Parlamentskorrespondenz Nr. 428 vom 29.04.2022

Konferenz zur Zukunft Europas: Bürgerempfehlungen im Plenum

EU-Konferenz von Zivilgesellschaft und Politik in der Zielgeraden

Wien (PK) – Empfehlungen für politische Eckpfeiler zur künftigen Gestaltung der Europäischen Union werden am 29. und 30. April 2022 im Europäischen Parlament in Straßburg diskutiert. Im Rahmen der "Konferenz zur Zukunft Europas" behandelt das Konferenzplenum heute und morgen die Vorschläge, die neun Arbeitsgruppen mit Bürgerbeteiligung erstellt haben, und zwar zu einem breiten Themenspektrum. Basierend auf konkreten Anliegen der BürgerInnen erarbeiteten die Gremien politische Empfehlungen der Bereiche Gesundheit, Demokratie, Migration, Wirtschaft und Beschäftigung, Sicherheit, Klimawandel, Bildung und Jugend, Werte und Rechtsstaatlichkeit, Digitalisierung und Kultur. Grundlage der Vorschläge bildeten Anregungen aus den europäischen Bürgerforen und nationalen Foren sowie die Ideen, die über eine mehrsprachige Online-Plattform eingegangenen waren. Nicht zuletzt angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine lautet ein Leitmotiv im Empfehlungskatalog: Die EU soll auf der Weltbühne mit einer Stimme als resiliente Instanz für Menschenrechte auftreten. Am 18. oder 19. Mai 2022 werden die Ergebnisse der Zukunftskonferenz im Plenum des Nationalrates diskutiert.

Anstrengungen bei Bildung, Forschung, Innovation

Ein roter Faden zieht sich durch alle detailliert ausgeführten Maßnahmenvorschläge der Arbeitsgruppen zur Zukunftskonferenz, die zur Stärkung von Wirtschaft und Wohlstand in einem sozial gerechten und ökologisch verantwortungsvollen Europa führen sollen. Die EU müsse unabhängiger von Drittstaaten werden, vom Energiesektor bis zur Medikamentenproduktion, und bei Handelsbeziehungen mit demokratischen Staaten auf die Einhaltung ethischer und ökologischer Werte achten. Grundsätzlich wird Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz breiter Raum eingeräumt, um beispielsweise durch den Ausbau des Schienenverkehrs in der EU und einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion die Erreichung der Klimaziele ebenso sicherzustellen wie den Erhalt der Biodiversität in der Union. Die Anstrengungen bei Forschung und Innovationen seien zu steigern, heißt es weiter, um den umweltfreundlichen technologischen Fortschritt zu fördern. Als Grundlage dafür sei ein gleichwertiger Zugang aller EU-BürgerInnen zu qualitätsvoller lebenslanger Bildung zu gewährleisten, gerade auch in ländlichen Regionen, die unter Abwanderung leiden. Eine European Education Area soll bis 2025 implementiert werden und für eine engere Verbindung der nationalen Bildungssysteme sorgen.

Vorreiterrolle bei Digitalisierung

Das EU-Ziel, globaler Trendsetter in der digitalen Transformation zu werden, sei durch einen Ausbau leistungsfähiger Internetverbindungen und eine Ausweitung digitaler Fähigkeiten unter den BürgerInnen zu unterstützen. Für das geeinte Vorgehen der EU gegen Cybercrime sieht der Maßnahmenkatalog eine entsprechende Aufstockung von Europol bzw. ihrem European Cybercrime Center vor. Die Nutzung von Algorithmen durch Online-Diensteanbieter solle für NutzerInnen besser nachvollziehbar werden, referenziert die Zukunftskonferenz auf den jüngst verabschiedeten Digital Services Act der EU.

Migration: Gemeinsames Vorgehen bei Aufnahmen

Zur Steuerung der Migration in die EU werden in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht einheitliche Kriterien bei der Flüchtlingsaufnahme in den EU-Mitgliedstaaten angeregt sowie ein Grenzmanagement, das in Zusammenarbeit mit Partnerländern die Schleuserkriminalität effektiv bekämpft. Gleichzeitig wird in den Empfehlungen die Bedeutung des humanitären Schutzes und der Integration von Flüchtlingen hervorgehoben sowie die Notwendigkeit, gegen Fluchtursachen in den Heimatländern – wozu vermehrt auch der Klimawandel zählt – vorzugehen. Zur Unterstützung der legalen Migration, besonders von Fachkräften, wird ein leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt von Drittstaatenangehörigen empfohlen.

Konferenz getragen von Bürgerbeteiligung

Am Europatag 2021, dem 9. Mai, startete mit der Konferenz zur Zukunft Europas einer der größten Bürgerbeteiligungsprozesse der europäischen Geschichte. Gemeinsam mit UnionsbürgerInnen wurden dabei von den EU-Institutionen und den nationalen Parlamenten in knapp einem Jahr Lösungen für die internen und externen Herausforderungen der EU gesucht. Darunter fallen unter anderem die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie, der Klimawandel, die Digitalisierung oder Fragen der Rechtsstaatlichkeit sowie der künftigen Ausgestaltung der EU an sich. Aufgrund der Pandemie verlief der Dialog zu diesen Fragen vor allem in online-Formaten. Die Endergebnisse der Zukunftskonferenz diskutiert die Plenarversammlung allerdings in Präsenzform bei ihrer heute beginnenden zweitägigen Sitzung. Eine große Schlussveranstaltung ist für den 9. Mai 2022 geplant.

Dialog auf allen Ebenen

Die Debatten zur Zukunft Europas wurden und werden in Österreich auf Bundes-, regionaler und lokaler Ebene in unterschiedlichen Formaten organisiert. So beschloss der EU-Unterausschuss, der Konferenz zur Zukunft Europas auch in einer der nächsten Plenarsitzungen des Nationalrats Debattenraum zu geben. Der Bundesrat widmete sich ebenfalls dem Thema und initiierte im Vorjahr das Projekt "Zukunft.Jugend.Europa", bei dem Jugendliche über Videostatements Ideen zur Zukunft Europas sammelten. Bei einer Veranstaltung in der Länderkammer am 25. Mai 2021 wurde dieses Crowdsourcing-Projekt vorgestellt. Jugendliche aus Westbalkanstaaten erhielten in zwei Diskussionsveranstaltungen der Konferenz in den Parlamenten Österreichs und Frankreichs die Gelegenheit, sich mit österreichischen und französischen Jugendlichen sowie mit Mitgliedern der jeweiligen EU-Ausschüsse über die Zukunft Europas auszutauschen.

Im Rahmen der Demokratiewerkstatt des österreichischen Parlaments fanden zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 fünf Workshops zur Zukunftskonferenz statt. Schulklassen und Lehrlinge aus ganz Österreich diskutierten dort jeweils ein Schwerpunktthema der Konferenz mit einer der fünf Parlamentsfraktionen. In ihren Themenpatenschaften fokussierten die Parteien auf ihnen besonders wichtige Bereiche: die ÖVP auf Demokratie und Wahlen in der EU, die SPÖ auf soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung, die Grünen auf Klimawandel und Umwelt, die FPÖ auf Migration und die NEOS auf Werte, Rechtstaatlichkeit und Sicherheit. (Schluss) rei

Hinweis: Die Sitzungen im EU-Parlament können via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des EU-Parlaments abrufbar. Mehr Informationen über die Konferenz zur Zukunft Europas finden Sie auf dieser Website der Europäischen Union.