Tierschutzpaket: Nationalrat beschließt Verbot von Vollspaltböden in der Schweinehaltung ab 2040
Gesetzespaket ebnet laut Minister Rauch Weg für eine zukunftsfähige Landwirtschaft
Wien (PK) – Der Nationalrat hat heute grünes Licht für das von den Regierungsparteien vorgelegte Tierschutzpaket gegeben. Darin wird das seit langem geforderte Aus für Vollspaltböden in der Schweinehaltung verankert. Das Verbot gilt für Neubauten ab 2023, für bestehende Ställe ist eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2040 vorgesehen. Zudem beinhaltet das Paket unter anderem ein Schredderverbot für Küken sowie das Aus für die permanente Anbindehaltung für Rinder.
Bundesminister Johannes Rauch sprach von einem Kompromiss zweier Welten. Österreich liege beim Tierwohl unter den Top 3 in Europa. Die Opposition zeigte sich hingegen unzufrieden mit dem Gesetzespaket und forderte die Regierung zu mehr Mut beim Tierschutz auf, auch wenn das Schreddern von Küken und die Verschärfungen bei den Qualzuchten von einigen Redner:innen positiv erwähnt wurde. Kritisiert wurden vor allem die langen Übergangsfristen und dass das Verbot von Vollspaltböden nur für Schweine, nicht aber für Rinder gilt. Auch die weiter bestehende Möglichkeit des Lebendtransports von Kälbern ab der 3. Woche stieß auf Ablehnung. Die beiden Regierungsparteien sprachen hingegen von einem Meilenstein, der den Weg für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und eine verbesserte regionale Wertschöpfung ebne. Die langen Übergangsfristen würden der Rechtssicherheit dienen, denn es wäre für die Bäuerinnen und Bauern ökonomisch unrealistisch und untragbar, erst kürzlich auf dem Boden der aktuellen Gesetzeslage getätigte Investitionen praktisch als verloren abschreiben zu müssen. Sie richteten aber auch einen Appell an den Lebensmittelhandel, die Gastronomie und die Konsument:innen, ihren Teil der Verantwortung wahrzunehmen. ÖVP und Grüne kündigten zudem ein weiteres Tierschutzpaket für den Herbst an, in dem es dann um die Heimtiere geht.
Ein in der Debatte eingebrachter SPÖ-Rückverweisungsantrag des Tierschutzpakets an den Gesundheitsausschuss blieb in der Minderheit. Dasselbe gilt für einen Entschließungsantrag der NEOS. Darin wird eine Studie zu den physiologischen Folgen des Einsatzes von Arbeits-, und insbesondere Fiakerpferden unter klimatisch herausfordernden Bedingungen eingefordert, um evidenzbasierte Maßnahmen für den zukünftigen Einsatz abzuleiten.
Tierschutzpaket: Ende für Vollspaltböden, Schredderverbot für Küken
Mit dem heute mehrheitlich vom Nationalrat beschlossenen Tierschutzpaket wird das Verbot von Vollspaltböden in der Schweinehaltung fixiert. ÖVP und Grüne hatten dazu im Plenum einen Abänderungsantrag eingebracht. Demnach sind bei Neubauten Vollspaltbuchten bereits ab dem kommenden Jahr verboten. Bestehende Ställe müssen bis Ende 2039 umgebaut sein. Ein weiterer zentraler Punkt des Pakets ist das Verbot für das Schreddern von lebendigen Küken. Diese dürfen nur dann getötet werden, wenn es der Futtergewinnung dient. Durch das Verbot der ganzjährigen und permanenten Anbindehaltung kommt es zu mehr Bewegungsfreiheit für Rinder. Die Bestimmung, wonach Rindern adäquater Auslauf oder Weidegang an mindestens 90 Tagen im Jahr zu gewähren ist, tritt nach einer Übergangsfrist ab 2030 in Kraft. Zudem kommt es zu strengeren Bestimmungen für den Transport von Tieren sowie zu Verschärfungen im Bereich der Qualzucht. Tiere mit solchen Merkmalen dürfen weder importiert, vermittelt noch beworben werden. Darüber hinaus wird die Rolle der Tierschutzombudspersonen in den Ländern gestärkt. Sie erhalten Parteistellung in Verfahren nach dem Tiertransportgesetz.
