Parlamentskorrespondenz Nr. 786 vom 04.07.2023

Neu im Verfassungsausschuss

Volksbegehren "ECHTE Demokratie" und "Nehammer muss weg"

Wien (PK) – Gleich zwei der zuletzt dem Nationalrat zugeleiteten Volksbegehren wurden von einer Gruppe rund um Robert Marschall initiiert, der auch schon Proponent verschiedener anderer Volksbegehren war. Zum einen wird unter dem Titel "Echte Demokratie-Volksbegehren" ein ganzes Bündel von Gesetzesänderungen gefordert, das von einer Verkürzung der Legislaturperiode auf zwei Jahre über die verpflichtende Abhaltung von Volksabstimmungen über erfolgreiche Volksbegehren bis hin zu einem Verbot von "Kartellbildungen" im Parlament in Form von Koalitionen reicht. Zum anderen wollen die Initiator:innen erreichen, dass alle Beschlüsse des Nationalrats und damit auch Misstrauensanträge gegen Bundeskanzler Karl Nehammer mittels Volksbegehren begehrt werden können.

Volksbegehren "ECHTE Demokratie"

Inklusive Begründung 25 Seiten stark ist das Volksbegehren "Echte Demokratie", das zuvorderst "ein absolutes Diktaturverbot", Versammlungsfreiheit, ein "faires Wahlrecht" ohne Prozenthürden sowie durch das Volk einleitbare Volksabstimmungen – etwa in Form von Volksbegehren – fordert und von 131.619 Österreicher:innen bzw. 2,07 % der Wahlberechtigten unterzeichnet wurde (2074 d.B.). Entscheidungen durch das Volk würden zwar viel länger dauern, dafür seien Volksentscheidungen "deutlich besser als Politikerentscheidungen", sind die Initiator:innen überzeugt. In einer Demokratie sollten Politiker:innen ihrer Ansicht nach Entscheidungen zwar vorbereiten, aber nicht für das Volk entscheiden. Auch hegen sie Zweifel, ob die freie Meinungsäußerung noch gewährleistet ist.

In die Begründung des Volksbegehrens sind dann auch zahlreiche weitere Forderungen verwoben. Sie reichen von einer Beendigung der Schuldenpolitik Österreichs und einer Rückkehr zum Schilling über eine massive Senkung der Parteienförderung und eine Abschaffung der Briefwahl bis hin zur Verkürzung der Legislaturperiode auf zwei Jahre und zu einer Begrenzung der Amtszeit von Nationalratsabgeordneten auf maximal 10 Jahre. Auch müsse im Sinne des Verhältniswahlrechts jede Stimme gleich viel zählen und 1 % der Stimmen 1 % der Mandate ergeben. Das Wahlalter wollen die Initiator:innen wieder auf 18 Jahre hinaufsetzen, einen Wechsel von der Abgeordnetenbank auf die Regierungsbank erst nach einer zehnjährigen "Abkühlphase" erlauben und ein Reißverschlusssystem bei Wahllisten im Sinne eines "Sexismusverbots" explizit verbieten.

Außerdem gehören nach Meinung der Proponent:innen Koalitionen im Parlament, die sie als "Kartellbildung" bezeichnen, verboten und unter empfindliche Strafe gestellt. Derzeit würde die Mehrheit der Abgeordneten durch Koalitionen "die Regierungsmacht an sich reißen", beklagen sie.

Volksabstimmungen sollten laut Begründung nicht nur über erfolgreiche Volksbegehren mit mehr als 100.000 Unterschriften abgehalten werden müssen, sondern jedenfalls auch über alle Verfassungsänderungen "und am besten auch bei neuen Raumordnungsgesetzen und Naturschutzthemen". Ebenso sollte eine vom Volk initiierte Abwahl des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin möglich sein. Eine entsprechende Volksabstimmung würde laut Vorschlag dann abzuhalten sein, wenn ein Volksbegehren mit 100.000 Unterstützungserklärungen oder – wie schon derzeit geregelt – die Bundesversammlung das verlangt.

Volksbegehren "Nehammer muss weg"

Mit 106.440 Unterschriften knapp die 100.000er-Hürde übersprungen hat das Volksbegehren "Nehammer muss weg" (2079 d.B.). Bundeskanzler Karl Nehammer habe das Vertrauen der Wähler:innen und das Vertrauen in die Demokratie grob missbraucht, argumentieren die Initiator:innen und verweisen in diesem Zusammenhang unter anderem auf die unter der Regierung Nehammer eingeführte COVID-19-Impfpflicht sowie den Terroranschlag in Wien während Nehammers Amtszeit als Innenminister. Auch das Vorgehen der Polizei "gegen das friedliche Volk bei Kundgebungen" während der Corona-Pandemie, die ihrer Meinung nach verfehlte Russland-Politik der Regierung und die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze durch die ÖVP beim Wahlkampf zur Nationalratswahl 2019 kreiden sie dem Bundeskanzler an. Nehammer sei zudem nie vom Volk zum Bundeskanzler gewählt worden und habe mit seinem Wechsel vom Nationalrat in die Regierung "einen Bruch der Gewaltentrennung" begangen, heißt es im Volksbegehren.

Konkret gefordert wird, Artikel 41 der Bundesverfassung dahingehend zu ändern, dass alle Beschlüsse des Nationalrats und damit auch Misstrauensbeschlüsse gegen Bundeskanzler Karl Nehammer per Volksbegehren begehrt werden können.

Zu beiden Volksbegehren wird vor ihrer geplanten Zuweisung an den Verfassungsausschuss eine Erste Lesung im Plenum des Nationalrats abgehalten. (Schluss) gs