Parlamentskorrespondenz Nr. 183 vom 21.02.2023

Zero Project: Nationalratsabgeordnete stellen Innovationen zur Inklusion von Menschen mit Behinderung vor

Gesellschaftliche Teilhabe im Zentrum der internationalen Initiativen

Wien (PK) – Politische Partizipation von Menschen mit Behinderung war heute das bestimmende Thema der Zero Project Konferenz im Parlament. Im Rahmen der Auftaktveranstaltung stellten Nationalratsabgeordnete der fünf Parlamentsfraktionen konkrete internationale Projekte und Technologien vor, die Lösungen für eine bessere gesellschaftliche Partizipation von Betroffenen bieten. Die Innovationen stammen aus Österreich, Israel, Deutschland und Schweden und wurden aus einem Pool von 350 Einreichungen in einem mehrstufigen Prozess ausgewählt.

Begleitete Elternschaft für Menschen mit intellektueller Behinderung

Das deutsche Projekt Begleitete Elternschaft (BE) der NGO MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. wurde von Kira Grünberg (ÖVP) und Ulla Riesberg von Mobile E.V präsentiert. Dabei werden Eltern mit intellektueller Behinderung unterstützt, ihre Kinder zu Hause zu erziehen. Pädagog:innen und Sozialarbeiter:innen helfen acht bis zwölf Familien pro Jahr in Fragen der Erziehung, des Familienlebens und der Haushaltsführung. Darüber hinaus hat MOBILE an der Ausarbeitung eines Gesetzes mitgewirkt, das das Recht auf begleitete Elternschaft für Eltern mit intellektueller Behinderung verankert.

Seit 2005 existiere ein ambulantes Unterstützungsangebot, das Kindern ein gutes Aufwachsen ermöglichen, die Erziehungskompetenzen der Eltern stärken und beiden die Chance auf ein gelungenes Zusammenleben geben soll, wie Riesberg ausführte. Wichtig sei auch für die Übertragung des Projekts in den österreichischen Kontext, die Öffentlichkeit für die Thematik zu sensibilisieren, wie Kira Grünberg betonte. Man wisse welche Herausforderungen die Elternschaft mit sich bringe und müsse ein Bewusstsein dafür schaffen, wie es Eltern mit Lernschwierigkeiten in dieser Situation gehe.

Integrative Musikworkshop-Woche

Da Kosten und physische Barrieren Menschen mit Behinderung oftmals daran hindern, an kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, hat das Wiener Konzerthaus 2019 einen inklusiven und kostenlosen Sommer-Musik-Workshop – die SommerMusikWoche (SMW) – ins Leben gerufen. Matthias Naske vom Wiener Konzerthaus und SPÖ-Mandatar Christian Oxonitsch präsentierten das Projekt, das jährlich bis zu 80 leistungsgemischten Teilnehmer:innen ermöglicht, gemeinsam mit professionellen Musiker:innen und Pädagog:innen zu musizieren und somit ihre Selbstständigkeit, soziale Kompetenz und musikalischen Fähigkeiten zu fördern.

Wien versteht sich laut Oxonitsch als Stadt der Kultur, doch leider herrsche nicht in allen kulturellen Institutionen ein ausreichendes Bewusstsein für Barrierefreiheit und Inklusion. Umso schöner sei es, dass das Wiener Konzerthaus sich dieser Thematik angenommen habe. Oxonitsch kündigte an, auch anderen Einrichtungen bezüglich eines inklusiven Angebots "auf die Nerven gehen" zu wollen. Matthias Naske sprach von einem "ungeheuren Mehrwert", den das gemeinsame Erleben von Musik für alle Teilnehmer:innen – unabhängig von einer Beeinträchtigung – habe.

