Parlamentskorrespondenz Nr. 629 vom 08.06.2022

Gesundheitsausschuss beschließt Berufsbild des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie und legt Ausbildungsstandards fest

Debatte über kontrovers diskutiertes Tierschutzpaket der Regierungsparteien wird auf Ende Juni verschoben

Wien (PK) – Österreich gehört zu den wenigen Ländern in der EU, in denen der Beruf des "Fachzahnarztes bzw. der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" noch nicht gemäß den europarechtlichen Vorgaben geregelt ist. Dies soll durch eine entsprechende Regierungsvorlage, die heute einstimmig im Gesundheitsausschuss beschlossen wurde, nachgeholt werden. Im Konkreten werden durch die Novellierung des Zahnärztegesetzes eine eigene Berufsbezeichnung etabliert sowie die Ausbildungsvoraussetzungen definiert. Da damit auch neue Aufgaben für die berufsrechtliche Kammer verbunden sind, wird auch das Zahnärztekammergesetz angepasst. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen ab 1. September 2022.

Ursprünglich sollte auch das von der Regierung vor einigen Wochen angekündigte Tierschutzpaket, das in Form eines Initiativantrags von ÖVP und Grünen auf der Tagesordnung stand, im Ausschuss intensiv beraten werden. Dies hätte unter anderem ein endgültiges Verbot für das Schreddern von Küken, mehr Bewegungsfreiheit für Rinder, strengere Bestimmungen für den Transport von Tieren sowie Verschärfungen im Bereich der Qualzucht gebracht. Die Koalitionsparteien einigten sich jedoch bereits im Vorfeld des Ausschusses mit der Opposition, die teilweise massive Kritik am Entwurf geübt hat, auf die Vertagung der Materie. Um eine Beschlussfassung noch vor dem Sommer zu ermöglichen, soll Ende Juni eine weitere Sitzung des Gesundheitsausschusses stattfinden, wurde von den Redner:innen in Aussicht gestellt. Einen leichten Vorgeschmack auf die zu erwartende kontroverse Debatte lieferte die Behandlung des Tierschutzberichts, der mit Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde.

Auf der Agenda standen auch Vorschläge der SPÖ zur Vorlage eines jährlichen Trinkwasser-Berichts sowie zur Festlegung von verbindlichen Vorgaben für Lebensmittelmarketing, das sich an Kinder richtet. Die NEOS zeigen sich besorgt über die Arbeitssituation des Krankenhauspersonals, das schon vor der Corona-Pandemie einer hohen Belastung ausgesetzt gewesen sei. Nunmehr würden neue Herausforderungen hinzukommen, da viele Flüchtlinge aus der Ukraine, die medizinischen Behandlung brauchen, schwer traumatisiert seien. Es gebe daher nach Ansicht der NEOS einen dringenden Bedarf an psychischen Unterstützungsangeboten für die Bediensteten. Weiters setzen sie sich dafür ein, dass von sexualisierter Gewalt betroffene Menschen aus der Ukraine einen niederschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten. Die dazu vorliegenden Anträge der Opposition wurden allesamt vertagt.

Gesetzliche Verankerung des Fachzahnarztes bzw. der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie und Ausbildung auf internationalem Niveau

Als Qualifikationsnachweis gilt in Hinkunft der Abschluss einer postpromotionellen fachzahnärztlichen Ausbildung in der Kieferorthopädie, die ein theoretisches und praktisches Studium in Form eines zumindest dreijährigen Universitätslehrgangs auf Vollzeitbasis umfasst, heißt es im Entwurf zum Fachzahnarzt-Kieferorthopäide-Gesetz (1435 d.B.).Teile der praktischen Ausbildung können dabei in einer anerkannten kieferorthopädischen Lehrpraxis oder in einem Lehrambulatorium absolviert werden. Nähere Bestimmungen über die Inhalte, das Qualifikationsprofil, die Abschlussprüfung sowie den Abschluss der fachzahnärztlichen Ausbildung in der Kieferorthopädie sind vom Gesundheitsminister im Einvernehmen mit dem Bildungsminister durch Verordnung festzulegen.

