Parlamentskorrespondenz Nr. 909 vom 15.07.2021

Bundesrat verzögert Inkrafttreten der Änderungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes

Mehrheitlicher Beschluss zu ID-Karte auf Baustellen und Ausweitung des Bildungsbonus

Wien (PK) – Zum Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping soll die Novellierung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes, des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes sowie des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes beitragen. Das Gesetzespaket fand im Bundesrat jedoch keine Mehrheit. Da kein Beschluss der Länderkammer zustande kam, verzögert sich das Inkrafttreten der Novelle um acht Wochen.

Änderungen des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes haben ebenfalls das Ziel, Lohn- und Sozialdumping einzudämmen. Die daraus resultierende Einführung einer ID-Karte, die illegale Beschäftigung in der Baubranche verhindern soll, wurden vom Bundesrat mehrheitlich gebilligt.

Die Länderkammer sprach sich auch mehrheitlich für eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes aus, mit der unter anderem eine Ausweitung des sogenannten Bildungsbonus erfolgt.

Staffelung der Strafen für Lohn- und Sozialdumping soll leichteren Vollzug gewährleisten

Auch im Bundesrat setzte sich die Kontroverse um die Änderungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes, des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes und des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes fort. Während die Koalitionsfraktionen diese Änderungen und andere Gesetze als Maßnahmenpaket sehen, die sicherstellen sollen, dass Lohn- und Sozialdumping wieder mit der gebotenen Effektivität bekämpft werden könne, kritisiert die Opposition die Änderungen. Lohn- und Sozialdumping werde künftig billiger, die Strafen würden gesenkt, damit schaffe man eine Einladung für organisierten Sozialbetrug, lautete der Einwand aus den Reihen der SPÖ, der FPÖ und der NEOS.

Arbeitsminister Martin Kocher verwies auf die derzeitige starke Verbesserung der Arbeitsmarktlage. Da es in einzelnen Branchen noch Probleme gebe, setze die Bundesregierung weiterhin eine Reihe von Schritten, um Arbeit und Beschäftigung zu unterstützen. Die Änderungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes beruhen auf einem EuGH-Urteil aus dem Jahr 2019, erläuterte Kocher. Ihm sei wichtig, dass Gesetzesverstöße nachhaltig geahndet werden können. Selbstverständlich werde man evaluieren, ob das Gesetz in diesem Sinne wirke.

Die Opposition stößt sich vor allem daran, dass das Kumulationsprinzip bei Verwaltungsstrafen für Unternehmen, die gegen die Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes verstoßen, abgeschafft wird. Künftig werden Strafen unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien wie dem Ausmaß der Unterentlohnung gestaffelt, wobei ein Strafrahmen zwischen 20.000 € und 400.000 € vorgesehen ist. Außerdem werden die Bestimmungen über Sicherheitsleistungen und über das Eintreiben von Geldstrafen neu gefasst. Bei Entsendungen ausländischer Beschäftigter nach Österreich ist grundsätzlich der heimische Mindestlohn (inklusive Sonderzahlungen) zu zahlen. Künftig steht den betroffenen Beschäftigten außerdem der übliche Aufwandsersatz für Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten bei Reisebewegungen innerhalb Österreichs zu. Das sogenannte "Montageprivileg" für bestimmte kurzzeitige Tätigkeiten von nach Österreich entsandten ausländischen ArbeitnehmerInnen wird auf drei Monate ausgeweitet.

Der Ausschuss des Bundesrats für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz war wegen Stimmengleichstands zu keiner Entscheidung über die Billigung der Novelle durch die Länderkammer gelangt. Daher stellten im Plenum die BundesrätInnen der ÖVP und der Grünen den Antrag, keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrats zu erheben. Dieser Antrag fand keine Mehrheit, damit kann der Nationalratsbeschluss erst in acht Wochen wirksam werden.

ID-Karte soll Lohn- und Sozialdumping am Bau eindämmen

Mehrheitliche Unterstützung seitens der Bundesrätinnen und Bundesräte erhielt die Einführung einer ID-Karte für ArbeitnehmerInnen am Bau. Die Einrichtung eines IT-Systems zur Ausstellung spezieller Identitätskarten für am Bau beschäftigte Personen soll vor allem illegale Beschäftigung sowie Lohn- und Sozialdumping am Bau eindämmen. Die Initiative zur Novellierung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes ging neben den beiden Regierungsparteien ÖVP und Grünen auch von der SPÖ aus.

