Parlamentskorrespondenz Nr. 940 vom 14.09.2016

EU-Kommissarin Malmström wirbt bei Parlamentarischer Enquete für CETA

ÖVP und NEOS für Abschluss des Abkommens, andere Fraktionen skeptisch

Wien (PK) – EU-Kommissarin Cecilia Malmström ist nach wie vor überzeugt, dass das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, auch für Österreich große Vorteile bringen wird. Österreich werde als am viertmeisten globalisiertes Land eingestuft, mehr als 750.000 Arbeitsplätze seien von Exporten außerhalb der EU abhängig, machte sie bei der heutigen Parlamentarischen Enquete im Nationalrat zu CETA und TTIP geltend. CETA ist nach Meinung von Malmström überdies das beste Abkommen, das die EU jemals abgeschlossen hat, es verbessere auch die Möglichkeit landwirtschaftliche Produkte zu exportieren. Wirklich überzeugen konnte Malmström die KritikerInnen unter den Abgeordneten jedoch nicht, lediglich die ÖVP und die NEOS stellten sich ausdrücklich hinter den Vertrag.

Malmström versicherte, dass CETA nicht darauf ausgerichtet sei, den großen internationalen Konzernen zu mehr Gewinn zu verhelfen. Vielmehr gehe es darum, allgemeinen Nutzen für die Bevölkerung zu schaffen. Die Europäische Kommission habe nicht jahrelang über das Abkommen verhandelt, um den EU-BürgerInnen irgendetwas aufzuzwingen, was ihnen Nachteile bringt.

Zu den immer wieder geäußerten Bedenken gegen das Abkommen merkte Malmström an, Kanada sei "kein böses Land" sondern ein Freund und Verbündeter der EU mit gemeinsamen Interessen und ähnlichen Werten wie die europäischen Länder. Lebensmittelsicherheit und Umwelt seien auch den KanadierInnen wesentliche Anliegen. Zudem habe man das "Recht auf Regulierung im öffentlichen Interesse" ausdrücklich im Abkommen verankert sowie öffentliche Dienstleistungen und die Daseinsvorsorge geschützt. Ebenso wenig verpflichte CETA zu Privatisierungen. Auch die vorgesehenen Investitionsschutzregelungen untergraben Malmström zufolge nicht das Recht, BürgerInnen und Umwelt zu schützen.

Die EU sei in der Krise, aber nicht wegen abgeschlossener Handelsabkommen, hielt Malmström den kritischen Stimmen entgegen. Derzeit wird ihrer Auskunft nach insgesamt über rund 20 Handelsabkommen verhandelt, unter anderem mit Japan, Indonesien, afrikanischen Ländern und Mexiko. Eine Hintertür für US-amerikanische Unternehmen bietet CETA laut Malmström nicht, da eine Zweigniederlassung in Kanada nicht ausreiche, um vom Abkommen zu profitieren.

Was das weitere Prozedere hinsichtlich des Vertragsabschlusses betrifft, informierte Malmström, dass die vorläufige Anwendung des EU-Teils von CETA einer qualifizierten Mehrheit der EU-Länder im Rat bedürfe. Eine vorläufige Geltung jener Teile, die in die Zuständigkeit der Mitgliedsländer fallen, müsste einstimmig beschlossen werden. Endgültig in Kraft treten kann das Abkommen nur nach einer Ratifikation durch alle EU-Länder, wobei Malmström einen bis zu vierjährigen Ratifikationsprozess erwartet.

SPÖ bleibt skeptisch

Der überwiegende Teil der Fraktionen ließ sich von Malmströms Werben allerdings nicht überzeugen. So meinte etwa Christoph Matznetter von der SPÖ, dass seine Skepsis gegenüber CETA durch die heutige Enquete nicht beseitigt wurde. Auch sein Fraktionskollege Josef Cap bekannte sich dazu, nach wie vor ein Kritiker des Abkommens zu sein. Er befürchtet sehr wohl, dass CETA als Hintertür für TTIP fungieren könnte. Besonders skeptisch steht Cap den vorgesehenen Investitionsgerichten gegenüber: Europa habe ein lang entwickeltes Rechtssystem, Sondergerichte hätten nur dann Sinn, wenn man geltende Standards aufweichen wolle.

