Parlamentskorrespondenz Nr. 761 vom 24.06.2022

Neu im Sozialausschuss

Anträge von ÖVP und Grünen zur Pflegereform

Wien (PK) – ÖVP und Grüne haben vier Gesetzesanträge zur Umsetzung der von der Regierung angekündigten Pflegereform vorgelegt. Sie sehen unter anderem vor, die Befugnisse von Pflegeassistent:innen und Pflegefachassistent:innen zu erweitern, pflegenden Angehörigen unter bestimmten Voraussetzungen einen Pflegebonus von 1.500 € auszuzahlen, Budgetmittel in der Höhe von 520 Mio. € für höhere Gehälter im Pflegebereich bereitzustellen und den Demenz-Zuschlag beim Pflegegeld zu erhöhen. Zudem soll in den nächsten Jahren ein Ausbildungszuschuss von 600 € für Erstausbildungen in einem Pflegeberuf gewährt werden.

Mehr Befugnisse für Pflegekräfte

Umgesetzt werden sollen die Vorhaben unter anderem durch eine Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (2653/A). Demnach soll es Pflegeassistent:innen künftig gestattet sein, laufende Infusionen – ausgenommen Zytostatika und Bluttransfusionen – bei liegendem periphervenösen Gefäßzugang an- und abzuschließen, etwa wenn das für einen Toilettengang oder pflegerische Maßnahmen nötig ist. Bisher war diese Tätigkeit der Pflegefachassistenz vorbehalten. Pflegefachassistent:innen wiederum sollen auch subkutane Injektionen und Infusionen verabreichen sowie Venen- bzw. Hautkanülen legen bzw. entfernen dürfen. Die bisherige Einschränkung auf die Injektion von Insulin und blutgerinnungshemmende Arzneimittel entfällt.

Außerdem wollen ÖVP und Grüne die Bestimmung, wonach Pflegeassistent:innen nur noch bis Ende 2024 in Krankenanstalten tätig sein dürfen, aufgrund des hohen Bedarfs an Pflegepersonal aus dem GuKG streichen.

In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf wird darauf hingewiesen, dass die für die neuen Tätigkeiten erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen der bestehenden Ausbildungen bzw. im Rahmen von Schulungen vermittelbar seien. Zudem sei Pflegefachassistent:innen schon jetzt die Durchführung von Venenstichen zur Blutabnahme erlaubt und das Legen und Entfernen von Kanülen damit vergleichbar. Um Weiterbildungsinhalte flexibler gestalten zu können, wird eine Verordnungsermächtigung des Gesundheitsministers erweitert.

Bonus von 1.500 € für pflegende Angehörige

Mit der beantragten Änderung des Bundespflegegeldgesetzes (2655/A) wird unter anderem ein Pflegebonus für pflegende Angehörige eingeführt. Wer eine nahe Angehörige bzw. einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung betreut und deshalb seinen Job aufgegeben hat bzw. als pflegende:r Angehörige:r versichert ist, soll ab 2023 einen Bonus von 1.500 € pro Jahr erhalten. Voraussetzung ist der Bezug von Pflegegeld in Höhe der Stufe 4 durch die pflegebedürftige Person. Anspruchsberechtigt ist jene Angehörige bzw. jener Angehöriger, die bzw. der den größten Teil der Pflege leistet. Zudem können pflegenden Angehörigen künftig Zuschüsse für Kurse zur Wissensvermittlung im Bereich Pflege und Betreuung aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung gewährt werden, wobei den Erläuterungen zufolge an Zuwendungen von bis zu 200 € pro Jahr und pflegebedürftiger Person gedacht ist.

Was das Pflegegeld selbst betrifft, sieht der Antrag eine Erhöhung des pauschalen Erschwerniszuschlags von monatlich 25 auf 45 Stunden für Erwachsene mit einer schweren geistigen bzw. psychischen Behinderung vor. Das betrifft gemäß den Erläuterungen vor allem Personen mit schweren dementiellen Beeinträchtigungen, die körperlich oft noch "rüstig" sind und daher aktuell häufig nur in Pflegestufe 3 eingestuft werden. Zudem soll die erhöhte Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder in Hinkunft nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet werden. Derzeit wird dieses noch um 60 € gekürzt. Davon sollen laut Erläuterungen rund 46.000 Personen profitieren.

Um Härten zu vermeiden, ist außerdem vorgesehen, die Frist für die Beantragung von Pflegekarenzgeld auf bis zu zwei Monate zu verlängern. Zudem plant das Sozialministerium die Änderung von Richtlinien, um pflegenden Angehörigen auch schon bei kürzeren Verhinderungen – z.B. durch Urlaub oder Krankheit – finanzielle Zuwendungen für eine nötige Ersatzpflege gewähren zu können. In der Vergangenheit waren entsprechende Anträge nur bei einer mindestens einwöchigen Verhinderung möglich.

