Parlamentskorrespondenz Nr. 1063 vom 03.10.2022

Russland-Sanktionen: Nationalrat beschließt Sondergesetz zur einheitlichen Vorgangsweise bei öffentlichen Aufträgen

Justizministerium für etwaige Ausnahmegenehmigungen zuständig

Wien (PK) – Gemäß den geltenden Russland-Sanktionen ist es der öffentlichen Hand grundsätzlich verboten, Aufträge oder Konzessionen an Personen, Organisationen oder Einrichtungen aus der Russischen Föderation zu vergeben bzw. derartige Aufträge oder Konzessionen fortzuführen. Allerdings können die einzelnen EU-Staaten laut entsprechender EU-Verordnung für bestimmte, taxativ aufgezählte Bereiche Ausnahmen festlegen bzw. genehmigen. In Österreich wird für solche Genehmigungen das Justizministerium zuständig sein. Das hat der Nationalrat in der heutigen Sondersitzung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen. Neben den Koalitionsparteien stimmten auch SPÖ und NEOS für den Gesetzentwurf. Auch allgemeine Verordnungen der Bundesregierung zu dieser Frage sind demnach möglich. In Kraft treten können die – bis Ende 2023 befristeten – Bestimmungen allerdings erst nach einer ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrats: Er wird aller Voraussicht nach am Donnerstag über das Sondergesetz beraten.

Vom Nationalrat angenommen wurde heute auch ein Fristsetzungsantrag der Koalitionsparteien: Demnach ist der Unterrichtsausschuss angehalten, die Vorberatungen über die erst vergangene Woche von der Regierung vorgelegte Novelle zum Schulorganisationsgesetz und zum Schulunterrichtsgesetz bis zum 11. Oktober abzuschließen. Dabei geht es insbesondere um die Einrichtung einer Fachschule für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung und einer Höheren Lehranstalt für Pflege und Sozialbetreuung.

FPÖ stellt Russland-Sanktionen erneut in Frage

In der Debatte über das Sondergesetz ging es nicht nur um die neuen gesetzlichen Bestimmungen, auch die Russland-Sanktionen insgesamt waren immer wieder Thema. So zeigte sich etwa ÖVP-Abgeordneter Andreas Minnich "fassungslos", dass die FPÖ diese trotz des "Blutvergießens" in der Ukraine immer wieder in Frage stelle. Schließlich sei der Krieg auch ein Angriff auf westliche Werte, meinte er. Zudem sei die Rechnung, die alle zahlen müssten, wenn jetzt nicht gehandelt würde, sicher höher als die Folgen der Sanktionen, ist Minnich überzeugt. Auch für seine Fraktionskollegin Corinna Scharzenberger sind die Sanktionen unumgänglich.

Dem hielt Volker Reifenberger (FPÖ) entgegen, dass sich Österreich mit seiner Russland-Politik zum "Handlanger" der Nato mache und die Neutralität mit Füßen trete. Die Regierung spiele "ein gefährliches Spiel", da Österreich Gefahr laufe, dass die Neutralität international nicht mehr anerkannt werde. Die Haltung der FPÖ zu den Sanktionen sei klar, sagte Reifenberger: "Weg damit, lieber heute als morgen!"

Auch zum vorliegenden Gesetz äußerten sich Reifenberger und sein Parteikollege Harald Stefan kritisch. Die Regierungsparteien würden kurzfristig die Verfassung ändern und Mitspracherechte der Länder temporär beschneiden, stellte Reifenberger fest. Stefan bezeichnete es als "unglaublich", wie der Staat mit Unternehmen umgehe. Ihnen werde kurzfristig "die Bürde zugeschanzt", binnen einer Woche eruieren zu müssen, ob sie als wirtschaftliche Eigentümer Russen haben, was bei verflochtenen Konzernen oft gar nicht so einfach festzustellen sei. Dabei sei die EU-Verordnung bereits am 9. April erlassen worden.

Säumigkeit von Seiten der Regierung ortet auch Christian Drobits (SPÖ). Er sprach von einer "sehr peinlichen Situation", wiewohl seine Partei dem Sondergesetz zustimmte. Offenbar werde innerhalb der Regierung nicht ordentlich kommuniziert, mutmaßte er. Mit dem Gesetz wolle man fünfmonatiges Nichtstun legalisieren "und noch rechtzeitig die Kurve kratzen".

Seitens der Grünen hielt Agnes Sirkka Prammer FPÖ-Abgeordnetem Stefan entgegen, dass es schon bisher Aufgabe von Unternehmen gewesen sei zu prüfen, ob sie die Sanktionen-Verordnung der EU einhalten. Mit dem vorliegenden Gesetz würde - im Gegenteil - die Möglichkeit von Ausnahmen von den Sanktionen geschaffen. Würde man das Gesetz heute nicht beschließen, wären alle Verträge mit russischen Personen und Organisationen ab 10. Oktober ausnahmslos sanktionierbar.

Auch NEOS-Abgeordneter Johannes Margreiter stellte sich hinter das Gesetz. Eine Verfassungsänderung sei kein einfacher Eingriff, dieser sei aber notwendig, bekräftigte er. Es sei wichtig, dass alle Sanktionen auf einer rechtsstaatlichen Basis fußen. Im Übrigen würden EU-Verordnungen nicht autokratisch festgelegt, es gebe ein langes Procedere, bis diese rechtskräftig werden.

Zadić: Gesetz wurde mit Ländern abgestimmt

Ohne die vorgesehenen Ausnahmeregelungen wäre es künftig nicht mehr möglich, bestimmte wichtige Rohstoffe wie Nickel oder Erdgas aus Russland zu beschaffen, gab Justizministerin Alma Zadić zu bedenken. Es sei sinnvoll, dass diese Ausnahmegenehmigungen zentral von einer Stelle erteilt würden. Damit sei nicht nur eine bundesweit einheitliche Vorgangsweise sichergestellt, sondern auch eine unkomplizierte und rasche Erledigung. Laut Zadić soll dazu auch eine Verordnung in den nächsten Ministerrat kommen. Natürlich sei das Gesetz mit den Ländern besprochen worden, versicherte Zadić: Diese hätten nicht nur zugestimmt, sondern das Vorhaben auch ausdrücklich unterstützt.

Allgemein hielt Zadić fest, die Sanktionen gegen Russland würden klar zum Ausdruck bringen, dass der "völkerrechtswidrige Angriffskrieg" gegen die Ukraine nicht ohne Konsequenzen bleibe. Europa müsse in dieser Frage einig sein, bekräftigte sie. Schließlich gehe es um nichts Geringeres als die liberale Demokratie. (Schluss Nationalrat) gs

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