Parlamentskorrespondenz Nr. 620 vom 05.06.2023

Frauengesundheit: In Österreich fehlen die Daten

Gesundheitsminister legt Frauengesundheitsbericht 2022 vor

Wien (PK) – Rund 20 ihrer durchschnittlich 84 Lebensjahre verbringen Frauen in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit. Frauen sind deutlich häufiger von Depressionen und Demenz betroffen als Männer. Auch gynäkologische Erkrankungen tragen bedeutend zur Krankheitslast von Mädchen und Frauen bei. Das geht aus dem Frauengesundheitsbericht 2022 (III-953 d.B.) hervor, den Gesundheitsminister Johannes Rauch vorgelegt hat. Eine zentrale Erkenntnis war, dass zu zahlreichen frauenspezifischen Gesundheitsfragen in Österreich keine repräsentativen Daten vorliegen.

Obwohl mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung Frauen sind, sind klassische Gesundheitsberichte in der Regel noch immer vorrangig an Männern orientiert. Mit dem Frauengesundheitsbericht liegen nach über zehn Jahren erstmals wieder Informationen zur gesundheitlichen Lage von Frauen und Mädchen vor, betont der Gesundheitsminister im Vorwort. Denn um den höchsten Gesundheitsstandard für alle zu erreichen, müsse in der Gesundheitsforschung und -versorgung anerkannt werden, dass sich Gesundheitsthemen von Frauen von jenen der Männer unterscheiden, so Rauch.

Unzureichende Datenlage zu Frauengesundheit in Österreich

Frauen und Mädchen haben häufig andere Erkrankungsrisiken sowie Krankheitsverläufe als Männer und werden oft unzureichend diagnostiziert, wird im Bericht festgehalten. Unterschiedliche biologische Dispositionen, aber auch andere Lebensrealitäten und sozioökonomische Verhältnisse führen dazu, dass Frauen anders erkranken als Männer. Mit einer umfassenden Literatur- und Datenrecherche wurde im Frauengesundheitsbericht 2022 versucht, Themen wie Körper- und Selbstbilder von Mädchen und Frauen, sexuelle Gesundheit, Menstruationsgesundheit, gynäkologische Versorgung, reproduktive Selbstbestimmung, psychische Gesundheit sowie Gewalt gegen Mädchen und Frauen und deren gesundheitliche Auswirkungen aufzuarbeiten.

Die Datenlage habe sich aber als besondere Herausforderung erwiesen, heißt es in den Schlussfolgerungen des Berichts. Viele der verwendeten Daten stammen nicht aus Österreich, weil sie nicht vorhanden oder nicht repräsentativ gewesen wären. Um zu zentralen frauenspezifischen Gesundheitsfragen Maßnahmen ableiten zu können, wäre eine Datengrundlage notwendig. Das betrifft etwa Menstruationsgesundheit, sexuelle Gesundheit, psychische Belastungen, Auswirkungen von Gewalt und frauenspezifische Krankheiten wie Endometriose. Eine Erhebung dieser Daten von Frauen und Mädchen in unterschiedlichen Lebensphasen wird daher für die Zukunft als zentral angesehen.

Außerdem brauche es neue Schwerpunktsetzungen im Gesundheitsbereich, um den Aktionsplan Frauengesundheit umsetzen zu können. Um allen Mädchen und Frauen die gleichen Chancen zu ermöglichen, wird zudem eine präzisere Betrachtung bestimmter Zielgruppen als notwendig erachtet. Denn Frauen in Armut, mit Flucht- und Migrationsgeschichte, mit Behinderungen oder nicht-binärer Geschlechtsidentität etwa hätten unterschiedliche Voraussetzungen, die sich auf ihre Gesundheit auswirken können.

Frauen im Schnitt 20 Lebensjahre krank

Laut Bericht verbringen Frauen von ihren im Durchschnitt 84 Lebensjahren nach eigener Einschätzung rund 20 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit. Ab dem 60. Lebensjahr lebt rund ein Drittel der Frauen allein, ab dem 80. Lebensjahr sind es mehr als die Hälfte. Obwohl mittlerweile 67 % der Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, arbeitet ein Großteil davon (49,6 %) in Teilzeit. Der Gender-Pay-Gap beträgt 18,9 %, in der Pension müssen Frauen mit durchschnittlich 900 € weniger im Monat auskommen als Männer. Geringe Einkommen und Pensionen sowie unbezahlte Sorgearbeit verstärken das Armutsrisiko von Frauen, heißt es im Bericht.

Die häufigste Todesursache (35,7 %) sind bei Frauen wie bei Männern in Österreich Herz-Kreislauf-Erkrankungen. An Krebserkrankungen sterben 22,1 % der Frauen. Häufiger als Männer sind Frauen von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems wie Arthrose und Osteoporose betroffen. Auch an Demenz sterben mehr Frauen (3,7 %) als Männer (2,3 %).

Bei Frauen zwischen 15 bis 49 Jahren machen gynäkologische Erkrankungen wie Endometriose, Myome der Gebärmutter oder Gebärmuttersenkungen etwa 14 % der Krankheitslast aus. Zur sexuellen Gesundheit abseits von reproduktionsbezogenen Aspekten der Sexualität fehlen laut Bericht Daten in Österreich. Gefordert wird daher ein positiver Zugang zu weiblicher Sexualität. Auch für Menstruationsgesundheit wurde bisher keine repräsentative Studie durchgeführt. Es mangle außerdem an Aufklärung und Information, etwa auch zu menstruationsassoziierten Erkrankungen wie Endometriose. Im Bericht wird außerdem ein niederschwelliger und flächendeckender Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen als erforderlich erachtet.

Psychische Erkrankungen deutlich häufiger als bei Männern

Psychische Erkrankungen wie Depressionen und Essstörungen werden bei Frauen häufiger diagnostiziert als bei Männern. Bei Mädchen und jungen Frauen unter 20 Jahren sind psychische Erkrankungen (27 %) die häufigste Ursache für in Krankheit verbrachte Lebensjahre. Auswirkung auf die psychische Gesundheit haben auch Gewalterfahrungen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 haben 20 % der Frauen in Österreich bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Während der Corona-Pandemie berichteten 30 % der in einer SORA-Studie befragten Frauen von zumindest einer Erfahrung von häuslicher Gewalt.

In Bezug auf die Körper- und Selbstbilder von Frauen und Mädchen wird im Bericht eine Studie unter österreichischen Schüler:innen angeführt, die eine Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Gewicht und der Körperwahrnehmung von Mädchen aufgezeigt hat. Bis zu 36 % fühlen sich etwa zu dick, obwohl ihr BMI im Normalbereich liegt. Der Selbstwert wird außerdem zunehmen an das Aussehen geknüpft. Als Mitauslöser für Körperunzufriedenheit und gestörtes Essverhalten werden soziale Medien gesehen. (Schluss) kar