Für die neue Berufsbezeichnung "Fachzahnarzt bzw. Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" können sich Angehörige des zahnärztlichen Berufs auch dann qualifizieren, wenn sie die unter dem Titel "erworbene Rechte" angeführten Voraussetzungen erfüllen. Dazu zählen folgende Anforderungen: Abschluss einer entsprechenden kieferorthopädischen Ausbildung, die vor dem 1. September 2022 begonnen wurde, mindestens fünfjährige Ausübung des zahnärztlichen Berufs in Österreich innerhalb der letzten zehn Jahre, mindestens drei Jahre überwiegende kieferorthopädische Tätigkeit in den letzten fünf Jahren sowie Überprüfung der Qualifikationen durch eine Prüfungskommission.

Die Regierungsvorlage dient auch der Umsetzung der EU-Richtlinie über die Ausübung der Patient:innenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung sowie der Durchführungsverordnung betreffend das Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Berufsausweises. Dadurch wird die gegenseitige Anerkennung der kieferorthopädischen Fachqualifikationen im EU-Raum sichergestellt. Weiters sind Änderungen im Zahnärztekammergesetz erforderlich, wobei es vor allem um die Anerkennung von kieferorthopädischen Lehrpraxen und Lehrambulatorien sowie um die Ausstellung von Berufsbescheinigungen geht. Da die im Zusammenhang mit den neuen ausbildungs- und berufsrechtlichen Regelungen der österreichischen Zahnärztekammer zugeordneten Aufgaben im übertragenen Wirkungsbereich wahrgenommen werden, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht die Zustimmung der Ländern erforderlich.

Ein damit in Verhandlung stehender Entschließungsantrag der Freiheitlichen, die schon seit längerem die Einführung einer staatlich geregelten universitären und klinischen Ausbildung für eine Spezialisierung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie gefordert haben, gilt als miterledigt (1837/A(E)).

Die Einbindung aller Stakeholder habe zu einem guten Ergebnis geführt, war Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) überzeugt, der die coronabedingte Verzögerung bei der Vorlage des Entwurfs einräumte. Der Beruf des Kieferorthopäden bzw. der Kieferorthopädin sei besonders bei der medizinischen Behandlung von Kindern von großer Bedeutung, weshalb eine hochkarätige Ausbildung sichergestellt sein müsse, betonte Josef Smolle (ÖVP) .

Bundesminister Johannes Rauch dankte für die gute Zusammenarbeit mit den Vertreter:innen aller Fraktionen und kündigte die baldige Umsetzung der entsprechenden Durchführungsverordnungen an.

NEOS: Dringender Bedarf an psychischen Unterstützungsangeboten für das Krankenhauspersonal sowie Zugang zu medizinischer Versorgung für Überlebende sexualisierter Gewalt aus der Ukraine

Seit Beginn der Corona-Pandemie sei die Arbeitssituation des Krankenhauspersonals wieder mehr in den Fokus gerückt sei, zeigen die NEOS in einem Entschließungsantrag auf (2514/A(E)). Die Mitarbeiter:innen des Gesundheitssektors würden aber schon seit Jahren über vielfache Belastungen klagen, die von einen hohem Patient:innenaufkommen, Kommunikationsproblemen aufgrund sprachlicher Barrieren bis hin zu potentiell gewaltbereiten Personen reichen. Da sich in den letzten Jahren die Lage noch einmal deutlich verschärft habe, würden viele Pflegekräfte an einen Berufswechsel denken. Durch den anhaltenden Ukraine-Krieg sei das Gesundheitswesen mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert, zumal es sich oft um schwer traumatisierte Patient:innen handle, gibt Fiona Fiedler (NEOS) zu bedenken. Es habe sich aber schon vorher gezeigt, dass aufgrund der speziellen Anforderungen durch den Beruf Depressionen und Angstsymptome weit verbreitet seien. Die NEOS fordern daher den Gesundheitsminister auf, sich bei den Bundesländern und Spitalsbetreibern für eine bessere psychische Versorgung von Krankenhausmitarbeiter:innen einzusetzen.

