Parlamentskorrespondenz Nr. 1010 vom 22.09.2021

Dringliche im Nationalrat: NEOS fordern mehr Kommunikation und Information für Impfung

Minister Mückstein setzt auf umfassende Informationskampagne und appelliert an nationalen Zusammenhalt

Wien (PK) – In einer heute im Nationalrat von den NEOS eingebrachten Dringlichen Anfrage an den Gesundheitsminister unter dem Titel "Schlechte Datenbasis, chaotisches Pandemiemanagement, niedrige Impfquote. Was noch, Herr Minister?" üben die Pinken vor allem Kritik daran, dass die Bundesregierung die Impfkampagne über den Sommer de facto ausgesetzt habe. Hier würden auch wahltaktische Überlegungen in Zusammenhang mit der bevorstehenden Landtagswahl in Oberösterreich eine Rolle spielen, mutmaßte Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Im Konkreten schlug sie vor, dass ab dem Erreichen einer Immunitätsrate von 75% alle einschränkenden Maßnahmen in den Schulen aufgehoben werden sollten. Dies wäre ein positives Ziel, für das sich alle Fraktionen einsetzen sollten.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein informierte darüber, dass die im Bundeskanzleramt angesiedelte Impf-Initiative selbstverständlich weiterlaufe; sie wurde über den Sommer hinweg an die neuen Herausforderungen angepasst. Ergänzend dazu setze sein Ressort weitere Schwerpunkte wie etwa im Bereich der Kommunikation mit Stakeholdern. Er appellierte zudem an alle Abgeordneten im Parlament, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Meinl-Reisinger schlägt konkrete Maßnahmen zur Überwindung der Corona-Pandemie vor

Man habe den Eindruck, dass Österreich von einer Phase des chaotischen Pandemiemanagements in die nächste "torkle", stellte NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger zu Beginn ihrer Rede fest. Ihr falle dazu der Titel des Films "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" ein; dieser passe aber definitiv nicht zur Arbeit der Regierung in den letzten Monaten. Angesichts der Landtagswahl in Oberösterreich habe das Zaudern noch zugenommen, obwohl jeder wisse, dass aufgrund der steigenden Infektionszahlen und der niedrigen Impfquote dringend gehandelt werden müsse. Überdies sei die Bevölkerung nach Ansicht von Meinl-Reisinger massiv verunsichert, viele Menschen würden das unklare und komplizierte Regelwerk einfach nicht mehr verstehen. Das Ergebnis davon sei, dass der während der Pandemie eingetretene Vertrauensverlust gegenüber der Regierung in keinem anderen Land so hoch sei wie in Österreich. Dass das Pandemiemanagement nicht gut gelaufen sei, wurde mittlerweile auch in einem Rohbericht des Rechnungshofs festgestellt. Besonders bedauerlich sei ihrer Ansicht nach, dass die Pandemie auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen ausgetragen werde. Sie müssten den Preis dafür zahlen, dass immer noch zu wenige Erwachsene geimpft seien. Statt eines "zerfledderten Stufenplans" hätte die Regierung von Beginn auf eine gute und transparente Kommunikation auf Augenhöhe mit den BürgerInnen setzen müssen, regte Meinl-Reisinger an. Außerdem schlug sie vor, alle einschränkenden Maßnahmen in den Schulen ab dem Erreichen einer Immunitätsquote von 75% auszusetzen, den Menschen einen konkreten Impftermin zuzuweisen, das Impfen in den Apotheken zu ermöglichen, die Gratis-Tests für Ungeimpfte abzuschaffen sowie eine flächendeckende Antikörperstudie durchzuführen.

Die Abschaffung der gratis Antigen-Tests werde noch im September erfolgen, prognostizierte Gerald Loacker (NEOS). Eine diesbezügliche Entscheidung der Bundesregierung werde nach den Oberösterreich-Wahlen fallen. Um die Impfquote zu erhöhen und damit der Pandemie ein Ende zu setzen, forderte er die Zulassung von Impfungen in den Apotheken. Fraktionskollege Felix Eypeltauer bemängelte die fehlende Klarheit und Verständlichkeit in der Kommunikation. Bundesminister Mückstein sei der zweite Gesundheitsminister in der Pandemie, der es nicht schaffe, klare und verständliche Regeln aufzustellen. Zudem werde die Verantwortung zwischen Bund und Ländern hin und her geschoben, was letztlich zu einer Verwässerung der Maßnahmen führe.

