Parlamentskorrespondenz Nr. 665 vom 14.06.2022

Nationalrat diskutiert weiteres Entlastungspaket der Bundesregierung

Aktuelle Stunde zur Abschaffung der kalten Progression

Wien (PK) – Das heute Früh von der Regierung medial präsentierte Entlastungspaket zur Abfederung der hohen Inflationsrate war am Vormittag in einer Aktuellen Stunde Thema im Nationalrat. Unter dem von den NEOS gewählten Titel "Wo bleibt die Entlastung der Mitte? Schaffen wir die kalte Progression ab, Herr Finanzminister!", diskutierten die Abgeordneten mit Finanzminister Magnus Brunner über die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen gegen die Teuerung.

Was die angekündigte Abschaffung der kalten Progression ab 2023 betrifft, handelt es sich laut Finanzminister Magnus Brunner um einen "Akt der Fairness zum richtigen Zeitpunkt". Die NEOS begrüßten zwar grundsätzlich die Abschaffung, sie fordern jedoch eine rückwirkende Umsetzung ab Anfang 2022, da diese sonst zu spät komme. SPÖ und FPÖ sahen in den von der Regierung angekündigten Maßnahmen "keinen großen Wurf" und vermissten Steuersenkungen auf Energie, Treibstoffe und Lebensmittel. Die Regierungsparteien bezeichneten die neuen Maßnahmen als nachhaltig, umfangreich und zielgerichtete Schritte zur Unterstützung der Bevölkerung und der Betriebe.

Finanzminister Brunner: Akt der Fairness zum richtigen Zeitpunkt

"Wir stellen heute die Weichen für die Abschaffung der kalten Progression. Was viele Politikergenerationen versprochen haben, setzt diese Bundesregierung um", betonte Finanzminister Magnus Brunner in der heutigen Aktuellen Stunde im Nationalrat. Man gebe damit "den Menschen das Geld zurück, das die Inflation genommen hat". Es handle sich um einen "Akt der Fairness zum richtigen Zeitpunkt", denn der Staat dürfe nicht von der Teuerung profitieren, so der Finanzminister. Das gewählte Modell sei fairer und ehrlicher als etwa das System in der Schweiz oder in Deutschland. So würden zwei Drittel des Volumens automatisch rückvergütet werden. Beim restlichen Drittel habe man eine Umverteilungsmöglichkeit geschaffen.

Neben den strukturellen Maßnahmen, wie der Abschaffung der kalten Progression, der Valorisierung von Sozialleistungen sowie Lohnnebenkostensenkungen, habe man weitere "schnelle Entlastungsmaßnahmen" noch in diesem Sommer gesetzt. Im Herbst komme ein Teuerungsausgleich für den Mittelstand hinzu. Gemeinsam mit den Maßnahmen der ökosozialen Steuerreform im Umfang von 18 Mrd. € würden diese Entlastungsschritte helfen, die Druckpunkte der Inflation zu entschärfen, ergänzte Brunner. Laut dem Finanzminister könne der Kampf gegen die Teuerung aber nicht allein die Aufgabe der Bundesregierung sein. Hier sei Engagement auf allen Ebnen, etwa auch in den Bundesländern und Städten wichtig, so Brunner in Richtung der Oppositionsparteien.

NEOS: Abschaffung der kalten Progression mit Anfang 2023 kommt zu spät

"Und sie bewegt sich doch", so kommentierte NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger die heute von der Bundesregierung angekündigte Abschaffung der kalten Progression. Seit dem Jahr 2014 hätten die NEOS dazu Druck gemacht. "Ich glaube es aber erst, wenn die Entlastung wirklich da ist", sagte die NEOS-Chefin. Die geplante Abschaffung mit Anfang 2023 komme für viele Menschen zu spät, weshalb Meinl-Reisinger eine rückwirkendende Einführung mit 1. Jänner 2022 fordert. Zudem bezeichnete sie die weiteren, heute angekündigten Zahlungen als "System Gießkanne". Offen geblieben sei das Thema der Lohnnebenkostensenkungen. Hier fehle es der Bundesregierung an Mut für entschlossene Schritte.

Dies sah Karin Doppelbauer (NEOS) ähnlich. Die präsentierte Entlastung des Faktors Arbeit um 0,3% sei zu wenig. Weiters sei die Finanzierung des Entlastungspaketes in der Höhe von 28 Mrd. € offen. Hier gehe es nicht ohne Strukturreformen, wobei eine Pensionsreform Priorität habe. Um erfolgreich aus der Krise zu kommen, brauche es Investitionen in die Bildung. "Jeder Euro, der in diesem Land in die Bildung gesteckt wird, kommt vielfach zurück", unterstrich Doppelbauer. Ihr Fraktionskollege Gerald Loacker kritisierte, dass "Durchschnittsverdiener:innen weiterhin wie Großverdiener:innen besteuert" würden. Die Reform habe keine Sofortwirkung für arbeitenden Menschen, zudem würden diese nur zwei Drittel der kalten Progression automatisch zurückbekommen.

