Parlamentskorrespondenz Nr. 631 vom 06.06.2023

Gesundheitsausschuss gibt grünes Licht für neuen digitalen Eltern-Kind-Pass

Opposition thematisiert Personalmangel im Gesundheitsbereich

Wien (PK) – Die Einführung des neuen digitalen Eltern-Kind-Passes – und damit das Ende des seit 1974 bestehenden Mutter-Kind-Passes – rückt mit der Abstimmung im heutigen Gesundheitsausschuss einen Schritt näher. Die Einführung des Mutter-Kind-Passes sei ein Meilenstein in der Gesundheitsvorsorge gewesen, mit dem Eltern-Kind-Pass erfolge nun eine Anpassung an das digitale Zeitalter, betonte Gesundheitsminister Johannes Rauch in der Ausschussdebatte. Während die Mandatare der ÖVP und Grüne die Vorteile der Maßnahme als wichtigen Schritt hervor hoben, bemängelten die Oppositionsfraktionen insbesondere den Datenschutz. Der FPÖ war zudem die Umbenennung sowie das Entfallen des physischen Mutter-Kind-Passes ein Dorn im Auge.

Ebenfalls auf der Tagesordnung standen zahlreiche Forderungen der Opposition zur Lösung des Personalproblems im Gesundheitsbereich, zum Gesundheitssystem sowie zu Berufsbildern. Alle Forderungen wurden mit der Stimmenmehrheit von ÖVP und Grünen vertagt. Gesundheitsminister Rauch berichtete in diesem Zuge über die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen und dem Ziel dabei, an den entscheidenden Schrauben zur Verbesserung der Personalsituation zu drehen.

Mutter-Kind-Pass wird ausgebaut und zum digitalen Eltern-Kind-Pass weiterentwickelt

Der bisherige Mutter-Kind-Pass erhält ab Jänner 2024 nicht nur einen neuen Namen, sondern wird bis 2026 auch ausgebaut und digitalisiert. Grundlage dafür ist eine Regierungsvorlage, durch die das Eltern-Kind-Pass-Gesetz erlassen und damit zusammenhängende Rechtsmaterien novelliert werden (2049 d.B.). Das in Österreich 1974 eingeführte Vorsorgeprogramm habe einen wichtigen Beitrag zur rechtzeitigen Behandlung von Krankheiten bei Müttern und Neugeborenen geleistet sowie die Säuglingssterblichkeit deutlich reduziert, ist den Erläuterungen zu entnehmen.

Die Leistungen des Mutter-Kind-Passes sollen nunmehr erweitert werden. Dazu finden sich im Entwurf aber keine konkreten Angaben, da der Umfang und die Art der ärztlichen Untersuchungen und Hebammenberatungen per Verordnung festzulegen sind. Darüber hinaus können weitere Beratungsleistungen vorgesehen werden. Geplant ist auch eine Ausdehnung des Untersuchungsprogramms bis zum 18. Lebensjahr. Mit der Schaffung einer elektronischen Eltern-Kind-Pass-Anwendung soll die Zusammenarbeit zwischen den Anbietern von Gesundheitsdiensten (z.B. durch elektronische Einsicht in Untersuchungsergebnisse) und die Zuweisung an zusätzliche Unterstützungsangebote (z.B. Frühe Hilfen) verbessert werden. Eine weitere Erleichterung für die Familien ergibt sich dadurch, dass der für den Erhalt des Kinderbetreuungsgeldes erforderliche Nachweis der Untersuchungen entfällt, sofern diese elektronisch erfasst wurden. Im Sinne eines niederschwelligen Zugangs sollen vor allem sozial benachteiligte und bildungsferne Familien sowie Personen mit eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen noch besser erreicht werden. Es soll im Wege des elektronischen Eltern-Kind-Pass-Portals (eEKP) auch die Möglichkeit geschaffen werden, an Untersuchungen und die Fristen erinnert zu werden. Die Regierungsvorlage wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen. Dieser sieht Ergänzungen im Bereich des Datenschutzes und eine Verordnungsermächtigung für etwaige Anwendungserweiterungen vor.

Die Einführung des Mutter-Kind-Passes sei ein Meilenstein in der Gesundheitsvorsorge gewesen und habe viele Menschenleben gerettet, betonte Gesundheitsminister Johannes Rauch. Das Programm habe insbesondere für sozial benachteiligte Familien eine hohe Bedeutung. Mit dem Eltern-Kind-Pass erfolge nun eine Anpassung für das digitale Zeitalter. Ebenso wichtig sei die Umbenennung. In der Regierungsvorlage habe man besonders auf Datenschutz und die Verhinderung von Datenmissbrauch geachtet, erklärte Rauch hinsichtlich der Bedenken von Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), Mario Lindner (SPÖ), Dagmar Belakowitsch (FPÖ), Peter Wurm (FPÖ) und Katharina Werner (NEOS). So hätten Mütter, dass Recht die Dateneinsicht sperren zu lassen. Weiters würden Familienberatungsstellen nur für sie relevante Daten einsehen können. Die 30-jährige Behaltefrist der Daten begründete Rauch mit der geplanten Ausweitung bis zum 18. Lebensjahr sowie zur Vorsorge bei weit auseinander liegenden Geburten.