Rauch: Gesetzespaket ebnet Weg für eine zukunftsfähige Landwirtschaft
Für Bundesminister Johannes Rauch handelt es sich um ein gutes Paket, das eine Brücke für die landwirtschaftlichen Betriebe in eine zukunftsfähige Landwirtschaft baue. Man habe damit einen Kompromiss von zwei Welten zusammengebracht, meinte er. Die Neuerungen würden Rechtssicherheit für die Bäuerinnen und Bauern bringen. Der Minister erwartet sich aber auch vom Handel und den Konsument:innen, ihren Teil zum Gelingen des Gesetzes beizutragen und ihre, wie er eindringlich betonte, diesbezügliche Verantwortung zu übernehmen. Die langen Übergangsfristen verteidigte er mit dem Argument der Investitionssicherheit für bäuerliche Betriebe.
Österreich liege beim Tierwohl unter den Top 3 in Europa, sagte Rauch und zeigte sich überzeugt davon, dass andere Länder nun nachziehen werden.
SPÖ: Eine Niederlage für die Tiere
Harsche Kritik am Gesetz kam von der SPÖ. Es handle sich dabei nur um einen ersten Schritt, aber kein großen Wurf für das Tierwohl, sagte Dietmar Keck (SPÖ). Grundsätzlich sei das Aus der Vollspaltböden zu begrüßen, die vorliegenden Regelungen seien aber nur "Kosmetik" und würden viele Schwachstellen beinhalten, bekräftigte SPÖ-Mandatarin Cornelia Ecker die Ablehnung seitens ihrer Fraktion. So gebe es etwa kein rechtsverbindliches Ausstiegsdatum, auch nach 2023 könne eine Haltungseinrichtung für mindestens 23 Jahre ohne rechtliche Konsequenzen weiterbetrieben werden. Die Übergangsfristen sind der SPÖ daher ein großer Dorn im Auge. Keck sprach in diesem Zusammenhang von einer "Niederlage für die Tiere". Ecker forderte dazu weitere Diskussionen im Gesundheitsausschuss. Auch dass nur die Schweine, nicht aber auch die Rinder vom Verbot der Vollspaltböden betroffen sind, kann die SPÖ nicht nachvollziehen. Kein Verständnis brachten die SPÖ-Abgeordneten ferner dafür auf, dass Ferkel weiterhin ohne Betäubung kastriert werden dürfen.
Kritik übten sowohl Ecker als auch Keck am parlamentarischen Diskussionsprozess. Das Paket sei nicht im Parlament verhandelt worden, der Tierschutz sei zu wichtig, um ihn durch das Parlament zu "peitschen".
FPÖ befürchtet höhere Preise für Lebensmittel
Peter Schmiedlechner (FPÖ) sprach sich gegen die vorliegenden Regelungen aus, da Österreich bereits eines der strengsten Tierschutzgesetze habe. Es sei ein "katastrophales Zeichen, in der jetzigen Situation so ein Gesetz zu verabschieden". Höhere Auflagen würden höhere Preise für die Konsumentinnen und Konsumenten sowie mehr Aufwand für die Bäuerinnen und Bauern bedeuten. Für Schmiedlechner braucht es stattdessen europaweit einheitliche Spielregeln für den Tierschutz. Das führte zum Widerspruch bei den Regierungsparteien, die darauf hinwiesen, dass sich die Freiheitlichen eigentlich meist dagegen aussprechen, auf gemeinsame europäische Regelungen zu warten.
Sein Klubkollege Hannes Amesbauer (FPÖ) wünschte sich hingegen mehr Mut beim Tierschutz und lobte das Volksbegehren für dessen praktikable Lösungsvorschläge. Er räumte auch ein, dass das Gesetzespaket Verbesserungen bringt, etwa das Verbot des Kükenschredderns und die Verschärfungen bei Qualzuchten, kritisierte aber die langen Übergangsfristen. Er drängte insbesondere auf ein Verbot von langen Lebendtiertransporten. Die Tiere sollten seiner Meinung nach nur bis zum nächsten Schlachthof transportiert werden dürfen.
NEOS: Mehr Mut beim Tierschutz
Kritik am parlamentarischen Verhandlungsprozess kam auch von den NEOS. Wie die anderen Oppositionsparteien wünschte sich Katharina Werner mehr Mut beim Tierschutz und vermisste ein Paket für den Haustierbereich. Ein solches werde im Herbst kommen, versicherten daraufhin Abgeordnete aus den Reihen der ÖVP und der Grünen.
