Parlamentskorrespondenz Nr. 772 vom 23.06.2021

Mückstein zu "1-G-Regel": Zugang nur für Geimpfte gesetzlich nicht möglich

Aktuelle Aussprache mit dem Gesundheitsminister im Menschenrechtsausschuss

Wien (PK) – Im Ausschuss für Menschenrechte stand heute Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein den Abgeordneten Rede und Antwort über menschenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Auch Themen abseits von COVID-19 wurden diskutiert, etwa die Hospiz- und Palliativversorgung und assistierter Suizid sowie Blutspenden von LGBTIQ-Personen.

Mückstein betonte eingangs, dass neben der gesundheitlichen Krise durch die Pandemie auch eine soziale Krise ausgelöst worden sei, die nur gemeinsam bewältigt werden könne. Dabei sei es wichtig, niemanden zurückzulassen. In diesem Sinne führte er Schwerpunkte seines Ressorts an, die etwa auf der Bekämpfung von Armut und Obdachlosigkeit, der Stärkung von sexueller Gesundheit mit Fokus auf Frauen und LGBTIQ-Personen, der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und der Pflegereform liegen. Zudem sprach er sich für Impfstoffgerechtigkeit und die Bekämpfung von "Fake News" im Zusammenhang mit Impfungen aus.

COVID-19: Impfstoffzugang, Grüner Pass und Verordnungen auf dem Prüfstand

Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf Menschenrechte lagen auch im Zentrum des Interesses der Abgeordneten. Harald Troch (SPÖ) wollte etwa wissen, wie Mückstein sicherstellen wolle, dass alle, die eine Impfung erhalten wollen, auch Zugang dazu haben. Außerdem sprach er sich ebenso wie Hannes Amesbauer (FPÖ) gegen die Diskriminierung von Nicht-Geimpften aus, etwa im Zusammenhang mit dem "Grünen Pass", den auch Alois Kainz (FPÖ) thematisierte.

Man sei in Österreich kurz davor, allen, die das wollen, eine erste Impfung anbieten zu können, führte der Gesundheitsminister aus. Für all jene, die nicht geimpft werden wollen oder können, bleibe das Testen jedenfalls über den Sommer die Alternative. Von Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) auf Überlegungen der Ärztekammer oder des Wiener Gesundheitsstadtrats angesprochen, gewisse Bereiche nur für Geimpfte und Genesene zugänglich zu machen, stellte Mückstein klar, dass eine "1-G-Regel" oder eine "2-G-Regel" derzeit gesetzlich nicht möglich sei, weil Getestete mit Genesenen und Geimpften gleichgestellt wurden. Handhabe gebe es in der Nachtgastronomie etwa über die Hausordnung in Bezug auf die Gültigkeitsdauer von Tests oder die Sperrstunde.

Gerald Loacker (NEOS) sprach die Verordnungen des Gesundheitsministeriums an, bei denen der Verfassungsgerichtshof eingreifen musste. Loacker sah darin Grund- und Freiheitsrechte beschnitten. Der Gesundheitsminister entgegnete, der Verfassungsgerichtshof habe die Verordnungen nicht wegen inhaltlicher Gesetzes- oder Verfassungswidrigkeit aufgehoben, sondern weil die Entscheidungsgrundlage nicht ausreichend dokumentiert war. Er gestand ein, dass ihm mulmig dabei zumute war, als er direkt nach seinem Amtsantritt dem Hauptausschuss eine Verordnung über die Ausgangssperre vorlegen musste. Lockdowns seien als das letzte Mittel aber wirksam, so Mückstein.

Keine Besuchsbeschränkungen in Altenheimen ab Juli

In Bezug auf die Besuchsregeln in Alten- und Pflegeheimen, nach denen sich ebenfalls Gerald Loacker (NEOS) erkundigt hatte, berichtete der Gesundheitsminister, dass ab 1. Juli keine Beschränkungen mehr gelten werden. Man werde außerdem wieder auf MNS-Masken umsteigen. Er hoffe jedoch auf eine höhere Impfungsrate unter dem Pflegepersonal, die mit aktuell nur 65% besonders mit Blick auf die Delta-Variante "gefährlich" sei.

Verena Nussbaum (SPÖ) thematisierte die fehlende Barrierefreiheit der Gesundheitshotline 1450. Für gehörlose Menschen gebe es keine alternative Erreichbarkeit, etwa per SMS. Mückstein sagte dazu, er würde sich das auch wünschen, die Thematik sei aber Ländersache. Er werde das Anliegen jedenfalls weitergeben.

