Parlamentskorrespondenz Nr. 1191 vom 21.10.2022

Volksanwaltschaft: Armutsvermeidung in Österreich unzureichend

Sonderbericht zu sozialen Grundrechten empfiehlt Rechtsanspruch auf Sozialhilfe

Wien (PK) – Die Armutsvermeidung macht die Volksanwaltschaft in einem eigenen Sonderbericht zum Thema. Kritisiert wird darin, dass in Österreich nicht alle Bevölkerungsgruppen einen Anspruch auf Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe haben, ungeachtet ihrer Notlage. Bei der sozialen Daseinsvorsorge appelliert die Volksanwaltschaft daher an Bund und Länder, menschenrechtsbasierte Prinzipien zu beachten, sowohl bei Gesetzgebung als auch bei der Vollziehung. Basis dafür wäre ein Rechtsanspruch auf soziale Hilfestellungen des Staats.

Mit ihrem Sonderbericht (III-756 d.B. und III-797-BR/2022 d.B.) über das NGO-Forum zu sozialen Grundrechten leistet die Volksanwaltschaft einen Beitrag zum Regierungsvorhaben, einen österreichischen Grundrechtekatalog zu erstellen und den Grundrechteschutz eventuell zu erweitern. Die Empfehlungen im Bericht spiegeln die Meinung des Menschenrechtsbeirats der Volksanwaltschaft wider, deren Vertreter:innen am NGO-Forum teilnahmen.

Verfassungsrang für Sozialrechte

Die Regelungen zu Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe müssten einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof, etwa bei Sozialkürzungen, standhalten, unterstreicht die Volksanwaltschaft und merkt kritisch an, Österreich habe als einziges EU-Land keine sozialen Grundrechte in der Bundesverfassung verankert. Um armutsgefährdeten Personen rasche Hilfe zu ermöglichen, brauche es einen Rechtsanspruch auf Vorleistungen zur Sozialhilfe. Derzeit gestalteten sich rechtliche Verfahren in diesem Zusammenhang für die Betroffenen häufig kompliziert. Neben Verfahrensvereinfachungen wären auch eigene Amtstage für Antragsteller:innen in den Bezirksgerichten hilfreich.

Vermögenssteuern zur Existenzsicherung

Als konkrete Bereiche, in denen die Volksanwaltschaft soziale Grundrechte einfordert, nennt sie die Gesundheitsversorgung samt Pflege, leistbares Wohnen und Daseinsvorsorge sowie Bildung. Besonders Kinder aus sozialökonomisch schwachen Haushalten treffen fehlende bzw. unfinanzierbare soziale Unterstützungsleistungen, mit Folgekosten für die Gesellschaft, zeigt der Bericht am Beispiel der unzureichenden medizinischen Versorgung mit krankenkassenfinanzierten Praxen auf. Die Gewährleistung der allgemeinen Existenzsicherung sei budgetär abzusichern, auch durch Vermögenssteuern.

Anhand der Ergebnisse der Arbeitsgruppen beim NGO-Forum zu den einzelnen Themenbereichen stellt der Bericht detailliert dar, welche Maßnahmen zur Armutsvermeidung empfohlen werden. Unter anderem wird angeregt, zur Minderung der Obdachlosigkeit ein Grundrecht auf soziales Wohnen einzuführen und das Hinauftreiben der privaten Mietzinse zu verhindern. Der Problematik der Bildungsvererbung in Österreich müsse bereits ab dem Kindergarten entgegengewirkt werden, fordert die Volksanwaltschaft einen quantitativen und qualitativen Ausbau der elementarpädagogischen Betreuung. Die Schulen würden gesetzlich garantierte Budgetmittel zur adäquaten Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.

Krisensicherung des Sozialstaats

Im Pflegebereich habe sich besonders während der COVID-10-Pandemie gezeigt, wo die Schwachstellen im heimischen Sozialstaat liegen, heißt es im Bericht. Zur Abfederung der pandemiebedingten Belastungen habe die öffentliche Hand zwar viel Geld in die Hand genommen, allerdings müssten diese schuldenfinanzierten Kosten wieder zurückgezahlt werden, wodurch Sozialkürzungen neuerlich diskutiert werden könnten, warnt die Volksanwaltschaft. Eine bessere Absicherung des Sozialstaats sei daher dringend erforderlich.

Bei der Erarbeitung von Gesetzesvorschlägen zur Erreichung der Regierungsziele "soziale Absicherung von durch Armut betroffenen Menschen" und "Ermöglichung der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ohne Ausgrenzung und Diskriminierung" empfiehlt die Volksanwaltschaft der Regierung die Mitwirkung von Betroffenenorganisationen und Menschenrechtsorganisationen. (Schluss) rei