Zielgruppe sind alle Unternehmen und Beschäftigten, die auf Baustellen arbeiten, auch wenn sie nicht in den Anwendungsbereich der Bauarbeiter-Urlaubs- und –Abfertigungskasse (BUAK) fallen. Die Teilnahme am System wird allerdings sowohl für ArbeitgeberInnen als auch für ArbeitnehmerInnen freiwillig sein.

Mit der ID-Karte soll die bzw. der ArbeitnehmerIn dann zum Beispiel seine bei der BUAK erworbenen Ansprüche einsehen können, zudem braucht er Qualifizierungsnachweise wie etwa einen Kranführerschein nicht mehr in Papierform mitzuführen. Ist auch der Arbeitgeber mit im Boot, wird der bzw. die jeweilige Baustellenverantwortliche außerdem täglich vor Ort überprüfen können, ob die Beschäftigten ordnungsgemäß bei der Sozialversicherung und bei der BUAK angemeldet sind.

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ/St) brachte einen gemeinsamen Entschließungsantrag von SPÖ und FPÖ ein. Sie fordern vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz angesichts der anhaltenden Krise vieler Tourismusbetriebe analog zur BUAK eine Tourismuskasse (TUAK) einzurichten. Aus Sicht der AntragstellerInnen wäre es damit möglich, branchespezifische und langfristige Lösungen für die Abwicklung von Urlaubs- und Abfertigungsansprüchen zu schaffen. Die TUAK könnte überdies auch um Modelle der Aus- und Weiterbildung sowie der Saisonverlängerung erweitert werden. Diese Entschließung fand keine Mehrheit.

Erweiterung des Bildungsbonus und des Fachkräftestipendiums

Auf eine Initiative der Koalitionsparteien geht die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zurück, die eine Ausweitung des sogenannten Bildungsbonus vorsieht. Dieser Zuschlag zum Arbeitslosengeld in Höhe von 120 € im Monat wird derzeit Arbeitslosen gewährt, die nach dem September 2020 eine zumindest viermonatige Schulung oder eine andere Qualifizierungsmaßnahme im Auftrag des AMS begonnen haben bzw. vor Dezember 2021 beginnen werden. Er wird ergänzend zum allgemeinen Schulungszuschlag in der Höhe von rund 60 € ausgezahlt. Nun sollen auch Personen, die vor Oktober vergangenen Jahres mit einer längeren Ausbildung begonnen haben, Zugang zu dieser Leistung erhalten. Voraussetzung ist, dass die Schulungsmaßnahme im Juli 2021 noch andauert. Das soll insbesondere auf Pflegekraftausbildungen zutreffen.

Zum anderen wird damit das 1973 beschlossene Sonderunterstützungsgesetz geändert. Wer mindestens zehn Jahre im Bergbau unter Tage gearbeitet oder ähnliche knappschaftliche Arbeiten verrichtet hat, erhält vom AMS derzeit eine Sonderunterstützung, sofern er nach dem 52. Lebensjahr arbeitslos wird und auch unter Einsatz von Förderungsmaßahmen nicht in eine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann. Nun ist geplant, das Zugangsalter zu dieser Sonderunterstützung zwischen 2023 und 2035 jährlich in Neun-Monats-Schritten auf 62 Jahre anzuheben. Zudem soll das Gesetz nur noch auf DienstnehmerInnen anzuwenden sein, die vor dem 1. Jänner 2036 einen Anspruch auf Sonderunterstützung geltend gemacht haben.

Da auch in diesem Fall im zuständigen Ausschuss des Bundesrats wegen Stimmengleichstand keine Entscheidung der Länderkammer zu dieser Gesetzesänderung gefallen war, stellten die Bundesrätinnen und Bundesräte der ÖVP und der Grünen in der Plenardebatte den Antrag, keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrats zu erheben. Da sich die NEOS diesem Antrag anschlossen, kam im Plenum des Bundesrats die erforderliche Stimmenmehrheit zustande.

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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