Das Spektrum an Leistungen werde mit dem Eltern-Kind-Pass künftig größer als bisher sein, hob Alexandra Tanda (ÖVP) unter anderem den angezielten barrierefreien Zugang oder die Erinnerungsfunktion hervor.

Der Mutter-Kind-Pass als Vorzeigeprojekt der Gesundheitsvorsorge komme als Eltern-Kind-Pass im 21. Jahrhundert an, zeigte sich Ralph Schallmeiner (Grüne) erfreut. In der Begutachtung habe es zahlreiche Stellungnahmen gegeben. Die Bedenken zum Datenschutz seien eingearbeitet worden.

Die Verordnungsermächtigung sei sehr weitreichend und eine Abstimmung mit dem Familienministerium notwendig, bemängelte Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ).

Mit der Regelung würde das ideologische Weltbild der Grünen umgesetzt, kritisierte Peter Wurm (FPÖ) die Umbenennung, die Digitalisierung sowie die Mehrsprachigkeit des künftigen Eltern-Kind-Passes als "Schwachsinn pur" und "Fehlentwicklung". Es sei für junge Mütter wichtig, den Mutter-Kind-Pass physisch in Händen zu halten, sprach sich auch Dagmar Belakowitsch (FPÖ) gegen die Digitalisierung und für eine Wahlfreiheit aus.

Die Digitalisierung und Barrierefreiheit befürwortete Katharina Werner (NEOS). Zudem plädierte sie hinsichtlich der 30-jährigen Aufbewahrung von Daten für eine Opt-Out-Möglichkeit und eine Einbeziehung von Hebammen bei der Elternberatung. Die Daten über Schwangerschaftsabbrüche würden nach einem Jahr gelöscht und der Grund dafür werde nicht gespeichert, betonte Meri Disoski (Grüne) zu den diesbezüglichen Bedenken von Werner.

SPÖ: Verhinderung von Ambulanzgebühren

Selbstbehalte im Gesundheitssystem sollen zurückgedrängt und keinesfalls Gebühren für Leistungen in Spitalsambulanzen eingeführt werden, fordert Philip Kucher (SPÖ) mittels Entschließungsantrag (3409/A(E)). Ambulanzgebühren und Selbstbehalte seien keine Lenkungselemente. Die Lenkung funktioniere wegen des mangelnden Angebots im niedergelassenen Bereich nicht. Dies dürfe nicht am Rücken der Patient:innen ausgetragen werden, fordert Kucher. Ein Vertreter der Ärztekammer habe vorgeschlagen, dass Patient:innen, die ohne Überweisung oder Notfall eine Spitalsambulanz aufsuchen, sämtliche Kosten selbst bezahlen sollen, kritisierte Rudolf Silvan (SPÖ) in der Ausschussdebatte.

Es seien keine neuen Selbstbehalte angedacht, betonten Josef Smolle (ÖVP) und Ralph Schallmeiner (Grüne). Es gelte die Lenkung zum "best point of care" durch Information und entsprechendes Angebot zu fördern. Aus diesem Grund arbeite man an der Stärkung des niedergelassenen Bereichs. Die Menschen würden über Steuern und Sozialversicherung bereits die Spitäler finanzieren, meinte Fiona Fiedler (NEOS).

SPÖ und FPÖ thematisieren Personalmangel bei den Ärzt:innen und Gesundheitspersonal

Dringenden Handlungsbedarf sieht die SPÖ beim Thema Ärzt:innenmangel. Obwohl die Bevölkerung wachse, sei die Zahl der Kassenpraxen in Österreich seit 2010 rückläufig. Parallel sei die Zahl der Wahlärzt:innen um 40 % gewachsen und in den Spitälern würden bis 2030 rund 6.000 Ärzt:innen fehlen. Ansetzen will Rudolf Silvan (SPÖ) bei den Aufnahmekriterien zum Medizinstudium sowie bei der Anzahl der Studienplätze, die verdoppelt werden sollen (3316/A(E)).

Auch die Freiheitlichen sehen dringenden Handlungsbedarf beim Personalmangel und schlagen einen 6-Punkte-Plan vor (3342/A(E)). Dieser setzt sowohl auf organisatorischer, personeller als auch finanzieller Ebene an. Dazu soll unter anderem der Personalbedarf evaluiert, mehr finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeiter:innen gesetzt, ein bundesweites Stipendiensystem geschaffen sowie Wahlärzt:innen ins Kassensystem eingebunden werden, betont Gerhard Kaniak (FPÖ). Gefahr in Verzug ortet der freiheitliche Gesundheitssprecher auch bei der unfallchirurgischen Versorgung in Österreich (3337/A(E)). Die Probleme reichten von dramatischen Personalproblemen in den Spitälern, Ausbildungslücken im Sonderfach "Orthopädie und Traumatologie" bis hin zur mangelnden Umsetzung von sogenannten Traumanetzwerken in zahlreichen Bundesländern. Es gelte daher, Forderungen der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie (ÖGU) rasch umzusetzen, OP-Kapazitäten auszubauen sowie den Spitalsarztberuf zu attraktivieren.

