Parlamentskorrespondenz Nr. 626 vom 06.06.2023

Gesundheitsausschuss bringt Abholstationen für Medikamente und freie Apothekenwahl auf den Weg

Initiative zu Gesundheitsdatensystemen angenommen, weitere Oppositionsanträge abgelehnt oder vertagt

Wien (PK) – Der Gesundheitsausschuss stimmte heute einhellig für Regelungen, die eine freie Apothekenwahl sicherstellen und Abholfächer für Medikamente ermöglichen sollen. Die Änderungen seien ein erster Schritt, eine weitreichendere Novellierung im Bereich der Apotheken werde folgen, betonte Gesundheitsminister Johannes Rauch.

Eine breite Mehrheit konnten auch die NEOS für eine Initiative zu vorbereitenden Maßnahmen auf den auf EU-Ebene geplanten Europäischen Raum für Gesundheitsdaten (EHDS) finden. Ein weiterer NEOS-Antrag für mehr Digitalisierung im Gesundheitsbereich blieb jedoch ebenso in der Minderheit wie die Forderung der FPÖ, alle Verträge zur Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen offenzulegen und aufzulösen.

Zahlreiche weitere Anträge der Opposition zu einer breiten Palette an Themen wurden vertagt. Die Forderungen reichen von Maßnahmen gegen Medikamentenengpässe über den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern bis zum Umgang mit Fiakerpferden.

Freie Apothekenwahl und Abholstationen für Arzneimittel

Die von Gesundheitsminister Johannes Rauch vorgelegten Änderungen im Apothekengesetz und im Arzneimittelgesetz (2053 d.B.) passierten den Gesundheitsausschuss einstimmig. Konkret soll im Apothekengesetz ein Zuweisungsverbot für Verschreibungen von Medikamenten festgelegt und die freie Apothekenwahl explizit gesetzlich verankert werden. Laut Gesundheitsministerium habe sich seit der Einführung des e-Rezepts in der Praxis gezeigt, dass Vereinbarungen zur Zuweisung von Verschreibungen getroffen bzw. ärztliche Verschreibungen aus wirtschaftlichen Motiven unmittelbar an bestimmte Apotheken übermittelt werden. Durch das generelle Verbot mit bestimmten Ausnahmen will man laut Erläuterungen der raschen technischen Entwicklung gerecht werden und allfällige künftige Modelle erfassen. Ein Verstoß gegen die neuen Bestimmungen soll eine Verwaltungsübertretung darstellen.

Die Anpassung des Arzneimittelgesetzes soll es öffentlichen Apotheken ermöglichen, Abholfächer bzw. Abholstationen zur Hinterlegung von rezeptfreien Arzneimitteln für Letztverbraucher:innen einzurichten. Die Abholstationen müssen unmittelbar an die jeweilige Apotheke anschließen und unterliegen als Teile der Apothekenbetriebsanlage den entsprechenden Genehmigungs- und Überprüfungspflichten.

Werner Saxinger (ÖVP) hielt die Änderungen für sinnvoll. Es gelte, Geschäftsmodellen einen Riegel vorzuschieben, die darauf abzielen, dass ärztliche Verschreibungen an bestimmte Apotheken übermittelt werden. Karl Schmidhofer (ÖVP) ergänzte, dass etwa für Betreuungspersonen oder Nachbarschaftshilfen Ausnahmen gelten. Ralph Schallmeiner (Grüne) fand es gut, dass die Regelung umgesetzt werde, zumal eine solche laut Rückmeldungen der Apotheken bereits überfällig gewesen sei. Auch Philip Kucher (SPÖ) und Fiona Fiedler (NEOS) drückten ihre Zustimmung aus.

Gerhard Kaniak (FPÖ) bezeichnete die Regelung als "zumindest schrittweise Verbesserung", vermisste aber weitreichendere Änderungen, etwa im Bereich der Zustellung von Medikamenten. Gesundheitsminister Johannes Rauch versicherte, dass die Vorlage ein erster Schritt sei und eine weitere, größere Novellierung anstehe.

Oppositionsanträge zu Impfstoffbeschaffung und Arzneimitteln

Mit ihrem neuerlichen Anlauf in Sachen Offenlegung aller Verträge, die in Zusammenhang mit der Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen stehen, blieben die Freiheitlichen im Ausschuss in der Minderheit. Zum "Schutz der heimischen Steuerzahler:innen" forderte die FPÖ nicht nur völlige Transparenz in dieser Causa, sondern eine umgehende Auflösung aller noch laufenden Verträge mit den jeweiligen Impfstoff-Herstellern (3216/A(E)). Der Antrag wurde abgelehnt.

Der Gesundheitsminister habe sich bereits auf europäischer Ebene für mehr Transparenz eingesetzt, betonten Werner Saxinger (ÖVP) und Ralph Schallmeiner (Grüne). Die Kommission habe bereits Vertragsanpassungen angekündigt, so der ÖVP-Abgeordnete. Damit wollte sich Gerald Hauser (FPÖ) nicht zufrieden geben. Schließlich seien die Verträge nach wie vor vertraulich.

Mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wurden Vorstöße der Opposition zur Verfügbarkeit von Arzneimitteln. Die FPÖ griff etwa aktuelle Engpässe in der Medikamentenversorgung auf und forderte Lösungen ein. Neben einer Erleichterung der Abgabe- und Verrechnungsbestimmungen für Apotheken und einer Evaluierung der österreichischen Arzneimittelpreise und –spannen brauche es aus Sicht der Freiheitlichen unter anderem auch eine "Liste essenzieller Arzneimittel" und eine Verpflichtung von Apotheken und Großhandel zur Erhöhung der Bevorratungszeit von Medikamenten auf drei Monate. (3351/A(E)). Gesundheitsminister Rauch versicherte, dass bereits Vorbereitungen für eine Bevorratung von Medikamenten in Arbeit seien.

Die NEOS sehen unter anderem die niedrigen Preise für Medikamente aufgrund eines hohen Preisabschlags von 6,5 %, der vom EU-Durchschnittspreis abgezogen wird, als Ursache für Engpässe. Mit einer Änderung des ASVG (3263/A(E)) wollen sie Änderungen in der Preisgestaltung erreichen.

NEOS-Initiativen zur Digitalisierung im Gesundheitssystem

Breite Zustimmung gab es zu einem Antrag der NEOS, in dem sie Reformbedarf bei den heimischen Gesundheitsdatensystemen orten und sich für eine rechtzeitige Vorbereitung auf die Zielvorgaben des auf EU-Ebene vorgeschlagenen Europäischen Raums für Gesundheitsdaten (EHDS) aussprechen (3029/A(E)). Konkret fordern sie eine Analyse der gesetzlichen Grundlagen für die Sammlung von Gesundheitsdaten und einen Plan für ein einheitliches Gesundheitsdatensystem. Es gebe einige Bereiche, an denen man arbeiten müsste, bekräftigte Fiona Fiedler (NEOS).

Ralph Schallmeiner (Grüne) befürwortete die Intention des Antrags, wenngleich er noch offene Fragen, etwa im Bereich des Datenschutzes, ortete. Auch Laurenz Pöttinger (ÖVP) äußerte Zustimmung. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS ins Plenum geschickt.

Mit den Stimmen von SPÖ und NEOS in der Minderheit blieb jedoch eine weitere Initiative der NEOS (3217/A(E)). Sie wollen die Digitalisierung im Gesundheitssystem vorantreiben und forderten diesbezüglich eine umfassende Reform ein, um den "Fleckerlteppich an Zuständigkeiten" zu beseitigen, wie Fiona Fiedler (NEOS) im Ausschuss betonte. ÖVP und Grüne stießen sich an der im Antrag geforderten Entkoppelung des ELGA-Ausbaus vom Finanzausgleich.

Zahlreiche weitere Oppositionsanträge vertagt

Weitere, ebenfalls mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagte Anträge der Opposition betreffen vielfältige Themen. So spricht sich die FPÖ etwa für kostenlose Testarmbänder zum Nachweis von K.O.-Tropfen für Frauen und Jugendliche aus. Der Gesundheitsminister solle diese Drogen-Testarmbänder in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer ankaufen, um diese gratis bei Veranstaltungen, in sozialen Einrichtungen und Lokalen an Frauen und Jugendliche abzugeben, lautet die Forderung (3179/A(E)). Bei ihrer Vertagung verwiesen die Koalitionsparteien auf offene Fragen im Bereich der Zuständigkeit. Es gelte aber jedenfalls, an diesem wichtigen Thema dranzubleiben, versicherten Bedrana Ribo (Grüne) und Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP).

Der Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor medizinisch nicht notwendigen und nicht-konsensualen Operationen ist der SPÖ ein Anliegen (3408/A(E)). Es gebe zwar nach einer im Nationalrat gefassten Entschließung seit Herbst 2022 einen Gesetzesentwurf zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder und Jugendlicher, dieser werde jedoch innerhalb der Bundesregierung von der ÖVP blockiert, kritisieren die Sozialdemokrat:innen und fordern eine rasche Umsetzung.

Für ein Verbot der Off-Label-Verschreibung von "Pubertätsblockern" tritt wiederum die FPÖ ein (3286/A(E)). Es brauche eine gesetzliche Grundlage, wonach der Einsatz von Pubertätsblockern ausschließlich auf medizinisch indizierte und in der Behandlung alternativlose Fälle eingeschränkt werde. Außerdem sollten die Verschreibung und Anwendung von Off-Label-Arzneimitteln in diesem Bereich ausnahmslos verboten werden.

In einem weiteren vertagten Entschließungsantrag macht die SPÖ auf die rechtliche Schlechterstellung von Frauen mit Fehlgeburten gegenüber Totgeburten aufmerksam und fordert einen Maßnahmenkatalog zu deren Unterstützung (3152/A(E)). Der Gesundheitsminister kündigte ein Gespräch dazu mit Expert:innen für Ende Juni an.

Die NEOS brachten außerdem ein Tierschutzthema aufs Tapet. Da sich die klimatischen Umstände in den letzten Jahren stark verändert haben, halten die NEOS eine neue Studie zum Einsatz von Arbeits- und insbesondere Fiakerpferden für notwendig (2616/A(E)). Nur mit aktuellen Daten könnten neue Modelle zum Einsatz von Fiakerpferden entwickelt werden. Eine diesbezügliche Studie sei in Kooperation mit der Stadt Wien und der Veterinärmedizinischen Universität in Planung, berichtete der Gesundheitsminister. (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) kar