Parlamentskorrespondenz Nr. 207 vom 03.03.2022

EU-Finanzpolitik: Förderung von Wachstum und Beschäftigung, makroökonomische Stabilität, Errichtung der Banken- und Kapitalmarktunion

EU-Jahresvorschau 2022 von Finanzminister Brunner

Wien (PK) – Österreich spricht sich für eine zunehmend stärkere Zielausrichtung bei den Unterstützungsmaßnahmen zur Krisenbewältigung auf europäischer Ebene aus. Das geht aus der EU-Jahresvorschau für das Jahr 2022 hervor, die Finanzminister Magnus Brunner vorgelegt hat (III-580 d.B. sowie III-781-BR/2022 d.B.). Weitere relevante EU-Vorhaben liegen in der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) sowie der Errichtung einer Banken- und Kapitalmarktunion.

RRF – Österreich will Auszahlungen an Zielerfüllung knüpfen

In ihrer aktuellsten Prognose (November 2021) erwartet die Europäische Kommission (EK) für das heurige Jahr ein reales Wirtschaftswachstum von jeweils 4,3% sowohl in der Euro-Zone als auch in der EU insgesamt. Getragen wird der Aufschwung, wie bereits im vergangenen Jahr, gemäß der Prognose vor allem vom privaten Konsum, der durch sinkende Ersparnisse sowie eine steigende Beschäftigung begünstigt wird. Die Beschäftigung sollte 2022 wieder Vorkrisenniveau erreichen und 2023 weiter steigen. Gleichzeitig erwartet die Kommission einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit. Österreich unterstützt diese Einschätzungen weitgehend, so der Bericht. In Zusammenhang mit der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) tritt Österreich dafür ein, dass Auszahlungen konsequent an die Erfüllung der Meilensteine und Ziele geknüpft werden, gleichzeitig aber der administrative Aufwand für die Mitgliedstaaten möglichst gering gehalten wird.

Österreich für zielgerichtete Unterstützungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie

Laut der aktuellsten EK-Prognose (November 2021) wird das gesamtwirtschaftliche Budgetdefizit in der EU insgesamt bzw. in der Euro-Zone heuer bei 3,6% bzw. bei 3,9% des BIP liegen. Die öffentliche Schuldenquote soll laut EK jeweils um rund 2%-Punkte sinken, auf rund 90% des BIP in der EU insgesamt bzw. rund 98% in der Euro-Zone. Als Folge der Finanz- und Schuldenkrise wurden zahlreiche Maßnahmen getroffen, um einerseits die Wirtschaft der Euro-Zone bzw. der EU wieder zu stabilisieren und andererseits die Krisenvorsorge auf eine solidere Basis zu stellen. Die COVID-19-Pandemie hat die EU vor neue Herausforderungen gestellt und zu einem deutlichen Anstieg bei öffentlichen Defiziten und Verschuldungsquoten geführt. Die Mitgliedstaaten haben mit raschen und umfassenden fiskalischen Unterstützungsmaßnahmen auf die Wirtschaftskrise reagiert. Zusätzlich haben die EU-Institutionen zahlreiche Sofortmaßnahmen gesetzt, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie soweit wie möglich abzufedern.

Österreich unterstützt grundsätzlich die Meinung der Europäischen Kommission, dass eine zu frühe Rücknahme der Unterstützungsmaßnahmen vermieden werden soll. Allerdings sollten, so das Finanzministerium, die Maßnahmen zunehmend zielgerichteter werden, und jene Mitgliedstaaten, die hohe Verschuldungsquoten aufweisen, zusätzliche Investitionen in erster Linie im Wege der RRF finanzieren. Grundsätzlich offen steht das BMF einer Diskussion über eine Reform der wirtschafts- und fiskalpolitischen Governance gegenüber. Allerdings dürfe eine solche Reform zu keiner Aufweichung der Fiskalregeln und damit der Budgetdisziplin führen. Im Mittelunkt der Debatte sieht das Finanzministerium stattdessen Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz sowie zur Verbesserung bei der Anwendung und Durchsetzung der Regeln.

Errichtung einer Bankenunion stärkt Bankensektor

Im vergangenen Jahrzehnt wurden bereits Reformen bei der Regulierung und Aufsicht im Bankensektor durchgeführt, um die Stabilität der Finanz- und Kapitalmärkte zu stärken und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen dem Bankensektor und den öffentlichen Finanzen zu durchbrechen. Die Verhandlungsfortschritte bei der Errichtung einer Europäischen Einlagensicherung seien bis dato begrenzt, führt der Bericht aus. Nachdem die Verhandlungen mangels Fortschritts zuletzt mehrere Monate unterbrochen waren, soll nun im ersten Halbjahr 2022 eine Einigung über einen Arbeitsplan erzielt werden.

Aus österreichischer Sicht ist die Errichtung einer europäischen Einlagensicherung ein wichtiges Element, um das Vertrauen in den europäischen Bankensektor weiter zu stärken. Für die SparerInnen sei wesentlich, dass die Auszahlung gesicherter Einlagen fristgerecht erfolgt. Die wichtigste Rolle der europäischen Einlagensicherung sei daher die Bereitstellung von Liquidität. Risikoteilung (Verlusttragung) werde allenfalls als langfristiges Ziel und in Verbindung mit dem weiteren Abbau von Risiken im Bankensektor gesehen.

Errichtung einer Kapitalmarktunion durch Brexit zusätzliche Bedeutung

Die Europäische Kommission hat bereits 2015 einen "Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion" vorgeschlagen. Dadurch sollen die Kapitalbeschaffung für Unternehmen erleichtert, Finanzierungs- und Investitionsmöglichkeiten erweitert und des Finanzsystem gestärkt werden. Viele Maßnahmen seien bereits umgesetzt, heißt es in dem Bericht. Weiterer Handlungsbedarf bestehe durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Im September 2020 hat die EK daher einen neuen Aktionsplan vorgelegt. Die Errichtung einer Kapitalmarktunion hat aus österreichischer Sicht durch den Brexit und die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Insbesondere werden vom Finanzministerium Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung sowie der Finanzbildung unterstützt. Gleichzeitig tritt das BMF dafür ein, dass unnötiger Verwaltungsaufwand verringert und das Proportionalitätsprinzip gestärkt werde.

Des Weiteren unterstützt Österreich die Pläne der Europäischen Kommission zur Finalisierung von Basel III und der Reform des Aufsichtsrahmens für Versicherungen.

Reform der Unternehmensbesteuerung und andere europäische Agenden

Betreffend die Reform der Unternehmensbesteuerung unterstützt Österreich das Ziel einer möglichst baldigen Einigung über den im Dezember vorgelegten Richtlinienvorschlag zur Umsetzung der 2. Säule. Die Auffassung einiger anderer Mitgliedstaaten, wonach die Umsetzung der beiden Säulen verknüpft werden müsse, wird vom Finanzministerium nicht geteilt.

Bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung teilt Österreich die Legislativpläne der Kommission. Kritisch steht Österreich der geplanten Einführung einer Bargeldobergrenze gegenüber, hält das Finanzministerium fest.

Darüber hinaus wird die Umsetzung der EU-Klimastrategie ("Fit for 55") durch eine Reform der Energiesteuer-Richtlinie, die Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus und die Einführung eines Europäischen Green Bond Standards angestrebt. Die Strategie der Europäischen Kommission wird in diesen Bereichen nicht uneingeschränkt geteilt. (Schluss) gla