Auch beim Kälbertransport sieht Werner zu wenig Fortschritt. Die Übergangsfrist für das Verbot von Vollspaltböden bezeichnete sie als "schlechten Scherz". Selbst die AMA habe ambitioniertere Ziele, meinte sie und forderte für die Umstellung die Vorlage eines Plans und konkrete Zahlen ein. Werner verlieh ihrer Überzeugung Ausdruck, dass auch die Konsumentinnen und Konsumenten ihren Beitrag leisten werden, wenn man sie auch lasse.
ÖVP: Auch Handel und Konsument:innen müssen ihrer Verantwortung nachkommen
Ganz anders sahen die Dinge die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne. Georg Strasser (ÖVP) meinte mit Blick auf das Tierschutzvolksbegehren, die Landwirtschaft und die NGOs hätten jeweils einen Blick über den Tellerrand gewagt und im Dialog Verständnis füreinander entwickelt. So sei es zu einem "Schulterschluss für die Zukunft" gekommen. Strasser betonte, die Bäuerinnen und Bauern seien bereit, einen weiteren Schritt zu machen, weil das Paket mehr Planungssicherheit bringe. Das Gesetz sei richtig und wichtig, sagte auch Gabriel Obernosterer (ÖVP).
Wie Strasser und Obernosterer legten Josef Hechenberger (ÖVP), Klaus Lindinger (ÖVP) und Peter Weidinger (ÖVP) Wert auf die Sicherstellung hoher Qualität bei Lebensmitteln, regionale Wertschöpfung und die Sicherung der Selbstversorgung in Österreich. Hechenberger und Lindinger plädierten für einen "Tierschutz mit Augenmaß und Hausverstand", um zu verhindern, dass die Produktion ins Ausland abwandert und billiges Fleisch importiert wird. In diesem Zusammenhang betonten die ÖVP-Abgeordneten immer wieder die Verantwortung des Handels und der Konsumentinnen und Konsumenten. Man werde sich genau anschauen, ob die Ziele des Gesetzes auch erreicht werden, sagte Strasser. "Lebensmittel müssen uns auch etwas wert sein", ergänzte Obernosterer. Lindinger forderte zudem eine bessere Unterstützung der Landwirtinnen und Landwirte und verteidigte wie seine Kollegen die Übergangsfristen mit dem Argument der Investitionssicherheit.
Grüne: Ein Paradigmenwechsel in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung
Auch Olga Voglauer (Grüne) sprach von einem "Meilenstein für den Tierschutz". Man habe das "umfangreichste Paket" seit dem Bestehen des Tiertransport- und Tierschutzgesetzes vorgelegt, unterstrich sie. Bereits ab dem nächsten Jahr würden neue Standards für Um- und Neubauten von Schweineställen gelten. Zusätzlich sollen in einem Begleitprozess bis Ende 2026 die wissenschaftlichen und praktischen Grundlagen der rechtlichen Mindeststandards geschaffen werden. Die Grünen-Mandatarin sprach von einem vorbildlichen Gesetzgebungsprozess unter Einbindung aller relevanten Beteiligten.
In gleicher Weise argumentierten Faika El-Nagashi (Grüne) und Clemens Stammler (Grüne). Für El-Nagashi bedeutet das Gesetz einen Paradigmenwechsel in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Sie brach eine Lanze für die Reduzierung des Konsums tierischer Produkte. 2039 werde das Agrarsystem ein anderes sein, der Fleischkonsum von heute werde dann nicht mehr möglich sein und somit steht für sie das gegenständliche Gesetz im Zeichen einer progressiven Ernährungswende. Man sollte Sozialpolitik nicht über Lebensmittelpreise machen, sondern über soziale Umschichtungen, war Stammler für entsprechende Preise von Qualitätsnahrungsmitteln. Die Grünen verteidigten die Übergangsfristen im Interesse der Planungssicherheit für Bäuerinnen und Bauern.
Pia Philippa Strache: Es gibt noch viele Lücken
Die fraktionslose Abgeordnete Pia Philippa Strache räumte zwar Verbesserungen ein, ortet aber noch viele Lücken. So hält sie die Lösung in Bezug auf Vollspaltböden für dürftig und zeigte kein Verständnis für die Regelungen beim Kälbertransport. Sie äußerte auch Sorge, dass es nun zu einem Stillstand beim Tierschutz kommen könnte. Strache zufolge müsste man auch mehr über die moralische Zurechnungsfähigkeit der Konsument:innen und die Profitgier so mancher Unternehmen reden. Sie thematisierte zudem das Leid der Fiakerpferde. (Fortsetzung Nationalrat) med/jan
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