Parlamentskorrespondenz Nr. 1206 vom 11.11.2016

Neu im Umweltausschuss

Umweltkontrollbericht 2016: Große Herausforderungen beim Klimaschutz

Wien (PK) - Seit dem letzten Umweltkontrollbericht wurden einige Erfolge erzielt, der aktuelle Bericht zeigt aber auf, welche umweltpolitischen Herausforderungen, insbesondere beim Klimawandel in Österreich noch zu bewältigen sind. Um die Umweltsituation in Österreich abzubilden, legte das Umweltbundesamt kürzlich - zum elften Mal bereits - seinen dreijährigen Umweltkontrollbericht vor. Er dokumentiert den Zustand der Umwelt in Österreich und zeigt die Wirksamkeit bisheriger Umweltschutzmaßnahmen auf. Dazu kommen die Empfehlungen der ExpertInnen des Umweltbundesamtes an AkteurInnen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene, um unsere Zukunft nachhaltig gestalten zu können (III-316 d.B. und III-600-BR/2016).

Energie: Treibhausgasemissionen und fossile Energieträger reduzieren, Energieeffizienz steigern

Eine der wichtigsten Aufgaben beim Klimaschutz ist die Senkung des Energieverbrauchs und die Abkehr von fossilen Energieträgern. Hierzu wurden mehrere Fahrpläne, wie das Klimaschutzabkommen von Paris 2015 oder das Ökostromgesetz 2012 beschlossen. Der Umweltkontrollbericht zeigt zwar auf, dass der Energieverbrauch in Österreich nach einem Anstieg bis 2010 leicht gesunken ist, aber noch über den Zielen für 2020 des Bundes-Energieeffizienzgesetzes (EEffG) liegt. Um die Energieeffizienz bis 2030 um 27% zu steigern – Ziel des Europäischen Rates - empfiehlt das Umweltbundesamt, Niedrigstenergiehäuser und effizientere Produkten zu forcieren und dafür eine verbindliche Strategie bis 2030 und 2050 festzusetzen. Da die Steigerung der Energieeffizienz für die Reduktion der Treibhausgasemissionen auf dem Weg zu den Klimazielen von Paris entscheidend ist, empfiehlt das Umweltbundesamt, den Energieverbrauch in Österreich bis 2050 zu halbieren und weitestgehend auf erneuerbare Energie umzusteigen.

Derzeit macht der Anteil fossiler Energieträger in Österreich zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs aus und soll, so die ExpertInnen, unter anderem durch Reduktion der Steuerbegünstigung von fossiler Energie und durch spezifische Förderungen im Wohnbau reduziert werden.

Industrielle Anlagen: Gute Energieeffizienz, HCB kontrollieren

Leichte Verbesserungen bei der Energieeffizienz zeigt seit 2010 die Industrie. Der Einsatz von Gas ging zurück und erneuerbare Energien liegen bereits an zweiter Stelle der Energieträger. Der Industrie kommt in Österreich eine besondere Rolle zu, da sie im EU-Vergleich überdurchschnittlich zur Wertschöpfung beiträgt. Ziel der Energiepolitik muss es sein, diese wichtige Rolle zu erhalten und bei rohstoffintensiven Produktionsprozessen die Treibhausgasemissionen zu verringern – durch Einsatz aktueller und emissionsarmer Technologien und regelmäßige Kontrolle bestehender Anlagen.

Der Umweltkontrollbericht zeigt auch die Ausmaße der Hexachlorbenzol-Emissionen in Kärnten zwischen 2012 und 2014 auf, die in diesen Jahren auf bis zum Zwanzigfachen der österreichweit durchschnittlichen Werte anstiegen. Der Bericht hebt aber auch hervor, dass Kalksand mit schädlicher Beimengung mittlerweile verboten ist und empfiehlt, Emissionsgrenzwerte, vor allem bei Schwermetall-Emissionen, kontinuierlich zu überwachen.

