Parlamentskorrespondenz Nr. 236 vom 05.03.2021

Mautbefreiungen in Salzburg, Tirol und Vorarlberg haben laut Gutachten ihren Zweck nicht erfüllt

Daten des von der Verkehrsministerin vorgelegten Berichts aufgrund der Corona-Pandemie aber nur beschränkt aussagekräftig

Wien (PK) – Die Vignettenbefreiung auf grenznahen Autobahnabschnitten bei Kufstein, Bregenz und Salzburg haben ihren Zweck, Ausweichverkehre zu verhindern und damit eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs sowie Lärmbelastung und Luftverschmutzung zu verhindern, nicht erreicht. Das geht aus dem Bericht über die Evaluierung von Mautbefreiungen (III-255 d.B.) hervor, den Verkehrsministerin Leonore Gewessler dem Nationalrat vorgelegt hat. Die Ergebnisse haben aufgrund der eingeschränkten Mobilität durch die Corona-Pandemie jedoch nur eine beschränkte Aussagekraft. Laut Klimaministerium bieten sie daher keine fundierte Grundlage für eine etwaige Aufhebung der Vignettenbefreiungen.

Hintergrund: Mautbefreiungen sollen Ausweichverkehr verhindern

Im November 2019 hatte der Nationalrat eine Novelle des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 beschlossen, mit der gewisse Streckenabschnitte von der Vignettenpflicht ausgenommen wurden. Es handelt sich um Mautstreckenabschnitte in Grenzgebieten bei Kufstein (A 12), Bregenz (A 14) und Salzburg (A 1) sowie befristete Ausnahmen für in Bau befindliche Abschnitte der A 7 und A 26. Ziel dieser Ausnahmen ist, Ausweichverkehre auf nicht-mautpflichtigen Straßen in der Nähe der Autobahnen zu verhindern. Diese würden eine unzumutbare Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs sowie Lärmbelästigung und Luftverschmutzung hervorrufen, hieß es im damaligen Antrag. Ebenfalls im Gesetz vorgesehen wurde eine Evaluierung der Auswirkungen dieser Mautbefreiungen durch die Bundesministerin.

Dieser Pflicht kommt Gewessler mit dem vorliegenden Bericht nach. Untersucht wurden die verkehrlichen und umweltrelevanten Auswirkungen der Ausnahmen auf den Strecken bei Salzburg, Kufstein und Bregenz. Ziel war, Verlagerungseffekte zu identifizieren, darzustellen, inwieweit die Vignettenbefreiungen das untergeordnete Straßennetz entlasten und wie sie sich auf die Mauteinnahmen der ASFINAG auswirken.

Daten wegen Pandemie nicht repräsentativ

Die Corona-Pandemie hat sich auch auf die Mobilität der Menschen in Österreich ausgewirkt. Repräsentative Verkehrsdaten aus den automatischen Zählstellen auf Autobahnen und Landstraßen stehen daher nur für Jänner und Februar 2020 zur Verfügung. Ergänzend wurde daher eine LenkerInnenbefragung im August 2020 durchgeführt. Ab März überlagern sich etwaige Auswirkungen der Vignettenbefreiung mit Effekten der Pandemie. Die Daten der Evaluierung sind deshalb nicht repräsentativ, wie im Bericht betont wird.

Jene Daten, die zur Verfügung stehen, zeigen, dass im Jänner und Februar 2020 in allen drei untersuchten Gebieten an einigen Verkehrszählstellen signifikante Rückgänge des Verkehrs am niederrangigen Straßennetz zu beobachten waren. Die größten Rückgänge treten demnach an Freitagen, Samstagen und Sonntagen auf, also im touristischen Verkehr. Auf Basis der erhobenen Daten wurden Verlagerungspotenziale in Bandbreiten abgeschätzt. Auf den Landstraßen in Salzburg und Vorarlberg kann die Entlastung bei -7% bis -12% liegen. In Tirol wird sie grenznahe zwischen -6% und -21%, in Kufstein zwischen -2% und -6% geschätzt.

Keine signifikanten Reduktionen bei Luftverschmutzung oder Lärm

Bei der Evaluierung der Umweltauswirkungen zeigte sich, dass die Vignettenbefreiung entlang der Landstraßen zu keiner Reduktion von Luftverschmutzung oder Lärmbelastung in einem relevanten Ausmaß geführt hat. Die Auswirkungen der Vignettenbefreiung auf Verkehrs- und Umwelteffekte konnten aufgrund der Datenlage nicht eindeutig isoliert werden, betonen die Gutachter. Es können also auch andere Effekte ausschlaggebend sein.

Die Auswirkungen auf die Mauteinnahmen hat die ASFINAG unter Berücksichtigung des Bekanntheitsgrades der Vignettenbefreiung auf Basis der Daten für Jänner und Februar 2020 errechnet. Für das Jahr 2020 rechnet die ASFINAG mit Mindereinnahmen von mindestens 14,1 Mio. €. Wenn die Mautbefreiung bekannter wird, könnten es in den nächsten Jahren zwischen 18,8 Mio. und 23,5 Mio. € brutto pro Jahr sein.

Ziel der Vignettenbefreiung laut Gutachten nicht erreicht

Das Gutachten gelangte zu dem Schluss, dass der Zweck der Vignettenbefreiung nicht erreicht werden konnte. Diese Einschätzung stützt sich insbesondere darauf, dass trotz Verkehrsrückgängen und Verlagerungspotenzialen keine relevante Vermeidung von Umweltauswirkungen zu erwarten sei. Diese wurde jedoch vom Gesetzgeber als zusätzliches Kriterium für die Einführung der Vignettenbefreiung vorgesehen.

Die Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg konnten zu der Evaluierung Stellungnahmen abgeben. Sie können die Schlussfolgerung wegen der erhobenen Verkehrsrückhänge nicht nachvollziehen. Für sie legen diese Verlagerungspotenziale eine Beibehaltung der Vignettenausnahmen nahe. Sie weisen jedoch auch auf die mangelnde Aussagekraft der Daten hin. Salzburg und Vorarlberg bezeichnen in ihren Stellungnahmen die Durchführung von Befragungen als grundsätzlich sinnvoll, jedoch als nicht ausreichend, um unter den gegebenen Umständen Schlussfolgerungen zu treffen. Die Evaluierungen in Bezug auf die Umweltauswirkungen sind für das Bundesland Salzburg schlüssig und nachvollziehbar, Vorarlberg und Tirol äußerten sich dazu nicht.

Das Ministerium hält fest, dass die Ergebnisse aufgrund der durch die Pandemie eingeschränkten Mobilität nur beschränkte Aussagekraft haben und keine fundierte Grundlage für eine etwaige Aufhebung der Mautbefreiungen bieten. Es wird empfohlen, die Befreiungen bis auf Weiteres unverändert beizubehalten und etwaige Änderungen nach einer neuerlichen Evaluierung vorzunehmen. (Schluss) kar