Parlamentskorrespondenz Nr. 548 vom 19.05.2023

Parlament: TOP im Nationalrat am 25. Mai 2023

Rede EP-Präsidentin Metsola, Maßnahmen gegen die Teuerung, Pflegelehre, Pflegebonus für pflegende Angehörige, Corona-Kurzarbeit

Wien (PK) – An der Spitze der Tagesordnung der Nationalratssitzung am 25. Mai steht eine Erklärung der Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola. Zur Eindämmung der Inflation schlagen ÖVP und Grüne unter anderem vor, Stromerzeuger stärker zur Kasse zu bitten, wenn sie die gesunkenen Großhandelspreise nicht an ihre Kunden weitergeben. Auch die Einführung der Pflegelehre und Nachbesserungen beim Pflegebonus für pflegende Angehörige stehen zur Diskussion. Die noch bestehenden Sonderregelungen für Corona-Kurzarbeit sollen mit Ende September 2023 auslaufen.

Fragestunde

Die Sitzung beginnt um 09.00 Uhr mit einer Fragestunde mit Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher.

Rede von EP-Präsidentin Roberta Metsola

Seit 2015 besteht die Möglichkeit, herausragende Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik zur Abgabe einer Erklärung in eine Nationalratssitzung einzuladen. Zweimal wurde bisher von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Nach dem damaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon 2016 und der Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Liliane Maury Pasquier 2019 erhält nun die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola die Gelegenheit, sich direkt an die Abgeordneten zu wenden. Im Anschluss an die Erklärung ist eine Debatte mit jeweils zwei Wortmeldungen je Fraktion vorgesehen.

Wahrung von Arbeitnehmerrechten bei der Spaltung und Verschmelzung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS hat der Sozialausschuss einen von Arbeitsminister Martin Kocher vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung einer im Jahr 2021 beschlossenen gesellschaftsrechtlichen EU-Richtlinie ans Plenum geschickt. Die Richtlinie schafft einerseits einen Rechtsrahmen für Umwandlungen und Spaltungen grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften, zum anderen wurden die geltenden Bestimmungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften aktualisiert. Mit der Regierungsvorlage sollen jene Teile der Richtlinie im Arbeitsverfassungsgesetz nachvollzogen werden, die die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten und Arbeitnehmer:innen betreffen. Dabei geht es etwa um die Einrichtung eines besonderen Verhandlungsgremiums und die Entsendung von Arbeitnehmervertreter:innen in Aufsichtsräte. In diesem Zusammenhang ist auch eine Änderung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes nötig.

Während dieses Vorhaben im Sozialausschuss von allen Fraktionen begrüßt wurde, wurde eine weitere Gesetzesänderung auf Initiative von ÖVP und Grünen wieder aus der Regierungsvorlage gestrichen. Dabei ging es um die Möglichkeit einer Beschneidung gesetzlicher Kündigungsfristen durch Kollektivverträge. Laut Arbeitsministerium waren legistische Verbesserungen geplant, um bestehende rechtliche Unklarheiten zu beseitigen. Die SPÖ bestritt im Ausschuss aber, dass es dazu eine Einigung zwischen den Sozialpartnern gegeben habe und sprach von einem Angriff auf Arbeiter:innen. Auch die FPÖ zeigte sich über das ursprüngliche Vorhaben empört und stimmte deshalb trotz Abänderungsantrag vorerst gegen den Gesetzentwurf.

Aus für Corona-Kurzarbeit mit Ende September 2023

Ein Initiativantrag der Koalitionsparteien sieht vor, die derzeit noch bestehenden Sonderregelungen für Kurzarbeit, die im Zuge der Corona-Pandemie eingeführt wurden, bis Ende September 2023 zu verlängern. Das betrifft insbesondere die Möglichkeit einer abweichenden Beihilfenhöhe. Danach soll wieder das ursprüngliche Kurzarbeitsmodell gelten. Dauerhaft verankern wollen ÖVP und Grüne allerdings einen Passus, wonach die Kurzarbeitsbeihilfe für Unternehmen bereits ab dem vierten Monat – statt wie bisher ab dem fünften Monat – um die erhöhten Aufwendungen des Dienstgebers für die Beiträge zur Sozialversicherung angehoben wird. 

