Parlamentskorrespondenz Nr. 581 vom 26.05.2023

Umsetzung der UN-Entwicklungsziele wird von multiplen Krisen begleitet

Österreich im SDG-Umsetzungsranking laut Regierung zuletzt an 5. Stelle von 163 geprüften Ländern

Wien (PK) – Globale Herausforderungen – von Armutsbekämpfung bis Klimaschutz – bräuchten angesichts multipler Krisen verstärkte multilaterale Zusammenarbeit. Das betont die Bundesregierung in ihrem aktuellen Bericht (III-939 d.B.) zu den Entwicklungszielen der UNO. Gegenwärtig stehe jedoch die zielgerichtete Koordinierung der verschiedenen Akteure auf nationaler Ebene im Vordergrund der Arbeiten zur Umsetzung der von den Vereinten Nationen 2015 im Rahmen der Agenda 2030 beschlossenen 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs). Maßnahmen im Rahmen des COVID-19-Gesetzes gegen Armut und andere pandemiebedingte Entlastungsinitiativen von Bund und Ländern wie das Tiroler Paket zur Wohnbauförderung werden im Bericht als Teil der österreichischen Vorkehrungen zur Erreichung der Entwicklungsziele im Land genannt.

Koordinierung der Agenda 2030-Umsetzung

Neben Dutzenden Einzelprojekten auf Bundesebene beschreibt der Bericht auch detailliert zahlreiche Beiträge von Bundesländern und Gemeinden zur Umsetzung der Entwicklungsziele. Erwähnt werden zudem Nachhaltigkeitsinitiativen von Unternehmen, Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen gemäß Agenda 2030. Eine interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) unter der Leitung des Bundeskanzleramts (BKA) und des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) dient dem Informationsaustausch und der ressortübergreifenden Koordinierung. Als Informationsplattform fungiert dabei die SDG-Website des Bundeskanzleramts www.sdg.gv.at.

Global aktuelle SDG-Themen sind dem Bericht zufolge die Resilienz gegenüber multiplen Krisen, wie kriegerische Konflikte, aber auch die Energie- und Klimakrise, die Teuerung und die steigende Ungleichheit. Als entscheidende Faktoren für die Bewältigung von Herausforderungen und die Nutzung von Chancen der nachhaltigen Transformation wertet die Regierung insbesondere die Digitalisierung und Innovation, dabei wiederum das Innovationspotenzial von Unternehmen sowie die notwendigen Skills für das 21. Jahrhundert.

Grundsätzliche Zielsetzungen der UNO gemäß Agenda 2030 sind unter anderem die Beendigung von Armut, Gewährleistung von Ernährungssicherheit und hochwertiger Bildung, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, die Verringerung von Ungleichheit, eine widerstandsfähige Infrastruktur und Maßnahmen gegen den Klimawandel. In ihrem ersten Fortschrittsbericht (FNU) informierte die Regierung 2021 über den damaligen Umsetzungsstand zur Zielerreichung (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 182/2021). Zum vorliegenden Folgebericht heißt es seitens der Regierung, darin dargestellte Initiativen und Leuchtturmprojekte sollten exemplarisch die Umsetzungsarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden vor Augen führen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Corona-Auswirkungen prägten SDG-Umsetzung

Anders als 2021 werden im aktuellen Bericht die Auswirkungen der Corona-Krise berücksichtigt, wobei die Regierung auf zahlreiche Maßnahmenpakete in diesem Zusammenhang hinweist. "Umsetzung der Agenda 2030 in und durch Österreich 2020–2022" lautet dementsprechend der Titel des Berichts, den Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler dem Parlament vorgelegt hat. Exemplarisch wird in Verbindung mit dem SDG 8, Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, die von 2020 bis 2021 umgesetzte "Corona-Joboffensive" dargestellt, die arbeitslose Personen mit Interesse an beruflicher Neuorientierung im Fokus hatte. Pandemiebedingte Einmalzahlungen und Direkthilfen sowie den bundesweiten Wohnschutzschirm nennt der Bericht als Beispiele für Maßnahmen, die zum Vorgehen gegen Armut beitrugen.