Mobilität: Alternative Verkehrskonzepte für die Dekarbonisierung

Trotz Zunahme der jährlichen Verkehrsleistung im Pkw- und Gütertransport konnten in den vergangenen Jahren die Stickstoff- und Partikel-Emissionen gesenkt werden, während die Treibhausgas-Ausstöße und der Energieverbrauch im Verkehrssektor hoch blieben. Seit 2000 ist das Schienennetz um 14% geschrumpft, während das Straßennetz um 13% wuchs, heben die UmweltexpertInnen hervor und betonen die Notwendigkeit, Mobilitätswende und Dekarbonisierung zu forcieren, verschiedene Mobilitätsformen besser miteinander zu verknüpfen, den öffentlichen Verkehr in ländlichen Gebieten attraktiver zu machen und den Güterverkehr vermehrt von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Für eine nachhaltige Mobilitätsentwicklung ist die E-Mobilität das aussichtsreichste Modell, das durch Ausbau der Ladeinfrastruktur zu attraktivieren sei. Dem Ziel der Energiestrategie 2010, bis 2020 250.000 Elektrofahrzeuge in Österreich zu erreichen, steht ein mangelndes Fahrzeugangebot und hohe Anschaffungskosten im Weg, so das Umweltbundesamt.

Landwirtschaft und Wald: Gute ÖPUL-Arbeit und Biodiversität

Der Land- und Forstwirtschaft stellt der Bericht ein überwiegend positives Zeugnis aus. Der steigende Humusgehalt der Böden ist auch dem Österreichischen Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) zu verdanken, betont das Umweltbundesamt und lobt die gute Förderarbeit im Biolandbau, der auch für den Klimaschutz wichtig ist. Auch dem Ausbau des Anteils der Biomasse an der Energiegewinnung soll im Agrarsektor Augenmerk geschenkt werden, um auch dort von fossilen Brennstoffen wegzukommen.

Sauberes Wasser und Vorbereitung auf Trockenperioden

Die Qualität der österreichischen Oberflächenwässer ist gut, lobt der Bericht, vor allem die Qualität der Fließgewässer wurde verbessert. Die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 erfordern allerdings weitere Maßnahmen bei der Sanierung und Verbesserung der Gewässer. Im Grundwasser werden regional nach wie vor Nitrat- und Pestizidbelastungen festgestellt. Österreich hat ausreichend Grundwasser, dennoch warnt das Umweltbundesamt, dass der Klimawandel lokal zu Wassermangel führen könnte.

Bodenschutz und Flächenmanagement: Weniger Bebauung erforderlich

Der Boden ist ein wichtiger Aspekt des Ökosystems. Er filtert und speichert Wasser und trägt als Kohlenstofffilter zum Klimaschutz bei. Das Umweltbundesamt empfiehlt daher, die Bodenversiegelung einzudämmen und mit einem strategischen Flächenmanagement eine nachhaltige Nutzung des Bodens zu gewährleisten. Die Zielwerte beim Schutz der Böden vor Versiegelung wurden in den vergangenen Jahren verfehlt, zeigt der Bericht auf. Verbesserungen zeigen die ExpertInnen bei der Schadstoff- und Schwermetallbelastung auf.

Biologische Vielfalt: Artenreichtum erhalten

Österreich gehört zu den artenreichsten Ländern Mitteleuropas. Die Biodiversität trägt entscheidend zur Lebensqualität und zur Bereitstellung von natürlichen Ressourcen bei, wird aber durch Infrastrukturausbau und Siedlungstätigkeit eingeschränkt. Das Umweltbundesamt lobt die Biodiversitäts-Strategie 2020 und Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung wie jene von "Nationalparks Austria". Der aktuelle Erhaltungszustand der Arten und Lebensraumtypen macht es notwendig, die bestehenden Schutzmaßnahmen auszubauen.