Der Gesetzentwurf erhielt im Sozialausschuss die Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen. Die NEOS kritisierten hingegen, dass die Abschaffung der Sonderregelungen ein weiteres Mal "hinausgezögert wird". Ihrer Meinung nach wäre es höchst an der Zeit, wieder zu den vor der Pandemie gültigen Kurzarbeitsregeln zurückzukehren. Arbeitsminister Martin Kocher begründete die Umstellung mit Ende September mit notwendigen Änderungen im dafür eingesetzten EDV-System des AMS, die erst im Herbst erfolgen werden. Kurzarbeit spielt ihm zufolge derzeit aber ohnehin kaum eine Rolle: Nur rund 1.800 Personen sind demnach aktuell österreichweit für Kurzarbeit vorangemeldet.

Einführung der Pflegelehre

Mit einer Stimmenmehrheit von ÖVP, FPÖ und Grünen sprach sich der Wirtschaftsausschuss für die Einführung der sogenannten Pflegelehre aus. Änderungen im Berufsausbildungsgesetz sowie im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz sollen die Möglichkeiten zu einem vierjährigen Lehrberuf mit Lehrabschluss Pflegefachassistenz (PFA) und einem dreijährigen Lehrberuf mit Lehrabschluss Pflegeassistenz (PA) schaffen. Laut Regierungsvorlage sollen damit die bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten im Pflegebereich strukturell und inhaltlich erweitert werden. Die neuen Lehrberufe sollen entsprechend dem üblichen Verfahren zunächst als Ausbildungsversuche an einzelnen Berufsschulstandorten eingerichtet werden. In einer langfristigen Perspektive rechnet man zehn Jahre nach Einführung mit rund 1.000 Lehrlingen pro Jahrgang.

Nachbesserungen beim Pflegebonus für pflegende Angehörige

Im Zuge der Pflegereform hat der Nationalrat im vergangenen Jahr auch beschlossen, pflegenden Angehörigen mit niedrigem Einkommen ab Mitte 2023 einen jährlichen Pflegebonus von 1.500 € zu gewähren. Er soll in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt werden, was für heuer eine Summe von 750 € ergibt. Voraussetzung für den Erhalt des Bonus ist, dass man den nahen Angehörigen bzw. die nahe Angehörige schon seit mindestens einem Jahr überwiegend pflegt, das eigene monatliche Durchschnittseinkommen 1.500 € netto nicht übersteigt und der bzw. die zu pflegende Angehörige Anspruch auf Pflegegeld zumindest der Stufe 4 hat.

Ursprünglich wäre überdies – außer für Angehörige, die für die Pflege ihren Job aufgegeben haben bzw. als pflegende Angehörige versichert sind – auch ein gemeinsamer Haushalt mit dem bzw. der zu pflegenden Angehörigen notwendig gewesen. Dieses Erfordernis soll nun jedoch entfallen. Die von den Koalitionsparteien beantragte Novelle zum Bundespflegegeldgesetz hat im Sozialausschuss die Zustimmung von ÖVP, FPÖ und Grünen erhalten. Die Kosten für den Angehörigenbonus werden sich laut Grünen dadurch um rund 34 Mio. € pro Jahr erhöhen.

Begründet wird der Schritt von den Koalitionsparteien damit, dass es gerade im ländlichen Raum oft vorkomme, dass Angehörige Haus an Haus mit der pflegebedürftigen Person leben, ohne einen gemeinsamen Haushalt zu haben. Die ÖVP rechnet damit, dass nun insgesamt 80.000 Angehörige vom Bonus profitieren werden. Grundsätzlich wenig vom Pflegebonus halten hingegen SPÖ und NEOS: Ihrer Meinung nach wäre ein größeres Angebot an mobiler Pflege und an Kurzzeitpflege wichtiger, um die Angehörigen zu entlasten.

Digitalisierung von Parkausweisen für Menschen mit Behinderung

Um immer wieder auftretende Betrugsfälle zu unterbinden, spricht sich der Sozialausschuss in Form einer Entschließung für eine Digitalisierung von Parkausweisen für Menschen mit Behinderung aus. Eine entsprechende Initiative der NEOS fand einhellige Zustimmung. Durch ein zentrales Register und die Ausstattung der Parkausweise mit einem QR-Code könnte man etwa verhindern, dass Parkausweise von Verstorbenen weiterverwendet werden, begründeten die NEOS ihren Vorstoß. Laut Sozialminister Rauch ist das Ministerium bereits dabei, entsprechende Schritte zu implementieren.