Mückstein übt scharfe Kritik an FPÖ und appelliert an nationalen Zusammenhalt

Die Pandemie könne nur dann bewältigt werden, wenn alle an einem Strang ziehen und die wissenschaftlichen Fakten im Vordergrund stehen, war Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein überzeugt. In all jenen Ländern, in denen alle Parteien zusammenarbeiten und sachlich über die Impfung informieren, seien Impfraten daher auch höher. Was die Verbreitung von Fake-News durch Abgeordnete einer bestimmten Partei betreffe, so sei dies äußerst gefährlich, weil hier bewusst mit der Angst der Menschen gespielt werde. Zudem könne man den Medien entnehmen, dass der ganze freiheitliche Klub im Wiener Landtag geimpft sei, zeigte der Minister auf. Wenn aber gleichzeitig von VertreterInnen dieser Partei im Nationalrat so getan werde, als handle es sich bei der Impfung um "Teufelszeug", dann frage er sich schon, was das mit Ehrlichkeit, Anstand und Verantwortung zu tun hat.

Bei der Beantwortung der einzelnen Fragen führte der Ressortchef unter anderem aus, dass es in allen Bundesländern neben den Anmeldesystemen ein breites niederschwelliges Impfangebot ohne Voranmeldung gebe. Auf Basis von internationalen Best-Practice-Beispielen habe man beispielsweise auch Aktionen wie Impfbustouren, Pop-up-Impfstraßen, Impfen vor Veranstaltungen oder in Einkaufszentren umgesetzt. Außerdem setze man auf Testimonials, Aufklärungsmaterialien in verschiedenen Fremdsprachen sowie eine automatische Zuteilung von Impfterminen. Um der Flut an Falschinformationen bestmöglich entgegenzutreten, stelle sein Ressort laufend Fakten zu Fake News auf die Webseite seines Ressorts. Die Kommunikationsstrategie werde zudem laufend an die bestimmten Zielgruppen angepasst, informierte Mückstein, und die jeweiligen Stakeholder intensiv eingebunden. Der Minister stellte gegenüber Meinl-Reisinger fest, dass sich sein Ressort Anreizmodelle in anderen Staaten sowie im Burgenland genau ansehe.

In Österreich seien derzeit 60,06% der Gesamtbevölkerung vollimmunisiert, wobei das Burgenland die höchste Impfquote aufweise, informierte Mückstein. Auf dem Impfdashboard werden derzeit die Genesenen nicht erfasst. Dem Anliegen der NEOS, das Impfen in den Apotheken zu erlauben, erteilte der Minister eine Absage. Da nach COVID-19-Impfungen häufiger allergische Reaktionen als nach herkömmlichen Impfungen beobachtet werden, brauche es in diesen Fällen eine rasche ärztliche Versorgung. Die Durchführung einer groß angelegten repräsentativen Antikörperstudie sei zeitnah vorgesehen. Mückstein wies jedoch darauf hin, dass auf Basis eines Antikörpertests keine zuverlässige Aussage über den individuellen Schutz getroffen werden könne; eine breitflächige Durchführung solcher Test erscheine daher nicht sinnvoll. Bis Ende September soll auch eine Entscheidung darüber fallen, ob die Corona-Tests für Ungeimpfte weiterhin kostenlos sein werden, bestätigte er.

ÖVP: Impfung ist Weg aus der Pandemie

Die Kommunikation sei "extrem wichtig", um der Skepsis bei den Menschen bezüglich Impfungen entgegen zu treten, führte Gabriela Schwarz (ÖVP) an. Die FPÖ agiere kurzsichtig in der Hoffnung, schnell WählerInnenstimmen zu generieren. Dabei agiere sie faktenbefreit und sage Dinge, die einfach nicht stimmen würden. Die Freiheit der einzelnen Menschen würde dort enden, wo sie das Leben anderer gefährden würden, appellierte Schwarz an die Impfbereitschaft. Das sei gelebte Solidarität, man müsse den Menschen noch klarer machen, dass die Impfung der Weg aus der Pandemie sei.

Einen Appell an alle sich impfen zu lassen – insbesondere auch an junge Frauen – richtete Claudia Plakolm (ÖVP) und nutzte die restliche Redezeit um der FPÖ zu kontern. So mokierte sich Plakolm, wie bereits der Gesundheitsminister, über die FPÖ-Führungsetage, namentlich Dominik Nepp, Harald Vilimsky, Norbert Hofer und Martin Graf, die sich - entgegen der Parteilinie - impfen hätten lassen.