ÖVP: Abschaffung der kalten Progression ist das einzig Richtige

"Es ist das größte Entlastungspaket gegen die Teuerung, diese Regierung handelt", betonte ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Neben der Abschaffung der kalten Progression nehme man in Summe 6 Mrd. € in die Hand. Dies beinhalte etwa die Erhöhung des Klimabonus auf 500 € pro Erwachsenem und 250 € pro Kind sowie die Verschiebung des CO2-Preises auf Anfang Oktober. Weitere Maßnahmen seien etwa die Ausbezahlung einer zusätzlichen monatlichen Familienbeihilfe im August, eine Erhöhung des Absetzbetrags von 500 € für Menschen mit einem Bruttoeinkommen zwischen 1.000 und 2.000 € sowie weitere 300 € als Teuerungsausgleich für sozial schwache Gruppen. Auch die Unternehmen würden durch eine Strompreiskompensation profitieren, betonte der ÖVP-Klubchef.

Laut Karlheinz Kopf (ÖVP) ist die Abschaffung der kalten Progression "das einzig Richtige", um der schleichenden Entwertung der Einkommen zu entgegnen. Das heute präsentierte Entlastungspaket werde dauerhaft und nachhaltig wirken, "um den Menschen und Betrieben den finanziellen Spielraum zurückzugeben". Steuersenkungen seien hingegen laut den Ökonominnen und Ökonomen wenig sinnvoll, die Bundesregierung setze daher auf direkte Stützungen anstatt auf Eingriffe in die Preisbildung.

SPÖ: Entlastungspaket kein großer Wurf

"Durch das heute präsentierte Paket sinkt kein einziger Preis, die Profiteure der Teuerung zahlen dadurch keine höheren Steuern", entgegnete Kai Jan Krainer (SPÖ). Manche Maßnahmen seien zwar zu begrüßen, insgesamt handle es sich aber um "keinen großen Wurf" und "einen Tropfen auf den heißen Stein". Die von der Bundesregierung favorisierten Einmalzahlungen seien die strukturell falsche Antwort, so Krainer. Laut dem SPÖ-Mandatar braucht es dauerhafte Lösungen wie etwa eine Pensionserhöhung mit 1. Juli 2022, eine Besteuerung von Übergewinnen der Energieunternehmen sowie Preisregulierungen und Steuersenkungen.

Ähnlich argumentierte Josef Muchitsch (SPÖ). Es gehe darum, die Preise auf Energie, Wohnen und Lebensmittel zu senken. Die Bundesregierung habe sich stattdessen auf kurzfristige Einmalzahlungen fokussiert. Zudem gelte die angekündigte Valorisierung der Sozialleistungen nicht für das Arbeitslosengeld oder die Sozialhilfe. Auch für auf das Auto angewiesene arbeitende Menschen seien in dem Paket keine Maßnahmen enthalten, kritisierte Muchitsch.

FPÖ: Längst überfällige Leistungsgerechtigkeitsmaßnahme

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl bezeichnete die Abschaffung der kalten Progression als eine "längst überfällige Leistungsgerechtigkeitsmaßnahme". Die von der Regierung präsentierten Maßnahmen seien zudem "unglaublich kompliziert". Kickl forderte stattdessen ein "Tritt-zurück-Paket" der gesamten Regierung. Dieses würde den Weg für "echte Entlastungen" und für die Bekämpfung der Ursachen der Teuerung frei machen. Der FPÖ-Klubobmann sprach in diesem Zusammenhang von der "unverantwortlichen Corona-Politik, dem "Knieschuss" des Öl- und Gasembargos sowie von der verfehlten Geldpolitik der Europäischen Zentralbank".

"Sie lassen die Leute weiterhin im Regen stehen, denn im Großen und Ganzen wird auch dieses Paket nicht halten ", unterstrich Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Die FPÖ-Abgeordnete vermisse etwa Steuersenkungen auf Energie, Treibstoff sowie Lebensmittel. Diese Bereiche würden in den Paketen der Bundesregierung "komplett ausgespart".

Grüne: Müssen die Teuerung bei der Wurzel packen

"Wir müssen die Teuerung mittelfristig bei der Wurzel packen", weshalb es den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas voranzutreiben gelte, entgegnete Jakob Schwarz (Grüne). Anstatt Steuersenkungen auf fossile Energieträger habe man parallel dazu den Fokus auf die direkte Stützung der Einkommen der Östereicherinnen und Österreicher gelegt. Diese seien sofort wirksam, wie etwa die Klimabonuserhöhung auf 500 €, die zusätzliche Familienbeihilfe oder den weiteren Teuerungsausgleich in der Höhe von 300 € für sozial schwache Gruppen.

"Heute ist ein guter Tag für den Sozialstaat Österreich", unterstrich Markus Koza (Grüne). Für den Grünen-Mandatar handelt es sich bei dem heute präsentierten dritten Entlastungspaket um eine umfangreiche und zielgerichtete Maßnahme, "die auch in die Breite geht". Besonders stolz sei er darauf, "dass gerade durch diese Koalition ab 2023 alle Sozialleistungen indexiert werden". Was die kalte Progression betrifft, sei es zu begrüßen, dass ein Drittel des Volumens für gezielte Maßnahmen für jene Gruppen bleibe, die nicht von der Abschaffung profitieren würden, so Koza. (Fortsetzung Nationalrat) med

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