Distributed-Ledger-Technologie für Finanzmarktinfrastrukturen

Mit einer Regierungsvorlage zur Umsetzung von EU-Bestimmungen in Zusammenhang mit der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie (DLT) zur Förderung von Finanzmarktinfrastrukturen sollen Effizienz, Transparenz und Wettbewerb bei Handels- und Abwicklungstätigkeiten erhöht werden. Gleichzeitig will man ein hohes Maß an Anlegerschutz, Marktintegrität und Finanzmarktstabilität sicherstellen und einen Erfahrungsaustausch zwischen Marktteilnehmern und Aufsichtsbehörden in Bezug auf DLT und jene Kryptowertpapiere, die als Finanzinstrumente gelten, ermöglichen. Künftig soll die FMA für die Erteilung einer besonderen Genehmigung für den Betrieb einer auf Distributed-Ledger-Technologie basierten Marktinfrastruktur und die Beaufsichtigung der Betreiber von solchen Marktinfrastrukturen mit Sitz oder Hauptverwaltung in Österreich verantwortlich sein. Die Laufzeit der europäischen Pilotregelung ist vorerst zeitlich begrenzt. Bis zum 24. März 2026 soll die ESMA (European Securities and Markets Authority) der Europäischen Kommission über ihre Bewertung der Pilotregelungen Bericht erstatten. Die Vorlage wurde im Finanzausschuss einstimmig angenommen.

Stromerzeuger sollen höheren Energiekrisenbeitrag zahlen

Stromerzeuger sollen einen höheren Energiekrisenbeitrag zahlen, wenn sie die Strompreise nicht senken. Das sieht ein Antrag von ÖVP und Grünen vor, der aufgrund einer vom Nationalrat beschlossenen Fristsetzung auf die Tagesordnung der Sitzung kommt. Die Koalitionsparteien wollen damit die Inflation dämpfen, die zuletzt wieder auf 9,7 % gestiegen ist. Gleichzeitig ist vorgesehen, die Elektrizitäts- und Erdgasabgabe um ein weiteres halbes Jahr – bis Ende 2023 – auf das in der EU zulässige Mindestbesteuerungsniveau zu senken.

Konkret schlagen ÖVP und Grüne aufgrund der gesunkenen Großhandelspreise vor, die Schwelle für unangetastete Markterlöse von Stromerzeugern ab 1. Juni von 140 € auf 120 € je Megawattstunde Strom herabzusetzen. Darüber hinausgehende "Überschusserlöse" sind grundsätzlich zu 90 % an den Staat abzuliefern, wobei Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz unter bestimmten Voraussetzungen abgesetzt werden können. Auch höhere Gestehungskosten bei der Stromerzeugung werden berücksichtigt.

Kontrollkommission Verfassungsschutz

Legt der Hauptausschuss des Nationalrats zeitgerecht einen entsprechenden Vorschlag vor, werden die Abgeordneten auch die fünf Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz wählen. Für die Wahl ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, die Funktionsperiode der Mitglieder beträgt zehn Jahre.

Aufgabe der Kontrollkommission ist es, die gesetzmäßige Aufgabenerfüllung der für den Verfassungsschutz zuständigen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sowie der entsprechenden Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen durch begleitende Kontrolle sicherzustellen. Zuletzt wurde die Zahl der Kommissionsmitglieder von drei auf fünf aufgestockt, um eine Einigung zwischen den Parlamentsfraktionen zu erleichtern. Eigentlich hätte die Kontrollkommission bereits vor mehr als einem Jahr eingerichtet werden sollen.

Stärkung des Interpellationsrechts von Abgeordneten

Erstmals diskutieren wird der Nationalrat über zwei Anträge der FPÖ, die auf eine Stärkung des Interpellationsrechts von Abgeordneten abzielen. So ist es den Freiheitlichen ein Dorn im Auge, dass der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrats – anders als Regierungsmitglieder – an sie gerichtete schriftliche Anfragen von Abgeordneten nicht innerhalb von zwei Monaten beantworten müssen. Zudem soll es ihnen zufolge künftig möglich sein, im Plenum des Nationalrats über unzureichende Anfragebeantwortungen des Nationalratspräsidenten bzw. der Nationalratspräsidentin sowie der Rechnungshofpräsidentin bzw. des Rechnungshofpräsidenten zu diskutieren. Derzeit sind derartige "Kurze Debatten" auf Anfragebeantwortungen von Regierungsmitgliedern beschränkt.

Begründet wird die Initiative von der FPÖ damit, dass es zuletzt "indiskutable" Anfragebeantwortungen durch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gegeben habe. Auch Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker werfen die Freiheitlichen "intransparentes Handeln" vor. Nach der Ersten Lesung sollen die Anträge dem Geschäftsordnungsausschuss bzw. dem Rechnungshofausschuss zur Vorberatung zugewiesen werden. (Schluss) gs/mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.