Nationalrat beschließt einstimmig Aus für COVID-19-Impfpflicht
Wien (PK) – Nur fünf Monate nach dem Inkrafttreten des COVID-19-Impfpflichtgesetzes ist es nun wieder Geschichte. Der Nationalrat hat die Aufhebung des Gesetzes und zugehöriger Verordnungen heute einstimmig beschlossen.
Im COVID-19-Maßnahmengesetz und im Epidemiegesetz werden zudem Anpassungen in Bezug auf die kürzlich beschlossene Verordnungsermächtigung, nach der der Gesundheitsminister Verkehrsbeschränkungen festlegen darf, vorgenommen. Eine Novelle zum Gesundheitstelematikgesetz bringt unter anderem Neuerungen bei der Verschreibung von suchtgifthaltigen Arzneimitteln zur Schmerztherapie und Opioid-Substituten per E-Mail.
COVID-19-Impfpflicht abgeschafft
Einstimmig beschlossen wurde der Antrag der Koalitionsfraktionen, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die COVID-19-Impflichtverordnung sowie die Verordnung über die vorübergehende Nichtanwendung des Gesetzes samt dazugehöriger Verordnung aufgehoben werden. Auch das Epidemiegesetz wird angepasst, um Bezugnahmen auf das COVID-19-Impfpflichtgesetz zu beseitigen. Der Antrag stand aufgrund einer Fristsetzung in der heutigen Sitzung zur Debatte, ohne dass der Gesundheitsausschuss ihn vorberaten hat.
ÖVP und Grüne halten in der Begründung fest, dass die Aufhebung keinesfalls eine Schmälerung des Beitrags der Impfung zur Bewältigung der Pandemie insbesondere im Hinblick auf die Verringerung schwerer Verläufe zum Ausdruck bringen soll. Es werde lediglich von einer Rechtspflicht abgesehen. In Kraft treten soll die Änderung mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung, die erfolgen kann, wenn der Bundesrat nächste Woche keinen Einspruch erhebt.
Abänderungen bringen weitere Neuerungen im Gesundheitsbereich
Novellen zum Epidemiegesetz, zum COVID-19-Maßnahmengesetz und zum Gesundheitstelematikgesetz wurden durch Abänderungsanträge in der Sitzung mit Inhalten befüllt. Auch sie standen durch Fristsetzungen ohne Vorberatung im Gesundheitsausschuss auf der Tagesordnung.
Im Epidemiegesetz bzw. im COVID-19-Maßnahmengesetz wurden damit Änderungen vollzogen, die aufgrund der jüngst beschlossenen Verordnungsermächtigung für den Gesundheitsminister zur Festlegung von Verkehrsbeschränkungen notwendig wurden. Es handelt sich um Anpassungen bzw. Klarstellungen in Bezug auf eine Heimquarantäne nach einem positiven Antigentest sowie die Vergütung des Verdienstentgangs bei einer Corona-Infektion. Ursprünglich hatte der Antrag nur redaktionelle Anpassungen sowie eine datenschutzrechtliche Änderung beinhaltet, wonach Impfzertifikate künftig nicht mehr als PDF im E-Impfpass gespeichert, sondern nur mehr als Link zur Verfügung stehen sollen. Die Regelungen wurden mehrheitlich beschlossen.
Der ursprüngliche Antrag von ÖVP und Grünen zur Novellierung des Gesundheitstelematikgesetzes beinhaltete redaktionelle Korrekturen. Mittels Abänderungsantrag brachten die Koalitionsparteien in der Sitzung Änderungen bei der Verschreibung von suchtgifthaltigen Arzneimitteln zur Schmerztherapie und Opioid-Substituten per E-Mail ein, die mehrheitlich angenommen wurden. Man will damit eine möglichst patient:innenfreundliche Übergangslösung schaffen, bis die Verschreibung vollständig auf einen elektronischen Prozess umgestellt wird. Gleichzeitig gibt es datenschutzrechtliche Einschränkungen. Aufgrund eines Engpasses bei E-Card-Lesegeräten wird außerdem die im Zuge der Pandemie geschaffene Möglichkeit zur Überprüfung der Identität von Personen ohne Stecken der E-Card eingeschränkt auf Apotheken und Impfstraßen verlängert.
Fiona Fiedler (NEOS) sah viele Digitalisierungsschritte, die aufgrund der Pandemie im Gesundheitsbereich umgesetzt wurden, als positiv. Insbesondere für chronisch kranke Menschen haben die Fernrezepte etwa eine große Erleichterung gebracht. Fiedler kritisierte die Änderung, mit der genau in diesem Bereich nun die Handhabung massiv eingeschränkt würde. So dürfe man mit Patient:innen nicht umgehen, meinte sie.
Intensive Debatte über Impfpflicht und Corona-Management
Die Impfpflicht sei zu Beginn einer Hochphase der Pandemie mit einer anderen Virusvariante eingeführt worden, erinnerte Gesundheitsminister Johannes Rauch. Die Situation sei jetzt eine völlig andere als damals. Er betonte, dass die Impfpflicht verhältnismäßig sein muss, was sie zuletzt angesichts der veränderten Lage nicht gewesen sei. Man schaffe daher nun "etwas, das nicht funktioniert und nicht verhältnismäßig ist" ab und setze auf die Freiwilligkeit der Menschen. Denn die Impfung sei eine Errungenschaft der Wissenschaft und helfe gegen schwere Verläufe.
