Parlamentskorrespondenz Nr. 896 vom 14.07.2022

Bundesrat genehmigt "Kindergartenmilliarde" und mehr Unterstützungspersonal für Pflichtschulen

Gründungsgesetz für das "Institute of Digital Sciences Austria" und Abschaffung der Indexierung der Familienbeihilfe besiegelt

Wien (PK) - In seiner heutigen Sitzung befasste sich der Bundesrat mit der Finanzierung von Kindergärten und Pflichtschulen. So gab es grünes Licht für jährliche 200 Mio. €, mit denen laut 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern der Ausbau elementarpädagogischer Betreuungsangebote vorangetrieben werden soll. Ein bedarfsgerechtes ganzjähriges und ganztägiges Betreuungsangebot für Kinder bis zum Schuleintritt, wodurch auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden soll, ist die Zielsetzung der Novelle. Einhellige Zustimmung fand eine Regierungsvorlage, die mehr administratives und psychologisches Unterstützungspersonal für die Pflichtschulen vorsieht.

Genehmigt wurden außerdem die rechtlichen Grundlagen für eine etwaige Verlängerung der COVID-19-Sonderrregelungen im Hochschulbereich und das Gründungsgesetz für das "Institute of Digital Sciences Austria" in Linz. Auch gegen Novellen zum Familienlastenausgleichsgesetz und zum KommAustria-Gesetz erhob die Länderkammer keinen Einspruch.

Mittelaufstockung für Elementarpädagogik und Pflichtschulen

Mit einer Novelle der 15a-Vereinbarung zur Finanzierung der Kindergärten soll es in den Kindergartenjahren 2022/23 bis 2026/27 jährlich in Summe 200 Mio. € an Zweckzuschüssen des Bundes an die Länder geben. Die Aufteilung der Gelder auf die Länder berechnet sich aus dem Anteil der unter Sechsjährigen pro Bundesland an der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung. Die Aufteilung der Mittel zwischen Ländern und Gemeinden liegt in der Kompetenz der Gebietskörperschaften. Weiterhin verpflichtend ist der Besuch einer elementaren Bildungseinrichtung im Jahr vor der Schulpflicht des Kindes. Der Besuch soll wie gehabt im Ausmaß von 20 Stunden beitragsfrei angeboten werden, was der Bund im Rahmen der Zweckzuschüsse mit 80 Mio. € pro Kindergartenjahr bis 2026/27 mitfinanzieren will. Die verbleibenden 120 Mio. € sind laut Vorschlag zum Großteil zweckgebunden von den Ländern einzusetzen, nämlich zu mindestens 51% für den Ausbau elementarer Bildungseinrichtungen und zu mindestens 19% für die frühe sprachliche Förderung. Für diese beiden Bereiche ist von Bundesländerseite zudem eine zusätzliche Kofinanzierung von jährlich 63 Mio. € vorgesehen. Die verbleibenden 30% des Bundeszuschusses können je nach Bedarf des jeweiligen Landes flexibel eingesetzt werden. Zum qualitativen Ausbau der Angebote elementarer Frühförderung will man die Qualifikation der Betreuenden bundesweit vereinheitlicht weiterentwickeln.

An Pflichtschulen, die ebenfalls in der Zuständigkeit der Bundesländer liegen, beabsichtigt der Bund, mit einer Aufstockung der Mittel den Ausbau der administrativen und psychosozialen Unterstützung an Schulen sowie der ganztägigen Schulplätze zu fördern. Nötig sind dazu Änderungen im Finanzausgleichsgesetz und im Bildungsinvestitionsgesetz. Die als "Transferaufwand" bezeichneten Zahlungen an die Länder betragen laut Novellenentwurf für das Restjahr 2022 2,33 Mio. €, für 2023 sind 45,84 Mio. € vorgesehen und von 2024 bis 2026 jährlich 22 Mio. €.

