Parlamentskorrespondenz Nr. 403 vom 22.04.2022

Neu im Justizausschuss

Anträge von SPÖ und NEOS unter anderem zu Maßnahmenvollzug, WKStA und Altersdiskriminierung

Wien (PK) – Die Einführung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts fordert die SPÖ mit einem Entschließungsantrag. Ebenso setzen sich die SozialdemokratInnen für eine personelle Aufstockung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein, wollen Altersdiskriminierung auf Gesetzesbasis unterbinden sowie eine Entschuldigung, Rehabilitation und Entschädigung für die Opfer homophober Strafgesetze. Die NEOS thematisieren mit Anträgen die Qualifikation für Gutachten im Maßnahmenvollzug und orten einen legistischen Stillstand bei der Reform des Maßnahmenvollzugs.

SPÖ fordert Einführung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts

Breits seit Beginn der 2000er Jahre werde die Forderung zur Einführung eines unabhängigen Bundesstaatsanwaltes bzw. einer Bundesstaatsanwältin erhoben, thematisiert die SPÖ. Seitdem die StaatsanwältInnen als Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit in der Bundesverfassung verankert sind, spreche noch ein Argument mehr für die neu einzurichtende Institution. Mit einem Entschließungsantrag bringen die SozialdemokratInnen ihre detaillierten Forderungen dazu ein (2384/A(E)).

So brauche es eine verfassungsrechtliche Verankerung eines unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalts bzw. einer ebensolchen Bundesstaatsanwältin, der bzw. die künftig, statt wie bisher die Justizministerin, als oberstes Organ die Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltlichen Behörden darstellen soll. "Generalstaatsanwalt" stelle begrifflich eine tragbare Alternative dar. Geht es nach der SPÖ, soll der Bundesstaatsanwalt bzw. die Bundesstaatsanwältin in den letzten fünf Jahren vor der Ernennung kein politisches Amt innegehabt haben. Er/sie soll vom Nationalrat aufgrund eines Vorschlages des Hauptausschusses mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden, nach einer öffentlichen Ausschreibung und einer öffentlichen Anhörung durch den Hauptausschuss. Ein Misstrauensantrag gegen ihn/sie soll den SPÖ-Forderungen zufolge nicht möglich sein, die Amtsperiode 12 Jahre betragen. Eine vorzeitige Amtsenthebung komme nur durch ein Verfahren auf Antrag des Nationalrats mit Zweidrittelmehrheit an den Verfassungsgerichtshof in Betracht, so die SPÖ. Festgelegt werden in den Forderungen etwa auch die Voraussetzungen für das Amt wie eine Richteramtsprüfung und Erfahrung in der Staatsanwaltschaft.

SPÖ für personelle Aufstockung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft

Damit Korruption ernsthaft und effizient bekämpft werden kann, brauche es eine entsprechende Aufstockung der StaatsanwältInnen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sowie des nichtrichterlichen Personals, macht die SPÖ geltend. Mit ihrem Entschließungsantrag zur Stärkung der Korruptionsbekämpfung durch personelle Aufstockung der WKStA (2385/A(E)) pochen die SozialdemokratInnen außerdem darauf, dafür die notwendigen budgetären Mittel vorzusehen. Wie wichtig die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist, habe sich in den vergangenen Monaten sehr deutlich gezeigt. Aufgrund von steigenden Aufgaben, aufwändigen Verfahren und um ein effizientes Arbeiten zu ermöglichen sowie Verfahren möglichst kurz zu halten, brauche es hier mehr Personal.

SPÖ: Entschuldigung, Rehabilitation und Entschädigung für die Opfer homophober Strafgesetze

Die SPÖ fordert außerdem von der Bundesregierung, bis Ende des Jahres 2022 in würdigem Rahmen gemeinsam mit dem Nationalrat und dem Bundesrat eine öffentliche Entschuldigung für die Opfer homophober Strafgesetze zwischen 1945 und 2002 zu setzen. Geht es nach den SozialdemokratInnen, soll dem Nationalrat außerdem bis Ende des Jahres 2022 eine Regierungsvorlage vorgelegt werden, mit der die Personen, die nach diesen Bestimmungen verurteilt wurden, vollumfassend rehabilitiert werden, sofern es sich im Einzelfall um keine Straftatbestände handelte, die auch heute strafbar wären. Damit müsse darüber hinaus auch ein Rechtsanspruch auf angemessene Entschädigungszahlungen geschaffen werden (2386/A(E)). Es sei höchste Zeit, dass die Republik Österreich Verantwortung für das historische Unrecht, das tausenden Männern und Frauen durch homophobe Strafgesetzgebung zugefügt worden sei, übernehme und eine umfassende Rehabilitierung sowie echte Entschädigungszahlungen garantiere. Die Bundesrepublik Deutschland habe genau das bereits vor einigen Jahren in Form eines Gesetzes und einer "Ehrenerklärung" getan. Österreich müsse diesem Beispiel folgen und Verantwortung für jahrzehntelanges Unrecht übernehmen.