Sterbehilfe: Mückstein für breiten gesellschaftlichen Diskurs

Auch abseits von Corona richteten die Abgeordneten eine Vielzahl an Fragen an den Gesundheits- und Sozialminister. Gudrun Kugler (ÖVP) etwa sprach sich für eine Regelfinanzierung von Hospiz- und Palliativversorgung aus, die insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion um assistierten Suizid wichtig sei. Auch Gerald Loacker, Nikolaus Scherak (beide NEOS) und Wolfgang Gerstl (ÖVP) thematisierten das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zum assistierten Suizid. Mückstein verwies hier auf das "Dialogforum Sterbehilfe", das unter Einbindung aller relevanten Stakeholder dazu beitragen soll, dass es bis Jahresende zu einer gesetzlichen Neuregelung kommt. Das sei das richtige Format für den notwendigen breiten gesellschaftlichen Diskurs. Dass die Hospiz- und Palliativversorgung in eine Regelfinanzierung übergeführt werden solle, sei Konsens. Zudem sei ein Ziel, entsprechende Versorgung auch zu Hause verstärkt zur Verfügung zu stellen.

Diskriminierung von LGBTIQ-Personen bei Blutspende

Verena Nussbaum (SPÖ) thematisierte die Blutspende von Männern, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben. Bisher gab es für diese Männer eine Rückstellfrist von zwölf Monaten. Seit Ende März soll diese auf vier Monate reduziert worden sein, das Rote Kreuz schließe Betroffene aber nach wie vor zwölf Monate von der Blutspende aus. Ebenso wie Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) sieht Nussbaum hier Handlungsbedarf. Mückstein sprach sich dafür aus, nicht nach der Sexualität der spendenden Personen, sondern nach ihrem Risiko für eine HIV-Infektion zu differenzieren. Dieses erhöhte Risiko habe nämlich nichts mit der Sexualität zu tun, so der Gesundheitsminister. Man sei mit dem Roten Kreuz diesbezüglich in Gesprächen.

Mückstein: Zahlungen für Terroropfer zu niedrig

Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien sprach sich Robert Laimer (SPÖ) für Verbesserungen im Verbrechensopfergesetz aus. Die Regierung habe die Opfer und ihre Hinterbliebenen insbesondere monetär im Stich gelassen, lautete sein Vorwurf. Es brauche deutlich bessere und unbürokratischere Entschädigungsleistungen. Man sei sich einig, dass die Zahlungen zu niedrig seien und werde sich das Gesetz noch einmal ansehen, um die Treffsicherheit und die Höhe der Zahlungen zu überprüfen, gab Mückstein Auskunft.

Zahlreiche weitere Themen

Angela Baumgartner (ÖVP) wollte wissen, wie man gegen Ausbeutung von Frauen durch Leihmutterschaft vorgehen wolle. Leihmutterschaft sei in Österreich verboten, woran auch festgehalten werde, sagte der Gesundheitsminister dazu. Weitere Maßnahmen seien nicht geplant. Von Johann Weber (ÖVP) nach einem Register für Samen- und EizellenspenderInnen befragt, führte Mückstein aus, dass dieses Projekt ressourcen- und coronabedingt erst im Mai dieses Jahres gestartet wurde, eine Umsetzung aber in der laufenden Legislaturperiode erfolgen soll.

Kira Grünberg (ÖVP) sprach das Projekt der "Frühen Hilfen" an, mit dem der Fremdunterbringung von Kindern vorgebeugt werden soll. Auch hier habe sich das Ziel eines flächendeckenden Ausbaus und einer nachhaltigen Verankerung des Programms wegen der Corona-Pandemie verzögert, so Mückstein. Durch das Wiederaufbauprogramm der EU soll nun aber der flächendeckende Ausbau spätestens ab dem Jahr 2023 sichergestellt werden. Corinna Scharzenberger (ÖVP) wollte wissen, wieso es trotz Dokumentationspflicht keine Daten über schönheitschirurgische Eingriffe zur Wiederherstellung des Jungfernhäutchens bei Frauen gebe. Weil diese Eingriffe nicht von der Sozialversicherung bedeckt und oft etwa in Wahlarztordinationen durchgeführt werden, könnten dazu keine vollständigen Daten erfasst werden, erklärte Mückstein.

Faika El-Nagashi (Grüne) erkundigte sich, welche Maßnahmen für eine globale Gesundheitssicherheit von Frauen und Mädchen gesetzt werden. Der Gesundheitsminister sprach hier Förderungen für Projekte zur globalen Bekämpfung von Pandemiefolgen in der Höhe von 10 Mio. € an. In diesem Rahmen seien auch neun Projekte mit Fokus auf Frauen- und Mädchengesundheit und zum Schutz vor geschlechtsbezogener Gewalt in verschiedenen Ländern gefördert worden. (Schluss Menschenrechtsausschuss) kar