SPÖ: Nicht alles Gold, was glänzt

Ihre Fraktion werde der Novelle "trotz etlicher Kritikpunkte" zustimmen, erklärte Doris Hahn (SPÖ/N), da jeder kleine Schritt in die richtige Richtung zu unterstützen sei. Doch es sei "nicht alles Gold, was glänzt". So würden sich viele Bundesländer wie Wien, Kärnten, Steiermark und Vorarlberg bei der Aufstockung der Mittel für die Pflichtschulen benachteiligt sehen. Etwa Wien habe bereits früher mit der Verstärkung der administrativen Assistenz begonnen. Nun werde es für seine "bildungspolitische Weitsicht" mit beträchtlichen Mehrkosten bestraft. Schulen seien schon lange nicht mehr ein Ort der reinen Wissensvermittlung, so Hahn. Doch durch den hohen administrativen Aufwand für Lehrer:innen würde die wichtige soziale Komponente oftmals zu kurz kommen.

Die Erwartungen an die neue 15a-Vereinbarung seien groß, doch das Ergebnis "mehr als enttäuschend" gewesen, meinte Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W). Angesichts eklatanter Missstände im elementarpädagogischen Bereich hätte ein "wirklich großer Wurf" passieren müssen, doch diese Chance sei nun vertan. Dabei hätte es für den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung "viele Verbündete" gegeben, wie die Industriellenvereinigung oder die Wirtschaftskammer Österreich. Dieser sei durchaus umsetzbar, wenn man den Gemeinden genügend Unterstützung zukommen lassen würde. Die nun beschlossene Mittelaufstockung würde nicht bei den Kindern ankommen, sondern "im System verpuffen", bemängelte Gruber-Pruner. Zudem brauche es nun eine groß angelegte Ausbildungsoffensive, um dem Fachkräftemangel in diesem Bereich entgegenzuwirken.

Von einer "Mogelpackung" in der Höhe von lediglich 55 Mio. € mehr im Jahr, die von der Teuerung "weggefressen" würde, sprach Korinna Schumann (SPÖ/W). Diese Summe würde lediglich reichen, um den normalen Betrieb aufrecht zu erhalten, von einem weiteren Ausbau könne jedoch nicht ausgegangen werden. Schumann berichtete von vielen Beschäftigten in diesem Bereich, die bereits das Berufsfeld verlassen hätten oder über diesen Schritt nachdenken würden. Dies sei Resultat davon, dass den Elementarpädagog:innen in der Pandemie alles abverlangt und ihre Forderung ignoriert worden seien. Die Sozialdemokratie werde bei diesem Thema nicht locker lassen, da es um die Zukunft des Landes gehe.

FPÖ fordert Zuschuss für Kinderbetreuung auch im familiären Umfeld

Markus Leinfellner (FPÖ/St) bezeichnete die 15a-Verienbarung als Fortschreibung der freiheitlichen Regierungsarbeit und drückte daher auch die Zustimmung seiner Fraktion aus. Das Thema des flexiblen Betreuungsangebotes liege ihm jedoch "schwer im Magen". Aus seiner Sicht werde die Kinderbetreuung ausschließlich im institutionalisierten Kontext diskutiert, was dem Prinzip der Wahlfreiheit widerspreche. Daher brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem als Alternativmodell auf die Salzburger Gemeinde Berndorf verwiesen wird. Diese gewähre Familien, die keine institutionelle Kinderbetreuung in Anspruch nehmen, einen Zuschuss in der Höhe eines Drittels der Differenz zwischen dem Kinderbetreuungsgeld und dem Mindestsicherungssatz. Die Forderung, auf Grundlage dieses Modells ein bundesweites Förderkonzept zu erarbeiten und umzusetzen, fand keine Mehrheit.

Bildungsminister Polaschek und Koalition zufrieden

Es sei wichtig, dass diese Themen als Gesamtpaket verhandelt wurden und somit wesentliche Punkte des Regierungsprogrammes umgesetzt werden konnten, erklärte Bildungsminister Martin Polaschek. Dazu sei ein "guter, gemeinsamer Weg" zwischen Bund und Ländern gefunden worden, um den Auswirkungen der Pandemie entgegenzusteuern und den Familien ein bedarfsgerechtes und qualitatives Angebot bereitzustellen. Der Fokus liege auf Kindern unter drei Jahren und die unterversorgten Regionen. Der SPÖ hielt Plaschek entgegen, dass die Mittel nicht "verpuffen", sondern genau dort landen würden, wo man sie brauche. An der Bekämpfung des Personalmangels in der Elementarpädagogik werde gearbeitet.