Luft: Weniger Feinstaub und SO2, Problem Diesel-Pkw

Die Luftqualität ist wichtig für die Gesundheit der Menschen und die  Ökosysteme. In den letzten Jahren konnten die Luftemissionen und –immissionen in der EU und in Österreich gesenkt werden, vor allem bei Schwefeldioxid und flüchtigen organischen Verbindungen (NMVOC) ohne Methan. Die Feinstaubbelastung wurde unter die Grenzwerte des Emissionshöchstmengengesetzes-Luft gesenkt. Die Zunahme der Diesel-Pkw und die mangelnde Wirksamkeit der EU-Abgasrichtlinie verhinderten das Erreichen der Zielwerte bei den Stickstoffoxiden.

Umwelt und Gesundheit: Human Biomonitoring und Vorbereitung auf Hitzewellen

Eine unbelastete Umwelt ist entscheidend für die Gesundheit, hebt der Bericht hervor und betont, dass in den vergangenen Jahren auf nationaler Ebene viele Erfolge zu verzeichnen waren. Dennoch stehen auch hier einige Herausforderungen an. Neben der Vorbereitung auf die Folgen des Klimawandels für die menschliche Gesundheit, wie Herz-Kreislauf-Problemen durch lange Hitzeperioden, oder die Invasion gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten als Krankheitsüberträger, ist auch der Belastung durch Chemikalien in der Umwelt Aufmerksamkeit zu schenken. Das Umweltbundesamt schlägt ein nationales Human Biomonitoring Programm für Österreich vor.

Weniger klimaschädliche Emissionen

Zur Begrenzung des Klimawandels wurden ambitionierte internationale Ziele gesetzt, die auch in Österreich umzusetzen sind. Die Treibhausgas-Emissionen sollen in Österreich bis 2030 um 36% und bis 2050 um mindestens 80% trotz Bevölkerungswachstum und bei möglichst hohem Wirtschaftswachstum reduziert werden. Trotz Erfolgen bei der  Energieeffizienz und bei erneuerbaren Energieträgern sind die Treibhausgase weiter zu reduzieren - die bisherigen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, heißt es im Bericht des Umweltbundesamts. Zu forcieren sind die Entwicklung klimafreundlicher Fahrzeuge und kohlenstoffarmer Technologien sowie die Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energieträger.

Klimawandel: Steigende Kosten durch Wetterextreme

Der Klimawandel ist in Österreich deutlich wahrnehmbar. Seit 1880 ist die Temperatur um 2°C gestiegen, wobei die Hälfte der Erwärmung seit 1980 stattfand. Wetterextreme wie intensivere Regengüsse, Hitzewellen und Dürre-Perioden nehmen zu, bereiten gesundheitliche Probleme und gefährden Infrastrukturen und Landwirtschaft. Die Kosten für die Folgen des Klimawandels betragen derzeit 1 Mrd. € pro Jahr und werden in Österreich bis Mitte des Jahrhunderts 3,8 bis 8,8 Mrd. € betragen und alle Wirtschaftsbereiche treffen. Anpassungen in der Gewässerökologie sowie in Land- und Fortwirtschaft alleine reichen nicht aus, um die Vorgaben der europäischen Anpassungsstrategie zu erfüllen, liest man im Umweltkontrollbericht.

Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft: Österreich als Vorreiter

Der österreichischen Abfallwirtschaft stellt das Umweltbundesamt ein gutes Zeugnis aus. Bei den Recyclingquoten nimmt Österreich im EU-Vergleich eine Vorreiterrolle ein und übertrifft alle EU-Vorgaben. Dieses Niveau sei zu halten und auszubauen, etwa bei der Trennung von Abfällen und bei der Verwendung von Bioabfällen zur Energieerzeugung. Nachholbedarf sehen die ExpertInnen bei der Abfallvermeidung. Die Lebensdauer von Produkten soll verlängert, ihre Reparaturfähigkeit verbessert und Reparaturnetzwerke geschaffen werden. Baustoffe sollen einfach demontiert und wiederverwendet werden können.