Mit Blick auf den Herbst stellte Rauch klar, dass seit Wochen evaluiert werde, was funktioniere und was nicht. Es gehe darum, vulnerable Gruppen zu schützen und gleichzeitig ein Leben mit dem Virus zu ermöglichen. Der Variantenmanagementplan sei dafür ein guter und vertretbarer Weg. Er werde derzeit finalisiert und in Kürze von der Regierung beschlossen, so Rauch.
Josef Smolle und Werner Saxinger (beide ÖVP), die ebenfalls die veränderte Situation in der Pandemie betonten, bekräftigten ihr Ja zur Impfung. Man schaffe zwar die Impfpflicht ab, aber die Impfung bleibe weiterhin das wichtigste Mittel in der Bekämpfung der Pandemie, sagte etwa Saxinger. Die Impfdebatte habe große Gräben in der Gesellschaft geschaffen, die es nun zu überwinden gelte, meinte er. Smolle verwehrte sich dem Vorwurf, dass die Abschaffung einem Zick-Zack-Kurs der Politik gleichkomme. Es handle sich um eine Politik, die sich an der Wissenschaft orientiere, die jeweils aktuelle Situation bewerte und danach handle.
Man habe immer betont, dass es die Impfpflicht nur so lange wie nötig geben werde, sagte Ralph Schallmeiner (Grüne). Nun halte man das Versprechen und schaffe das Gesetz ab. Auch er zeigte sich bewusst, dass Gräben in der Gesellschaft zugeschüttet werden müssen. Das heiße aber nicht, alles zu vergessen. Bedrohungen von impfenden Ärzt:innen oder das bewusste Verbreiten von Verschwörungserzählungen könnten nicht geduldet werden, so Schallmeiner.
Philip Kucher, Gabriele Heinisch-Hosek und Verena Nussbaum (alle SPÖ) übten scharfe Kritik an dem generellen Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung. Es sei an der Zeit, den "Regierungspfusch" bei der Impfpflicht endlich zu beenden, sagte Kucher, der auch die Freiheitlichen für die Pandemieentwicklung in Österreich in Verantwortung zog. Der Variantenmanagementplan des Gesundheitsministers für den Herbst sei nichts anderes als zu würfeln, kritisierte Kucher. Auch Gabriele Heinisch-Hosek ließ kein gutes Haar an der bisherigen Pandemiepolitik der Regierung. Zu Beginn hätten eine "billige Selbstdarstellung" des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz in Pressekonferenzen, "Kommunikationsdesaster und fehlerhafte Gesetze" vorgeherrscht. Durch die Risikokommunikation der Regierung, die kurzfristig Angst geschürt habe, sei eine gespaltene Gesellschaft mit psychischen Langzeitfolgen übrig geblieben. Was das für die junge Generation bedeute, sei noch nicht abzusehen, so Heinisch-Hosek.
Verena Nussbaum (SPÖ) konstatierte, dass die Regierung mit ihrer Politik immer mehr Zustimmung in der Bevölkerung verliere. Sie sei davon nicht überrascht, denn auch im Hohen Haus herrschten chaotische Abläufe. Nussbaum bemängelte, dass Anträge sehr kurzfristig vorgelegt würden, Begutachtungen zum Fremdwort geworden seien und die nun vorliegenden Gesetze nicht einmal im Gesundheitsausschuss vorberaten wurden. Für sie sind sowohl bei den Gesetzesänderungen als auch in der Pandemiebekämpfung allgemein viele Fragen ungeklärt.
Die Freiheitlichen sehen mit der Abschaffung des Impfpflichtgesetzes ihren Standpunkt bestätigt. Endlich sei es soweit, dass das unsägliche Gesetz abgeschafft werde, das ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte der Menschen gewesen sei, sagte etwa Gerhard Kaniak (FPÖ). Aus seiner Sicht sei die Abschaffung den Demonstrant:innen, die gegen das Gesetz auf die Straße gegangen sind, und den Freiheitlichen zu verdanken. Kaniak warf dem Gesundheitsminister auch eine fehlende Planung für den Herbst vor. Susanne Fürst (FPÖ) wollte die Argumentation des Ministers, die Situation habe sich seit Einführung der Impfpflicht verändert, nicht gelten lassen. So kurzfristig seien die Grund- und Freiheitsrechte nicht angelegt, betonte sie. Bei einer derart unsicheren Situation hätte man keine so weitreichenden Einschränkungen verhängen dürfen.
Gerald Hauser (FPÖ) äußerte sich generell ablehnend gegenüber der Impfung mit Blick auf etwaige Nebenwirkungen. Im Parlament habe es mit den Freiheitlichen immer nur eine Partei gegeben, die geschlossen gegen die Impfpflicht aufgetreten sei. Hauser sieht die Corona-Politik der Regierung gescheitert und warf dem Gesundheitsminister vor, das Gesundheitssystem, die Gesellschaft und die Wirtschaft zerstört zu haben. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) bezeichnete das Impfpflichtgesetz, das aus ihrer Sicht nie beschlossen werden hätte dürfen, als "Sündenfall". Die Abschaffung sei ein längst überfälliger Akt. Gespalten wurde die Gesellschaft laut Belakowitsch aber durch die Maßnahmen von Anfang an. Es werde weitaus mehr brauchen als die Abschaffung der Impfpflicht, um die Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Peter Wurm (FPÖ) vermisste eine Entschuldigung der vier Fraktionen, die im Jänner für die Impfpflicht gestimmt haben. (Fortsetzung Nationalrat) kar
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