Intensivste Verhandlungen seien der "Kindergartenmilliarde" vorangegangen, wie Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) sagte. Resultat sei ein "tolles Paket", das dazu beitragen werde, dass die Kinder beste Bedingungen für ihren Bildungsweg vorfänden. Zudem handle es sich um einen "wichtigen Meilenstein" in der Frage der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie, der zu bereits gesetzten Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung der Familien dazukomme, wie etwa die Erhöhung des Familienbonus und des Kindermehrbetrags. Der Ausbau der Assistenz an den Pflichtschulen würde eine deutliche Entlastung für die Lehrkräfte darstellen.

Die Aussagen der SPÖ wirkten, als wären diese noch nie in der Regierung gewesen, wunderte sich Elisabeth Kittl (Grüne/W) über die Kritik der Sozialdemokrat:innen. Diese hätten selbst genügend Zeit gehabt, den Ausbau der Elementarbildung voranzutreiben und eine Erhöhung der Mittel um 40% stelle keine "Mogelpackung" dar. Kittl führte die Details der beiden Regierungsvorlagen aus und ging auf die Bedeutung des Ausbaus der Kinderbetreuung für die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern ein. Ein Rechtsanspruch sei aufgrund des Personalmangels in diesem Bereich nicht umsetzbar, doch die sich aus der Mittelaufstockung ergebenden Entlastungen für die Elementarpädagog:innen könnten zur Attraktivierung des Berufsfelds beitragen. Auch der Abwanderung aus den ländlichen Regionen könne durch ein vermehrtes Kinderbetreuungsangebot entgegengewirkt werden, so Kittl.

Hochschulen können COVID-19-Maßnahmen bei Bedarf verlängern

Universitäten und Hochschulen sollen für den Fall der Verschärfung der COVID-19-Situation im Herbst vorbereitet sein und bei Bedarf Präventionsmaßnahmen setzen können, argumentieren ÖVP und Grüne. Sie haben daher mit einem  Initiativantrag  eine nochmalige Verlängerung der Bestimmungen des 2. COVID-19-Hochschulgesetzes bis zum 28. Februar 2023 auf den Weg gebracht. Der Antrag erhielt im Bundesratsplenum mehrheitliche Zustimmung.

Gründungsgesetz des "Institute of Digital Sciences Austria"

Auch das Gründungsgesetz für das "Institute of Digital Sciences Austria" (IDSA) in Linz wurde vom Bundesrat besiegelt. Damit werde laut Regierungsvorlage die Gründungsphase einer neuen technischen Universität in Oberösterreich eingeleitet und mit Beginn des Studienjahres 2023/24 neue Wege in Forschung, Lehre und praktischer Anwendung beschritten. Festgelegt werden etwa Bestimmungen zur Rechtsform, zu den Gründungsorganen, zu Lehre und Studien und zum Personal.

Indexierung der Familienbeihilfe, Rundfunkförderung

Ohne Einspruch passiert haben den Bundesrat auch Novellen zum Familienlastenausgleichsgesetz und zum KommAustria-Gesetz . Dabei geht es zum einen um die Abschaffung der unter der türkis-blauen Regierung eingeführten Indexierung der Familienbeihilfe infolge eines EuGH-Urteils und den Zugang von Vertriebenen aus der Ukraine zur Familienbeihilfe. Zum anderen wird der Fördertopf für nichtkommerzielle Radio- und Fernsehsender von jährlich 3 Mio. € auf 5 Mio. € aufgestockt.

Kritik an den beiden Beschlüssen kam von der FPÖ. Marlies Steiner-Wieser und ihre Fraktionskolleg:innen drängten darauf, die Indexierung der Familienbeihilfe und anderer Familienleistungen für im Ausland lebende Kinder – in einer unionsrechtlich haltbaren Form – so rasch wie möglich wieder einzuführen und die Zahlungen damit erneut an die jeweiligen Lebenshaltungskosten am Wohnort der Kinder anzupassen. Sie konnten sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag aber nicht durchsetzen. (Fortsetzung Nationalrat) wit/mbu/gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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