Kassegger: FPÖ war von Anfang an gegen CETA und TTIP

Ähnliche Argumente kamen von den FPÖ-Abgeordneten Johannes Hübner und Axel Kassegger. Die FPÖ sei von Anfang an gegen CETA und TTIP gewesen, sagte Kassegger, während es in der SPÖ nunmehr offenbar einen Gesinnungswandel gebe. Nun wäre es seiner Meinung nach wichtig, dass Österreich im Rahmen der Unterzeichnung des Vertrags ein klares Zeichen setzt.

Die Stellungnahme von EU-Kommissarin Malmström wertete Hübner als "Kaskade an Schönfärberei". Die EU habe bereits jetzt sowohl mit Kanada als auch mit den USA einen gut ausgebauten Handel mit ganz wenigen Zollhemmnissen, es gebe keinen Hinweis darauf, dass der Wohlstand durch CETA und TTIP wesentlich steigen würde, hielt er gest. Gleichzeitig gebe es aber mehrfache Risiken durch die beiden Abkommen. Für Hübner ist es entscheidend, inwieweit die EU Österreich nun "einfach die lange Nase zeigt" oder auf die geäußerten Bedenken reagiert.

Grüne rufen Regierung zu Unterschriftsverweigerung auf

Grün-Abgeordneter Werner Kogler rief die Regierung dezidiert dazu auf, die Unterzeichnung von CETA zu verweigern. Sein Fraktionskollege Wolfgang Pirklhuber stimmte mit der Einschätzung der FPÖ überein, dass die österreichische Bevölkerung das Abkommen mehrheitlich ablehne. Er ortet insgesamt eine inkohärente Politik der EU und vermisst etwa Impulse auf WTO-Ebene zur globalen Etablierung sozialer Standards und Umweltstandards im Freihandel. Pirklhuber zufolge sind auch die öffentlichen Leistungen der Gemeinden bei CETA nicht ausreichend abgesichert. Er bedauert zudem, dass das Wort Vorsorgeprinzip kein einziges Mal im Abkommen erwähnt werde.

Team Stronach sieht Einwände gegen CETA nicht ausgeräumt

Seitens des Team Stronach betonte Waltraud Dietrich, dass ihre Fraktion die Einwände gegen CETA - Schiedsgerichtbarkeit, Entmachtung des Parlaments, jederzeitige Abänderungsmöglichkeit von CETA - nicht ausgeräumt sieht. CETA müssten im Interesse der Bevölkerung die Giftzähne gezogen werden, forderte sie. Wolle man den Glaubwürdigkeitsverlust der EU nicht weiter steigern, müsse die EU-Kommission die Bedenken ernst nehmen. Niemand im Parlament sei gegen Handel, sagte Dietrich, es brauche aber einen Handel auf Augenhöhe.

ÖVP: Vorteile für Unternehmen nützen auch ArbeitnehmerInnen

Ausdrücklich befürwortet wurde CETA nur seitens der ÖVP und der NEOS. Vorteile für Unternehmen würden auch den ArbeitnehmerInnen nutzen, gab Peter Haubner (V) zu bedenken. Er warnte überdies davor, dass, wenn Europa die Chance nicht nutze, andere Länder wie Japan dies tun würden. ÖVP-Bundesrat Martin Preineder machte geltend, dass Kanada eine Volkswirtschaft mit ähnlicher Werteordnung wie die europäischen Länder sei. Er erwartet sich von CETA eine bessere Zukunft für die österreichische Landwirtschaft als ohne das Abkommen.

NEOS: Freihandel nicht am Altar des Populismus opfern

Claudia Gamon von den NEOS hob hervor, dass gerade österreichische Nischenunternehmen von CETA profitieren würden, etwa durch den Abbau von Zollschranken und die Verringerung komplexer Zertifizierungen. Die ÖsterreicherInnen hätten ein ganzes Leben vom Freihandel profitiert und würden das auch in Zukunft tun, ist sie überzeugt. Man dürfe Freihandel nicht pauschal ablehnen und "am Altar des Populismus opfern". Die EU-Kommission hat laut Gamon außerdem beim Investitionsschutz gezeigt, dass sie beweglich sei. (Schluss Enquete) gs

HINWEIS: Fotos von der Enquete finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos.