Parlamentskorrespondenz Nr. 824 vom 07.07.2016

NEOS wollen Regierung bei Reformen unter Druck setzen

New Deal: Oppositionsfraktion bringt 20 Fristsetzungsanträge ein

Wien (PK) – Die NEOS wollen dem proklamierten "New Deal" der Bundesregierung einem sogenannten "Elchtest" unterziehen und haben heute am vorletzten Nationalrats sitzungstag vor dem Sommer wie angekündigt 20 Fristsetzungsanträge eingebracht. Mit dieser Aktion wollen sie der Regierung bzw. dem Finanzausschuss bis 12. Oktober, also bis kurz vor Beginn der Budgetverhandlungen, eine Frist setzen, ihre Ideen zu geplanten Reformvorhaben von Bundeskanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner umzusetzen. Die Oppositionsfraktion zweifelt nämlich am neuen Stil der Bundesregierung und glaubt nicht, dass in den Bereichen Wirtschaft, Entbürokratisierung, Innovation und Forschung, bei den Jobs und den Schulen, in der Bildung oder beim zentralen Thema Asyl ernsthafte Reformen auf den Weg gebracht werden. Über eine der Fristsetzungen, nämlich zur Senkung der Lohnnebenkosten, die bereits am Nachmittag abgelehnt wurde, gab es eine Kurze Debatte im Nationalrat. Die NEOS und die Freiheitlichen holten darin zu einem Rundumschlag gegen die Regierung aus, Finanzminister Hans Jörg Schelling wiederum verwies auf die jüngst gesetzten sowie geplanten Maßnahmen etwa bei der Gewerbeordnung oder bei den Start-ups.

NEOS und FPÖ holen zum Rundumschlag aus

Sollte die Regierung nicht entschlossen in Richtung Reformen und Erneuerungen gehen, wird die Steuerabgabenbelastung in Österreich noch weiter ansteigen, prognostizierte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz, der ein vor ihm platziertes Elchschild am Rednerpult als neues Regierungslogo bezeichnete. Seine Fraktion will mit dem "Elchtest" prüfen, ob die Versprechen von Bundes- und Vizekanzler ernst gemeint sind. "Konkrete Maßnahmen sehen wir noch nicht", meinte Strolz, die Vertagungspraxis von Oppositionsanträgen hält er für eine falsche Gangart der Regierung. Ein neuer Stil würde bedeuten, sich auch mit Ideen der Opposition stärker auseinanderzusetzen.

Hart ins Gericht ging auch Axel Kassegger von den Freiheitlichen mit der Regierung. Eine Lohnnebenkostensenkung ist für ihn aber nur der zweite Schritt, vorher müsste das massive Ausgabenproblem gelöst werden. Es handle sich hierbei um ein strukturelles Problem, Österreich verharrt nach Meinung Kasseggers in überholten Strukturen und Besitzständen eines Kammernstaates, auch die Förderintransparenz werde im ausgerufenen neuen Stil nicht erwähnt. Auch ein ineffizienter Föderalismus würde Milliarden an Kosten verursachen.

Schelling: Forderungen bereits umgesetzt

Finanzminister Hans Jörg Schelling verteidigte die Reformbemühungen der Bundesregierung und verwies etwa auf die bereits beschlossene Senkung der Lohnnebenkosten über den Familienlastenausgleichfonds (FLAF) und die jüngst auf den Weg geschickten Neuerungen für die Start-up-Szene oder in der Gewerbeordnung. Für den Herbst kündigte der Minister weitere Maßnahmen bei den Faktoren Wirtschaftsstandort und Arbeit an. Die Regierung habe bewiesen, dass sie das Thema Lohnnebenkosten ernst nimmt, meinte er, "das, was ihr wollt, haben wir schon gemacht", so seine Botschaft in Richtung Strolz. Dass mit den bisher gesetzten Schritten der Regierung, die ohne die Stimmen der NEOS passiert seien, wichtige Effekte in Gang gebracht wurden, meinte zudem Peter Haubner (V).

Auch wenn Maßnahmen bereits gesetzt wurden, seien die Forderungen seiner Fraktion nicht überholt, entgegnete Nikolaus Alm (N). Das geplante Gesetzespaket für Start-ups bewertete er als positiv, Alm sprach sich darüber hinaus aber für die Schaffung einer Rechtsform etwa in Form einer "AG light" aus.

SPÖ und Grüne: NEOS wollen Interessen der ArbeitnehmerInnen schwächen

Die von der Regierung bereits im Vorjahr beschlossene Senkung der Lohnnebenkosten über den Familienlastenausgleichsfonds ist laut NEOS angesichts der hohen Verschuldung des FLAF, der Steigerung der Ausgaben und familienfremder Leistungen ohne dessen Reform aber nicht möglich und schlagen im Gegensatz dazu vor, den Unfallversicherungsbeitrag von 1,3% auf 1%, den Dienstgeberbeitrag zum FLAF von 4,5% auf 3,75% und die Arbeiterkammerumlage von 0,5% auf 0,25% senken sowie den Wohnbauförderungsbeitrag, die Kommunalsteuer und die "Kammerumlage 2" zu streichen. Ihre Vorschläge stießen insbesondere bei Wolfgang Katzian (S) und Bruno Rossmann (G) auf Ablehnung. Mit dem "Elchtest" hätten die NEOS einen "Bauchfleck" gemacht, der Oppositionsfraktion würde es etwa bei ihrer Forderung nach einer Senkung der Arbeiterkammerumlage nur darum gehen, die Interessen der ArbeitnehmerInnen zu schwächen, meinte Katzian. Er vermisste bei den "turbokapitalistischen Vorschlägen" der NEOS Ideen zur Gegenfinanzierung. Einen fehlenden Finanzierungsvorschlag ortete auch Rossmann, der den Antrag der NEOS als populistisches Konzept abqualifizierte. Mit der Forderung, die Arbeiterkammerumlage senken zu wollen, will die pinke Fraktion aus seiner Sicht der Arbeitnehmervertretung "eins ans Zeug flicken". Außerdem würden sie damit falsch liegen, dass Österreich bei internationalen Standortrankings verliert.

Von Seiten des Team Stronach stand Leopold Steinbichler (T) für die weitere Senkung der Lohnnebenkosten ein und demonstrierte sein Anliegen anhand eines Taferls, auf dem er die tatsächlichen Kosten für einen Betrieb mit dem durchschnittlichen Teilzeitgehalt einer Büroangestellten gegenübergestellt hatte. Die Realität sollte nicht verleugnet werden, plädierte Steinbichler.

Insgesamt 20 Fristsetzungen zum Tagungsende

Die NEOS fordern in ihren 19 weiteren Initiativen, die in den vergangenen Jahren und Monaten in parlamentarischen Ausschüssen entweder noch nicht verhandelt oder vertagt wurden, u.a. die auch von den übrigen Oppositionsfraktionen bereits zigfach vorgeschlagene Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger, einen Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen, Erwerbstätigkeitsanreize in der Bedarfsorienterten Mindestsicherung bzw. die Geldleistungen in Bundeskompetenz zu geben, eine Senkung der Körperschaftssteuer auf 12,5 %, eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, einen Rückzug der Parteipolitik aus der Schulverwaltung, eine Neugestaltung der Gewerbeordnung, mehr Transparenz bei Unternehmensförderungen, die Arbeitszeit weiter zu flexibilisieren oder eine "sunset-clause", also eine Auslaufklausel für Gesetze und Verordnungen, wie es das britische System kennt. Zur Abstimmung gelangen sie erst am Ende der heutigen Nationalratssitzung. (Fortsetzung Nationalrat) keg