NEOS thematisieren Qualifikation für Gutachten im Maßnahmenvollzug

Sowohl das Verfahren bei vorbeugenden Maßnahmen, als auch der Maßnahmenvollzug seien dringend reformbedürftig, um den Ansprüchen der EMRK gerecht zu werden, werfen die NEOS auf. Gutachten, die im Rahmen des Verfahrens zur Anordnung vorbeugender Maßnahmen von den beigezogenen Sachverständigen erstellt werden, würden die Grundlage für einen allenfalls massiven Grundrechtseingriff darstellen. Verglichen mit den strengen Qualifikationen, die das anordnende Organ nachzuweisen habe, sei die derzeitige gesetzliche Regelung über die Auswahl und Qualifikation der beizuziehenden Sachverständigen nicht ausreichend, bemängeln die NEOS. Mit einem entsprechenden Entschließungsantrag fordern sie, gesetzlich vorzusehen, dass nur besonders qualifizierte und in die Liste der Sachverständigen eingetragenen Sachverständige aus dem Gebiet der Psychiatrie für die Erstellung von Gutachten, die der Anordnung freiheitsentziehender vorbeugender Maßnahmen zugrunde gelegt werden, herangezogen werden können. Außerdem müsse Betroffenen das Recht auf eine Zweitbegutachtung auf Verlangen eingeräumt werden (2372/A(E)).

... und orten legistischen Stillstand bei Reform des Maßnahmenvollzugs

Die NEOS fordern außerdem ein eigenes Maßnahmenvollzugsgesetz oder eine Novelle des Unterbringungsgesetzes, damit der Vollzug vorbeugender Maßnahmen außerhalb des Strafvollzugsgesetzes geregelt wird (2377/A(E)). Die Anwendung des Maßnahmenvollzugs in Österreich sei Gegenstand vielfacher Kritik durch Nichtregierungsorganisationen und JuristInnen, da eine stetige Zunahme von Häftlingen im Maßnahmenvollzug zu beobachten sei und selbiger es den NEOS zufolge ermöglicht, Menschen auf unbestimmte Zeit ohne weitere Entscheidung hinsichtlich ihrer Zukunft festzuhalten. Bei vorbeugenden Maßnahmen sollte aber vielmehr der therapeutische Zweck im Vordergrund stehen. Das gelte insbesondere für vorbeugende Maßnahmen bei unzurechnungsfähigen TäterInnen. Daher erscheine es angebracht, den Vollzug vorbeugender Maßnahmen in einem eigenen Maßnahmenvollzugsgesetz, allenfalls sogar im Unterbringungsgesetz zu regeln, um dadurch auch das allgemeine Bewusstsein dahingehend zu schärfen, dass vorbeugende Maßnahmen nicht in den Bereich des Strafvollzugs fallen sollten.

NEOS: Gerechte Unterhaltssicherung sicherstellen

Die vergangenen zwei Jahre hätten gezeigt, dass einerseits Verfahrensdauern und andererseits Lücken in der Unterhaltssicherung oftmals für Probleme sorgen und dass dahingehende Lösungsansätze der Regierung selten helfen, kritisieren die NEOS. So werde zwar immer wieder Geld ausgeschüttet, allerdings nicht zielgerichtet orientiert am Bedarf einzelner Familien beziehungsweise der Kinder. Mit einem Entschließungsantrag fordern die NEOS daher von der Bundesregierung, eine nachhaltige Unterhaltssicherung zur Beseitigung von Kinderarmut und für chancengerechte Kindheit umzusetzen (2393/A(E)). Es werde höchste Zeit, dass die Bundesregierung eine chancengerechte und faire Unterhaltssicherung im Rahmen der anstehenden Kindschaftsrechtsnovelle für alle Kinder erarbeite.

SPÖ will Altersdiskriminierung auf Gesetzesbasis unterbinden

Die SPÖ richtet einen Aufruf an Bundeskanzler Karl Nehammer, bei allen Regierungsmitgliedern eine Durchforstung der jeweiligen Gesetze und Verordnungen auf Formen von Altersdiskriminierung zu veranlassen. Konkret von Justizministerin Alma Zadić sei zu erwarten, dass sie unter Einbindung des Österreichischen Seniorenrates eine Regierungsvorlage erarbeitet, die älteren Menschen die Kreditaufnahme zu üblichen Rahmenbedingungen ermöglicht, so die SozialdemokratInnen (2387/A(E)). Wie in Deutschland sollten vorhandene Sicherheiten durch Immobilien ausreichen. Ein gleichlautender Antrag (2388/A(E)) ging an den Verfassungsausschuss des Nationalrats. (Schluss) mbu