Nach rund drei Monaten Krieg in der Ukraine häuften sich Berichte über gezielte sexualisierte Gewalt und Massenvergewaltigungen durch russische Soldaten, zeigt NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler in einem weiteren Antrag ihrer Fraktion auf. Man müsse daher davon ausgehen, dass auch zahlreiche nach Österreich geflüchtete Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen seien. Insbesondere Frauen, die nach Vergewaltigungen von ihren Peinigern schwanger wurden, würden unter einem besonders hohem Leidensdruck stehen. Seit Anfang März hätten sich bei der Organisation Abortion Without Borders auch schon bereits 200 betroffene Ukrainerinnen gemeldet. Umso wichtiger sei es daher, dafür Sorge zu tragen, dass diese Frauen in Österreich eine umfassende medizinische Versorgung erhalten. Ein besonderes Augenmerk müsse dabei auf einem bundesweiten, niederschwelligen und raschen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sowie auf einem ausreichenden Angebot an spezifischer psychischer Betreuung liegen. Der dazu eingebrachte Entschließungsantrag der NEOS richtet sich dabei sowohl an den Gesundheitsminister als auch an die Frauenministerin (2473/A(E)).

Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) gab in Bezug auf die Anträge zu bedenken, dass Supervisions-Angebote für die Mitarbeiter:innen in den Spitälern zum Standard gehören. Auch der Zugang zu medizinischer Versorgung für Flüchtlinge aus der Ukraine sei aus ihrer Sicht gewährleistet.

Beide Initiativen wurden mehrheitlich vertagt.

SPÖ: Vorlage eines jährlichen Trinkwasser-Berichts und verbindliche Vorgaben für Lebensmittelmarketing, das sich an Kinder richtet

Um die Öffentlichkeit umfangreich und regelmäßig über den Zustand der Trinkwasserqualität in Österreich zu informieren, schlägt SPÖ-Mandatar Christian Drobits vor, im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz eine Berichtspflicht zu verankern (1448/A). Zur Information der Verbraucher:innen sollte demnach dem Nationalrat und dem Bundesrat jährlich ein öffentlicher Bericht über die Qualität des für den menschlichen Gebrauch bestimmten Wassers vom Gesundheitsministerium vorgelegt werden. Auszuweisen wären darin die Versorgungsanlagen der Länder, aus denen mehr als 100 m³ pro Tag im Durchschnitt entnommen oder mit denen mehr als 500 Personen versorgt werden. Analog zu den Berichtspflichten an die EU sollten auch Pestizid-Grenzwerte angegeben werden, meint der SPÖ-Sprecher für Lebensmittelsicherheit. In einzelnen Regionen seien diese gesetzlich vorgegebenen Werte nämlich unlängst überschritten worden.

Es handle sich dabei um ein wichtiges Thema, konstatierte Abgeordneter Georg Strasser (ÖVP), dafür sei aber teilweise das Landwirtschaftsressort zuständig. Kritisch sah er, dass auch kleine Anlagen einbezogen werden sollen. Peter Wurm (FPÖ) schloss sich den Forderungen der SPÖ an.

Schon seit vielen Jahren setze sich die Weltgesundheitsorganisation dafür ein, den Marketingdruck auf Kinder im Bereich Lebensmittel zu reduzieren, zumal Übergewicht und Fehlernährung weltweit kontinuierlich zunehmen, stellt Abgeordneter Christian Drobits (SPÖ) in einer weiteren Initiative fest (1854/A(E)). In einer Resolution der WHO wurde das Kindermarketing von Lebensmitteln als eine der wesentlichen Ursachen für einen ungesunden Start ins Leben bezeichnet. Die daraus abgeleiteten Empfehlungen und Nährwertprofile wurden in den einzelnen Ländern aber nur auf Basis von Selbstverpflichtungen für die Lebensmittel- und Werbewirtschaft umgesetzt, was in der Praxis nicht funktioniere, zeigt Drobits auf, der auf verbindliche Vorgaben drängte.