Altlasten: Sanierung aller Standorte bis 2050

Eine Gefahr für Umwelt und Gesundheit bilden Altlasten. Derzeit sind 95% der Altstandorte und –ablagerungen erfasst, von denen rund 3% mit Altlasten kontaminiert sind. Die Sanierungsförderung für 307 der 2.050 Altlastenstandorte wurde mit dem Altlastensanierungsgesetz 1989 zugesichert. Bis 2050 sollen alle Altlasten saniert werden, empfiehlt das Umweltbundesamt und rät, mit modernen Sanierungstechnologien die Kosten zu reduzieren.

Chemikalien: Risikomanagement und -identifzierung

Beim Einsatz von Chemikalien und Bioziden gilt es, alle Gefahrenpotentiale zu erforschen sowie Risikomanagement und –identifikation zu betreiben, vor allem bei hormonschädigenden Chemikalien. EU-Verordnungen wie REACH oder die Biozidprodukteverordnung widmen sich bereits dieser Thematik. Auch beim Einsatz von Nanomaterialien, vor allem in der Medizin, gilt es, mögliche gesundheitlichen Risiken zu erkennen.

Umwelteffekte der räumlichen Entwicklung: "Smart Cities" und Pendlerverkehr

Auch in Österreich setzt sich der globale Trend stärkeren Zuzugs aus dem ländlichen Raum in die Städte fort. Bereits 2/3 der Bevölkerung leben in städtischen Gebieten oder deren Umland. Dieser Tendenz soll mit attraktiven Infrastrukturen, ökologischen Verkehrsangeboten und nachhaltigem Siedlungsmanagement nach dem Konzept der "Smart Cities" begegnet werden. Solche Siedlungsgebiete sollen energieeffizient geplant werden, um den Menschen Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Ausbildung an einem Ort mit kurzen Wegen zu ermöglichen.

Da die Raumplanung in ländlichen Gebieten auf den Klimawandel und die steigende Zahl von Wetterextremen Rücksicht nehmen muss, gilt es, Siedlungen und Gebäude vor Muren, Steinschlag oder Lawinen zu schützen. Das Umweltbundesamt empfiehlt, Schutzgebiete durch Widmungs- und Nutzungsverbote zu erhalten und auszubauen.

Green Economy: Umwelttechnik und Wirtschaftswachstum

Der Begriff "Green Economy" bringt ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung nachhaltig in Einklang und zielt darauf ab, Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Umweltschutz miteinander zu koppeln. Das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Ressourcenverbrauch wurde in Österreich zuletzt deutlich verbessert. Da die Arbeitslosigkeit steigt, nimmt die Bedeutung der Green Economy auch aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen zu. Besonders in Österreich, dessen Umwelttechnikindustrie eine der innovativsten der Welt ist und in den vergangenen Jahren stark in Umsatz und Beschäftigung wuchs. Diese Entwicklung gilt es durch langfristige Zielsetzungen, Exportinitiativen sowie Förderungen der Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zu forcieren – die Green Economy sollte steuerlich gefördert werden, empfiehlt das Umweltbundesamt.

Nachhaltige Entwicklung: Sustainable Development Goals für Österreich

Für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs im Sinne der Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) der Vereinten Nationen bestehen bereits verschiedenen Strategien. Die Umsetzbarkeit der konkreten ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen wird in allen Ressorts geprüft. Das Umweltbundesamt empfiehlt dazu, die Ziele der Vereinten Nationen in den österreichischen Strategien zu verankern, wobei die ExpertInnen eine ressortübergreifende Koordination und eine Überwachung durch Monitoring-Programme empfehlen. Indikatorensets wie "MONE – Monitioring nachhaltiger Entwicklung" können dabei als Grundlage dienen, heißt es im Umweltkontrollbericht 2016. (Schluss) see