Parlamentskorrespondenz Nr. 876 vom 12.07.2022

Neu im Verfassungsausschuss

Anträge der Koalitionsparteien und der NEOS zum Thema Volksgruppen

Wien (PK) – Zwei Entschließungsanträge der Koalitionsparteien zielen darauf ab, die Volksgruppensprachen in Österreich zu festigen und einen nationalen Gedenktag für die unter dem NS-Regime verfolgten und ermordeten Roma und Sinti einzuführen. Die NEOS wollen den Volksgruppen die Möglichkeit der Selbstverwaltung in Form körperschaftsrechtlicher Organisationen geben.

NEOS für besseren Schutz der autochthonen Volksgruppen

In ihrem Entschließungsantrag (2693/A(E)) machen die NEOS geltend, dass die Angehörigen der sechs anerkannten autochthonen Volksgruppen in Österreich – der kroatischen, der slowenischen, der ungarischen, der tschechischen und der slowakischen Volksgruppe sowie der Volksgruppe der Roma – zwar verschiedene individuelle Rechte hätten. Sie vermissen aber kollektive Rechte und wollen den Volksgruppen daher die Möglichkeit der Selbstverwaltung in Form körperschaftsrechtlicher Organisationen einräumen. Moderne und repräsentative Organe könnten die eigenen Angelegenheiten dezentral besorgen, ihre Mitglieder beraten und vertreten sowie den Willen der Volksgruppe nach außen artikulieren, argumentiert Michael Bernhard. Dafür brauche es ein entsprechendes Wahlsystem. Zudem müssten ausreichende finanzielle Zuwendungen für die Vertretungskörperschaften gewährleistet sein. Auch eine Neukodifikation der verfassungsrechtlichen Volksgruppenrechte zur Sicherung des Bestands der Volksgruppen und zur Förderung ihrer Sprache und ihrer Kultur sind den NEOS ein Anliegen.

Für jene Volksgruppen, die keine "körperschaftliche Organisation" wünschen, sollen beim Bundeskanzleramt weiterhin Volksgruppenbeiräte eingerichtet werden, schlägt Bernhard vor.

ÖVP und Grüne für Einführung eines nationalen Gedenktags für Roma und Sinti

Die Koalitionsparteien sprechen sich dafür aus, einen nationalen Gedenktag für die unter dem NS-Regime verfolgten und ermordeten Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze einzuführen und schlagen dafür den 2. August vor (2723/A(E)). An diesem Tag werde bereits auf europäischer Ebene an die Holocaust-Opfer dieser ethnischen Minderheit gedacht, argumentieren sie. Zudem fordern Olga Voglauer (Grüne) und Nikolaus Berlakovich (ÖVP) die Bundesregierung auf, den Völkermord an den Roma und Sinti während des Nationalsozialismus als historische Tatsache anzuerkennen.

In der Begründung des Antrags weisen Voglauer und Berlakovich darauf hin, dass die Anerkennung und Verurteilung des Genozids für die Roma von großer symbolischer Bedeutung sei. Zudem sehen sie einen solchen Schritt als wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und zur Bekämpfung aller Formen von Diskriminierung, Roma-Feindlichkeit und Antiziganismus. Der 2. August wurde ihnen zufolge dabei bewusst zum europäischen Gedenktag erkoren: In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 waren infolge der Liquidation des Lagerabschnitts B mindestens 3.000 Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet worden.

… und für Evaluierung des Vollzugs der Minderheitenschulgesetze

Ein weiteres Anliegen ist den Koalitionsparteien die Evaluierung des Vollzugs der Minderheitenschulgesetze und die Vorlage eines entsprechenden Berichts an den Nationalrat (2724/A(E)). Insbesondere sollen dabei das Angebot, die Kontinuität und die Qualität des Unterrichts in den Volksgruppensprachen sowie die einschlägigen Unterrichtsmaterialien – unter Berücksichtigung der Lehrpläne und der Kompetenzraster – unter die Lupe genommen werden. Im Bereich der schulischen Bildung und der vorschulischen Erziehung habe sich in den vergangenen Jahren sehr viel geändert, man müsse daher evaluieren, inwieweit die Vollziehung der Minderheitenschulgesetze mit der Entwicklung Schritt gehalten habe, wird die Initiative begründet. (Schluss) gs