SPÖ: Informationsoffensive über die Kinderimpfung nötig

Die Pandemie beschäftige Österreich in einem Ausmaß, das nicht notwendig wäre, erläuterte Karin Greiner (SPÖ). Die Bundesregierung habe diesen Sommer verschlafen, es sei nichts passiert trotz "großmundiger" Ankündigungen. Die niedrige Impfquote erklärte sich Greiner mit der Einstellung der Kommunikationskampagne sowie mangelndem Vertrauens in die Bundesregierung. In Ländern, wo die Menschen der Regierung vertrauen würden, sei auch die Impfquote wesentlich höher, zeigte sich Greiner überzeugt. Österreich sei damit Schlusslicht unter den westeuropäischen Staaten. Nun habe auch der Rechnungshof in einem Rohbericht das Pandemiemanagement der Bundesregierung kritisiert. Mit der Forderung nach der Entwicklung einer niederschwelligen und verständlichen Informationsoffensive über die Kinderimpfung, brachte die SPÖ-Abgeordnete einen Entschließungsantrag ein. Dieser fand keine Mehrheit und wurde ebenso abgelehnt, wie zwei weitere Anträge der SPÖ. Fraktionskollegin Petra Vorderwinkler setzte sich darin dafür ein, das Schulchaos zu beenden und für sichere Schulen zu sorgen. Dazu gehöre eine längere Sicherheitsphase, betonte Vorderwinkler.

Es sei "Zeit aufzuwachen", betonte Alois Stöger (SPÖ), der Schulstart sei absehbar gewesen, dennoch gebe es bis jetzt keine Klarheit im Schulbetrieb und an den Arbeitsstandorten. Stöger nutzte die Debatte auch um mittels Entschließungsantrag Maßnahmen gegen den Ärztemangel in Österreich zu fordern. Prompt erntete er dafür eine Rüge von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der nur schwer einen Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Antrag herstellen konnte. Der Antrag wurde zugelassen, erhielt bei der Abstimmung aber keine Mehrheit.

FPÖ: Fünf Forderungen für bessere Epidemiebekämpfung

Bundesminister Mückstein betreibe nun auch eine Politik der Angstmache und "plumpes FPÖ-Bashing", kritisierte FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak. So würde der Gesundheitsminister etwa in Frage stellen, dass COVID-19-Genese keinen Schutz vor einer neuerlichen Infektion hätten. Studien würden aber belegen, dass Genesene einen lang anhaltenden Schutz hätten, der einer Impfung zumindest gleichwertig – möglicherweise auch überlegen – sei.

Insgesamt brauche es, unter anderem wegen der höheren Grundimmunität der Bevölkerung, eine Neubewertung der Lage. Dazu stellte Kaniak fünf Forderungen auf. So trat er für eine flächendeckende Erhebung der Immunität ein, um valide Daten für weitere Maßnahmen zu erhalten. Zudem sei ein Schutz der Risikogruppen mit einem kostenlosen Angebot für Masken, Testungen und wenn nötig Impfungen – alles auf freiwilliger Basis – sicher zu stellen. Positiv Getestete und Erkrankte sei eine bestmögliche und sofortige Therapie zu gewähren, damit die Behandlung nicht erst im Spital beginne. Im Bereich der Gesundheitsbehörden und Spitäler setzte sich Kaniak für flexible Strukturen ein, die je nach Epidemiesituation wachsen oder reduziert werden sollen. Im rechtlichen Bereich sei dem FPÖ-Gesundheitssprecher nach auch eine Konkretisierung des Epidemiebegriffs im Epidemiegesetz notwendig.

Der von der Regierung aufgebaute Impfdruck gehe zulasten der BürgerInnen, beschwerte sich Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Peter Wurm (FPÖ), der Impfungen zwar die grundsätzliche Wirkung zuschrieb, warnte, gemeinsam mit Belakowitsch, vor möglichen Nebenwirkungen der Corona-Impfung, allen voran dem Schlaganfall.

Grüne: Aufklärung, Information und Gespräche auf Augenhöhe nötig

Am Anfang der Pandemie hätten sich Bund, Länder und die Gesundheitsbehörden vor Ort über eine Aufgabenteilung bei der Impfung geeinigt, entgegnete der Gesundheitssprecher der Grünen Ralph Schallmeiner der Kritik an der Aufgabenteilung. Dies sei der Realverfassung Österreichs, dem Föderalismus, geschuldet, den man aber nicht von heute auf morgen verändern werde. Insgesamt brauche es Aufklärung, Information und Gespräche auf Augenhöhe, um mehr Menschen zur Impfung zu motivieren, zeigte sich Schallmeiner überzeugt. Den praktischen ÄrztInnen komme eine besondere Rolle zu, verunsicherte Menschen aufzuklären und Bedenken entgegen zu treten.

Fehler und Überforderungen seien passiert, räumte Sibylle Hamann (Grüne) ein. Besonders hart habe es die Kinder in Wien getroffen, kritisierte sie die Regelungen der Stadt Wien, die über jene des Bundes hinausgehen. Wien entwickle gute Programme und Ideen, stoße dabei aber an die Grenzen der Überforderung, sagte sie. (Fortsetzung Nationalrat) sue/pst/gla

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