes Forderungspaket auf den Tisch. Sie plädierte unter anderem dafür, Kinderbetreuungsgeld und Karenzdauer aneinander anzugleichen, Vätern einen Rechtsanspruch auf den "Papa-Monat" einzuräumen, AlleinerzieherInnen zusätzliche Kinderbetreuungsgeld-Monate zu gewähren und den für Väter reservierten Anteil am Kinderbetreuungsgeld von 20% auf zumindest 30% zu erhöhen. Außerdem verlangte sie, die vorgesehenen Einschnitte beim Wochengeld für Kindergeldbezieherinnen wieder rückgängig zu machen. Bedauert wird von den Grünen auch, dass Arbeitslosen oder Personen in Bildungskarenz der Zugang zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld weiter verwehrt bleibt.

NEOS wollen Bezugsdauer von Kinderbetreuungsgeld kürzen

Auch nach Meinung der NEOS geht die Koalition von einem überholten Familienbild aus. Abgeordneter Michael Pock zeigte etwa kein Verständnis dafür, dass für einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und auf Karenz ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind Voraussetzung ist. Eine Trennung der Eltern müsse nicht unbedingt bedeuten, dass sich der Vater nicht an der Kinderbetreuung beteiligen wolle, argumentiert er, konnte für einen Entschließungsantrag zu diesem Thema aber keine Mehrheit finden.

Auch ein von NEOS-Abgeordneter Claudia Gamon eingebrachter Abänderungsantrag blieb bei der Abstimmung in der Minderheit. Ziel dieses Antrags war eine Angleichung des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld an die arbeitsrechtliche Karenz. Um den Wiedereinstieg vor allem von Frauen ins Berufsleben zu erleichtern, drängte Gamon konkret darauf, die maximale Bezugsdauer von Kinderbetreuungsgeld auf 24 Monate für einen Elternteil – bzw. 30 Monate für beide Elternteile – zu reduzieren. Gleichzeitig ging es ihr darum, die höchstmögliche Bezugsdauer von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld auf 15 Monate (12+3) zu erhöhen. Die Reform des Kinderbetreuungsgeldes werde nicht dazu führen, dass Frauen künftig mehr Chancen am Arbeitsmarkt haben, glaubt Gamon.

SPÖ und ÖVP stellen sich hinter Reformpaket

Ausdrücklich hinter die Reform stellten sich die VertreterInnen der Koalitionsparteien. So zeigte sich ÖVP-Familiensprecher Georg Strasser erfreut, dass die Gesetzesnovelle nach einem intensiven Diskussions- und Entscheidungsprozess nun "über die Ziellinie gebracht wird". Er ist überzeugt, dass das neue Kinderbetreuungsgeld-Konto mehr Fairness und Flexibilität bringt und der Familienrealität besser als die jetzige Regelung entspricht.

Strasser und seine FraktionskollegInnen Nikolaus Prinz, August Wöginger und Angela Fichtinger hoben zudem die vielfältige Unterstützung für Familien in Österreich hervor. Es habe in der Vergangenheit auch keinen Werteverlust bei den Familienleistungen gegeben, wie eine Studie der Arbeiterkammer zeige, hielt Wöginger fest. Er verwies überdies auf die zuletzt wieder gestiegene Zahl von Geburten in Österreich.

Seitens der SPÖ gestand Angela Lueger zu, dass das Gesetz schwer zu lesen ist. Sie ist aber zuversichtlich, dass es den Eltern leicht fallen wird, durch entsprechende Informationen die für sie beste Lösung zu finden. Jeder könne künftig selbst entscheiden, in welcher Zeitspanne er die am Kinderbetreuungsgeld-Konto liegende Geldsumme ausgezahlt haben wolle. Auf diesen Umstand machte auch ihr Fraktionskollege Hermann Lipitsch aufmerksam.

Erstmals seien zudem Krisen-Pflegeeltern "mit im Boot", skizzierte Lueger. Ulrike Königsberger-Ludwig (S) ist überzeugt, dass die Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung steigen wird. Daniela Holzinger-Vogtenhuber (S) ging auf den "Papa-Monat" ein, den sie als einen wichtigen Baustein zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sieht. Besonders begrüßte sie außerdem den Partnerschaftsbonus. Ein kleiner Wermutstropfen ist für die SPÖ, dass beim "Papa-Monat" kein Kündigungsschutz verankert wurde, Abgeordnete Lueger machte aber geltend, dass das Gesetz nach einiger Zeit ohnehin evaluiert wird.

Dass man bei der Familienzeit auf die Verankerung eines Kündigungsschutzes verzichtet hat, wurde hingegen von ÖVP-Abgeordneter Kathrin Nachbaur ausdrücklich begrüßt. Sie hob zudem die Bedeutung der Wahlfreiheit für die Eltern hervor.