In einem ersten Schritt müssten seiner Meinung nach zumindest die Empfehlungen der Nationalen Ernährungskommission "Österreichisches Nährwertprofil zur Lenkung von Lebensmittelwerbung an Kinder in audiovisuellen Medien" umgesetzt werden, fordert der Antragsteller. Außerdem sollte gewährleistet werden, dass der österreichische Werberat bei an Kinder gerichteter Werbung für Lebensmittel nicht nur bei entsprechenden Beschwerden handelt, sondern selbst aktiv jährliche Prüfungen vornimmt und verpflichtend an die Bundesregierung berichtet. Weitere Forderungen betreffen die Etablierung eines systematischen und regelmäßigen Monitorings der Wirksamkeit von Empfehlungen durch eine zentrale behördliche Stelle wie zum Beispiel die AGES oder die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) sowie die Umsetzung zusätzlicher Regulierungen. Wenn diese nicht ausreichend sind, dann müsste eine gesetzliche Regelung für an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel und Kindermarketing in TV und Radio, aber auch im Printbereich, im Internet, in mobilen Anwendungen und sozialen Plattformen, im Merchandising und in der Außenwerbung in Erwägung gezogen werden.

Abgeordnete Olga Voglauer (Grüne) wies darauf hin, dass derzeit einige nationale Aktionspläne (Ernährung, Adipositas und Essstörungen) überarbeitet werden. Aus diesem Grund stellte sie einen Vertagungsantrag. Julia Seidl von den NEOS plädierte vor allem dafür, flächendeckende Qualitätskriterien bei der Verpflegung in Kindergärten, Krippen und Schulen einzuführen; hier gebe es viel Handlungsbedarf.

Bei der Abstimmung wurden beide SPÖ-Anträge vertagt.

Debatte über geplantes Tierschutzpaket und Tierschutzbericht

Ein endgültiges Verbot für das Schreddern von Küken, mehr Bewegungsfreiheit für Rinder sowie strengere Bestimmungen für den Transport von Tieren sind einige der zentralen Punkte, die das von ÖVP und Grünen präsentierte und schließlich einstimmig vertagte Tierschutzpaket enthält (2586/A). Noch vom früheren Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein wurde der aktuelle Tierschutzbericht vorgelegt, der über die Aktivitäten in diesem Bereich in den Jahren 2019 und 2020 ausführlich informiert (III-571 d.B.). Er wurde im Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS zur Kenntnis genommen.

In der Einleitung des Berichts werden zahlreiche Neuerungen und Verbesserungen angeführt, wobei insbesondere die Novelle zur Tierschutz-Kontrollverordnung, Nachschärfungen bei den Transportauflagen von Tieren in Drittstaaten, die Schaffung eines Notfallfonds für Tierheime sowie diverse Aktivitäten im Bereich Tierschutzbildung hervorgehoben werden. Im Oktober 2019 wurde zudem ein bilaterales Verwaltungsübereinkommen mit Italien abgeschlossen, um eine tierschutzgerechtere Beförderung von Kälbern zu gewährleisten. Außerdem wurden seitens des Ministeriums zwei Erlässe herausgegeben, bei denen die Auflagen für Transporte in Drittstaaten und speziell für die Russische Föderation nachgeschärft wurden. Die Corona-Krise hat ihre Spuren auch im Tierschutzsektor hinterlassen. Um die finanzielle Absicherung des Tierheimbetriebs und die Versorgung der Tiere weiterhin zu garantieren, hat das Gesundheitsministerium das für den Bundestierschutzpreis 2020 reservierte Geld in der Höhe von 65.000 € für die Schaffung eines Notfallfonds zur Verfügung gestellt, ist dem Bericht zu entnehmen. In weiteren Kapiteln wird das breite Betätigungsfeld des Vereins "Tierschutz macht Schule" dargestellt, über diverse Projekte (z.B. zur "Prävalenz von Schwanzverletzungen auf Schlachthöfen") informiert sowie die Ergebnisse der Tierschutzkontrollen zusammengefasst.

Es sei sehr positiv, dass die Tierwohldebatte auch in der Landwirtschaft angekommen sei, urteilte Olga Voglauer (Grüne) . Für Fiona Fiedler von den NEOS gibt es im Tierschutz noch einiges zu tun. Als Beispiele führte sie das Schwanzkupieren von Schweinen sowie den Online-Handel mit Tieren an, wo keine konkreten Fortschritte erkennbar seien. Der Bericht sei zwar "lieb", aber es fehlten wahrnehmbare Veränderungen, stellte Dietmar Keck (SPÖ) pointiert fest. Zum Antrag der Regierungsfraktionen hätte er heute sehr viel zu sagen gehabt, aber er hoffe, dass bis zur nächsten Sitzung noch Fortschritte erzielt werden. (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) sue