Roboter als Avatare gegen die soziale Isolation von Schüler:innen mit Behinderung

18.000 Kinder in Österreich können aufgrund von Erkrankungen oder Behinderungen nicht regelmäßig die Schule besuchen. Die Berater Unternehmensberatungs GmbH aus Wien bietet ihnen daher Bildung mit Hilfe von physischen Robotern – sogenannten Avataren – an, die von den Kindern via Table-App von zu Hause aus gesteuert werden und mittels LED-Leuchten und Kameras mit ihrer schulischen Umgebung kommunizieren können. Wie Rosa Ecker (FPÖ) und Philipp Röhsner von "die Berater" ausführten, ist das Projekt Teil einer Studie der MedUni Wien, deren erste Ergebnisse zeigen, dass die Avatare die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben unterstützen und somit soziale Isolation verringern.

Röhsner erläuterte, dass dies auch dadurch gegeben sei, weil sich die Klassenkolleg:innen in der Schule um den Avatar kümmern indem sie ihn etwa aufladen müssten. Es gehe darum, dass die betroffenen Schüler:innen sich auch an Pausenverhalten oder Schulausflügen beteiligen könnten. Die Corona-Pandemie habe demonstriert, welche psychologischen und sozialen Folgen ein rein digitaler Unterricht zeitige, erklärte Rosa Ecker und äußerte ihre Hoffnung, dass sich die Gesellschaft auch mittels technischer Innovationen wie den Avataren "mit großen Schritten" einer besseren Inklusion von Menschen mit Behinderungen nähert.

Schulungsprogramm für politische Selbstvertretung

Die politische Selbstvertretung von Menschen mit intellektueller Behinderung steht im Zentrum eines von Heike Grebien (Grüne) vorgestellten Projekts der israelischen NGOs Beit Issie Shapiro (BIS) und Israel Elwyn. Zwölf nationale Gruppen beteiligen sich dabei an einem Beratungs- und Schulungsprogramm, bei dem sich Betroffene mit Hilfe von Moderator:innen über aktuelle Themen informieren und bei politischen Verantwortlichen als Selbst- und Kollektivvertreter:innen aktiv werden.

Laut und Lilich Bar und Abed Daka von BIS werden diese mittlerweile regelmäßig von der israelischen Regierung um ihre Mitwirkung in politischen Prozessen ersucht und beteiligen sich an der Gesetzgebung etwa zur Geschäftsfähigkeit und dem Vormundschaftswesen. Es sei wichtig, dass auch Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung ein starkes Gefühl dafür  entwickeln, für sich selbst sprechen und eintreten zu können. Betroffene trauten sich weniger zu und es werde ihnen auch weniger zugetraut, ergänzte Heike Grebien. Daher sei es entscheidend, sie auch selbst als "Sprachrohr" für ihre eigenen Interessen zu Wort kommen zu lassen.

Niederschwelliger Zugang zu politischen Prozessen

In eine ähnliche Richtung geht auch das Programm Meine Entscheidung/Meine Wahl der schwedischen NGO Studieforbundet Vuxenskolan (SV). Über Lernzirkel mit von SV geschulten Leiter:innen wird Menschen mit intellektueller Behinderung ein niederschwelliger Zugang zu politischen Themen und Lernmaterialien in leichter Sprache eröffnet, wie Kjell Stjernholm von SV und NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler erläuterten. Kurz vor einem Wahltag diskutieren die Teilnehmer:innen mit Politiker:innen, die ebenfalls von SV in leichter Sprache geschult werden. Diese Diskussionen werden über das Internet übertragen, so dass weitere Menschen mit Behinderungen zuhören können.

Fiedler bezeichnete es als "untragbaren Zustand", dass selbst Wahlen nicht barrierefrei seien. Doch mit Projekten wie Meine Entscheidung/Meine Wahl würde man dem Ziel von "echter Inklusion" schrittweise näher kommen. Sie werde sich dafür einsetzen, das Projekt auch in Österreich zu etablieren. Kjell Stjernholm zeigte sich erfreut, dass die Wahlbeteiligung bei Teilnehmer:innen des Programms mit 85 % über dem schwedischen Durchschnitt liege. Er betonte, dass in den Lernzirkeln keinerlei politische Einflussnahme durch die Leiter:innen stattfinde, da die Teilnehmer:innen bei Fragen auf die Parteien selbst verwiesen würden. (Fortsetzung Zero Project) wit

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments.

Die Auftaktveranstaltung wurde via Livestream übertragen und ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments  verfügbar.