Auch FPÖ-Abgeordnete Barbara Rosenkranz pochte auf die Wahlfreiheit der Eltern bei der Kinderbetreuung und äußerte sich in diesem Sinn ablehnend zum Abänderungsantrag der NEOS und zum Entschließungsantrag der Grünen. Es müsse den Frauen vorbehalten bleiben, ob und inwieweit sie ins Erwerbsleben zurückkehren wollen, betonte sie.

Elisabeth Grossmann (S) gab in Richtung Rosenkranz zu bedenken, dass eine längere Absenz vom Arbeitsmarkt auch ein niedrigeres Erwerbseinkommen bewirke und die Gefahr von Altersarmut erhöhe. Dafür müsse man Bewusstsein schaffen. Auch Grün-Abgeordneter Harald Walser setzte sich kritisch mit der Wortmeldung der FPÖ-Mandatarin auseinander. Die Gesellschaft müsse darauf reagieren, dass viele Kinder in Alleinerzieherhaushalten aufwachsen.

Team Stronach für regelmäßige Valorisierung von Familienleistungen

Zustimmung zum Reformpaket kam auch vom Team Stronach, wiewohl Abgeordneter Leopold Steinbichler auch Verständnis für kritische Stimmen zeigte. Insbesondere bedauerte er, dass das Kinderbetreuungsgeld und andere Familienleistungen wie die Familienbeihilfe und das Pflegegeld nicht regelmäßig valorisiert werden. Seiner Meinung nach hat das sehr wohl zu einem massiven Kaufkraftverlust für die Familien geführt. Steinbichler konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag aber ebenso wenig durchsetzen wie mit der Forderung nach einer verbesserten Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die Pension. Für jedes Kind solle die volle Versicherungszeit von vier Jahren angerechnet werden, auch wenn der Abstand zwischen den Geburten kürzer ist, forderte er.

Bei ÖVP-Sozialsprecher Wöginger stieß Steinbichler mit diesem Anliegen grundsätzlich auf eine positive Resonanz. Er gab aber zu bedenken, dass diese Maßnahme 280 Mio. € pro Jahr kosten würde.

Für Familienministerin Sophie Karmasin war die Reform des Kinderbetreuungsgeldes "eine schwere und lange, aber gesunde und natürliche Geburt". Unter den verschiedenen Neuerungen hob sie auch die künftige einmalige Wechselmöglichkeit der Bezugsdauer hervor. Als besonderes Anliegen nannte Karmasin eine höhere Väterbeteiligung und ein partnerschaftliches Familienmodell.

Verstärkter Fokus auf Chancen im World Wide Web für Digital Natives

Kinder und Jugendliche sind bisher eher nur für Gefahren im Internet sensibilisiert worden, Chancen und Nutzen von digitalen Medien sind dadurch in der Arbeit des Familienministeriums eher in den Hintergrund gerückt, finden die JugendsprecherInnen des Parlaments. Der Nationalrat hat die Regierung aus diesem Grund einstimmig mit der Erstellung eines Konzepts beauftragt, das den Fokus verstärkt auf die nutzbringenden Möglichkeiten der Neuen Medien für Digital Natives legt.

Dass das Internet bei vielen jungen Menschen mittlerweile zum Alltag gehört, betonten Asdin El Habbassi (V) und Katharina Kucharowits (S). Ein Tablet zu nutzen, sei für viele Kinder mittlerweile genauso selbstverständlich wie Zähneputzen, meinte Kucharowits. Junge Menschen müssten in Sachen Internet fit gemacht werden, sagte die SPÖ-Jugendsprecherin und schlug vor, Kinder und Jugendliche bei der Konzepterstellung einzubinden. El Habbassi plädierte dafür, Chancen und Nutzen des Internets zu einem der Hauptthemen in den Bildungsbemühungen zu machen. Sein Fraktionskollege Norbert Sieber meinte, dass ein Konzept, in dem das bereits bestehende Angebot des Familienministeriums gebündelt wird, "wichtig und richtig" sei.

"Die alte Politik hat sich mit jungen Revolutionen bisher schwer getan", sagte Ideengeber Julian Schmid (G). Er selbst habe die Erfahrung gemacht, dass ältere Menschen das Internet eher mit Sorge und Angst betrachten. Für ihn sind Datenschutzaspekte und die Frage der Identität im Netz zwei Zukunftsthemen in Zusammenhang mit dem Digitalen Wandel.

Leichte Kritik kam von Claudia Gamon (N). Sie hält die Entschließung für einen "No-Na-Antrag", den keine Partei ablehnen könne, vermisste aber konkrete Maßnahmen etwa begleitend im Bildungssystem.

Leopold Steinbichler vom Team Stronach steht Digitalen Medien nicht nur positiv gegenüber. Gespräche oder familiäre Kommunikation würden dadurch oft beeinflusst oder unterbunden, beklagte er. Insofern pflichtete Steinbichler den JugendsprecherInnen der anderen Fraktionen bei, dass die Politik die Augen vor diesen Medien nicht verschließen dürfe. (Fortsetzung Nationalrat) gs/keg