Für Investitionen in die Schwerpunktbereiche Digitalisierung, Ökologisierung und Gesundheit habe man die noch bis 2025 laufende COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen auf 14 Prozent verdoppelt, um nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum nach der Pandemie sicherzustellen.

Zielerreichung: Positive Trends mit Schwachstellen

Dem Bericht zufolge liegt Österreich im internationalen Vergleich weltweit bei der Umsetzung der Agenda 2030 an 5. Stelle von insgesamt 163 geprüften Ländern und verbesserte sich dadurch im Jahr 2022 um einen Platz im Vergleich zum Jahr davor. Wichtig für die Umsetzung der Agenda 2030 sei die laufende Fortschrittsmessung basierend auf regelmäßig aktualisierten Indikatoren durch die Statistik Austria, so die Verfasser:innen des Berichts. Die Indikatoren dienen auch zum Datenvergleich im EU-Raum.

Für die Fortschrittsmessung standen der Statistik Austria jedoch nicht in allen Bereichen Indikatoren von 2010 bis 2021 zur Verfügung. Dort wo eine Trendbewertung wegen kürzerer Zeitreihen oder nur einzelner Datenjahre derzeit nicht möglich ist, wird im Bericht auf einen späteren Bewertungszeitpunkt verwiesen.

Eine tendenziell positive Entwicklung in Österreich sieht die Bundesregierung beim SDG 1 zur Armutsbekämpfung. So habe sich hierzulande die Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung von 18,9 % 2010 auf 17,3 % im Jahr 2021 verringert (EU-27 21,7 %) – trotz eines Anstiegs um 0,6%-Punkte von 2020 auf 2021. Das Ziel der Beseitigung extremer Armut könne als weitgehend erreicht angesehen werden, geht aus dem SDG-Monitoring der Statistik Austria hervor. Ungeachtet dessen sei die Anzahl der registrierten Wohnungslosen von 2010 (rund 19.500 Personen) bis 2020 (rund 19.900 Personen) etwas angestiegen. Bei den Mindestsicherungsbezieher:innen liege man 2021 mit 2,2 % der Bevölkerung wiederum etwas unter dem Vergleichswert von 2017.

Schwachstellen bei der SDG-Umsetzung scheinen im Bericht ebenfalls auf. So wird beim Umsetzungsrapport zum SDG 11, nachhaltige Siedlungsgestaltung, die voranschreitende Bodenversiegelung in Österreich als gravierendes Umweltproblem genannt. Innerhalb von zehn Jahren habe sich der Gesamtversiegelungsgrad im Land um mehr als 10% erhöht, auf 41 % im Jahr 2020. Im Rahmen des Mobilitätsmasterplans 2030, mit dem die Regierung bis 2040 einen klimaneutralen Verkehrssektor erreichen will, soll auch der Zuwachs an versiegelten Flächen eingedämmt werden.

Gesundheitsvorsorge erhält neuen Stellenwert

Die Zielsetzung, ein gesundes Leben für Menschen jeden Alters zu schaffen, ist in Österreich zwar hinsichtlich Mütter- und Kindersterblichkeit schon so gut wie erreicht, geht aus dem Bericht hervor, und auch bei der heimischen Selbstmordrate zeige sich ein abnehmender Trend. Allerdings wird bei alkoholbedingten Todesursachen und Suiziden mit knapp 3.030 Personen für 2020 weiterhin ein hohes Niveau ausgemacht.