Ausbildungszuschuss von 600 €

Mit dem vorgesehenen Ausbildungszuschuss für Erstausbildungen in einem Pflegeberuf in der Höhe von 600 € wollen ÖVP und Grüne die Pflegeausbildung attraktivieren und somit mehr Pflegepersonal gewinnen. Da die Ausbildung allerdings in die Zuständigkeit der Länder fällt, wird dieser Teil des Pflegepakets über ein eigenes Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz (2654/A) geregelt. Der Bund wird den Ländern demnach bis zum Jahr 2025 225 Mio. € überweisen, wobei 2022 50 Mio. €, 2023 und 2024 je 75 Mio. € und 2025 25 Mio. € zur Verfügung gestellt werden. Mit diesen Mitteln sollen zwei Drittel des Zuschusses (400 €) abgedeckt werden, für das dritte Drittel müssen die Länder selbst aufkommen.

Bekommen sollen den – steuer- und abgabenfreien – Ausbildungszuschuss Personen, die eine Erstausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz absolvieren und keine AMS-Unterstützung – etwa ein Fachkräftestipendium oder Arbeitslosengeld – erhalten. Das betrifft Ausbildungen zur diplomierten Krankenpflege, zur Pflegefachassistenz und zur Pflegeassistenz, unabhängig davon, ob diese an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen, an Fachhochschulen oder in Form von Lehrgängen erfolgen. Ebenso sind Pflichtpraktika im Pflegebereich von Personen, die sich in einem Sozialbetreuungsberuf ausbilden lassen, sowie von Schüler:innen spezieller berufsbildender mittlerer und höherer Schulen umfasst. Übrig gebliebene Mittel können auch für andere Zwecke wie die Ausbildung zu Lehrenden für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe verwendet werden.

Höhere Gehälter für Pflegepersonal

Mit einem weiteren Zweckzuschussgesetz, dem Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz (2656/A), soll die angestrebte Gehaltserhöhung für Pflegepersonal budgetär abgesichert werden. Zu diesem Zweck werden den Ländern für die Jahre 2022 und 2023 insgesamt bis zu 520 Mio. € überwiesen, welche dann für die weiteren Detailregelungen zuständig sind. Wobei die Mittel zum einen für die Verringerung bestehender Gehaltsunterschiede für gleiche Tätigkeiten und zum anderen für die Abgeltung zusätzlicher Aufgaben durch Kompetenzerweiterungen gedacht sind. Grundsätzlich sollen die Gelder auf Basis kollektivvertraglicher Vereinbarungen verteilt werden.

Zugute kommen sollen die Mittel laut Zweckzuschussgesetz Pflege- und Betreuungspersonal in Kranken- und Kuranstalten, in stationären und teilstationären Pflegeeinrichtungen, bei mobilen Betreuungs- und Pflegediensten, in Reha-Anstalten sowie bei Einrichtungen der Behindertenarbeit. Konkrete Beträge werden im Gesetz nicht genannt – stellt man die zur Verfügung stehenden 260 Mio. € pro Jahr den rund 120.000 Personen (Vollzeitäquivalenten) gegenüber, die laut Erläuterungen im Pflegesektor beschäftigt sind, ergeben sich daraus allerdings durchschnittlich 2.160 € pro Jahr je Vollzeitbeschäftigter bzw. Vollzeitbeschäftigtem.

Ziel der besseren Bezahlung ist es, mehr Menschen für Pflegeberufe zu gewinnen. Zur Beurteilung und Prüfung des Einsatzes und der Wirkung der Mittel sollen beide Zweckzuschussgesetze vom Sozialministerium evaluiert werden.

Weitere in Aussicht genommene Maßnahmen

Nicht Teil des vorliegenden Pakets sind unter anderem die geplante Weiterentwicklung der 24-Stunden-Betreuung, das angekündigte Pflegestipendium in der Höhe von 1.400 €, die Einführung einer Pflegelehre im Rahmen eines Modellversuchs sowie die Überführung der im Herbst 2020 gestarteten Schulversuche in das Regelschulwesen. Dabei geht es um eine Kombinationsausbildung an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, die auch den Zugang zu Pflegeberufen umfasst. Gemäß den Erläuterungen sind die bisherigen Erfahrungen mit den Schulversuchen erfolgversprechend, weshalb im zuständigen Bildungsministerium bereits Vorarbeiten für eine beschleunigte Überführung laufen.

Bezüglich der Pflegelehre rechnet das Sozialministerium mit einem Gesetzentwurf bis spätestens Anfang 2023, hier erfolgen derzeit Abstimmungen mit dem zuständigen Wirtschaftsministerium. Ebenfalls in Planung sind laut Erläuterungen weitere Maßnahmen im Berufs- und Ausbildungsrecht, etwa was die Spezialausbildungen im Bereich des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege und neue Berufsbilder – Stichwort Community Health Nurse, School Nurse – betrifft. (Schluss) gs