Im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen versuche man, an den entscheidenden Schrauben zu drehen, erklärte Gesundheitsminister Johannes Rauch zu den Anträgen. Es gebe Einigkeit, den niedergelassenen Bereich zu stärken. Im Bereich der Wahlärzt:innen gebe es ebenfalls Handlungsbedarf.

Man müsse in der Diskussion die Versorgungsengpässe und die Zahl an Ärzt:innen auseinander halten, forderte Josef Smolle (ÖVP). Es gebe in Österreich mehr Ärzt:innen als in anderen Ländern, man müsse daher die Schrauben am System drehen, sprach sich Smolle gegen die Verdoppelung der Studienplätze aus. Da das Einkommen der Ärzt:innen aktuell nicht mit deren Versorgungswirksamkeit korreliere, müsse man das der sehr wirksamen Kassenärzt:innen anpassen. Hinsichtlich des 6-Punkte-Programms der Freiheitlichen stimmte Smolle dem Ziel der Entbürokratisierung zu. Viele würden bis zu zwei Drittel ihrer Arbeitszeit für die Dokumentation aufwenden. Bei der Unfallchirurgie seien Modelle zur Attraktivierung nötig.

Nicht die Medizinstudienplätze seien der "Flaschenhals" sondern das "Grundübel" seien die nicht ausreichend vorhandenen Ausbildungsplätze in den Krankenhäusern, kritisierte Ralph Schallmeiner (Grüne). Hinsichtlich des 6-Punkte-Plans der FPÖ meinte er, dass es mehr brauche. Bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen strebe man an, die Strukturen so aufzubereiten, dass der Arztberuf attraktiviert und Berufsfelder entsprechend ihrer Ausbildung eingesetzt würden. Hinsichtlich der FPÖ-Forderungen zur Unfallchirurgie gab Bedrana Ribo (Grüne) zu bedenken, dass diese teilweise in der Zuständigkeit der Bundesländer liegen würden.

Für bundeseinheitliche Stipendien sowie eine Vereinfachung der Zugangstests, aber keine Verdoppelung der Studienplätze sprach sich Fiona Fiedler (NEOS) aus. Ebenso brauche es bessere Arbeitsbedingungen und Anreize für Ärzt:innen, wie die bessere Bezahlung oder gute Verträge, damit diese vermehrt in Österreich bleiben.

FPÖ: Berufsrechts-Novelle der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD)

Eine Novelle des Berufsrechts der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD) fordert FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak mittels Entschließungsantrag (3380/A(E)). Diese sei "dringend" notwendig, da das seit 30 Jahren geltende MTD-Gesetz nicht mehr aktuellen Anforderungen an die sieben MTD-Berufe (Biomedizinische Analytik, Diätologie, Ergotherapie, Logopädie, Orthoptik, Physiotherapie und Radiologietechnologie) entspreche. Mit einer Reform könnte eine weitere Professionalisierung und eine bessere Versorgung der Patient:innen erreicht werden. Kaniak verweist im Antrag auf die Reformvorschläge des Dachverbands der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, MTD-Austria, und fordert deren Umsetzung. Diese beinhalten unter anderem die Aktualisierung der MTD-Berufsbilder, die Aufstockung der Studienplätze sowie die Sichtbarmachung der MTD-Berufe in ELGA sowie die Erfassung im GDA-Index.

Es würden bereits Gespräche zu einer Novellierung laufen und man sei dabei auf einem guten Weg, berichteten Josef Smolle (ÖVP) und Bedrana Ribo (Grüne). Eine Novellierung sei dringend notwendig, stimmte Fiona Fiedler (NEOS) der FPÖ-Forderung zu.

SPÖ- und NEOS-Vorschläge zur Verbesserung der Situation im Pflegebereich

Ebenfalls von der Koalition vertagt wurden Initiativen von SPÖ und NEOS zu Verbesserungen in der Pflege. Das von der SPÖ vorgeschlagene Maßnahmenpaket enthält unter anderem eine Aufstockung der Ausbildungsplätze, eine faire Bezahlung, die Gewährung einer zusätzlichen Erholungswoche sowie die Einführung eines Personalbedarfsschlüssels und langfristig lebbarer Arbeitszeitmodelle (3317/A(E)). Die NEOS fordern bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für den Pflegesektor (2368/A(E)). Sie halten es für notwendig, den Pflegeschlüssel in stationären Einrichtungen und Krankenhäusern, die Pflegestandards inklusive der Qualitätssicherungsmodalitäten, die Pflegereportings sowie die Ausbildungs- und Praktikumsmodalitäten zu vereinheitlichen.

Gesundheitsminister Rauch wies im Ausschuss darauf hin, dass weite Teile der Pflegereform bereits umgesetzt seien. Nun gehe es darum, die Regelfinanzierung abzusichern, wo er auf die Kooperation der Bundesländer angewiesen sei. (Schluss Gesundheitsausschuss) pst/kar