Im der bereits 2011 lancierten Gesundheitsstrategie Österreich wird nicht zuletzt angesichts des demografischen Wandels vermehrt auf Gesundheitsvorsorge gesetzt. Dazu zählen die österreichweit 115 Community-Nurses-Programme (Stand 1.9.2022), die gemeindenahe Gesundheitsförderung, Beratung und präventive Hausbesuche für ältere Menschen anbieten. In den Jahren 2021 – 2024 sollen 54,2 Mio. € an EU-Fördergeldern für die Umsetzung der Pilotprojekte zur Verfügung gestellt werden

Verbesserungspotenziale bei Bildung und Gleichstellung

Die Entwicklung des Bildungsstandes in den letzten Jahrzehnten zeigt laut Bericht einen allgemeinen Anstieg des Bildungsniveaus der österreichischen Bevölkerung; vom Kindergarten bis hin zum Lebenslangen Lernen habe es anteilsmäßige Zuwächse gegeben. Da empirische Bildungsstudien die entscheidende Bedeutung der ersten Bildungsjahre eines Kindes für den weiteren Bildungsverlauf belegen, ziele die Bund-Länder-Vereinbarung für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 auf die Verbesserung der Bildungschancen von Kindern unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft ab. Dazu gehöre der Ausbau der elementaren Bildungsangebote für Kinder unter drei Jahren und die Verlängerung von Öffnungszeiten.

Der Anteil der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger:innen sei 2021 mit 8,0 % zwar etwas unter dem Wert von 2010 mit 8,3 % gelegen (EU-27 2021 9,7 %), doch wird im Bericht auf den Anstieg von junge Erwachsenen, die weder erwerbstätig noch in Aus- oder Weiterbildung sind ("NEET") hingewiesen - von 8,0 % (2020) auf 8,5 % (2021) (EU-27: 2021 10,8 %). Vor diesem Hintergrund würden die Ausbildungsordnungen in Hinblick auf Praxis- und Kompetenzorientierung laufend auf den neuesten Stand gebracht, so die Bundesregierung, nach dem Motto "Leaving no one behind".

Hinsichtlich Gleichstellung von Freuen und Männern besteht noch großer Handlungsbedarf in Österreich. Der Gender Pay Gap sank zwar von 24,0 % (2010) auf 18,9 % (2020), liegt aber im EU-27 Vergleich (13,0 %) auf hohem Niveau. Bei den Pensionen erhielten Österreicherinnen 2020 um durchschnittlich 42,1% weniger als ihre männlichen Landsleute, leisteten aber – infolge der letztverfügbaren Daten aus 2008/09 - mit fast 5 Stunden fast doppelt so viel unbezahlte Arbeit wie Männer. Die Regierung bekennt sich folglich im Bericht nicht nur zum Kampf gegen alle Formen von Diskriminierung und Gewalt gegenüber Frauen, sondern auch zur Förderung der Geschlechtergleichstellung in Bildung und Wirtschaft sowie der Gleichverteilung von Einkommen und Verantwortung innerhalb der Haushalte.

Partnerschaften mit Drittstaaten

Bei den Kooperationen mit Partnerländern zur Erfüllung der weltweiten Entwicklungsziele nennt der Bericht unter anderem die seit 2021 laufenden Spenden von Corona-Impfstoffen an bedürftige Drittstaaten sowie die 2022 als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erfolgte Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds auf 105 Mio. € und bis 2026 vorgesehene Finanzierungshilfen zum Klimaschutz in den ärmsten Weltbank-Mitgliedern, die von globalen Umweltproblemen wie Klimawandel und Landverödung am meisten betroffen sind. Als laufende Maßnahme im Zusammenhang mit Vertriebenen aus der Ukraine in Österreich werden deren Grundversorgung und die Sicherstellung ihres Arbeitsmarktzugangs hervorgehoben. Mit Stand Dezember 2022 seien 85.011 diesbezügliche Ausweise für Vertriebene aus der Ukraine vergeben worden.

Zu den entwicklungspolitischen Maßnahmen Österreichs gehören überdies seit 2015 die friedenserhaltenden Maßnahmen des heimischen Bundesheeres in Konfliktregionen, wird hier die Verbindung zum SDG 16, Frieden-Gerechtigkeit-starke Institutionen, gezogen. Ebenfalls in diesem Zusammenhang erwähnt der Bericht die Kooperationen des österreichischen Bundesheeres mit über 30 Nationen in den Bereichen Ausbildungsunterstützung der Streitkräfte, Bildung im humanitären Völkerrecht und Menschenrechten sowie bei der Women Peace and Security Agenda. (Schluss) rei